Europarecht

Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegungsanforderungen bei der Klagebefugnis; Hinweispflicht des Gerichts

Aktenzeichen  5 B 21/09, 5 B 21/09, 5 PKH 16/09

Datum:
29.1.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 86 Abs 3 VwGO
§ 108 Abs 2 VwGO
§ 132 Abs 2 Nr 3 VwGO
§ 42 Abs 2 VwGO
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 27. Januar 2009, Az: 10 S 2898/08, Urteil

Gründe

1
Die auf die Zulassungsgründe des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
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1. Dies gilt zunächst, soweit sich die Klägerinnen dagegen wenden, dass der Verwaltungsgerichtshof ihre Berufung im Hinblick auf die von ihnen begehrte Erteilung einer “Aufnahmebescheinigung” als Vertriebene bzw. Abkömmlinge von Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit oder deutscher Staatsangehörigkeit (erster Teil ihres Klageantrags) zurückgewiesen hat.
3
1.1 Ein Verfahrensmangel, der insoweit zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, ist nicht hinreichend dargelegt und liegt auch in der Sache nicht vor. Ihr diesbezüglicher Vortrag genügt weder den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) noch lässt sich sonst feststellen, dass das Berufungsurteil den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör verletzt oder sonst gegen Verfahrensrecht verstößt.
4
a) Die Rüge der Klägerinnen, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, bleibt ohne Erfolg. Dieser Anspruch verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom 6. Mai 1986 – 1 BvR 677/84 – BVerfGE 72, 119 und vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 ). Das Gericht ist aber nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Dies ist dann gegeben, wenn es etwa das Vorbringen eines Beteiligten zu einem zentralen Gesichtspunkt entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, sofern das Vorbringen nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 1983 – 2 BvR 399/81 – BVerfGE 65, 293 und vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ). Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt eine Verletzung hier nicht vor.
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Zur Begründung dazu, dass rechtliches Gehör nicht gewährt worden sei, beruft sich die Beschwerde insoweit maßgeblich darauf, das Berufungsgericht habe ihren Vortrag im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) nicht zur Kenntnis genommen und erwogen. Diese Rüge ist bereits deshalb unschlüssig, weil die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts aus zu beurteilen ist, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4, Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) nämlich mit der Begründung verneint, durch deren Ablehnung könnten offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerinnen verletzt sein. Denn weder dem Bundesvertriebenengesetz noch anderen Normen könne eine Grundlage für die von den Klägerinnen angestrebte “Aufnahmebescheinigung als Vertriebene bzw. Abkömmlinge von Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit oder deutscher Staatsangehörigkeit” entnommen werden (Urteilsabdruck S. 9). Damit hat der Verwaltungsgerichtshof zum einen deutlich gemacht, dass er insoweit (aufgrund des ausdrücklichen, von einem rechtskundigen bevollmächtigten Rechtsanwalt gestellten Klageantrags) allein den Anspruch auf Erteilung einer solchen “Aufnahmebescheinigung” – was im Hinblick auf die Auslegung des Klagebegehrens weder von der Beschwerde angegriffen wird noch sonst revisionsgerichtlich zu beanstanden ist – als Streitgegenstand angesehen hat, und dass zum anderen nach seiner materiellrechtlichen Auffassung nach keiner Betrachtungsweise ein Anspruch der Klägerinnen auf diese begehrte “Aufnahmebescheinigung” in Betracht kam. Der Verwaltungsgerichtshof hat damit zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er dem zentralen Vortrag der Klägerinnen, ein Anspruch auf die von ihnen begehrte “Aufnahmebescheinigung” lasse sich in irgendeiner Weise aus der behaupteten Erlangung der Eigenschaft als Vertriebene gemäß § 7 BVFG a.F. herleiten, rechtlich nicht folgt. Der allein streitgegenständliche Anspruch auf eine “Aufnahmebescheinigung” lässt sich nach der – auch nach Auffassung des entscheidenden Senats überdies nicht fehlerhaften – Rechtsansicht des Berufungsgerichts weder dieser Vorschrift entnehmen, noch ergibt sich ein Anspruch aus den Umständen, welche die Klägerinnen in ihrem Schriftsatz zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 5. Mai 2008 (und dem dortigen Hinweis auf “§ 7 AufenthaltsG bzw. § 6 AuslG”) vorgebracht haben. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat, indem er schon die Möglichkeit des Bestehens eines Anspruchs auf Erteilung einer “Aufenthaltsbescheinigung” auch aus Normen außerhalb des BVFG verneint hat, der Sache nach deutlich abgelehnt, dass sich ein solcher Anspruch – wie die Klägerinnen meinen – aus einem etwaigen aus der Vertriebeneneigenschaft folgenden Recht zum Daueraufenthalt oder in Verbindung hiermit aus einem auf “§ 7 Aufenthaltsgesetz bzw. § 6 des Ausländergesetzes” beruhenden Aufenthaltsrecht ergeben könne. Weil der Verwaltungsgerichtshof den Hinweis auf die letzteren Vorschriften mit den vorgenannten Ausführungen als materiellrechtlich nicht durchgreifend zurückgewiesen hat, musste er nicht ausdrücklich auf die Details des Vortrags der Klägerinnen eingehen. Jedenfalls lässt sich daraus, dass er die vorgenannten Normen und insbesondere § 7 BVFG a.F. insoweit nicht ausdrücklich genannt hat, nicht schließen, dass er sie und das hierzu von der Klägerinnen Vorgetragene nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat. Der Verwaltungsgerichtshof musste sich nach seiner Rechtsansicht schon nicht damit auseinandersetzen, ob den Klägerinnen überhaupt – wie von ihnen behauptet – die aus § 7 BVFG a.F. hergeleitete Vertriebeneneigenschaft zukam; denn nach seiner Rechtsansicht kann daraus – selbst wenn die Vertriebeneneigenschaft anzunehmen wäre (vgl. dazu Urteile vom 4. April 1995 – BVerwG 9 C 400.94 – Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 51 und vom 6. Februar 2003 – BVerwG 5 C 44.01 – Buchholz 412.3 § 7 BVFG Nr. 5) – der allein im Streit stehende Anspruch auf Erteilung einer “Aufnahmebescheinigung” nicht entnommen werden.
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Es trifft zudem auch nicht zu, dass der Verwaltungsgerichtshof die zentrale Vorschrift des § 7 BVFG a.F. und den hierzu von den Klägerinnen unterbreiteten Sachverhalt überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hätte. Vielmehr ergibt sich das Gegenteil unter anderem daraus, dass er diesen Vortrag in den Tatbestand des Urteils aufgenommen hat und zudem in den Gründen – wenn auch im Zusammenhang mit der Erörterung des zweiten Teils des Klageantrags zur Feststellung des Deutschen-Status nach Art. 116 Abs. 1 GG – ausdrücklich auf die genannte Vorschrift eingegangen ist. Dabei durfte er auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die “umstrittene Frage, ob die Klägerinnen nach Maßgabe des § 7 BVFG a.F. Vertriebene sind”, offen lassen (UA S. 10, vgl. dazu auch Urteile vom 4. April 1995 a.a.O. und 6. Februar 2003 a.a.O.).
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Die angefochtene Entscheidung könnte überdies – selbst wenn eine das rechtliche Gehör beeinträchtigende Nichtberücksichtigung von Vorbringen vorläge – nicht auf einem etwaigen Verstoß beruhen, da ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerinnen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Das gilt sowohl im Hinblick auf § 7 BVFG a.F., der allein die materiellrechtliche Frage des Erwerbs der Vertriebeneneigenschaft geregelt hatte, nicht aber deren nach § 15 BVFG a.F. vorgesehene formelle Bestätigung und der insbesondere eine “Aufnahmebescheinigung” als Rechtsfolge eindeutig nicht vorsieht, als auch hinsichtlich der genannten ausländerrechtlichen Normen, denen sich allenfalls Ansprüche auf eine Aufenthaltsgenehmigung bzw. Aufenthaltserlaubnis, nicht aber auf die begehrte “Aufnahmebescheinigung” entnehmen lassen.
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b) Jedenfalls aus diesem Grunde lässt sich aus dem Vorbringen der Beschwerde auch sonst ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensfehler nicht entnehmen. Zwar rügen die Klägerinnen, das Berufungsgericht habe zu Unrecht von ihnen verlangt, zur Begründung der Klagebefugnis konkrete Normen zu nennen. Allerdings ist mit dem diesbezüglichen Vorbringen ein Verfahrensmangel (etwa eine Verletzung des § 42 Abs. 2 VwGO) schon nicht in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise bezeichnet.
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Selbst wenn dies anders wäre und die Beschwerde eine Überspannung der Anforderungen an diese Norm durch das Berufungsgericht hinreichend dargelegt hätte, ließe sich daraus ein Verfahrensmangel im Ergebnis nicht herleiten. Soweit der Verwaltungsgerichthof dahin zu verstehen sein sollte, dass er den Klägerinnen der Sache nach vorgeworfen hätte, sie hätten im Berufungsverfahren – trotz der Aufforderung im Zulassungsbeschluss – keine Normen genannt, die den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf eine “Aufnahmebescheinigung” (möglicherweise) tragen könnten, hätte er allerdings die prozessualen Darlegungsanforderungen bei der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO insofern fehlerhaft bestimmt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es im Rahmen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Kläger Tatsachen vorträgt, die es denkbar und notwendig erscheinen lassen, dass er in einer eigenen rechtlichen Position beeinträchtigt ist (Urteile vom 27. November 1996 – BVerwG 11 A 100.95 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 18 = NVwZ 1997, 994 und vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215 ). Wenn die Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Klägerinnen im Berufungsverfahren keine Normen genannt hätten, dahin zu verstehen wäre, dass die Klägerinnen nicht nur keine zur Begründung der Klagebefugnis sachlich nach der Möglichkeitstheorie geeignete Norm, sondern überhaupt keine Norm genannt hätten, träfe dies so ebenfalls nicht zu. Zum einen hat sich der Bevollmächtigte der Klägerinnen in der Berufungsbegründungsschrift vom 6. November 2008 ausdrücklich auf den “erworbenen Vertriebenenstatus gemäß § 7 BVFG a.F.” berufen. Zum anderen hat er darin auf seine Schriftsätze im Berufungszulassungsverfahren Bezug genommen (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Bezugnahme im Hinblick auf die Anforderungen aus § 124a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO an eine Berufungsbegründung: Beschluss vom 30. Januar 2009 – BVerwG 5 B 44.08 – juris m.w.N.).
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Allerdings kommt es nicht darauf an, ob dieser Teil der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 42 Abs. 2 VwGO fehlerhaft ist. Denn jedenfalls ist die tragende Aussage des Verwaltungsgerichtshofs, dass hier nach keiner Betrachtungsweise ein Anspruch auf Erteilung einer “Aufnahmebescheinigung” bestehen kann, nicht zu beanstanden. Insoweit unterliegt auch der rechtliche Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichtshofs, d.h. der aus § 42 Abs. 2 VwGO entnommene Maßstab, keiner Beanstandung. Es ist daher auch auszuschließen, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Nennung von Normen einen Verfahrensverstoß, auf dem die angegriffene Entscheidung beruht, begründen können.
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1.2 Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Keine Grundsatzbedeutung kommt den folgenden von der Beschwerde aufgeworfenen vier Fragen (Beschwerdebegründung, S. 15) zu, mit denen sie geltend macht, es sei
“1. die Grundsatzfrage zu klären, wie Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge ihren Anspruch auf endgültigen Aufenthalt im Bundesgebiet nach Feststellung der Vertriebeneneigenschaft oder der Abkömmlings- oder Ehegatteneigenschaft im Sinne des Art. 116 I GG und damit die Aufnahme im Sinne des “Aufnahmefindens” gegenüber einer Behörde, die weder handelt noch irgendwie tätig wird, durchsetzen können und welche Normen bzw. Anspruchsgrundlagen oder Rechtssätze hier anzuwenden sind.
2. Des weiteren gilt es zu klären, ob ein Tatsachengericht die Klage als unzulässig dann abweisen darf, wenn der Kläger zwar einen Sachverhalt vorgetragen hat, aus dem sich seine geltend gemachten Ansprüche ergeben, jedoch die einschlägigen gesetzlichen Normen nicht ausdrücklich genannt hat.
3. Des weiteren ist zu klären, ob es den für die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen an Vertriebene und für die Aufnahme und Eingliederung der Vertriebenen und Heimkehrer zuständigen Behörden der BR Deutschland gestattet ist, die Vertriebene sowie deren Abkömmlinge und Ehegatten, wenn sie bereits vor dem 01.01.1993 ihre Berechtigung nach dem BVFG erworben haben, von der Aufnahme dadurch auszuschließen, in dem die Behörde untätig bleibt und die Eigenschaft nach Art. 116 I GG deshalb nicht anerkennt, weil der Betroffene keine Aufnahme gefunden habe.
4. Die Revision ist auch deshalb zuzulassen, um die Frage zu klären, ob der Vertriebene oder dessen Abkömmling oder Ehegatte, der den Willen geäußert hat, als Vertriebener oder als Abkömmling oder Ehegatte eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit sich in Deutschland dauerhaft niederlassen zu wollen und um Erteilung der entsprechenden Genehmigung gebeten hat, von der Aufnahme ausgeschlossen werden (darf), wenn ihm, nach Erkrankung vor Erreichen der BR Deutschland, aus humanitären Gründen die Einreise mit einem Touristenvisum in Kenntnis der geltend gemachten und vorhandenen Vertriebeneneigenschaft oder Abkömmlingseigenschaft oder Ehegatteneigenschaft erteilt wurde.”
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Die aufgeworfenen Fragen können eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertigen, weil sie sich in der von der Beschwerde formulierten Weise in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden. Denn Gegenstand des hier in Rede stehenden Klageantrags ist – wie oben dargelegt – allein die Erteilung einer “Aufnahmebescheinigung”. Auf die vorgenannten Fragen kommt es dafür nicht an.
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2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Klägerinnen im Hinblick auf die von ihnen begehrte Feststellung, dass sie Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind, zurückgewiesen hat. Insoweit ist die ebenfalls auf die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde jedenfalls unbegründet.
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2.1 Die diesbezüglich von der Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage (Beschwerdebegründung, S. 17),
“ob Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit, die keine deutschen Staatsangehörigen sind, deren Ehegatten und Abkömmlinge nur dann durch Aufnahme Deutsche im Sinne des Art. 116 I GG geworden sind, wenn ihnen eine ausländerrechtliche Daueraufenthaltserlaubnis erteilt wurde”,
rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Denn diese Frage würde sich zum einen in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Zum anderen hat das Berufungsgericht die Zurückweisung der Berufung im Hinblick auf die begehrte Feststellung des Deutschen-Status darauf gestützt, dass die Klägerinnen keine Aufnahme im Bundesgebiet im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG gefunden hätten, weil es an einem kausalen Zusammenhang zwischen der dort genannten Eigenschaft (Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatten oder Abkömmling) und der Aufnahme im Bundesgebiet fehle (UA S. 10). Dieser rechtliche Maßstab, von dem das Berufungsgericht ausgegangen ist, ist in der Rechtsprechung bereits geklärt (Urteil vom 12. Mai 1992 – BVerwG 1 C 37.90 – BVerwGE 90, 181 ) und wird von der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen. Einen ergänzenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
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Dies gilt auch, sofern die Beschwerde mit ihrer oben zitierten Grundsatzrüge (unter Ziffer 4. auf S. 15 der Beschwerdebegründung) eine Zulassung der Revision im Hinblick auf das Begehren der Klägerinnen auf Feststellung des Deutschen-Status im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG hat erreichen wollen. Insoweit geht die Beschwerde zudem von tatsächlichen Grundlagen aus (wie der Feststellung der Tatsachen für die Eigenschaft als Vertriebene einerseits und der Erteilung eines Touristenvisums durch die Behörde “in Kenntnis der gemachten und vorhandenen Vertriebeneneigenschaft…” andererseits), die das Berufungsgericht in dieser Weise gerade nicht festgestellt hat.
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2.2 Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Hinblick auf das Begehren nach Feststellung des Deutschen-Status im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG führen könnte, ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt und liegt in der Sache nicht vor.
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a) Ohne Erfolg macht die Beschwerde insoweit geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO bzw. seine richterliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verletzt und eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen.
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Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (Urteil vom 11. November 1970 – BVerwG 6 C 49.68 – BVerwGE 36, 264 ; Beschluss vom 4. Juli 2007 – BVerwG 7 B 18.07 – juris). Ein hiergegen verstoßendes Verhalten des Gerichts läge aber nur vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Ansonsten besteht im Grundsatz keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 5. November 1986 – 1 BvR 706/85 – BVerfGE 74, 1 ). Ein Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr; vgl. etwa Beschlüsse vom 8. August 1994 – BVerwG 6 B 87.93 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 335, vom 26. Juni 1998 – BVerwG 4 B 19.98 – NVwZ-RR 1998, 711, vom 28. Dezember 1999 – BVerwG 9 B 467.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 und vom 13. März 2003 – BVerwG 5 B 253.02 – juris).
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Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch eine unzulässige Überraschungsentscheidung hier nicht erfüllt. Die Beschwerde macht insbesondere geltend, es sei nach dem Verfahrensverlauf nicht erkennbar gewesen, dass das Berufungsgericht die Verneinung einer “Aufnahme” im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG und damit die Abweisung des diesbezüglichen Feststellungsbegehrens der Klägerinnen auf das Fehlen einer kausalen Verknüpfung zwischen Aufnahme und Vertreibung gestützt habe. Es sei in tatsächlicher Hinsicht zu keinem Zeitpunkt im Laufe des Verfahrens in Frage gestellt worden, dass die Klägerinnen nicht aufgrund ihrer familiären Verbundenheit zu den im Bundesgebiet lebenden Eltern und Großeltern eingereist seien. Das Berufungsgericht habe fehlerhaft angenommen und auch den Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen (im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2009) unzutreffend dahin wiedergegeben, dass der Aufenthalt der Klägerinnen im Bundesgebiet ab 2002 allein der Behandlung der Leukämieerkrankung der Klägerin zu 2 habe dienen sollen.
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Damit wie auch mit den weiteren Ausführungen der Beschwerde hierzu ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen bis zum Abschluss der Berufungsverhandlung nicht mit den Beteiligten erörterten und für sie erkennbaren rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt hat, mit dem sie nicht rechnen mussten. Zum einen ist die Frage, aus welchen Gründen die Klägerinnen 2002 in das Bundesgebiet eingereist sind, ausweislich des Sitzungsprotokolls, dessen Berichtigung der Bevollmächtigte der Klägerinnen erfolglos begehrt hat (siehe den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. März 2009), in der mündlichen Verhandlung jedenfalls erörtert worden, ohne dass es insoweit darauf ankäme, ob das Protokoll die Ausführungen des Bevollmächtigten in jeder Hinsicht wortgetreu wiedergegeben hat. Zum anderen hatte bereits das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Klägerinnen die Aussiedlungsgebiete mit einem “Besuchsvisum” verlassen haben. Sie mussten daher damit rechnen, dass das Berufungsgericht diesen tatsächlichen Umstand im Zusammenhang mit dem Grund für ihre darauf beruhende Einreise in das Bundesgebiet würdigen würde. Insofern durfte es sie nicht überraschen, dass der Verwaltungsgerichtshof hieraus und aus weiteren Umständen Schlussfolgerungen für die Frage ziehen könnte, ob die Einreise aufgrund des “Besuchsvisums” (vorwiegend, maßgeblich oder ausschließlich) der Behandlung der Leukämieerkrankung diente. Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt hier nicht davor, dass das Berufungsgericht die tatsächlichen Umstände des “Besuchs” der Klägerinnen in Deutschland im Ergebnis in einer Weise gewürdigt hat, die mit ihren subjektiven Vorstellungen nicht übereinstimmt. Der Sache nach wenden sich die Klägerinnen insoweit lediglich gegen eine von ihnen nicht geteilte Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, ohne einen Verfahrensverstoß schlüssig aufzuzeigen.
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In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht den Begriff der Aufnahme im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG, der während des gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erörtert worden ist, als nicht erfüllt angesehen. Es müsse eine mit behördlicher Zustimmung erfolgte Begründung des dauernden Aufenthalts durch den Abkömmling im Hinblick darauf erfolgt sein, dass der volksdeutsche Elternteil ebenfalls seinen dauernden Aufenthalt in Deutschland genommen hat. Dies sei nicht der Fall gewesen (UA S. 10). Die Klägerinnen mussten jedenfalls damit rechnen, dass das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des hier zentralen und im gesamten Verfahren erörterten Begriffs der Aufnahme im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG verneinen würde. Das diesbezügliche Erfordernis einer mit einer behördlichen Zustimmung erfolgten Begründung eines dauernden Aufenthalts hatte bereits das Verwaltungsgericht als nicht erfüllt angesehen und deshalb eine “Aufnahme” der Klägerinnen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG verneint. Dazu hat es ausgeführt, dass die Einreise mit einem Besuchsvisum – anders als die Klägerinnen meinten – keine Aufnahme im Sinne dieser Vorschrift darstelle (UA S. 6; vgl. in diesem Sinne auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. August 1990 – 2 BvR 1782/88 – InfAuslR 1990, 297 f.).
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Die für den rechtlichen Subsumtionsschluss des Berufungsgerichts insoweit maßgeblichen und vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umstände, dass die Klägerinnen einerseits mit einem Besuchsvisum eingereist sind und andererseits der Aufenthalt (jedenfalls auch) der Behandlung der Leukämieerkrankung dienen sollte, haben sie als solche auch nicht in erheblicher Weise in Frage gestellt. Die damit zusammenhängende Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Aufenthaltnahme der Klägerinnen ab September 2002 im Bundesgebiet nicht Folge des Vertreibungsdrucks war oder der Herstellung der Familieneinheit mit der Mutter der Klägerin zu 1 diente, durfte die Klägerinnen deshalb – obgleich sie dies selbst aus ihrer subjektiven Anschauung heraus möglicherweise anders gesehen haben – nach dem Prozessverlauf nicht in unzulässiger Weise überraschen. Mit der Möglichkeit einer abweichenden Würdigung der tatsächlichen Umstände muss ein gewissenhafter Prozessbeteiligter stets rechnen (vgl. Beschluss vom 1. September 1993 – BVerwG 4 B 93.93 – juris).
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Unter den gesamten Umständen war es auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass es das Berufungsgericht – was die Beschwerde insoweit ebenfalls rügt – unterlassen hat, die mündliche Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen.
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b) Soweit der Vortrag der Beschwerde dahin zu verstehen sein sollte, dass mit ihren Angriffen gegen die vorgenannte Tatsachenwürdigung des Berufungsgerichts weiter gerügt wird, es habe den Sachverhalt entgegen den Anforderungen des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlerhaft gewürdigt, wird damit ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ebenfalls nicht aufgezeigt. Denn die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich regelmäßig dem sachlichen Recht zuzuordnen (vgl. Beschlüsse vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 und vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines möglichen Ausnahmefalles einer gegen Denkgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung sind von der Beschwerde jedenfalls nicht in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise dargetan.
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3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
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4. Der Antrag der Klägerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung – wie sich aus den vorstehend ausgeführten Gründen ergibt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 115, 121 Abs. 1 ZPO)
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG; sie folgt der von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Bemessung durch den Verwaltungsgerichtshof. Dabei geht der Senat davon aus, dass das erkennbare Interesse des insgesamt zur Entscheidung gestellten Rechtsschutzbegehrens nicht über das (mit 10 000 € je Klägerin zu bemessende) Interesse an der Feststellung, dass die Klägerinnen Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind, hinausgeht.


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