Europarecht

Keine Niederlassungserlaubnis aufgrund strafrechtliche relevantem Vergehen

Aktenzeichen  AN 11 K 17.02740

Datum:
20.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30732
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Vorassetzungen des Nachweises ausreichender deitscher Sprachkenntnisse für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis
AufenthG § 2 Abs. 11, § 9 Abs. 2 S. 2, S. 3, S. 4, S. 5, § 28 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Als Ausnahmeregelung ist § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG grundsätzlich keiner weiten Auslegung zugänglich. Der Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG liegt der Gedanke zu Grunde, dass auch behinderten Ausländern eine Aufenthaltsverfestigung möglich sein muss. § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG gibt der Ausländerbehörde im Übrigen eine Ermächtigung, Härtefälle zu lösen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandelt werden, da in der Ladung hierauf hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 30. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; die ablehnende Entscheidung der Beklagten lässt keine Rechts- oder Ermessensfehler erkennen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die begehrte Niederlassungserlaubnis noch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Die Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, demnach finden die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. August 2019 (BGBl I S. 1294) in der ab 1. März 2020 geltenden Fassung Anwendung.
Der Kläger, der im Besitz der vorgenannten – bis 21. März 2021 gültigen – Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist und nach Aktenlage von seiner Ehefrau und den Kindern getrennt lebt, hat derzeit keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Dies hat die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausführlich dargelegt. Die Darlegungen des Klägers im Klageverfahren führen insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Das Gericht nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 30. November 2017 Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Hinzuzufügen ist lediglich, dass der Kläger nach den Darlegungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nach wie vor keinen Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache erbracht hat; dies erfolgte auch nicht nach Aufforderung des Gerichts.
a) Die Beklagte ging insbesondere zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen für den – als Sonderregelung allerdings grundsätzlich vorrangig einschlägigen – Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG (vgl. Maor in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.7.2020; § 9 AufenthG Rn. 4; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 28 AufenthG Rn. 5 und 42) bereits mangels ausreichender deutscher Sprachkenntnisse des Klägers nicht vorliegen.
Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist dem Ausländer in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend (§ 28 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht (§ 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG).
Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (§ 2 Abs. 11 AufenthG; s.a. AVwV-AufenthG Nr. 9.2.1.7.). Bei Ausländern, die vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis waren, ist nur erforderlich, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen können (§ 104 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 (ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache) und 8 nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde; nach § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG wird von diesen Voraussetzungen abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden (§ 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG); ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war (§ 9 Abs. 2 Satz 5 AufenthG). Als Ausnahmeregelung ist § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG grundsätzlich keiner weiten Auslegung zugänglich; auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt eine erweiternde Auslegung nicht zu (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 9 AufenthG Rn. 88). Der Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG liegt der Gedanke zu Grunde, dass auch behinderten Ausländern eine Aufenthaltsverfestigung möglich sein muss; Satz 4 gibt der Ausländerbehörde eine Ermächtigung (Ermessen), Härtefälle zu lösen. Der Gesetzgeber hatte hierbei Fälle im Blick, in denen die Betroffenen beispielsweise trotz verstärkter Bemühungen die Anforderungen unverschuldet nicht erfüllen können (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 72 f.).
Neben den Voraussetzungen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 6/11 – BVerwGE 143, 150; U.v. 16.8.2011 – 1 C 12/10 – DVBl 2011, 1565 Ls; BayVGH, B.v. 22.6.2020 – 10 CS 20.1125 – juris)
Der Kläger hat einen Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht erbracht, insbesondere wurden ausweislich der Behördenakte durch die vorgelegten Unterlagen ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht nachgewiesen (Bl. 1262, 1295 f. der Behördenakte). Die Beklagte geht insoweit zutreffend davon aus, dass es dem Kläger obliegt, den entsprechenden Nachweis zu erbringen, § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2016 – 10 ZB 14.2577 – juris Rn. 13).
Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 30. November 2017 zudem zutreffend das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG sowie atypische Umstände bzw. einen Härtefall i.S.v. § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verneint, so dass, wie in der mündlichen Verhandlung ergänzend klargestellt, auch keine Erteilung im Ermessenswege erfolgen könne. Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der „Härte“ im vorgenannten Sinn ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Fall des Klägers, der wie dargelegt, im Besitz einer bis 21. März 2021 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist, führt die Ablehnung der begehrten Niederlassungserlaubnis im Übrigen auch nicht zu einer dauerhaften Verweigerung bzw. unverhältnismäßigen Verzögerung der Familienzusammenführung (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG; BVerfG, B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 u.a. – BVerfGE 76, 1 zu Nachzugsvoraussetzungen für ausländische Ehegatten; BVerfG (Kammer), B.v. 25.3.2011 – 2 BvR 1413/10 – BayVBl. 2011, 499; BVerwG, U.v. 4.9.2012 – 10 C 12.12 – BVerwGE 144, 141).
b) Auch die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG scheitert daran, dass der Kläger ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht nachgewiesen hat. Die Ausführungen zur Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gelten insofern entsprechend.
2. Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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