Aktenzeichen M 9 S 16.51285
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1
EMRK EMRK Art. 3
Leitsatz
1 Asylbewerber laufen in Italien nicht Gefahr, aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (ebenso BayVGH BeckRS 2017, 102256, OVG NRW BeckRS 2017, 102256, OVG BW BeckRS 2014, 51025, OVG RhPf BeckRS 2014, 48239, OVG Bln-Bbg BeckRS 2013, 53383, NdsOVG BeckRS 2015, 47840). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, da die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten würde, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden (OVG NRW BeckRS 2015, 45053). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist (alles nach eigenen Angaben) äthiopischer Staatsangehöriger und geboren am … 1993 (mitunter gab er wohl auch andere Geburtsdaten an, vgl. Bl. 21 und 27 der Bundesamtsakten: 1.1.1986 und anderer Geburtsort). Er wurde am 1. November 2016 wegen unerlaubter Einreise (in Kiefersfelden) bzw. unerlaubten Aufenthalts unter Verstoß gegen ein bestehendes Einreise-/Aufenthaltsverbot in Rosenheim vorläufig festgenommen. Der Antragsteller wurde bereits am 2. Oktober 2016 aus Deutschland nach Österreich zurückgeschoben, anlässlich dieser Zurückschiebung wurde ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügt (Bl. 8 – 13 der Bundesamtsakten). Bereits am 6. Juni 2016 wurde dem Antragsteller am Grenzübergang Freilassing die Einreise verweigert (Bl. 14 der Bundesamtsakten). Bis 25. Dezember 2016 verbüßte der Antragsteller wegen der unerlaubten Einreise bzw. des unerlaubten Aufenthalts eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA Bernau. In Zusammenhang mit den Ermittlungen, die zu der entsprechenden Verurteilung führten, wurde der Antragsteller am 1. November 2016 polizeilich vernommen; auf die Niederschrift der Vernehmung wird Bezug genommen (Bl. 24 – 26 der Bundesamtsakten). In der Bundesamtsakte wird der Antragsteller als sog. „Aufgriffsfall“ ohne Asylantragstellung im Bundesgebiet geführt.
Für den Antragsteller folgt aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang ein Eurodac-Treffer für Österreich (AT…62; Bl. 18 und 28 der Bundesamtsakten).
Auf seine Angaben in der Erst- und Zweitbefragung Dublin jeweils im schriftlichen Verfahren („Questionnaire for determining the member state responsible for examining an application – initial inquiry“, Bl. 34 – 36 der Bundesamtsakten und „Questionnaire for determining obstacles to deportation in Dublin procedure – supplementary enquiry“, Bl. 37f. der Bundesamtsakten) wird Bezug genommen. Gesundheitliche Einschränkungen hat der Antragsteller dort nicht angegeben (vgl. Bl. 37 unten und Bl. 38 oben der Bundesamtsakten), anders als in der polizeilichen Vernehmung am 1. November 2016, in der er von allerdings nicht näher spezifizierten „gesundheitlichen Problemen“ sprach (Bl. 26 der Bundesamtsakten).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 16. November 2016 an Österreich antworteten die österreichischen Behörden mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24. November 2016 (Bl. 59 der Bundesamtsakten) und verwiesen unter Vorlage eines Schreibens der italienischen Behörden (Ministero dell‘ Interno) vom 3. August 2016, in dem Italien das Einverständnis mit einer Überstellung nach der Dublin III-VO erklärt, auf die Zuständigkeit Italiens. Daraufhin richtete die Antragsgegnerin unter dem 29. November 2016 ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 ordnete das Bundesamt die Abschiebung nach Italien an (Nr. 1). Die Nr. 2 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Mit Begleitschreiben ebenfalls vom 14. Dezember 2016 wurde der Bescheid an den Antragsteller versandt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 16. Dezember 2016 zugestellt.
Der Antragsteller erhob hiergegen mit Schreiben vom 23. Dezember 2016, beim Verwaltungsgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, Klage (Az.: M 9 K 16.51284) mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Außerdem beantragte er im selben Schriftsatz,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Antrag ist im Schreiben des Antragstellers ausgeführt, dass er Probleme mit den Augen habe, nachdem er in seiner Heimat geschlagen worden sei. Deshalb könne er Dinge, die direkt vor ihm seien und auf ihn zukämen, nicht richtig sehen und ihm sei deshalb schwindlig. Er bekomme dafür in Italien keine ausreichende medizinische Behandlung.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den aktuellen Fassungen (AsylG: zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017, BGBl I, 872; AufenthG: zuletzt geändert durch das Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 8.6.2017, BGBl I, 1570) zur Anwendung.
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dass mit der Klage neben dem Anfechtungszusätzlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgt wird, das sich in der Hauptsache als unzulässig erweisen wird (vgl. hierzu VG München, U.v. 1.12.2016 – M 9 K 16.50067 – juris Rn. 24 m.w.N.), ist für das Antragsverfahren unschädlich.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2016, auf den im Sinne von
§ 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Italien ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Das Gericht geht davon aus, dass Italien gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO der originär zuständige Mitgliedstaat ist. Die Vorschrift sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Ob das hier Italien ist, steht nicht bereits auf Grund der Angaben des Antragstellers fest. Zwar hat die Antragsgegnerin auch keinen Eurodac-Treffer für Italien. Vielmehr hat sich die Antragsgegnerin mit der Auskunft der österreichischen Behörden begnügt, dass eine originäre Zuständigkeit Italiens nach der Dublin III-Verordnung besteht, obwohl es mindestens nahe gelegen hätte, sich die italienische Eurodac-Treffernummer von den österreichischen oder den italienischen Behörden übermitteln zu lassen. Gleichwohl ist dieses Vorgehen in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (vgl. hierzu für einen ähnlichen, aber weniger eindeutigen Fall VG München, B.v. 6.3.2017 – M 9 S. 17.50277 – juris Rn. 24), da erstens die Eurodac-Treffermeldung nicht das einzige Beweismittel für die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats ist, wie der Dublin III-Verordnung an mehreren Stellen (z.B. Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 oder auch Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Unterabs. 2) zu entnehmen ist, zweitens keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Auskunft der österreichischen Behörden falsch sein könnte und vor allem drittens im hiesigen Fall wegen der von Österreich übermittelten italienischen Zustimmung zur Überstellung feststeht, dass die Zuständigkeit Italiens besteht und auch nicht bestritten wurde.
Es ist auch zwischenzeitlich kein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin eingetreten.
Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO steht der Zuständigkeit Italien nicht entgegen. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Verfahrens zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts, der hier wegen fehlender Angaben des Antragstellers nicht genau nachvollzogen werden kann, der aber nach den zeitlichen Zusammenhängen vermutlich etwas länger zurückliegt als zwölf Monate. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem Mitgliedstaat ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Antragsteller seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es etwa unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Antrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob die zwölfmonatige Frist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist (vgl. OVG NRW, U.v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – DVBl 2014, 790 – juris Rn. 46 ff. zu der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO; VG Minden, B.v. 18.2.2015 – 10 L 107/15.A – juris Rn. 22 ff.). Demnach steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO der Zuständigkeit Italiens nicht entgegen.
Auch ein Zuständigkeitsübergang wegen eines zwischenzeitlichen Ablaufs der Überstellungsfrist ist nicht gegeben. Der Umstand, dass eine Überstellung des Antragstellers nach Italien bisher nicht stattgefunden hat, bewirkt keinen Zuständigkeitsübergang gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Der von Österreich verfügten Verlängerung der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-VO – die wegen des aus österreichischer Sicht erfolgten Untertauchens des Antragstellers in Gestalt von dessen wiederholten illegalen Einreisen in das Bundesgebiet, die in der vorgelegten Behördenakte dokumentiert sind, ohne weiteres gerechtfertigt ist – bedurfte es dafür gar nicht. Denn gerechnet ab der italienischen Annahmeerklärung (Schreiben vom 3.8.2016) bis zum Eingang des hiesigen Rechtsbehelfs des Antragstellers bei Gericht (23.12.2016) war die in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin Var. 1 III-VO („spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme – oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat“) geregelte Frist von sechs Monaten noch nicht abgelaufen. Ab Eingang des hiesigen Rechtsbehelfs dagegen tritt eine Unterbrechung dieser Sechs-Monats-Frist ein, Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin Var. 2 III-VO („oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat“). Der Lauf einer „neuen“ Sechs-Monats-Frist beginnt erst mit Zustellung dieses Beschlusses (vgl. hierzu BVerwG, U.v.27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 18; VG München, U.v.1.12.2016 – M 9 K 16.50067 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Da die italienischen Behörden auf das (erneute) Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).
2. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 -, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 – 10 B 6.14 -, juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v.28.02.2014 – 13a B 13.30295 -, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 – 13 A 316/17.A – juris Rn. 3 – 5; U.v.22.09.2016 – 13 A 2248/15.A -, juris Rn. 72ff.; U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 54ff.; U.v.24.04.2015 – 14 A 2356/12.A -, juris; U.v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A -, juris; VGH BW, U.v.16.04.2014 – A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rh-Pf, U.v.21.02.2014 – 10 A 10656/13.OVG -, juris; OVG LSA, U.v.02.10.2013 – 3 L 645/12 -, juris; OVG Berlin-Bbg, B.v.17.06.2013 – OVG 7 S. 33.13 -, juris; NdsOVG, B.v.30.01.2014 – 4 LA 167/13 -, juris; U.v.25.06.2015 – 11 LB 248/14 -, juris; vgl. auch BVerfG, Kammerb.v.17.09.2014 – 2 BvR 732/14 -, juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U.v.07.03.2014, a.a.O, Rn 132; OVG Rh-Pf, U.v. 21.02.2014, a.a.O, Rn 45 f.).
Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – Hussein u.a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 -, ZAR 2013, 336; B.v.18.06.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 -, ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U.v.04.05.2011 – 2 BvR 2333/08 -, juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Unabhängig davon sind die Umstände des streitgegenständlichen Falles des Antragstellers mit denjenigen in der Entscheidung des EGMR nicht vergleichbar.
Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht angenommen werden.
Auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe (https://www.fluechtlingshilfe.ch/…/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen) ergibt sich nichts Anderes. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um das einzig richtige bzw. einzig maßgebliche Erkenntnismittel, vielmehr ergibt eine Berücksichtigung dieses Erkenntnismittels in der Zusammenschau mit den zahlreichen anderen vorhandenen Erkenntnismitteln eben im Ergebnis, dass systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht vorliegen. Zweitens wäre die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Dafür gibt es auch nach dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem August 2016 keine Hinweise (vgl. VG Schwerin, U.v.26.09.2016 – 16 A 1757/15 As SN -, juris Rn. 122), auch ansonsten ist das nicht der Fall (vgl. z.B. OVG NRW, U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 103ff.).
Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U.v.24.04.2015 a.a.O.).
Auch der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – a.a.O.).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v.30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v.11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 -, juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v.19.09.2015 – Au 7 S. 15.50412 -, juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v.05.11.2014 – M 18 S. 14.50356 – juris m.w.N.). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller, der noch dazu jedenfalls nach seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren gesund ist, in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor. Der Antragsteller hat geltend gemacht, dass er an gesundheitlichen Einschränkungen in Bezug auf die Augen und die Sehfähigkeit leide. Dieser Vortrag steht aus zwei unabhängig voneinander Geltung beanspruchenden Gründen der Überstellung nach Italien nicht entgegen. Erstens hat der Antragsteller weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren auch nur irgendeinen Nachweis hierfür vorgelegt, obwohl ihm das ohne weiteres möglich gewesen wäre – insbesondere wäre dafür mehr als genug Zeit gewesen – und obwohl es Sache des Antragstellers ist, behauptete gesundheitliche Einschränkungen, die einer Überstellung entgegen stehen könnten, detailliert geltend zu machen und vor allem zu belegen. Zweitens trifft es nach dem oben Gesagten nicht zu, dass eine medizinische Behandelbarkeit in Italien nicht besteht. Es sind keine Umstände ersichtlich, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine erforderliche Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Auf die Ausführungen auf Seite 14 und 15 dieses Beschlusses wird Bezug genommen. Das bedeutet, dass der Antragsteller, unterstellt, seine (nicht belegte) Behauptung einer gesundheitlichen Einschränkung träfe zu, in Italien ohne weiteres behandelt werden kann. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 25.8.2015 – 13 K 1723/15.A – juris Rn. 98ff.).
Es fehlt auch nicht an der von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG aufgestellten Voraussetzung, dass die Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Zwar ist dem italienischen Annahmeschreiben (auf das österreichische Übernahmeersuchen) vom 3. August 2016 zu entnehmen, dass eine Überstellung bis zum 3. Februar 2017 durchgeführt worden sein muss. Allerdings liegt wegen der nicht erfolgten Reaktion Italiens auf das erneute deutsche Übernahmeersuchen wegen des Eintritts der Fiktion gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO eine erneute Stattgabe Italiens vor, so dass es auf die Modalitäten der ursprünglichen Annahme des italienischen Wiederaufnahmegesuchs nicht mehr ankommt.
Schließlich ist der streitgegenständliche Bescheid auch nicht deswegen zu beanstanden, weil entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 AsylG keine Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG (in Bezug auf den Dublin-Zielstaat, vgl. BVerwG, B.v.3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris Rn. 9) getroffen wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nicht allein deswegen rechtswidrig, weil in dem Bescheid die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgesehene Feststellung zu nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG fehlt (BVerwG, B.v.3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris Rn. 10).
3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).