Europarecht

Keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Italien

Aktenzeichen  M 3 S 15.50927

Datum:
8.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 13, Art. 17, Art. 18, Art. 25
GRCh GRCh Art. 4

 

Leitsatz

In Italien läuft ein Asylbewerber keine Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, sodass keine systemischen Mängel im italienischen Asylverfahren oder den dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen (ebenso VGH München BeckRS 2014, 52068). (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 3 S 15.50927
Beschluss
vom 8. Januar 2016
3. Kammer
Sachgebiets-Nr. 830
Hauptpunkte:
Dublin-III-Verfahren (Italien);
Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien;
Keine besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
… geb. …
– Antragsteller –
bevollmächtigt: Rechtsanwältin …
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle München Boschetsrieder Str. 41, 81379 München
– Antragsgegnerin –
beteiligt: Regierung von Oberbayern Vertreter des öffentlichen Interesses Bayerstr. 30, 80335 München
wegen Vollzugs des Asylgesetzes (AsylG)
hier: Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 3. Kammer,
durch den Richter am Verwaltungsgericht … als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 8. Januar 2016 folgenden Beschluss:
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist nach seinen Angaben am … in … geboren worden und Staatsangehöriger von Nigeria. Er stellte am 13. Juli 2015 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner ersten Befragung durch das Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 13. Juli 2015 gab der Antragsteller an, dass er im August 2013 Nigeria verlassen habe und über Lybien im September 2014 in Italien eingereist sei. Dort habe er einen Asylantrag gestellt und sich 7 Monate aufgehalten. Im Februar 2015 sei er in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Die eingeleitete Eurodac-Recherche des Bundesamts ergab am 14. Juli 2015 für Italien einen Treffer der Kategorie II.
Aufgrund des Eurodac-Treffers der Kategorie II richtete das Bundesamt am 1. September 2015 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Eine Reaktion von Italien erfolgte hierauf nach Aktenlage nicht.
Mit Bescheid vom … November 2015 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylG unzulässig sei, da Italien aufgrund des dort gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. In Italien lägen keine systemischen Mängel vor. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Italien als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Mit Schriftsatz vom … November 2015, bei Gericht eingegangen am 26.11.2015, erhob der Antragsteller Klage (M 3 K 15.50926) zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamts vom … November 2015 aufzuheben. Weiterhin beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, es bestünden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien an systemischen Mängeln litten.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 legte die Antragsgegnerin die Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 3 K 15.50926 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der nach § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG). Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Entfaltet ein Rechtsbehelf, wie hier, von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar und damit offen, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt bei der Interessenabwägung das Interesse der Antragsgegnerin am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, da nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten der Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) gering erscheinen und auch keine sonstigen Umstände ersichtlich sind, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen.
Nach § 27 a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO, ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31).
Vorliegend ist davon auszugehen, dass Italien für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig ist.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO prüft der Mitgliedstaat den Asylantrag, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO). Dies ist aufgrund der vorliegenden Beweise und Indizien (Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO i. V. m. Anhang II Verzeichnis A I Nr. 7, B I Nr. 7 der Durchführungsordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 39 vom 8.2.2014, S. 1) hier der Daten aus der Eurodac-Datei (vgl. Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000 über die Errichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1, i. V. m. Art. 2 Abs. 3 Satz 5 Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28.2.2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Errichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. L 62 vom 5.3.2002, S. 1) und des eigenen Vortrags des Antragstellers im Rahmen der Befragung vor dem Bundesamt Italien. Die Zuständigkeit Italiens hat auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO geendet, da nach dem festgestellten Eurodac-Treffer der Kategorie II der Antragsteller dort einen Asylantrag gestellt hat (vgl. Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO i. V. m. Anhang II Verzeichnis A II Nr. 2 der Durchführungsordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014). Die Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO ist gewährt. Auch ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO von der Stattgabe Italiens hinsichtlich des Aufnahmegesuchs vom 13. April 2015 auszugehen, da hierauf keine fristgemäße Reaktion erfolgte.
Gründe, von einer Überstellung nach Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich. Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S.v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a. a. O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass ein außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung liegender Ausnahmefall vorliegt, oder dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295; OVG NRW, U.v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12A; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13; OVG Koblenz, U.v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13 – jeweils juris). Dublin-Rückkehrer erhalten in der Regel einen ungehinderten Zugang zum Asylverfahren und in der ersten Zeit nach der Überstellung ein geordnetes Aufnahmeverfahren mit den zugehörigen Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse. Sie werden im Allgemeinen in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 42). Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und dort im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches – in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges – Leistungsniveau besteht (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 44; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 56).
Auch neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Januar 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 51 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben; die Zahl von Unterbringungsplätzen war unzureichend. Bei Dublin-Rückkehrern wie dem Antragsteller kann es längere Zeit dauern, bis sie einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden. Zum einen jedoch werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge (vgl. dort S. 53 f.) seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann deshalb gerade auch für die Personengruppe, welcher der Antragsteller angehört, nicht angenommen werden.
Auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR (GK), U.v. 4.11.2014 – Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127) werden keine systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien festgestellt, wie sie der Gerichtshof für Griechenland angenommen hat (vgl. U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Griechenland und Belgien, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413). Vielmehr ist bei besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern wie z. B. Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 16, BayVGH, B.v. 15.1.2015 – 21 ZB 14.50051 – juris) im Einzelfall sicherzustellen, dass diese im Falle einer Rückführung nach Italien angemessen untergebracht und versorgt werden. Der Antragsteller gehört keinem solchen Personenkreis an.
Auch nach Auffassung des EGMR (vgl. Entscheidung v. 13.1.2015 – 51428/10 – A.M.E. gegen Niederlande, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-152295) begründen die Aufnahmebedingungen in Italien für einen alleinstehenden jungen Mann grundsätzlich keine Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet allein keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – Mohammed Hussein u. a. gegen Niederlande und Italien – http://hudoc.echr.coe.int/fre?i=001-141437).
Es ist damit mittlerweile gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, dass in Italien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, aufgrund derer einem im Dublin-Verfahren rücküberstellten Asylbewerber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht. Aktuell haben dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt (OVG NRW, U.v. 24.04.2015 – 14 A 2356/12.A – juris 20 ff. m. w. N.; OVG Lüneburg, U.v. 25.06.2015 – 11 LB 248/14 – juris Rn. 47 ff. m. w. N.). Insbesondere stelle die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, die eine veränderte Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Davon könne nicht ausgegangen werden. Ein alleinstehender junger Mann gehöre grundsätzlich nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, deren Rücküberstellung eine individuelle Garantieerklärung der italienischen Behörden hinsichtlich der Unterbringung erfordere (vgl. OVG NRW, U.v. 24.04.2015, a. a. O., Rn. 41; OVG Lüneburg, U.v. 25.06.2015, a. a. O., Rn. 51, 56). Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in seinem Urteil vom 25. Juni 2015 für die Dublin-Rückkehrer festgestellt, dass diesen an den italienischen Hauptflughäfen Nichtregierungsorganisationen zur Seite stehen, die sie bei Bedarf betreuen und sich um eine Unterkunft bemühen. Außerdem seien im Bereich der Flughäfen Einrichtungen ausschließlich für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden, die vom Europäischen Flüchtlingsfonds finanziert würden und in denen von den Flughafen-Nichtregierungsorganisationen vermittelte Dublin-Rückkehrer untergebracht werden könnten (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 25.06.2015, a. a. O., Rn. 52; vgl. auch Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 23.04.2015 S. 3, aida report Januar 2015 S. 31, 59). Diesen Feststellungen schließt sich das Gericht an.
Weitere individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen könnten, sind nicht glaubhaft gemacht worden und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Das Bundesamt hat im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, B.v. 17.09.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11 mit Verweis auf die auch hier gefestigte und einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung). Derartige Abschiebungshindernisse sind aber im Fall des Antragstellers nicht hinreichend dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.
An diesem Ergebnis kann auch das Vorbringen der Bevollmächtigten des Antragstellers nichts ändern, der Antragsteller sei „der englischen Sprache nahezu nicht mächtig“ und spreche „deutsch fast besser“, zumal der Antragsteller bei seiner Befragung am 23. Juli 2015 ausdrücklich angegeben hatte, er könne sich „mit dem Sprachmittler verständigen“ und laut dem vom Antragsteller selbst, vom Dolmetscher und vom Mitarbeiter des Bundesamts unterschriebenen Protokoll im Befragungstermin keine Verständigungsschwierigkeiten aufgetreten sind.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
III.
Aus diesen oben unter II. ausgeführten Gründen war auch der mit Schreiben vom … Dezember 2015 gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Antrags abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


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