Aktenzeichen M 9 S 17.50821
Leitsatz
1 Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Asylbewerber im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung iSv Art. 4 GRCh ausgesetzt wären. (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der die Annahme systemischer Mängel rechtfertigen würde. Auch der Umstand, dass sich die Situation von Asylbewerbern in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR BeckRS 2013, 81948). (Rn. 33 – 34) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Die Berücksichtigung einer Schwangerschaft bei der Prüfung von Abschiebungshindernissen im Rahmen des Dublin-Verfahrens erfordert einen hinreichenden Beleg. Lediglich die Behauptung, man sei schwanger, reicht hierfür nicht aus (vgl. VG München BeckRS 2017, 112589). (Rn. 38) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die Berücksichtigung einer Schwangerschaft als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis setzt voraus, dass die Mutterschutzfristen nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 S. 1 MuSchG tangiert sind. (Rn. 38) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Eine Schwangerschaft stellt bezüglich Italien kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis dar. (Rn. 39) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Die Antragsteller sind (alles nach eigenen Angaben) nigerianische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit der Esan und geboren am … 1987 bzw. am … 1989. Auf die Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags jeweils am 28. Dezember 2016 (vgl. Bl. 40 – 43 bzw. Bl. 133 – 136 der Bundesamtsakte hinsichtlich des Antragstellers zu 1) sowie Bl. 45 – 48 bzw. Bl. 149 – 152 der Bundesamtsakte hinsichtlich der Antragstellerin zu 2)) wird Bezug genommen. Sie hätten das Heimatland erstmalig im Jahr 2014 verlassen und seien über den Niger, Libyen, Italien, wo sie sich ca. ein Jahr und sieben Monate aufgehalten hätten (Antragsteller zu 1) bzw. sechs Monate (Antragstellerin zu 2), und über Österreich nach Deutschland gereist, wo sie am 18. Dezember 2016 angekommen seien und wo sie am selben Tag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – Außenstelle München einen Asylantrag gestellt haben. Sie hätten in Italien keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt (Antragsteller zu 1), im Mai 2015 seien ihm dort jedoch Fingerabdrücke abgenommen worden) bzw. im August 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt (Antragstellerin zu 2)). Außerdem wird auf die Angaben in den persönlichen Gesprächen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens – Zweitbefragung jeweils am 17. Januar 2017 (Bl. 55 – 57 bzw. Bl. 183 – 185 der Bundesamtsakte hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) sowie Bl. 63 – 65 der Bundesamtsakte hinsichtlich des Antragstellers zu 1)) Bezug genommen. Auf die Frage, ob es Staaten gebe, in die sie nicht überstellt werden wollten, erklärten die Antragsteller: in keinen anderen Staat; sie liebten es, in Deutschland zu leben und alles sei so schön, z.B. die Autos und die Häuser. Auf die Frage nach einer Schwangerschaft verneinte die Antragstellerin zu 2) (Bl. 56 der Bundesamtsakten).
Ebenfalls am 17. Januar 2017 fanden außerdem noch Anhörungen gemäß § 25 AsylG statt. Auf die Niederschriften (Bl. 50 – 54 bzw. Bl. 178 – 182 der Bundesamtsakte hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) sowie Bl. 58 – 62 der Bundesamtsakte hinsichtlich des Antragstellers zu 1)) wird Bezug genommen.
Für die Antragsteller folgen aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang EURODAC-Treffer für Italien (IT … und IT …) und für den Antragsteller zu 1) zusätzlich ein EURODAC-Treffer für Österreich (…).
Unter dem 26. Januar 2017 wurden für die Antragsteller Übernahmeersuchen an Österreich gestellt. Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl antwortete mit Schreiben vom 30. und 31. Januar 2017 und lehnte die Übernahme unter Verweis auf die Zuständigkeit Italiens ab.
Am 31. Januar 2017 wurden für die Antragsteller sodann Übernahmeersuchen an Italien gestellt. Auf das Übernahmeersuchen an Italien erfolgte keine Reaktion.
Bereits am 28. Dezember 2016 fand seitens der Regierung von Oberbayern – Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern / Zentrale Passbeschaffung Bayern eine Befragung zur Identitätsklärung statt. Auf das Befragungsprotokoll (Bl. 199 – 202 sowie die Anlage Bl. 203 der Bundesamtsakten) und die „Einschätzung“ zur Erstbefragung (Bl. 204f. der Bundesamtsakten) hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) und auf das Befragungsprotokoll (Bl. 222 – 226 sowie die Anlagen Bl. 227f. der Bundesamtsakten) im Übrigen und die „Einschätzung“ zur Erstbefragung (Bl. 229f. der Bundesamtsakten) hinsichtlich des Antragstellers zu 1) wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom … Februar 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Der Bescheid wurde den Antragstellern laut unterzeichneter Empfangsbestätigung am 17. März 2017 zugestellt.
Die Antragsteller erhoben hiergegen zur Niederschrift bei der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München am 20. März 2017 Klage (Az.: M 9 K 17.50820) und beantragten, den Bescheid vom 27. Februar 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
# Außerdem beantragen sie, hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Italien gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung nehmen die Antragsteller Bezug auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt. Die Antragstellerin zu 2) sei schwanger, sie hätten in Italien keine Unterkunft und keine Arbeit und auch die medizinische Betreuung dort sei nicht gut.
Mit Schreiben vom 3. April 2017 bestellte sich der Bevollmächtigte der Antragsteller und wiederholte den gestellten Klageantrag; eine weitergehende Begründung wurde nicht vorgebracht.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom … Februar 2017, auf den im Sinne von
§ 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Italien ist als Mitgliedstaat, in dem beide Antragsteller ausweislich der Eurodac-Treffer für Italien einen Asylantrag gestellt haben bzw. über dessen Grenze sie aus einem Drittstaat illegal eingereist sind, für die Durchführung der Asylverfahren zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Italien für die Durchführung der Asylverfahren zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller Italien. Diese haben dort auch einen Asylantrag gestellt. Der Umstand der Asylantragstellung in Italien wird belegt durch den für beide Antragsteller erzielten Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.
Da die italienischen Behörden auf das Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).
2. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wären.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 -, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 – 10 B 6.14 -, juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v.28.02.2014 – 13a B 13.30295 -, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 – 13 A 316/17.A – juris Rn. 3 – 5; U.v.22.09.2016 – 13 A 2248/15.A -, juris Rn. 72ff.; U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 54ff.; U.v.24.04.2015 – 14 A 2356/12.A -, juris; U.v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A -, juris; VGH BW, U.v.16.04.2014 – A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rh-Pf, U.v.21.02.2014 – 10 A 10656/13.OVG -, juris; OVG LSA, U.v.02.10.2013 – 3 L 645/12 -, juris; OVG Berlin-Bbg, B.v.17.06.2013 – OVG 7 S. 33.13 -, juris; NdsOVG, B.v.30.01.2014 – 4 LA 167/13 -, juris; U.v.25.06.2015 – 11 LB 248/14 -, juris; vgl. auch BVerfG, Kammerb.v.17.09.2014 – 2 BvR 732/14 -, juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U.v.07.03.2014, a.a.O, Rn 132; OVG Rh-Pf, U.v. 21.02.2014, a.a.O, Rn 45 f.).
Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – Hussein u.a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 -, ZAR 2013, 336; B.v.18.06.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 -, ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U.v.04.05.2011 – 2 BvR 2333/08 -, juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Unabhängig davon sind die Umstände des streitgegenständlichen Falles der Antragsteller mit denjenigen in der Entscheidung des EGMR nicht vergleichbar.
Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http: …www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der die Antragsteller angehören, nicht angenommen werden.
Auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe (https: …www.fluechtlingshilfe.ch/…/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen) ergibt sich nichts Anderes. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um das einzig richtige bzw. einzig maßgebliche Erkenntnismittel, vielmehr ergibt eine Berücksichtigung dieses Erkenntnismittels in der Zusammenschau mit den zahlreichen anderen vorhandenen Erkenntnismitteln eben im Ergebnis, dass systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht vorliegen. Zweitens wäre die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Dafür gibt es auch nach dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem August 2016 keine Hinweise (vgl. VG Schwerin, U.v.26.09.2016 – 16 A 1757/15 As SN -, juris Rn. 122), auch ansonsten ist das nicht der Fall (vgl. z.B. OVG NRW, U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 103ff.).
Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U.v.24.04.2015 a.a.O.).
Auch der Umstand, dass sich die Situation der Antragsteller in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – a.a.O.).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v.30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v.11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 -, juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v.19.09.2015 – Au 7 S. 15.50412 -, juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v.05.11.2014 – M 18 S. 14.50356 – juris m.w.N.). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass die Antragsteller, die noch dazu jedenfalls nach ihren eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren gesund sind, in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung haben.
Schließlich begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares, landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v.16.04.2014 – A 11 S 1721/13 -, juris).
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor.
Für die Antragsteller ist außer der bei der Antragstellung in der Rechtsantragstelle vorgetragenen Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2) überhaupt kein individuelles Vorbringen erfolgt. Die behauptete Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2) führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Schwangerschaft ist bereits nicht hinreichend belegt (vgl. zu den Mindestanforderungen VG München, B.v.28.7.2016 – M 6 S. 16.50275 – juris Rn. 22), vielmehr erschöpft sich der Vortrag in der bloßen Behauptung des Umstands der Schwangerschaft, ohne dass irgendein Beleg hierfür vorgelegt wurde, obwohl hierfür genug Zeit gewesen wäre und obwohl das ohne weiteres möglich ist (vgl. VG München, B.v.13.1.2017 – M 9 S. 17.50040 für eine vergleichbare Konstellation). Unabhängig davon begründet eine Schwangerschaft bei der Antragstellerin zu 2), würde man diese unterstellen, kein – im vorliegenden Verfahren mitzuprüfendes – sog. inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Denn insoweit ist darauf abzustellen, ob die Mutterschutzfristen (§§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) tangiert sind, was bei der Antragstellerin zu 2) nicht der Fall sein kann, da sie noch in der Anhörung am 17. Januar 2017 auf die ausdrückliche Frage nach einer Schwangerschaft verneint hat. Daher ist, immer noch unterstellt, die nur behauptete Schwangerschaft ist gegeben, vom Zeitablauf unter Berücksichtigung des Umstands, dass am 17. Januar 2017 eine Schwangerschaft noch nicht bekannt war, ausgeschlossen, dass sich die Antragstellerin zu 2) aktuell bereits im zeitlichen Geltungsbereich der Mutterschutzfrist befindet. Der Fall einer Risikoschwangerschaft, bei dem die Betrachtung der Mutterschutzfristen nicht ausreichen würde, ist nicht einmal behauptet.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis hinsichtlich Italien folgt aus der – unterstellten – Schwangerschaft ebenfalls nicht (vgl. VG München, B.v. 20.3.2017 – M 9 S. 17.50539 – juris Rn. 42).
Der Umstand, dass die Antragsteller im jeweiligen persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens – Zweitbefragung geltend gemacht haben, dass sie in keinen anderen Mitgliedstaat wollen, begründet keine – nach dem oben Gesagten nicht vorliegenden – systemischen Mängel des italienischen Asylverfahrens, unabhängig davon, dass die Antragsteller nach eigenen Angaben insgesamt ein Jahr und sieben Monate bzw. sechs Monate in Italien gelebt haben.
Die Angaben der Antragsteller im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Umständen, die für die Überstellung der Antragsteller im Rahmen der Anwendung der Dublin III-Verordnung nicht relevant sind, vielmehr handelt es sich um sog. zielstaatsbezogenes Vorbringen, das zum Asylantrag der Antragsteller gehört, für den die Antragsgegnerin aber gerade nicht zuständig ist.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine Bedenken.
3. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).