Europarecht

Nachzug zum Sohn aus Usbekistan

Aktenzeichen  AN 5 K 16.02402

Datum:
27.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55094
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2, § 25, § 36 Abs. 2, § 68
VwGO § 113 Abs. 1, Abs.5, § 117 Abs. 5
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann; die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel bleiben außer Betracht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 15. November 2016 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).
Die in Ziffer I verfügte Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist nicht zu beanstanden.
Gemäß §§ 28 Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 2 AufenthG kann sonstigen Familienangehörigen von deutschen Staatsangehörigen zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 2 AufenthG scheitert vorliegend jedenfalls an der Nichterfüllung einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung, da der Lebensunterhalt im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht gesichert ist.
Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann; die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel bleiben außer Betracht.
Erforderlich ist mithin die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 10/12 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 1 C 14/16 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 37). Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung auch aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (BayVGH, B.v. 24.4.2014 – 10 ZB 14.524 – juris Rn. 6). Diese Prognoseentscheidung fällt zu Lasten der Klägerin aus.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung im Rahmen einer Verpflichtungsklage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Nach Vortrag der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung besteht auch weiterhin kein Krankenversicherungsschutz für die Klägerin. Die Klägerin hat insoweit seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 2015 keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz nachgewiesen. Es ist nicht abzusehen, ob und wann die Klägerin einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz besitzen wird, so dass vorliegend kein Nachweis eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes i.S.d. § 2 Abs. 3 AufenthG erbracht wurde. Allein die Abgabe einer Verpflichtungserklärung i.S.d. § 68 AufenthG durch den Sohn der Klägerin genügt hierfür nicht. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG fordert ausdrücklich einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. In Anbetracht der nicht abschätzbaren Kosten im Krankheitsfalle, insbesondere bei längeren stationären Krankenhausaufenthalten, müssen im Regelfall bei fehlenden Krankenversicherungsschutz die Sozialkassen eingreifen, was vorliegend prognostisch aufgrund der Einkommensverhältnisse des Sohnes der Klägerin der Fall wäre. Es bleibt damit festzuhalten, dass der Lebensunterhalt der Klägerin nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert ist.
Der Gesetzgeber bringt durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist. Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Ein Ausnahmefall ist nur bei besonderen, atypischen Umständen gegeben, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst auschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 3/08 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 24.4.2014 – 10 ZB 14.528 – juris Rn. 7).
Atypische Umstände, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen, liegen vorliegend nicht vor. Der Umstand, dass der Ausländer zur Sicherung seines Lebensunterhalts aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (etwa – wie hier – Alter oder Gebrechen) nicht in der Lage ist, stellt keinen derartigen atypischen Umstand dar (BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 44). Auch der Vortrag der Klägerseite, dass die Feststellung der außergewöhnlichen Härte i.S.d. § 36 Abs. 2 AufenthG die Annahme einer außergewöhnlichen Situation rechtfertigt, führt zu keiner anderen Entscheidung.
Zwar bejahte die Beklagte aufgrund des Gesundheitszustandes der Klägerin eine außergewöhnliche Härte i.S.d. § 36 Abs. 2 AufenthG und sah von der Nachholung des Visumsverfahren gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ab, dies allein rechtfertigt aber nicht ein Absehen von der Regelvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
Da die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist, ist daher bei der Annahme eines Ausnahmefalls ein strenger Maßstab anzulegen (BayVGH, B.v. 8.8.2014 – 10 ZB 14.861 – juris Rn. 6). Es entspricht vielmehr der Regel, die Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern (BayVGH, B.v. 8.8.2014 – 10 ZB 14.861 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3.3.2005 – 8 S 8.05 – juris Rn. 8). Die 1930 geborene Klägerin reiste trotz Kenntnis ihrer geringen Rente und ihres Gesundheitszustandes im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein. Schwierigkeiten mit dem Abschluss einer Krankenversicherung waren daher bereits bei der Einreise für die Klägerin vorhersehbar. Selbst nach mittlerweile mehrjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet weist die Klägerin keinen Krankenversicherungsschutz vor. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte an der Regelvoraussetzung festhält.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, da auch hier bereits die Nichterfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht. Die Voraussetzungen für ein Absehen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind vorliegend nicht erfüllt. Hierzu wird auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach anderen Vorschriften ist vorliegend nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen.
Zur weiteren Begründung wird im Übrigen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 15. November 2016 Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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