Europarecht

Inhaltliche Anforderungen an eine Berufungsbegründung

Aktenzeichen  VI ZB 59/19

Datum:
21.7.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:210720BVIZB59.19.0
Normen:
§ 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO
§ 520 Abs 3 S 2 Nr 3 ZPO
§ 31 BGB
§ 823 Abs 2 BGB
§ 826 BGB
§ 263 StGB
Art 3 Nr 10 EGV 715/2007
Art 5 Abs 2 EGV 715/2007
Spruchkörper:
6. Zivilsenat

Leitsatz

Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Braunschweig, 11. März 2019, Az: 7 U 130/18vorgehend LG Braunschweig, 20. Februar 2018, Az: 3 O 1895/17 (154)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. März 2019 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.823,66 €.

Gründe

I.
1
1. Der Kläger erwarb bei einem Autohaus ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 EU5. Das Kraftfahrt-Bundesamt stellte fest, dass die Motorensteuerung dieser Baureihe eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 S. 1) enthält, und verpflichtete die Beklagte, für Fahrzeuge mit Motoren dieser Baureihe ein Softwareupdate zu entwickeln. Das vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene Softwareupdate wurde im Fahrzeug des Klägers installiert. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Feststellung des Annahmeverzugs in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
2
2. Das Oberlandesgericht hat den Kläger durch Beschluss darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung zu verwerfen, da sie mangels ordnungsgemäßer Berufungsbegründung unzulässig sei. Danach komme es nicht mehr darauf an, dass die Berufung auch offensichtlich unbegründet sei und zurückzuweisen wäre. Durch den angegriffenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts verworfen und insoweit zur Begründung auf den Hinweisbeschluss Bezug genommen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
3
Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers inhaltlich nicht mehr den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO an eine Berufungsbegründung entspricht, ist nicht zu beanstanden.
4
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. Februar 2020 – VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5; vom 20. Oktober 2015 – VI ZB 18/15, NJW-RR 2015, 1532 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 5. November 2019 – II ZB 12/19, juris Rn. 22; vom 16. Juli 2019 – XI ZB 10/18, juris Rn. 8).
5
2. Diesen Anforderungen wird der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht mehr gerecht. Daraus ergibt sich lediglich noch hinreichend deutlich, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB und § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB bestehen sowie eine konkludente Täuschung oder eine Täuschung durch Unterlassen vorliegen sollen. Darüber hinaus wird schon nicht klar, auf welche Anspruchsgrundlage(n) und Tatbestandsmerkmale sich die (weiteren) Ausführungen beziehen. Jedenfalls wären diese nicht ausreichend auf die strukturierte und differenzierte Argumentation des Landgerichts zugeschnitten. Abweichendes ergibt sich aus dem Hinweis auf erstinstanzliche Urteile anderer Gerichte und eine Kommentierung schon deshalb nicht, weil sich dieser ausschließlich auf die Aussage des Klägers bezieht, worin nach seiner Auffassung die schädigende Handlung liegt, und auch insoweit nicht klar wird, welche Anspruchsgrundlage und welches Tatbestandsmerkmal dies betrifft. Im Übrigen bliebe offen, welche (weiteren) Erwägungen dieser Urteile und der Kommentierung sich der Kläger zu eigen machen will. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung zu “einer Haftung wegen Verstoßes gegen die VO (EG) Nr. 715/2007”, “die Haftung häng[e] nicht davon ab, auf welchem Wege und unter Verstoß gegen welche Norm der Schädiger gehandelt hat”, sind nicht verständlich und lassen nicht erkennen, weshalb die diesbezüglichen Erwägungen des Landgerichts fehlerhaft sein sollen.
6
Schließlich hat die Rechtsbeschwerde nicht deshalb Erfolg, weil im Hinweisbeschluss ausgeführt ist, es komme nicht mehr darauf an, dass die Berufung auch offensichtlich unbegründet wäre. Entgegen der Auffassung des Klägers führt dies schon nicht dazu, dass die Begründung des Hinweisbeschlusses in sich widersprüchlich und willkürlich ist. Denn ein Berufungsgericht darf auch unabhängig von konkreten Beanstandungen in einer Berufungsbegründung ergänzend darauf hinweisen, dass es das angegriffene Urteil aus sich heraus für richtig hält. Außerdem führt der Beschluss, mit dem die Berufung verworfen worden ist, lediglich aus, dass diese mangels genügender Begründung unzulässig sei, und nimmt nur insoweit Bezug auf den Hinweisbeschluss.
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