Europarecht

Haftung, Berufungsverfahren, Hinweis, Kenntnis, Zeitpunkt, AG, Streitwert, Rechtsauffassung, Voraussetzungen, Kostenentscheidung, Beschlussfassung, Hinweisbeschluss, Schriftsatz, Pflicht, substantiierter Vortrag

Aktenzeichen  27 U 6070/20

Datum:
20.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11599
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

093 O 2786/19 2020-09-02 Endurteil LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 02.09.2020, Az: 093 O 2786/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger nimmt die Beklagte als Fahrzeughersteller im Zusammenhang mit dem Erwerb eines mit Dieselmotor versehenen Kraftfahrzeugs aufgrund einer behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.
Wegen des Tatbestands und der im Berufungsverfahren gestellten Anträge wird auf Ziff. I des Senatsbeschlusses vom 08.03.2021 Bezug genommen.
Ergänzend wird auf die Stellungnahme des Klägers vom 15.04.2021 zum Senatshinweis vom 08.03.2021 Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 02.09.2020, Aktenzeichen 093 O 2786/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 08.03.2021 Bezug genommen, § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO.
Die Stellungnahme des Klägers vom 15.04.2021 enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 20.07.2020 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung.
Lediglich ergänzend ist daher auszuführen wie folgt:
1.
Auch im Berufungsverfahren fehlt es weiterhin an einem substantiierten Vortrag des Klägers zu einer Kenntnis der Beklagten von den klägerseits behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen:
Der streitgegenständliche Motor wie auch dessen Steuerung wurden samt Software bei einem konzernzugehörigen Unternehmen zugekauft und ohne eigene Einbindung in die Entwicklungsarbeit fertig „modular“ übernommen.
Nach Beschlussfassung des Senats über den Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 08.03.2021 hat sich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 09.03.2021, VI ZR 505/19, grundlegend mit den Voraussetzungen einer deliktischen Haftung rechtlich selbständiger Gesellschaften des Konzerns für innerhalb des Konzerns zugelieferte Motoren geäußert. Diese zur Frage einer Haftung der AG für von der AG bezogene Motoren des Typs ufgestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Falle anwendbar, soweit eine Haftung der AG für die von der AG entwickelten und zugelieferten Motoren infrage steht.
Demnach bedarf es konkreter Anhaltspunkte im Parteivorbringen für eine Kenntnis verfassungsmäßig berufener Vertreter des Kraftfahrzeugherstellers von der Verwendung der unzulässigen Motorsteuerungssoftware (BGH a.a.O. Rn. 30) und darüber hinaus konkreter Anhaltspunkte für einen Schädigungsvorsatz, der bei einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter des Herstellers hätte Vorliegen müssen. Auch insoweit müsste Anhalt dafür dargetan sein, dass Personen, für deren Verhalten der Kraftfahrzeughersteller nach § 31 BGB einzustehen hat, Kenntnis vom Einsatz der Manipulationssoftware und ihrer Unzulässigkeit besaßen (BGH a.a.O. Rn. 32).
Ein konkreter, substantiierter Vortrag der Klagepartei, dass und gegebenenfalls auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt der Beklagten Informationen im Hinblick auf die behaupteten Mängel der Motorsteuerungssoftware aktenmäßig oder bei Besprechungen vermittelt worden sein sollen, ist nicht vorhanden. Entsprechend fehlt es auch an einer Grundlage für die beantragten Zeugenvernehmungen. Diese stellen infolge des Fehlens eines konkreten Beweisthemas – wie zutreffend von der Beklagten gerügt – eine reine Ausforschung dar. Für den USamerikanischen Markt gelieferte Motoren (Gegenerklärung Seite 7 oben) dürften schon grundsätzlich für den hier zu beurteilenden Fall nicht entscheidungserheblich sein.
Auch die von der Klagepartei hierzu vorgetragenen personellen Verflechtungen insbesondere im Vorstandsbereich führen zu keiner anderen Bewertung.
Es besteht keine Pflicht zur konzernübergreifenden Weitergabe persönlicher Kenntnisse, die Mitarbeiter oder Vorstandsmitglieder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses bei einer anderen Konzerngesellschaft erlangt haben, im Falle eines Wechsels des Arbeitgebers innerhalb des Konzerns.
Dies gilt umso mehr angesichts des Umstands, dass die U. AG, AG und die Beklagte mit den von ihnen hergestellten Fahrzeugen am Markt im Wettbewerb stehen.
Insoweit darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei der Beklagten um einen Hersteller von Fahrzeugen aus dem sogenannten Premium-Segment handelt, für den es potenziell rufschädigend wirken dürfte, sollte sich ergeben, dass eine strategische Unternehmensentscheidung dahin getroffen worden wäre, unter Emissionsgesichtspunkten beanstandungswürdige Dieselmotoren zum Nachteil der Kunden in Fahrzeugen zu verbauen.
In diesem Zusammenhang ist die auf Seite 4 des Schriftsatzes vom 15.04.2021 (und im folgenden öfters) aufgestellte Behauptung des Klägers, letztlich bestreite die Beklagte nicht, Kenntnis vom Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen gehabt zu haben, sondern lediglich eine Kenntnis der vom KBA letztlich als unzulässig festgestellten Bedatung der Motorsteuerungssoftware, für den Senat nicht nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass das KBA doch gerade die konkrete Ausrichtung der Bedatung der sogenannten Aufwärmstrategie auf die Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) beanstandet hat.
2.
Hinsichtlich der wiederholenden Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 15.04.2021 zum sogenannten Thermofenster wird zur Vermeidung auch diesseitiger Wiederholungen auf die Ausführungen auf Seiten 7 ff. im Hinweisbeschluss vom 08.03.2021 (unter II.2.c) Bezug genommen.
3.
Die von Klägerseite vorgetragenen Verletzungen von Untersuchungspflichten würden ebenso wie eine Haftung wegen Organisationsverschuldens allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf – wie er auch von der Staatsanwaltschaft Stuttgart erhoben wurde (vgl. Pressemitteilung vom 07.05.2019) – begründen (siehe dazu nunmehr auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 36 betreffend die Frage einer Haftung des H. AG für verbaute Motoren des H. AG).
III.
Die Entscheidung erging nach § 522 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
Maßgebend für die Entscheidung des Senats war insoweit vorliegend die im Einzelfall zu beurteilende Frage des Vorliegens eines ausreichenden Sachvortrags im Hinblick auf den behaupteten objektiven und subjektiven Tatbestand der deliktischen Haftungsnorm des § 826 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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