Europarecht

Leistungen, Sozialhilfe, Berufung, Abtretung, Bescheid, Kostenerstattung, Bestattungskosten, Revision, Verwaltungsakt, Gerichtsbescheid, Anspruch, Lebensunterhalt, Leistungsanspruch, Zeitpunkt, Anspruch auf Sozialhilfe, Sinn und Zweck, Hilfe zum Lebensunterhalt

Aktenzeichen  L 8 SO 170/21

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6978
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Auch wenn nach dem landesrechtlichen Bestattungsrecht zwischen bestattungsverpflichteten Verwandten keine Rangfolge besteht, kann im Rahmen des § 74 SGB XII verpflichtet nur sein, wer zugleich Erbe ist.

Verfahrensgang

S 22 SO 50/21 2021-09-13 GeB SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. September 2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.
Streitgegenstand ist das Begehren der Klägerin nach Übernahme der Kosten, welche für die Bestattung ihrer am 19.05.2019 verstorbenen Mutter angefallen sind. Dabei macht die Klägerin für die Bestattung Aufwendungen i.H.v. insgesamt 12.050 EUR geltend. Das folgt aus den vor dem SG und dem Senat gestellten Anträgen des anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin. Ihr Rechtsschutzziel kann die Klägerin mittels Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) erreichen, gerichtet gegen das Schreiben der Beklagten vom 26.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.01.2021. Das Schreiben an die Klägerin vom 26.10.2020 stellt einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Maßgeblich ist für die Auslegung der objektive Sinngehalt, nicht die äußere Form (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leither-er/Schmidt, SGG, 13. Aufl., Anhang § 54 Rn. 3a). Demnach erfüllt das Schreiben vom 26.10.2020 die Merkmale eines Verwaltungsakts. Die Beklagte wollte damit – unter Bezugnahme auf das beigefügte Schreiben vom 08.10.2020 an die IKG – gegenüber der Klägerin den von dieser gestellten Antrag gemäß § 74 SGB XII ablehnen, also eine Einzelfallregelung mit Außenwirkung treffen. Vor dem Hintergrund des bis dahin durchgeführten Verfahrens war für die Klägerin erkennbar, dass die Beklagte sie nicht (erneut) lediglich darüber informieren wollte, dass eine Kostenübernahme nicht möglich ist, wenn sie nicht ihre Erbenstellung nachweist. Darauf hatte die Beklagte nämlich bereits mit den Schreiben vom 06.03.2020 und 29.05.2020 hingewiesen. Im Anschluss daran hatte die Klägerin aber im Juni 2020 noch einen Formularantrag gestellt und Unterlagen über die Erbausschlagung nachgereicht. Es musste ihr also klar sein, dass die Beklagte nicht nochmals bloße Hinweise erteilen wollte. Ob mit dem Schreiben der Beklagten vom 08.10.2020 an die IKG ebenfalls schon eine Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Übernahme der Bestattungskosten bekannt gemacht werden sollte, in dem Fall durch Mitteilung gegenüber der von der Klägerin auch bevollmächtigten IKG, kann dahin stehen. Zumindest würde es sich aus den eben genannten Gründen bei dem Schreiben vom 26.10.2020 um eine sog. Zweitverfügung handeln. Aus der Mitteilung, dass keine Bestattungskosten übernommen werden könnten, gegenüber der Klägerin selbst war erkennbar, dass die Beklagte mit dem Schreiben vom 26.10.2020 den Willen hatte, ihre Entscheidung der Klägerin (nochmals) bekanntzugeben und auch hiergegen den Rechtsweg zu eröffnen. Dass entgegen § 36 SGB X dem Schreiben vom 26.10.2020 keine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt war, ändert vorliegend an der Qualifizierung als Verwaltungsakt nichts. Zwar kann eine unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrungfür die Auslegung, ob Verwaltungsakt oder nicht, von gewisser Bedeutung sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.04.1968 – VI C 113.67 – juris). Jedoch war hier, wie oben dargelegt, für die Klägerin ausreichend deutlich erkennbar, dass die Beklagte sie nicht nur darüber informieren wollte, dass keine Kostenübernahme erfolgt, sondern hierzu eine verbindliche Regelung treffen wollte. Im Übrigen sind sowohl die Beklagte als auch die Widerspruchsbehörde davon ausgegangen, dass mit dem Schreiben vom 26.10.2020 ein Verwaltungsakt erlassen wurde. Überdies enthalten beide Schreiben, vom 08.10.2020 und 26.10.2020, keine Rechtsbehelfsbelehrungen; der am 19.11.2020 eingelegte Widerspruch wäre also in jedem Fall fristgemäß bei der Beklagten eingegangen (§ 62 SGB X i.V.m. 66 Abs. 2 SGG).
Die so verstandene Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Verwaltungsakt (Schreiben der Beklagten) vom 26.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.01.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn diese hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Bestattung ihrer verstorbenen Mutter.
Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Der Anspruch auf „Übernahme“ der Bestattungskosten richtet sich dabei auf Zahlung der erforderlichen Bestattungskosten an den Leistungsempfänger, gleich, ob die Forderung des Bestattungsunternehmens bereits beglichen oder aber nur fällig sein sollte. Der Begriff der Übernahme ist nicht im Sinn eines Schuldbeitritts zur Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmen zu verstehen, sondern normiert eine Geldschuld (Urteil des Senats vom 25.10.2018 – L 8 SO 294/16 – juris, m.w.N.). Dabei ist eine vorherige Kenntnis des zuständigen Sozialhilfeträgers von der Bedarfssituation nicht erforderlich, § 18 SGB XII findet auf diesen Anspruch keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R – juris). Folglich erlischt der Anspruch auch weder durch den Vollzug der Bestattung noch durch bereits erfüllte Zahlungsverpflichtungen (vgl. LSG Saarland, Urteil vom 18.06.2020 – L 11 SO 9/18 – juris, m.w.N.).
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch scheidet nicht schon deswegen aus, weil die Klägerin ihn an die IKG abgetreten hätte. Zwar wurde zwischen der Klägerin und der IKG eine Abtretung vereinbart (Abtretungserklärung vom 20.05.2019). Doch ist diese wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII insofern gemäß § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam. In § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist u.a. festgelegt, dass der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragen werden kann. Teilweise wird zwar eine teleologische Einschränkung dieser Norm diskutiert. Dies wird aber nur für Fälle erwogen, in denen es nicht mehr um den originären Sozialhilfeanspruch geht, also den primären Leistungsanspruch nach dem SGB XII, sondern um den Ausgleich der Folgen des wegen eines Systemversagens entstandenen Schadens bzw. einen Sekundäranspruch auf Kostenerstattung (vgl. Coseriu/Filges in: jurisPK-SGB XII, Stand: 29.07.2021, § 17 Rn. 26 f.; Deckers in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl., § 17 Rn. 21). Eine derartige Konstellation liegt hier nicht vor. Obschon – wie erwähnt – der Anspruch nach § 74 SGB XII Besonderheiten aufweist, handelt es sich um einen primären Rechtsanspruch auf Sozialhilfe, nicht um die Regelung eines Schadensausgleichs. Daher ist die Abtretung in der Erklärung vom 20.05.2019 hier unschädlich für die Aktivlegitimation der Klägerin.
Die Beklagte als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs. 2 SGB XII) ist passivlegitimiert. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach § 97 Abs. 1 und 2 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes vom 27.12.2003, BGBl. I, 3022). Die in Art. 82 des (bayer.) Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG – in der Fassung des Gesetzes vom 09.01.2018, GVBl, S. 2) bestimmte sachliche Zuständigkeit der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe (Art. 80 Abs. 1 AGSG) umfasste bis 31.12.2019 – soweit nicht ein Fall des § 97 Abs. 4 SGB XII vorlag – die Zuständigkeit für Leistungen nach § 74 SGB XII nur, wenn zugleich laufende Leistungen nach dem Sechsten oder Siebten Kapitel des SGB XII bezogen wurden (Art. 82 Nr. 4 Buchstabe b AGSG a.F.). Abzustellen ist dabei auf die verstorbene Person, nicht auf die Person des Anspruchsstellers gemäß § 74 SGB XII (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R – juris). Hier erhielt die Mutter der Klägerin zwar Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vom Bezirk Oberbayern, aber nicht nach anderen Kapiteln des SGB XII. Die Klägerin selbst erhielt in dem für einen Anspruch nach § 74 SGB XII maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeit der Bestattungskosten (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2019 – B 8 SO 10/18 R – juris) zwar Sozialhilfe, aber von der Beklagten und allein nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Bescheid vom 16.07.2019). Weder die Klägerin noch ihre Mutter erhielten stationäre oder teilstationäre Leistungen der Sozialhilfe. Auch nach der seit 01.01.2020 geltenden Fassung des Art. 82 AGSG (Gesetz vom 23.12.2019, GVBl. S. 747) ergibt sich keine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers, so dass gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII die Zuständigkeit der Beklagten begründet ist. Nach Art. 82 Satz 2 AGSG (aktuelle Fassung) ist der überörtliche Sozialhilfeträger auch dann für Leistungen nach § 74 SGB XII sachlich zuständig, wenn Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder sonstige Leistungen durch den überörtlichen Träger zu erbringen waren. Beides war hier nicht der Fall. Eingliederungshilfe nach dem SGB IX erhielt die Mutter der Klägerin nicht und auch keine sonstigen Leistungen vom überörtlichen Träger. Es gibt außerdem keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie Anspruch auf derartige Leistungen gehabt haben könnte. Örtlich zuständig für den Anspruch nach § 74 SGB XII ist gemäß § 98 Abs. 3 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2012, BGBl. I, 2783) der Träger der Sozialhilfe, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt. Daraus folgt, dass die Beklagte für den geltend gemachten Anspruch auch örtlich zuständig ist. Zwar bezog die Mutter der Klägerin nicht bis zu ihrem Tod Sozialhilfe von der Beklagten, sondern Grundsicherung vom Bezirk Oberbayern. Da dieser nicht sachlich zuständig war, ist für die örtliche Zuständigkeit der Sterbeort maßgeblich. Dieser lag im Gebiet der Beklagten.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Bestattung ihrer Mutter aus § 74 SGB XII zu, denn sie war nicht „Verpflichtete“ im Sinn dieser Norm. Für die Annahme einer solchen Pflicht genügt nicht die Vereinbarung der Klägerin mit der IKG über deren Beauftragung zur Durchführung der Bestattung (Schreiben vom 20.05.2019) bzw. die Übernahme der Kosten für den Grabstein (Rechnung der Fa. T vom 12.11.2020). Zwar folgt auch aus dem Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages in Bezug auf eine Bestattung eine Verpflichtung zur Zahlung. Für eine Stellung als Verpflichteter i.S.d. § 74 SGB XII ist aber ein besonderer zivil- oder öffentlich-rechtlicher Status erforderlich, der vom Totensorgerecht zu unterscheiden ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 30.05.2002 – 5 C 14/01 – beide nach juris). Sowohl die Kostentragungsverpflichtung aus dem Erbrecht, als auch sekundär, wenn kein Erbe vorhanden ist, aus dem Unterhaltsrecht, gehen der Verpflichtung, als Bestattungsverpflichteter für diese Kosten im Wege der Gefahrenbeseitigung aufkommen zu müssen, vor (vgl. LSG Saarland, Urteil vom 18.06.2020 – L 11 SO 9/18 – juris; Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl., § 74 Rn. 5; Siefert in jurisPK-SGB XII, Stand: 01.09.2021, § 74 Rn. 29; Deckers in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl., § 74 Rn. 22; Berlit in LPK-SGB XII, 11. Aufl., § 74 Rn. 6).
Vorliegend trat mangels gewillkürter Erbfolge aufgrund des Todes der Verstorbenen die gesetzliche Erbfolge gemäß den §§ 1924 BGB ein, wonach die Klägerin grundsätzlich als Tochter und damit Erbin der ersten Ordnung (§ 1924 BGB) neben ihrem zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Vater, der mit der Verstorbenen im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, deren Ende der Tod eines Ehegatten ist (§ 1371 Abs. 1 BGB), gelebt hat, und ihrem Bruder zu einem Viertel Erbin geworden wäre (§ 1931 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 1371 BGB). Die Klägerin hat jedoch – ebenso wie ihr Bruder (Antrag mit Apostille vom 11.09.2020) – mit dem notariell beglaubigten Schreiben vom 04.09.2020 die Erbschaft nach ihrer Mutter ausgeschlagen mit der Folge, dass sie als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB) und damit demjenigen anfällt, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Erbenstellung der Klägerin ist damit mit Wirkung ex tunc (von Anfang an) wieder entfallen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.3.2010 – L 7 SO 4476/08 – juris). Auch wenn hier geraume Zeit zwischen dem Erbfall und der Ausschlagung vergangen ist, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erbausschlagung nicht wirksam war. Die Klägerin hat angegeben, dass sie eine Mitteilung des Nachlassgerichts über ihre Erbenstellung erst mit Schreiben vom 27.08.2020 erhalten hat. Ausgehend davon ist die sechswöchige Frist für die Erbausschlagung eingehalten (§ 1944 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB). Nachdem das einzige Kind der Klägerin die Erbschaft ebenfalls ausgeschlagen hat (Schreiben vom 04.09.2020), fiel die Erbschaft nach der Mutter der Klägerin somit allein dem Vater zu. Damit traf nur ihn die Verpflichtung aus § 1968 BGB zur Tragung der Kosten der Bestattung der Verstorbenen.
Dass der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt der Erbausschlagung ebenfalls schon verstorben war, vermag die Rechtswirkung der Erbausschlagung aus § 1953 BGB nicht zu beseitigen. Vielmehr geht nach § 1952 BGB dann die Erbschaft mit dem Ausschlagungsrecht auf dessen Erben über (vgl. Otte in Staudinger, BGB, Stand: 30.04.2021, § 1953 Rn. 6). Angesichts dieser klaren gesetzlichen Regelung geht die Argumentation der Klägerin, maßgeblich sei die Situation im Zeitpunkt der Fälligkeit der geltend gemachten Bestattungskosten, fehl. Da die Klägerin das Erbe ihres Vaters nach dessen Tod am 23.11.2019 ebenfalls ausgeschlagen hat (notariell beglaubigtes Schreiben vom 17.01.2020), wurde sie auch nicht zu dessen Erbin und damit nicht zur Schuldnerin der bis zu seinem Tod vorhandenen Verbindlichkeiten (§ 1922 Abs. 1 BGB), zu denen auch diejenige des § 1968 BGB gehört. Nachdem die Klägerin bezüglich ihres Vaters davon ausging, ihr Bruder sei Alleinerbe geworden, ist diese Erbausschlagung ebenfalls fristgerecht erfolgt. Daher hat der Senat insofern ebenfalls keinen Anhalt, von einer unwirksamen Ausschlagung auszugehen.
Die Kosten für die Bestattung der Mutter der Klägerin durch die IKG zählen hier auch zur Erbschaft nach dem Vater der Klägerin, denn sie sind noch vor dessen Tod angefallen, da die Rechnung der IKG über 8.750 EUR vom 31.07.2019 datiert und mangels anderweitiger Vereinbarung mit Zugang im August 2019 fällig war (§ 271 Abs. 1 BGB). Dass auch der Sohn der Klägerin und ihr Bruder die Erbschaft nach dem Vater der Klägerin ausgeschlagen haben, ist nicht bekannt. Damit fällt gegebenenfalls diesen als Erbeserben die Verbindlichkeit aus § 1968 BGB betreffend die Bestattung der Mutter der Klägerin zu. Gleiches trifft auf die vom Vater der Klägerin noch zu dessen Lebzeiten beauftragte Anfertigung eines Grabsteins für das Grab der Mutter der Klägerin zu (Auftrag/Bestellung vom 16./17.09.2019). Dieser wurde erst im November 2020 gesetzt und mit 3.300 EUR in Rechnung gestellt (Rechnung vom 12.11.2020). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin überdies bereits die Erbschaften nach ihren beiden Eltern ausgeschlagen.
Aus anderen Vorschriften folgt ebenfalls keine Verpflichtung der Klägerin i.S.d. § 74 SGB XII. Aus familienrechtlichen Bestimmungen ergibt sich diese jedenfalls mangels Leistungsfähigkeit der Klägerin – diese bezog damals Hilfe zum Lebensunterhalt von der Beklagten (Bescheid vom 16.07.2019) – nicht (§ 1603 Abs. 1 BGB). Insoweit wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Dass die Klägerin bezüglich ihrer verstorbenen Mutter Bestattungspflichtige nach dem bayer. Bestattungsrecht war, führt ebenso wenig zur Begründung einer sozialhilferechtlichen Verpflichtetenstellung. Nach Art. 15 des (bayer). Bestattungsgesetzes (BestG) i.V.m. § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der (bayer.) Bestattungsverordnung (BestV) haben folgende Angehörige für die Bestattung und die ihr vorausgehenden notwendigen Verrichtungen zu sorgen: Der Ehegatte oder der Lebenspartner, die Kinder, die Eltern, die Großeltern, die Enkelkinder, die Geschwister die Kinder der Geschwister des Verstorbenen und die Verschwägerten ersten Grades. Anders als etwa bei der Heranziehung durch die Gemeinde als Ordnungsbehörde (§ 15 Satz 2 BestV) ist in Bezug auf die Regelung der Bestattungspflicht nach dem Ordnungsrecht keine Rangfolge vorgesehen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.09.2015 – 4 ZB 15.1029 – juris); dies ist nämlich so nicht geregelt. Die Klägerin war also nach dem bayer. Landesrecht neben ihrem damals noch lebenden Vater gleichrangig bestattungspflichtig. Wie oben bereits dargelegt, geht jedoch die Verpflichtung des Erben aus § 1968 BGB, für die Kosten der Beerdigung aufzukommen, sozialhilferechtlich einer Verpflichtung aus öffentlich-rechtlichen Bestattungsvorschrift vor. Dies kommt vorliegend zum Tragen.
Zu berücksichtigten ist in diesem Rahmen ferner mit Blick auf das aus Art. 4 des Grundgesetzes (GG) folgende Gebot zur Beachtung religiöser Bekenntnisse (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.2020 – B 8 SO 8/19 R – juris) sowie die sich aus Art. 140 GG ergebenden Anforderungen noch, dass nach der Beerdigungs- und Friedhofsordnung der IKG vom 11.04.2005 Auftraggeber für Bestattungen und die Nutzung von Grabstätten nur Mitglieder der IKG sein können und hierbei eine Reihenfolge vorgegeben ist (Ziffer III. 4.). Dabei ist der überlebende Ehegatte vor Kindern genannt. Dieser Rangfolge in der Beerdigungs- und Friedhofsordnung der IKG ist im vorliegenden Fall sozialhilferechtlich dahin Rechnung zu tragen, dass trotz der landesrechtlichen Bestattungsregelung auch deswegen nur eine nachrangige Verpflichtung der Klägerin anzunehmen ist. Andernfalls würde den sich in der Beerdigungs- und Friedhofsordnung der IKG zum Ausdruck kommenden religiösen Vorstellungen – denen zu folgen, in der Regel und so auch hier, dem Willen des Verstorbenen entspricht – bzw. dem Recht der Religionsgemeinschaften, hier der IKG, ihre Angelegenheiten selbstständig zu verwalten und zu ordnen (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 der Verfassung des Deutschen Reiches), nicht das gebotene Gewicht zukommen.
Eine Übernahmeverpflichtung für die der Klägerin durch die IKG und den Steinmetzbetrieb in Rechnung gestellten Kosten scheidet daher bereits dem Grunde nach aus.
Ungeachtet dessen hat der Senat auch erhebliche Zweifel daran, dass die hier beanspruchten Kosten für die Bestattung i.H.v. insgesamt 12.050 EUR noch als erforderlich i.S.d. § 74 SGB XII angesehen werden könnten. Insbesondere die Anfertigung und Aufstellung eines Grabsteins für 3.300 EUR (Rechnung der Fa. T vom 12.11.2020) dürfte das Maß des noch zu Übernehmenden überschreiten.
Die Berufung hat nach alledem keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


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