Europarecht

Keine systemischen Mängel des spanischen Asylverfahrens

Aktenzeichen  M 9 S 18.50563

Datum:
7.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56797
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34a

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Spanien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Die Antragstellerin ist (vgl. die Kopie des Nationalpasses in der Bundesamtsakte, Bl. 5ff.) marokkanische Staatsangehörige und am 20. November 1986 geboren. Auf ihre Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 1. Februar 2018 (Bl. 52 – 55 der Bundesamtsakte) wird Bezug genommen. Sie hat am 1. Februar 2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – Außenstelle München einen Asylantrag gestellt hat.
Am 14. Februar 2018 fand die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 – 4 AsylG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylG statt. Dort gab die Antragstellerin auf die Frage, ob es Gründe gebe, warum sie nicht Spanien überstellt werden wolle, an, sie wolle nur nach Deutschland. In Spanien sei ihr Asylantrag abgelehnt worden. Auf die Niederschrift im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 100 – 103 bzw. Bl. 111 – 114 der Bundesamtsakten).
Ebenfalls am 14. Februar 2018 fand außerdem noch eine Anhörung gemäß § 25 AsylG statt. Auf die Niederschrift über die Anhörung wird Bezug genommen (Bl. 94 – 99 bzw. Bl. 105 – 109 der Bundesamtsakten).
Für die Antragstellerin folgt aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang ein Eurodac – Treffer für Spanien (ES11752080200600; Bl. 2 bzw. Bl. der Bundesamtsakte).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2018 an Spanien erklärten die spanischen Behörden mit Schreiben vom 6. Februar 2018 (Bl. 88 der Bundesamtsakte) ihr Einverständnis.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Einen Zustellungsnachweis enthält die Bundesamtsakte nicht.
Die Antragstellerin erhob hiergegen zur Niederschrift bei der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München am 20. Februar 2018 Klage (Az.: M 9 K 18.50562) und beantragt, den Bescheid vom 15. Februar 2018 aufzuheben und hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bestehen.
Außerdem beantragte die Antragstellerin, hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Spanien gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung der Rechtsbehelfe wird auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen und ausgeführt, dass die Antragstellerin befürchte, in Spanien abgelehnt und abgeschoben zu werden. Außerdem wolle sie auf das Verfahren ihres Ehemannes Bezug nehmen.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen, außerdem auf die beigezogenen Akten des geltend gemachten Ehemanns (Az. M 9 K 18.50558 und M 9 S 18.50559).
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Klage in der Hauptsache hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2018, auf den im Sinne von
§ 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Spanien ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO).
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin Spanien; das wird auch bewiesen durch den Eurodac – Treffer mit der Kennzeichnung “ES1”. Die Ziffer “1” steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Spanien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.
Die spanischen Behörden haben die Zuständigkeit Spaniens bejaht und der Aufnahme der Antragstellerin zugestimmt, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO); das gilt wegen Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO auch ausdrücklich für den Fall, dass es zutrifft, dass der Antrag auf internationalen Schutz der Antragstellerin in Spanien bereits abgelehnt wurde.
2. Die Abschiebung nach Spanien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung nach Spanien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin im Falle einer Abschiebung nach Spanien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 -, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragstellerin führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 – 10 B 6.14 -, juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der einhelligen aktuellen Rechtsprechung ist, abgesehen davon, dass seitens der Antragstellerin nichts dazu vorgetragen ist, dass das spanische Asylverfahren an systemischen Mängeln leiden würde, nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin in Spanien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. statt aller VG München, U.v. 13.6.2017 – 10 K 240/15.A – juris Rn. 116 – 132 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen liegen ebenso wenig vor wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Für die Antragstellerin ist im Verwaltungsstreitverfahren überhaupt kein individuelles Vorbringen erfolgt. Auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Umstand, dass sich aus dem Verwaltungsverfahren ergibt, dass die Antragstellerin mit ihrem geltend gemachten Ehemann eingereist ist, ändert nichts an der Unzulässigkeit des Asylantrags und an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung. Denn unabhängig davon, dass die Ehe nicht nachgewiesen ist, obwohl das Sache der Antragstellerin wäre, ist von einer gemeinsamen Überstellung nach Spanien auszugehen, da auch insofern Spanien zuständig ist.
Die Angaben der Antragstellerin im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Umständen, die für die Überstellung der Antragstellerin im Rahmen der Anwendung der Dublin III-Verordnung nicht relevant sind, vielmehr handelt es sich um sog. zielstaatsbezogenes Vorbringen, das zum Asylantrag der Antragstellerin gehört, für den die Antragsgegnerin aber gerade nicht zuständig ist. Deswegen ist auch die Befürchtung der Antragstellerin in ihrer Antrags- bzw. Klagebegründung, dass ihr Asylantrag in Spanien abgelehnt wird (im Verwaltungsverfahren hat sie dagegen angegeben, dass der Asylantrag in Spanien bereits abgelehnt ist) und sie abgeschoben werde, im vorliegenden Verfahren irrelevant; für den Ausgang ihres Asylverfahrens ist ausschließlich Spanien zuständig.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine Bedenken.
Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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