Aktenzeichen 6 U 997/17
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2,§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517, § 520 Abs. 2, Abs. 3, § 540 Abs. 1 Nr. 1
EPÜ Art. 64 Abs. 1, Abs. 3, Art. 69 Abs. 1
BGB § 242, §259
Leitsatz
Die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen (vgl. BGH Urteil vom 9.5.2017, Az. X ZR 102/15, BeckRS 2017, 117715). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
21 O 23358/14 2017-02-03 LGMUENCHENI LG München I
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 03.02.2017, Aktenzeichen 21 O 23358/14, dahingehend abgeändert, dass die Beklagten verurteilt werden,
2. es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an dem Beklagten zu 2) zu vollziehen ist, zu unterlassen:
1.1 (%1) Kranarme,
(%1) mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte,
(%1) wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke,
(2.1) mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und (2.2) einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk (2.3) nach Art eines Kardangelenks aufweist,
(2.4) deren Drehachsen senkrecht zueinander angeordnet sind,
(%1) wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen und (%1) wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist und (4.1) von der Drehachse parallel beabstandet eine Hülse zwischen den die zwei beabstandeten Drehlager aufnehmenden Trägereinrichtungen angeordnet ist und (4.2) die Hülse einen geringeren Durchmesser als das Drehlager aufweist,
(%1) die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager verlaufen,
(5.1) dergestalt, dass sie S-förmig alternierend an dem Drehgelenk und an der Hülse vorbei verlaufen,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen (%1) die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und
(7) die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen;
insbesondere wenn das kranarmseitige Drehgelenk wie nachfolgend eingeblendet ausgebildet ist:
(Ausführungsform 1) und/oder
1.2 (%1) Kranarme,
(%1) mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte,
(%1) wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke,
(2.1) mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und (2.2) einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk (2.3) nach Art eines Kardangelenks aufweist,
(2.4) deren Drehachsen senkrecht zueinander angeordnet sind,
(%1) wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen und (%1) wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist und (%1) die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager verlaufen,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen (%1) die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und (%1) die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen;
insbesondere wenn das kranarmseitige Drehgelenk wie nachfolgend eingeblendet ausgebildet ist:
3. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 09. Oktober 2009 Kräne hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken besessen haben, die die in Ziffer 1.1 und /oder 1.2 genannten Merkmale aufweisen, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
b) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
4. der Klägerin in einem geordneten, nach Kalenderjahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenen Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1) bzw. der Beklagte zu 2) Kräne hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken besessen haben, die die in Ziffer 1 genannten Merkmale aufweisen, und zwar unter Angabe
y) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten;
z) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, jeweils unter Vorlage der Rechnungen;
a) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
b) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie bei Internetwerbung des Schaltungszeitraums, der Internetadressen sowie der Suchmaschinen, bei denen die jeweiligen Seiten direkt oder über ein Gesamtangebot angemeldet werden;
c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten zu 1) bzw. dem Beklagten zu 2) nach ihrer/seiner Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer/seiner Empfänger von Angeboten und ihrer/seiner nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) bzw. der Beklagte zu 2) die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer oder bestimmter Empfänger eines Angebots in der Auskunft enthalten ist;
5. nur die Beklagte zu 1): Die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1.1 und/oder 1.2. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagen zu 1) – Kosten herauszugeben;
6. nur die Beklagte zu 1): Die zu Ziffer 1.1 und/oder 1.2. bezeichneten, seit dem 09. Oktober 2009 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich durch das vorliegende Urteil festgestellten patentverletzenden Zustand des Erzeugnisses und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
7. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer 1.1 und/oder 1.2. bezeichneten, seit dem 09. Oktober 2009 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
8. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin 9.679,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. November 2014 zu zahlen.
9. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung bzgl. Ziff.
I. 1.1. und I. 1.2. in Höhe von jeweils 100.000,- EUR, bzgl. Ziffer I. 2. in Höhe von 20.000,- EUR, bzgl. Ziffer I. 3. in Höhe von 10.000,- EUR, bzgl. Ziffer I. 4. in Höhe von 20.000,- EUR und bzgl. Ziffer I. 5. in Höhe von 10.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich Ziffer I. 7. und Ziff.
III. können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Verletzung des deutschen Teils eines europäischen Patents für einen Kranarm.
Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 1 889 808 B1 (Anlage LS 2, nachfolgend: Klagepatent), welches einen Kranarm mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte schützt. Es wurde am 03.04.2006 angemeldet, die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung erfolgte am 09.01.2009. Das Klagepatent ist mit Wirkung für Deutschland erteilt und steht in Kraft. In einem Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt, dem die Beklagte zu 1) beigetreten war, wurde der Einspruch am 15.01.2013 zurückgewiesen (Anlage B 1).
Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
Kranarm mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte, wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk nach Art eines Kardangelenks aufweist, deren Drehachsen senkrecht zueinander angeordnet sind, wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen und wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist und die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern verlaufen, dadurch gekennzeichnet, dass die Anschlüsse (8) für die Schlauchleitungen (7) an der dem Kranarm (1) zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung (2) angeordnet sind und die Schlauchleitungen (7) in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen.
Als Ausführungsbeispiele werden in der Patentschrift unter anderem folgende Figuren gezeigt:
Die Beklagte zu 1) ist ein Unternehmen, das Kranarme vertreibt. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
Die Beklagte zu 1) vertreibt in Deutschland, so unter anderem auf der I. 2014, eine von ihr hergestellte Vorrichtung, wie im Klageantrag unter Ziff. I.1.1. abgebildet (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform 1).
Weiter vertreibt sie, so unter anderem auf der E. 2013, eine von ihr hergestellte Vorrichtung wie im Klageantrag unter Ziff. I.1.2. abgebildet (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform 2).
Die Klägerin mahnte die Beklagten mit Schreiben vom 31.10.2014 (Anlage LS 6) wegen einer Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen ab.
Die Klägerin macht geltend, der Vertrieb der angegriffenen beiden Ausführungsformen verletze Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß, jedenfalls aber äquivalent.
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 03.02.2017 (Az. 21 O 23358/14) – berichtigt mit Beschluss vom 21.03.2017 – die klägerischen Anträge gegen die Beklagten gerichtet auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Abmahnkostenerstattung und Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung (Beklagte zu 1) und Rückruf (Beklagte zu 1) abgewiesen.
Zur Begründung führt das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, aus:
Der Klägerin stehe gegen die Beklagten im Hinblick auf die beiden angegriffenen Ausführungsformen kein Anspruch auf Unterlassung des Herstellen, Anbietens, Inverkehrbringens oder Einführens oder Besitzens zu den genannten Zwecken aus §§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 Satz 1 PatG i.V.m. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ zu. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 1 des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 889 808 B1 weder wortsinngemäß noch äquivalent. Mangels Patentverletzung bestünden auch die geltend gemachten Nebenansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Schadensersatzfeststellung sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten nicht.
Maßgeblicher Durchschnittsfachmann, aus dessen Sicht die unter Schutz gestellte technische Lehre des Klagepatents zu ermitteln sei, sei in Anlehnung an die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 14.04.2016 (Bl. 100 d. A.) ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Drehgelenken für Kranarme.
Das Klagepatent EP 1 889 808 B1 betreffe einen Kranarm mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte, wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk nach Art eines Kardangelenks aufweise. Deren Drehachsen seien senkrecht zueinander angeordnet, wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führten. Dabei weise das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beanstandete Drehlager auf und die Schlauchleitungen verliefen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern.
Im Stand der Technik seien Kranarme bekannt, bei denen der Rotator und das Arbeitsgerät über eine Hydraulikeinrichtung betrieben würden. Dabei führten vom Kranarm zum Rotator Hydraulikschläuche, während sich die eigentliche Steuerungseinheit, das Hydraulikreservoir und Hydraulikpumpen, am anderen Ende des Kranarms befänden, von wo aus auch die Steuerung durch einen Benutzer erfolge (vgl. Teilziffer [0002]). Hierbei könnten die Schlauchleitungen, die vom Kranarm zur Rotationseinrichtung führten, durch Äste, Ladegut oder anderes Werkzeug nicht leicht von außen beschädigt werden, so dass ein Auslaufen von Hydraulikflüssigkeit vermieden werde, welches die Funktion des Kranarms beeinträchtige und Gefahrenmomente schaffe (Teilziffer [0003]). Davon ausgehend sei es die objektive Aufgabe der klagepatentgemäßen Erfindung, das durch die beiden Drehgelenke gebildete Kardangelenk insgesamt möglichst stabil auszubilden, die Anschlüsse für die Schlauchleitungen gut von außen zugänglich zu machen und dabei den Vorteil beizubehalten, dass die Schlauchleitungen, die vom Kranarm zur Rotationseinrichtung führen, durch Äste, Ladegut oder anderes Werkzeug nicht leicht von außen beschädigt werden können (Teilziffer [0005]). Gegenstand der Erfindung sei daher ein Kranarm, bei dem die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet seien. Hierbei weise das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager auf, wobei die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern dieses Gelenks verliefen. Am arbeitsseitigen Drehgelenk liefen die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse dieses Gelenks versetzt vorbei zu den Anschlüssen (vgl. Teilziffern [0004] und [0006], Anspruch 1). Hierdurch würden die Schlauchleitungen von externen Einflüssen abgeschirmt und beispielsweise davor geschützt, dass die Schlauchleitungen an einem Baum oder Ast hängen blieben oder an einem scharfen Gegenstand verletzt würden. Maßgeblich den Gegenstand der Erfindung bestimme im Ergebnis die Erkenntnis, dass eine Verletzung oder Beschädigung der zu schützenden Schlauchleitungen in ihrem Verlauf vom Kranarm zu den unterhalb beider Drehgelenke und oberhalb des Rotors liegenden Anschlüssen am ehesten dadurch vermieden werden könne, dass sie zunächst beim kranarmseitigen Drehgelenk zwischen den beiden Drehlagern verliefen. Damit meine das Patent den geschützten zylindrischen Raum, der durch den Querschnitt der Drehlager bestimmt werde und sich von einem Drehlager zum anderen Drehlager dieses Gelenks erstrecke, da durch die möglichst zentrierte Führung der Schlauchleitungen – wie in den Figuren 3 und 4 dargestellt – der kürzest mögliche Weg und der maximale Abstand zu negativen äußeren Einwirkungen erreicht werde. Anschließend solle dem Problem der möglichen Beschädigung und Verletzung der Leitungen weiter dadurch Rechnung getragen werden, das die Leitungen am arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk vorbei zu den auf der dem Kranarm zugewandten Seite angebrachten Anschlüssen hinübergeführt würden, da hierdurch das Risiko für externe Beschädigungen ebenfalls minimiert werde (vgl. Teilziffer [0006]).
Unter Heranziehung einer Merkmalsanalyse (wie in Anlage LS4 wiedergegeben) würden die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs 1, insbesondere das Merkmal (5) „die Schlauchleitungen verlaufen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern“, durch die beiden angegriffenen Ausführungsformen nicht wortsinngemäß verwirklicht. Bei beiden angegriffenen Ausführungsformen verliefen die Schlauchleitungen beim kranarmseitigen Drehgelenk nicht zwischen den beiden Drehlagern, also nicht durch den geschützten zylindrischen Raum, der durch den Querschnitt der Drehlager bestimmt werde und sich von einem Drehlager zum anderen Drehlager diese Gelenks erstrecke, da dieser Raum vollständig durch ein gesondertes Bauteil, das die Klägerin Drehachse und die Beklagten Hülse nennen würden, ausgefüllt sei, um das die Schlauchleitungen herumgeführt werden müssten.
Der geltend gemachte Anspruch 1, insbesondere das hier maßgebliche Merkmal (5), sei auch nicht äquivalent verwirklicht. Bei beiden angegriffenen Ausführungsformen fehle es bereits an der ersten Voraussetzung der Äquivalenz, dass nämlich das der Erfindung zugrundeliegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werde. Das Austauschmittel bestehe bei beiden angegriffenen Ausführungsformen darin, ein kranarmseitiges Drehgelenk vorzusehen, bei dem der zwischen den Drehlagern liegende zylindrische Raumquerschnitt durch ein gesondertes Bauteil ausgefüllt werde. Das der Erfindung zugrundeliegende Problem, das durch die beiden Drehgelenke gebildete Kardangelenk insgesamt möglichst stabil auszubilden, die Anschlüsse für die Schlauchleitungen gut von außen zugänglich zu machen und dabei den Vorteil beizubehalten, dass die Schlauchleitungen, die vom Kranarm zur Rotationseinrichtung führen, durch Äste, Ladegut oder anderes Werkzeug nicht leicht von außen beschädigt werden können, werde dadurch nicht mit objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst. Patentgemäß werde der Schutz vor äußeren beschädigenden Einflüssen dadurch erreicht, dass die Schlauchleitungen auf dem kürzesten Weg möglichst zentriert durch die Drehlager des kranarmseitigen Gelenks zu den auf der Kranarminnenseite liegenden Anschlüssen hindurchgeführt würden. Der Schutz werde somit durch die innere Lage der Leitungen im kranarmseitigen Drehgelenk, die hierdurch maximal erreichbare Verkürzung und minimale Schlaufenbildung bei Drehbewegungen sowie die Ausrichtung auf die Innenseite des Kranarms an den Anschlüssen erreicht. Objektiv erreiche das die Ausgestaltung beider angegriffener Ausführungsformen mit der ausgefüllten Drehachse nicht, da hierdurch der Schutz durch die zentrierte innere Führung der Schlauchleitungen, die maximale Verkürzung von deren Wegstrecke und die möglichst geringe Ausschlaufung bei Drehbewegungen des Gelenks gerade verloren gingen. Hieran ändere auch die bei der ersten angegriffenen Ausführungsform gewählte Gestaltung mit Hilfe des versetzten zweiten Elements, das von der Klägerin Hülse und von den Beklagten Bolzen genannt werde, nichts. Zwar möge durch den entstehenden S- oder Fragezeichenförmigen Verlauf der Schlauchleitungen eine etwas engere Führung unterhalb des kranarmseitigen Drehgelenks erreicht werden. Die objektive Gleichwirkung dergestalt, dass wie bei der patentgemäßen Lösung durch den zentrierten, maximal verkürzten und schlaufenarmen Schlauchverlauf ein Schutz vor äußeren Einflüssen und Beschädigungen erreicht werde, sei mit der nur stärkeren Annäherung der Schläuche an die Mittellinie der Drehachse bzw. des Bolzens durch ein weiteres tieferliegendes Bauelement nicht zu erreichen.
Gegen diese der Klägerin am 24.02.2017 zugestellte Entscheidung hat diese mit Schriftsatz vom 22.03.2017 (Blatt 173/174 der Akte) Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 24.05.2017 (Blatt 180/228 der Akte) begründet hat.
Zur Begründung führt die Klägerin unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag Folgendes aus:
Das Landgericht habe rechtsirrig verkannt, dass die von den Beklagten hergestellten und vertriebenen Kranarme von den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 wortsinngemäß, jedenfalls aber äquivalent, Gebrauch machten.
Technische Aufgabe des Klagepatents sei es, einen Kranarm bereitzustellen, der die Vorteile aus dem Stand der Technik gemäß US 2005/0017528 beibehalte und verbessere, indem der Kranarm möglichst stabil ausgebildet sei, die Anschlüsse für die Schlauchleitungen gut von außen zugänglich und die Schlauchleitungen vor Beschädigungen geschützt seien ([0004]). Technisch gelöst werde diese Aufgabe mit den Merkmalen des Anspruchs 1, insbesondere mittels des Merkmals 5 und der kennzeichnenden Merkmale 6 und 7. Zusammengefasst werde insoweit auf die Beschreibung des Klagepatents in Abschnitt [0006] verwiesen, wonach die Anschlüsse für die Schlauchleitungen vorteilhafter an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet seien, wodurch die Schlauchleitungen vor externen Einflüssen abgeschirmt und so vor Verletzungen durch äußere Einwirkungen geschützt würden. Lediglich beispielhaft werde auch auf das den Schutzbereich des Klagepatents nicht einschränkende Ausführungsbeispiel verwiesen, das in den Abschnitten [0008] bis [0010] und den dazugehörigen Figuren offenbart sei. Wie die Figuren 1 und 3 erkennen ließen, führten vom Kranarm (1) Schlauchleitungen (7) zu Anschlüssen (8) an einem zwischen dem Greifer (3) und dem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk (5) angeordneten Rotator (6). In den Figuren 3 und 4, auf die das Klagepatent nicht beschränkt sei, sei besonders gut erkennbar, dass die Schlauchleitungen (7) aus dem Inneren des Kranarms (1) herausführten und zwischen den beiden Drehlagern (4 a, 4 b) hindurchgeführt würden, um an die Anschlüsse (8) angeschlossen werden zu können. Es werde gezeigt, dass die Schlauchleitungen (7) zwischen den beiden Drehlagern des kranarmseitigen Drehgelenks geführt würden und dann weiter in Richtung zu den Anschlüssen verliefen.
Das Landgericht habe das Klagepatent unter Missachtung der von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze zu einschränkend ausgelegt. Im Rahmen der Auslegung des Merkmals 5 sei wesentlich die Auslegung des Teilmerkmals „Drehlager“, denn nur wenn der Sinngehalt dieses Teilmerkmals erfasst werde, könne festgestellt werden, was unter dem Teilmerkmal „zwischen den beiden Drehlagern“ zu verstehen sei. Das Klagepatent nehme in den Abschnitten [0008] und [0010] sowie im Anspruch 1 auf die Drehlager (4 a, 4 b) Bezug. Das Teilmerkmal „Drehlager“ sei nach dem Wortlaut des Klagepatents Bestandteil des kranarmseitigen Drehgelenks des Kranarms. Die Unterscheidung zwischen „Drehgelenk“ und „Drehlager“ wähle das Klagepatent nur deshalb, weil der Anspruch ein kranarmseitiges Drehgelenk und ein arbeitsgeräteseitiges Drehgelenk fordere, die voneinander entlang einer vertikalen Achse beabstandet seien und von denen das kranarmseitige Drehgelenk aus zwei entlang der Drehachse beabstandeten Gelenken bestehe. Diese (Teil-)Gelenke des kranarmseitigen Drehgelenks würden als „Drehlager“ bezeichnet, um Verwirrungen zu vermeiden. Die beiden „Drehlager“ seien also nur insofern als Untereinheit des kranarmseitigen Drehgelenks anzusehen, als sie gemeinsam das kranarmseitige Drehgelenk bildeten. Ein (Dreh-)Gelenk (und damit die Drehlager im vorab dargestellten Sinn des Klagepatents) weise nach dem Verständnis des maßgeblichen Fachmanns als Bauteile einen Bolzen, eine Gabel mit zwei Laschen und eine Stange (= plattenförmige Trägereinrichtungen) auf, wie es auch bei den Drehgelenken des kranarmseitigen Drehgelenks sowie des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks des patentgemäßen Kranarms – wie beispielhaft in Figuren 3 und 4 dargestellt – der Fall sei. Das Drehlager umfasse nach dem Verständnis des Fachmanns somit die „tragenden“ Bestandteile des Drehgelenks. Das Drehlager könne nach dem Verständnis des Fachmanns somit nicht auf den Bolzen oder die Drehachse des Drehgelenks reduziert werden. Die plattenförmigen Trägereinrichtungen seien (als reine konstruktive Selbstverständlichkeiten) nicht gesondert in der Beschreibung der Patentschrift erwähnt bzw. mit einer gesonderten Bezugsziffer versehen. Sie seien aber in den Figuren 3 und 4 deutlich zu erkennen. Die Trägereinrichtungen jedes Drehlagers seien einstöckig und führten zum Kranarm. Die Drehlager bildeten den Raum, in dem die Schlauchleitungen (7) aus dem Inneren des Kranarms (1) heraus- und hindurchgeführt würden, um an die Anschlüsse (8) angeschlossen werden zu können. Dabei würden – wie aus den Figuren des Klagepatents ersichtlich – die Schlauchleitungen (7) zwischen den beiden kranarmseitigen Drehlagern geführt. Dieses Verständnis werde auch durch den Umstand bestätigt, dass die Bezugszeichen 4 a und 4 b in den Figuren 3 und 4 des Klagepatents gerade nicht (nur) auf die „Ausnehmungen“ der Bolzen des Drehgelenks gerichtet seien, sondern eben auf die Trägereinrichtungen, die somit jenen Raum umschlössen, welcher patentgemäß zur Führung der Schlauchleitungen (7) zur Verfügung stehe. Ferner werde dies durch die vom Klagepatent angestrebte Lösung der technischen Aufgabe bestätigt. Denn das Klagepatent gebe entgegen der unzutreffenden Darstellung des Landgerichts gerade nicht die Lösung vor, dass die Schlauchleitungen auf kürzest möglichem Weg konzentriert durch die Drehachse des Drehgelenks geführt würden. Vielmehr sollten die Schlauchleitungen erfindungsgemäß „zwischen den beiden Drehlagern“ geführt werden. Das bedeute, dass die Schlauchleitungen zwischen den plattenförmigen Trägereinrichtungen, die vertikal zu der Drehachse des Drehgelenks verliefen, verlaufen sollten. Der Fachmann erkenne also, dass die patentgemäßen Anspruchsmerkmale 4 und 5 bezweckten, dass die Schlauchleitungen „zwischen“ der Innenseite dieser plattenförmigen Bauteile der Drehlager verlaufen sollten, damit sie vor möglichen Beschädigungen geschützt verliefen. Klagepatentgemäß solle also eine Führung der Schlauchleitungen vermieden werden, die seitlich oder oberhalb des Kranarms und außerhalb des Drehgelenks verlaufe, so dass die Schlauchleitungen aus dem durch die Bestandteile des Kranarms vor äußeren Einflüssen geschützten Raumbereich herausträten. Nach der patentgemäßen Lehre würden die Schlauchleitungen aus dem Kranarm kommend in den Raumbereich geführt, der durch die Innenseiten der plattenförmigen Bauteile der Drehlager begrenzt werde, so dass die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen „zwischen“ den beiden Drehlagern verliefen. Die Schlauchleitungen würden dann weiter in Richtung zu den Anschlüssen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung geführt. Wie in den nicht einschränkenden Figuren 3 und 4 erkennbar, würden die Schlauchleitungen in diesem Bereich darüber hinaus um die Manteloberfläche der Drehachse des Drehgelenks herumgeführt, wobei diese konstruktive Ausgestaltung nach dem Wortlaut des Anspruchs nicht gefordert sei. Die Schlauchleitungen müssten nach der Lehre des Patents also nicht „durch“ die Drehachse des Drehgelenks laufen.
Dieses Ergebnis der Auslegung des Merkmals 5 stehe auch in Einklang mit den Ausführungen des Europäischen Patentamts in der Entscheidung über den Einspruch gegen das Klagepatent vom 04.10.2013 (Anlage B 1), wo auf den Seiten 6 und 7 in Abgrenzung zu der D 4 klargestellt werde, dass sich die Schlauchleitungen in einem „weiter eingegrenzten Volumen“ befinden müssten, das grundsätzlich eine „etwa“ zylindrische Form haben solle, dessen Basis der Durchmesser des Lagers sei. Was aber unter dem Durchmesser des Lagers zu verstehen sei, habe die Einspruchsabteilung nicht festgelegt (vgl. auch ergänzende Stellungnahme des Patentanwalts Mag. Dr. M. G. vom 16.12.2015, Anlage LS 8).
Etwas anderes ergebe sich auch nicht in Bezug auf den von den Beklagten angeführten vorgeblichen Stand der Technik der Maschine „M.“ (Anlagen B 3 und B 4). Diese Ausführungsform sei bereits aus rechtlichen Gründen für die Auslegung des vorliegenden Anspruchs völlig unbedeutend, da die Beurteilung des Patentanspruchs durch den fiktiven Fachmann und sein Verständnis auf den Anmelde- bzw. den Prioritätstag des Patents zurückversetzt werden müsse, spätere Erkenntnisse oder später aufgefundener Stand der Technik spiele demnach keine Rolle. Unabhängig davon dürfe sich die Auslegung des Patentanspruchs nicht nach demjenigen beurteilen, was sich als patentfähig gegenüber dem Stand der Technik erwiesen habe. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass der Verletzungsrichter das Erteilungsverfahren wiederholend nachvollziehen müsse. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als zwischen den Parteien ein Einspruchsverfahren stattgefunden habe, das rechtskräftig zugunsten der Klägerin entschieden worden sei. Die Lösung des technischen Problems der optimalen Führung von Schlauchleitungen durch ein Kardangelenk sei gerade auch mit Blickrichtung auf den im Klagepatent genannten Stand der Technik der US 2005/0017528, das als Dokument D 1 zum Einspruchsverfahren abgehandelt worden sei, als neu und erfinderisch seitens des EPA bewertet worden. Das EPA habe in seiner als Anlage B 1 vorgelegten Entscheidung unter Ziffer 2.4.2, Seite 8, die D 1 als nächstkommenden Stand der Technik bewertet und herausgearbeitet, dass sich das Klagepatent durch die S-förmige Durchfädelung der Schlauchleitungen durch ein Kardangelenk erfinderisch von dieser Entgegenhaltung abhebe. Genau von diesem technischen Konzept des S-förmigen Durchfädelns der Schlauchleitungen durch ein Kardangelenk mache die Beklagte wort-/sinngemäß mit ihren Ausführungsformen 1 und 2 Gebrauch, der vorgebliche Stand der Technik „M.“ gemäß Anlagen B 3 und B 4 aber gerade nicht.
Festzuhalten sei somit, dass Merkmal 5 so auszulegen sei, dass „zwischen den beiden Drehlagern“ bedeute, dass die Schlauchleitungen zwischen den plattenförmigen Trägereinrichtungen der Drehlager, die vertikal zu der Drehachse des Drehgelenks verliefen, verlaufen sollten. Demgegenüber lege das Landgericht eine Auslegung des Anspruchs 1, insbesondere des Merkmals 5, zugrunde, wonach das Teilmerkmal „zwischen den beiden Drehlagern verlaufen“ den geschützten zylindrischen Raum meine, der durch den Querschnitt der Drehlager bestimmt werde und sich von einem Drehlager zum anderen Drehlager dieses Gelenks erstrecke, da durch die möglichst zentrierte Führung der Schlauchleitungen, wie in Figuren 3 und 4 dargestellt, der kürzest mögliche Weg und der maximale Abstand zu negativen äußeren Einwirkungen erreicht werde. Eine solche Auslegung würde aber bedeuten, dass die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen nie „zwischen den beiden Drehlagern“ verlaufen würden, sondern diesen vermeintlich „geschützten zylindrischen Raum“ bereits wegen der S-förmigen Führung der Schlauchleitungen zu den kranarmseitig angeordneten Anschlüssen verlassen würden. Das Landgericht sei der Auffassung, Merkmal 5 erfordere einen Verlauf der Schlauchleitungen „durch“ die Drehachse des Drehgelenks, weil es davon ausgehe, patentgemäß müssten die Schlauchleitungen auf dem kürzesten Weg möglichst zentriert durch die Drehlager des kranarmseitigen Gelenks zu den auf der Kranarm-Innenseite liegenden Anschlüssen hindurchgeführt werden, weil der Schutz der Schlauchleitungen durch die innere Lage der Leitungen im kranarmseitigen Drehgelenk, die hierdurch maximal erreichbare Verkürzung und minimale Schlaufenbildung bei Drehbewegungen sowie die Ausrichtung auf der Innenseite des Kranarms an den Anschlüssen erreicht werde. Dabei verkenne das Landgericht, dass die „Ausschlaufung“ und die „Verkürzung“ der Schlauchleitungen abhängig von der jeweiligen Position des Kranarms sei. Je nach Position und Bewegung des Kranarms verändere sich auch die Streckung, Ausdehnung bzw. Ausschlaufung der Schlauchleitungen. Eine „maximal erreichbare Verkürzung“ der Schlauchleitungen stehe in diametralem Gegensatz zu der Notwendigkeit, den Kranarm (und damit die Schlauchleitungen) zu bewegen, damit der Kranarm überhaupt eingesetzt werden könne.
Auf der Grundlage der rechtsirrigen Auslegung des Klagepatents habe das Landgericht zu Unrecht eine wortsinngemäße Verletzung, insbesondere eine fehlende Verwirklichung des Merkmals 5 durch die beiden angegriffenen Ausführungsformen verneint. Wie aus den Fotografien bzw. zeichnerischen Darstellungen zu dieser Ausführungsform ersichtlich, umliefen die Schlauchleitungen die Mantelumfangsfläche des die beiden beabstandeten Drehlager verbindenden Bauteils. Damit verliefen die Schlauchleitungen auch innerhalb der plattenförmigen Bauteile, das heißt Trägereinrichtungen, in die die beabstandeten Drehlager eingesetzt seien. Sie verliefen demgemäß in dem nach Merkmal 5 geschützten Bereich zwischen den beiden Drehlagern und nicht außerhalb der Drehlager oder auch nicht seitlich oder oberhalb des Kranarms. Hieran ändere auch die Einfügung eines die beiden Drehlager verbindenden, sich zur Mitte jeweils verjüngenden Bauteils nichts. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fülle dieses Bauteil nicht den von Merkmal 5 erfassten Bereich „zwischen den beiden Drehlagern“ vollständig aus. Denn der Bereich „zwischen den beiden Drehlagern“ erstrecke sich wie bereits dargelegt über den Bereich eines (gedachten) Bolzens zwischen den beiden kranarmseitigen Drehgelenken hinaus zwischen den Trägereinrichtungen des Drehgelenks. Darüber hinaus würden die Schlauchleitungen durch die Verjüngung dieses Bauteils auch näher an die Drehachse des Drehgelenks geführt. Zudem diene die Hülse der Ausführungsform 1 der kontaktnahen oder sogar kontaktierenden Schlauchleitungsführung an der Mantelumfangsfläche des die beabstandeten Drehlager verbindenden Bauteils des Drehgelenks. Durch diese mittels der Hülse erreichte Schlauchführung würden die Schlauchleitungen ganz gezielt im durch Merkmal 5 geschützten Innenraumbereich von dem Kranarm zu den Anschlüssen geführt. Insbesondere werde durch die Hülse erreicht, dass die Schlauchleitungen innerhalb der plattenförmigen Bauteile (Trägereinrichtungen) verliefen. So werde deren Schutz erreicht. Auf eine möglichst zentrierte, verkürzte Schlauchführung oder minimale Schlaufenbildung komme es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht an.
Bei der Ausführungsform 2 werde trotz Verzichts auf die Verwendung einer Hülse eine kontaktnahe Führung der Schlauchleitungen um die Manteloberfläche des die Drehlager verbindenden Bauteils und damit eine Führung zwischen den beiden Drehlagern ebenfalls erreicht. Auch hier verliefen die Schlauchleitungen innerhalb des patentgemäß geschützten Innenraumbereichs. Die Schlauchleitungen würden kontaktnah um die Manteloberfläche des die beabstandeten Drehlager verbindenden Bauteils des Drehgelenks geführt. Ein Stück weiter heraus rage dabei lediglich der die Schlauchleitungen schützende Schutzmantel, der offensichtlich lediglich vorsorglich angebracht sei, aber jederzeit abgenommen werden könne. Folglich verliefen auch bei dieser Ausführungsform die Schlauchleitungen „zwischen den beiden Innenseiten der beiden Drehlager“. Auch bei der Ausführungsform 2 führe die Einfügung eines die beiden Drehlager verbindenden sich zur Mitte jeweils verjüngenden Bauteils nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus.
Das Landgericht habe weiterhin rechtsirrig auch die äquivalente Verwirklichung des Merkmals 5 durch die angegriffenen Ausführungsformen wegen des Fehlens der Voraussetzung der Gleichwirkung verneint. Dabei gehe das Landgericht unzutreffend davon aus, die Verwirklichung der Merkmale des Patentanspruchs 1 erfordere einen inneren Verlauf der Schlauchleitungen durch die Drehachse und damit eine maximal erreichbare Verkürzung der Schlauchleitung und eine minimale Schlaufenbildung bei Drehbewegungen, die durch die angegriffene Ausführungsform 1 nicht erreicht werde. Dabei sei noch einmal zu betonen, dass der Begriff „zwischen den beiden Drehlagern verlaufen“ so zu verstehen sei, dass damit der Innenbereich gemeint sei, der durch die Innenseiten der plattenförmigen Trägereinrichtungen der zwei beabstandeten Drehlager gebildet werde. In diesem Bereich verliefen die Schlauchleitungen bei der angegriffenen Ausführungsform 1. Auch durch die etwas umständliche Formulierung des EPA in der Entscheidung vom 04.10.2013 (Anlage B 1) sei zum Ausdruck gebracht, dass auf den geschützten Innenbereich abzustellen sei, der durch die Innenseiten der plattenförmigen Trägereinrichtungen der beiden beabstandeten Drehlager gebildet werde. Es komme also auf die axiale Anordnung der Schlauchleitungen innerhalb dieses Bereichs an. Dies sei, wie eingehend dargelegt, bei der angegriffenen Ausführungsform 1 der Fall. Selbst wenn man aber – woraus sich aus dem Wortlaut des Anspruchs freilich nichts ergebe – auf die radiale Ausdehnung des räumlichen Schutzbereichs des Drehgelenks abstellen wolle, also darauf, ob die Schlauchleitungen in radialer Hinsicht quasi über die Breite dieser plattenförmigen Trägereinrichtungen hinausragten, sei jedenfalls eine äquivalente Verwirklichung anzunehmen. Grundvoraussetzung sei das Vorliegen der technischen Gleichwirkung, also dass mit dem ausgetauschten Lösungsmittel das technische Problem des Patents jedenfalls in praktisch erheblichem, nachfolgend näher diskutiertem Maße gelöst werden müsse. Bei der Ausführungsform 1 werde durch die in dem Unterlassungsantrag mit den Unterziffern 4.1 und 4.2 dargestellte Hülse als Gegenlager bzw. Gegenführung das Problem des Patents jedenfalls in praktisch erheblichem Maße gelöst, nämlich eine kontaktnahe Führung der Schlauchleitungen an den die Verbindung der zwei beabstandeten Drehlager darstellenden Bauteil des Drehgelenks bewirkt. Die Schlauchführungen würden damit nicht nur in axialer sondern auch in radialer Hinsicht eng innerhalb dieses räumlichen Innenraumbereichs des Drehlagers geführt. Sie würden damit auch – in den Worten des EPA – innerhalb des „etwa eine zylindrische Form mit dem Durchmesser des Lagers als Basis und der Breite entlang der Drehachse“ bezeichneten Volumens geführt. Die Ausführungsform 1 vermeide somit die Nachteile des Standes der Technik und verwirkliche die patentgemäßen Vorteile. Auch das Erfordernis einer Auffindbarkeit des abgewandelten Mittels sei bei der Ausführungsform 1 gegeben. Merkmale 4 und 5 des Patentanspruchs 1 seien Ausdruck der Kenntnis, dass eine seitliche oder oberhalb des Kranarms und außerhalb des Drehgelenks verlaufende Schlauchführung dazu führe, dass die Schläuche nicht geschützt geführt werden und daher beschädigt werden könnten. Es sei ausdrücklich in der Beschreibung und in dem Anspruch zum Ausdruck gebracht, dass das Herausführen der Schlauchleitungen aus dem Inneren des Kranarms und das Hindurchführen zwischen den beiden Drehlagern 4 a und 4 b zu einem schützenden Effekt führe ([0006], [0010]). Das Führen der Schläuche seitlich oder oberhalb des Kranarms und außerhalb des Drehgelenks sei also zu vermeiden. Mithin gebe es nur eine Möglichkeit, nämlich die Schlauchleitungen zwischen den beiden Drehlagern des Drehgelenks zu führen. Genau diesen Gedanken greife die angegriffene Ausführungsform 1 auf, indem sie die Schlauchleitungen zwischen den beiden Drehlagern des kranarmseitigen Drehgelenks führe, wobei dies sogar noch durch die Anordnung der eine Gegenführung bildenden Hülse besonders betont werde, wodurch eine besonders enge Führung der Schlauchleitungen in axialer sowie radialer Hinsicht zwischen den beiden Drehlagern des Drehgelenks gewährleistet werde. Weiterhin liege auch die erforderliche Gleichwertigkeit vor, denn die Ausführungsform 1 greife den entscheidenden Gedanken der patentgemäßen Lehre in Bezug auf die Führung der Schlauchleitungen auf und die Führung der Schlauchleitungen in der angegriffenen Ausführungsform 1 stehe mit dem patentgemäßen Gedanken in Einklang.
Auch der von den Beklagten geltend gemachte „Formsteineinwand“ greife nicht durch, insbesondere nicht in Bezug auf die Ausführungsform „M.“, weil diese Ausführungsform bereits keine Drehgelenke nach Art eines Kardangelenks aufweise, die Anschlüsse für die Schlauchleitungen nicht an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet seien und die Schlauchleitungen nicht zwischen den beiden Drehlagern verliefen.
Das zur angegriffenen Ausführungsform 1 Festgestellte gelte auch für die angegriffene Ausführungsform 2. Auch dort befänden sich die Schlauchleitungen innerhalb des räumlichen Schutzbereichs, indem sie sich nicht nur in axialer, sondern auch in radialer Hinsicht innerhalb des von den plattenförmigen Trägereinrichtungen der beabstandeten Drehlager gebildeten Innenraumbereichs befänden. Selbst unter Zugrundelegung der Formulierung des EPA sei diese Verwirklichung anzunehmen, denn dieses spreche ausdrücklich von einer „etwa“ zylindrischen Form dieses Schutzbereiches, lasse also offen, was unter dem Durchmesser des Lagers zu verstehen sei. Die abgewandelten Mittel seien auch bei der Ausführungsform 2 ohne erfinderische Tätigkeit auffindbar gewesen. Zwischen der patentgemäßen und der – vorgeblich – abgewandelten Ausführungsform seien keine wesentlichen Unterschiede zu erkennen. Das Führen der Schlauchleitungen seitlich oder oberhalb des Kranarms und außerhalb des Drehgelenks werde auch hier vermieden. Das abgewandelte Mittel sei auch bei der angegriffenen Ausführungsform 2 gleichwertig mit dem patentgemäßen Mittel. Die Ausführungsform 2 greife den entscheidenden Patentgedanken in Bezug auf die Führung der Schlauchleitungen auf und stehe mit dem patentgemäßen Gedanken in Einklang.
Auch in Bezug auf die Ausführungsform 2 greife der „Formsteineinwand“ aus den oben genannten Gründen nicht durch.
Die Klägerin beantragt,
…VIII. Das Urteil des Landgerichts München I vom 03. Februar 2017, Aktenzeichen 21 O 23358/14, wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagten verurteilt werden,
1. es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an dem Beklagten zu 2) zu vollziehen ist, zu unterlassen:
1.1
(0) Kranarme,
(1) mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte,
(2) wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke,
(2.1) mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und (2.2) einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk (2.3) nach Art eines Kardangelenks aufweist,
(2.4) deren Drehachsen senkrecht zueinander angeordnet sind,
(3) wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen und
(4) wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist und (4.1) von der Drehachse parallel beabstandet eine Hülse zwischen den die zwei beabstandeten Drehlager aufnehmenden Trägereinrichtungen angeordnet ist und (4.2) die Hülse einen geringeren Durchmesser als das Drehlager aufweist,
(5) die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager verlaufen,
(5.1) dergestalt, dass sie S-förmig alternierend an dem Drehgelenk und an der Hülse vorbei verlaufen,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen
(6) die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und
(7) die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen;
insbesondere wenn das kranarmseitige Drehgelenk wie nachfolgend eingeblendet ausgebildet ist:
(Ausführungsform 1) und/oder
1.2
(0) Kranarme,
(1) mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte,
(2) wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke,
(2.1) mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und (2.2) einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk (2.3) nach Art eines Kardangelenks aufweist,
(2.4) deren Drehachsen senkrecht zueinander angeordnet sind,
(3) wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen und
(4) wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist und
(5) die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager verlaufen,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen
(6) die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und
(7) die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen;
insbesondere wenn das kranarmseitige Drehgelenk wie nachfolgend eingeblendet ausgebildet ist:
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 09. Oktober 2009 Kräne hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt und besessen haben, die die in Ziffer 1.1 und /oder 1.2 genannten Merkmale aufweisen, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
b) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin in einem geordneten, nach Kalenderjahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenen Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1) bzw. der Beklagte zu 2) Kräne hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt und besessen haben, die die in Ziffer 1 genannten Merkmale aufweisen, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten;
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, jeweils unter Vorlage der Rechnungen;
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie bei Internetwerbung des Schaltungszeitraums, der Internetadressen sowie der Suchmaschinen, bei denen die jeweiligen Seiten direkt oder über ein Gesamtangebot angemeldet werden;
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten zu 1) bzw. dem Beklagten zu 2) nach ihrer/seiner Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer/seiner Empfänger von Angeboten und ihrer/seiner nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) bzw. der Beklagte zu 2) die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer oder bestimmter Empfänger eines Angebots in der Auskunft enthalten ist;
4. nur die Beklagte zu 1): Die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1 und/oder 1.2. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagen zu 1) – Kosten herauszugeben;
5. nur die Beklagte zu 1): Die zu Ziffer I.1 und/oder 1.2. bezeichneten, seit dem 09. Oktober 2009 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich durch das vorliegende Urteil festgestellten patentverletzenden Zustand des Erzeugnisses und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I.1 und/oder 1.2. bezeichneten, seit dem 09. Oktober 2009 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
7. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin 9.679,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2014 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führen die Beklagten unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag Folgendes aus:
Der erstinstanzliche Tatsachenvortrag der Klägerin bleibe weiterhin bestritten, soweit nicht bereits ausdrücklich als richtig zugestanden. Rein vorsorglich werde auch der in der Berufungsschrift neu eingeführte Sachvortrag als unzutreffend bestritten. Dies gelte insbesondere auch bezüglich der von der Klägerin aufgestellten Behauptung, der Begriff des „Drehlagers“ bezeichne nach dem Verständnis des Fachmanns die „tragenden“ Bestandteile des Drehgelenks, weshalb das Drehlager nach dem Verständnis des Fachmanns (auch) die Bestandteile Bolzen, Gabel, Stange und Laschen des Drehgelenks umfasse.
Bereits erstinstanzlich sei darauf hingewiesen worden, dass die von der Klägerin in Klageanspruch 1.1 gewählten Formulierungen widersprüchlich seien, da nicht vorstellbar sei, einerseits Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen „zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager“ verlaufen zu lassen (Merkmal 5 des Klageantrags 1.1), aber andererseits „S-förmig alternierend an dem Drehgelenk und an der Hülse vorbei“ zu führen (Merkmal 5.1 des Klageantrags 1.1), obgleich doch die beiden Drehlager unzweifelhaft Teil des angesprochenen Drehgelenks seien.
Auch sei bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen worden, dass die von der in den Klageanträgen 1.1 und 1.2 gewählte Formulierung in Merkmal 5 „zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager verlaufen“ unbestimmt sei. Soweit die Formulierung „zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager“ das gleiche bedeuten solle wie „zwischen den beiden Drehlagern“, sei darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Falle die Klägerin keinerlei Rechtsschutzbedürfnis im anhängigen Verfahren haben dürfte, da sie bereits über ein rechtskräftiges Urteil in Bezug auf Ausführungsformen verfüge, bei denen die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen „zwischen den beiden Drehlagern verlaufen“ (vgl. Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts München I vom 09.01.2014, Az.: 21 O 13673/13, Anlage LS 1). Sollte sich die Klägerin jedoch auf den Standpunkt stellen, die Formulierung „zwischen den Innenseiten der beiden Drehlager“ bedeute etwas anderes als die Formulierung „zwischen den beiden Drehlagern“, so möge sie dies im Einzelnen dartun und durch eine geeignete Formulierung ihrer Klageanträge hinreichend zum Ausdruck bringen.
In der Sache habe das Landgericht den Begriff „zwischen den beiden Drehlagern“ in Merkmal 5 des Klagepatents zutreffend ausgelegt. Darunter verstehe der Fachmann nicht etwa den Raumbereich zwischen den zwei Ebenen, die durch die Gabeln der oberen kranarmseitigen Aufhängung (senkrecht zur Drehachse) definiert seien, wie die Beklagten im Einspruchsverfahren glaubten annehmen zu können (vgl. Abschnitt 2.3.2 der Entscheidung der Einspruchsabteilung gemäß Anlage B 1) und wie die Klägerin nun in Abweichung ihrer im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung behaupte. Unter dem Begriff „zwischen den beiden Drehlagern“ verstehe der Fachmann vielmehr etwas anderes, nämlich nach zutreffender Ansicht der Einspruchsabteilung (vgl. Abschnitt 2.3.2 der Entscheidung gemäß Anlage B 1) ein weiter eingegrenztes Volumen, „nämlich etwa eine zylindrische Form mit dem Durchmesser des Lagers als Basis und der Breite entlang der Drehachse des kranarmseitigen Drehgelenks zwischen den zwei Drehlagern als Höhe.“ Ein Durchschnittsfachmann, namentlich ein Maschinenbauingenieur mit einschlägigen Erfahrungen mit Drehgelenken, werde den „Durchmesser eines Drehlagers“ unzweifelhaft mit dem Außendurchmesser der Lagerbuchsen definieren, keinesfalls aber mit der Länge der die Lagerbuchsen tragenden Laschen. Demgegenüber setze sich die Klägerin mit ihrer Auslegung nicht nur in ausdrücklichen Widerspruch zu ihrer im Einspruchsverfahren vertretenen Position, sondern auch zu dem ganz eindeutigen Wortlaut und der Zeichnung des Klagepatents. So werde in Abschnitt [0008] klargestellt, dass das kranarmseitige Drehgelenk (4) entlang seiner Drehachse x mit zwei Drehlagern (4 a, 4 b) ausgestattet sei. Sowohl in Figur 3 als auch in Figur 4 verweise die Bezugsziffer 4 a eindeutig auf das Drehlager selbst (also nicht auf tragende Bestandteile des Drehgelenks), auch wenn sich der Zeichner hinsichtlich der Bezugsziffer 4 b offenbar nicht sicher gewesen sei, welches Bauteil er damit bezeichnen solle (so verwende er in der Figur 3 einen Pfeil, der auf das eigentliche Drehlager verweise, wohingegen er in Figur 4 einen Strich verwende, der bereits kurz vor dem eigentlichen Drehlager zu enden scheine). Diese zeichnerische Unsauberkeit sei jedoch nicht geeignet, dem Begriff des „Drehlagers“ die von der Klägerin nun gewünschte erweiterte Bedeutung zu geben. Nach dem geltenden Wortlaut des Klagepatents sei auch nicht ansatzweise erkennbar, dass der Begriff „Drehlager“ als „Drehgelenk“ oder als „(Teil-)Gelenk des kranarmseitigen Drehgelenks“ zu verstehen sein solle, wie die Klägerin im anhängigen Verfahren behaupte. Soweit die Klägerin mit dem Klagepatent auch eine Ausführungsform geschützt haben wolle, bei welcher die Schlauchleitungen zwar zwischen den Trägereinrichtungen (Laschen), aber nicht durch den Bereich zwischen den Drehlagern verlaufe, hätte sie dies klar zum Ausdruck bringen müssen. Durch die Verwendung des Begriffs „Drehlager“ sei der beanspruchte Bereich für den Verlauf der Schlauchleitungen aber eben deutlich eingeschränkter. Die Klägerin versuche den im Klagepatent bewusst gewählten Begriff „Drehlager“ nun im anhängigen Verfahren abstrahierend auszulegen, indem sie diesen Begriff als Synonym für „(Teil-) Gelenk“ bezeichne. Diese Auslegung sei ebenso unzutreffend wie unzulässig. Für einen Maschinenbauingenieur sei es hinreichend klar, dass ein Drehgelenk wenigstens ein Drehlager aufweise und somit das Drehlager lediglich ein Bestandteil des Drehgelenks sei, welches neben dem Drehlager auch weitere Bauteile, wie Laschen, Stangen und Bolzen umfassen könne. Das Drehlager sei dabei das Bauteil, welches die Drehbewegung von Lasche und Stange um eine Drehachse ermögliche. Es werde beispielsweise durch Kugellager, Wälzlager oder einfache Lagerbuchsen gebildet. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit sei eine abstrahierende Ausdehnung des Schutzbereichs über den technischen Gehalt der Patentansprüche hinaus nicht zulässig. Die von der Klägerin vorgenommene Abstrahierung durch Gleichsetzung des gewählten Begriffs „Drehlager“ mit dem nun neu eingeführten „(Teil-)Gelenk“ finde auch im Ausführungsbeispiel des Klagepatents keine Stütze, da dort nur eine Ausführung offenbart sei, bei der die Schlauchleitungen tatsächlich zwischen den beiden beabstandeten Drehlagern hindurchgeführt seien. Es finde sich auch keine Offenbarung in der Beschreibung und Zeichnung, die rechtfertigen würde, dass die von der Klägerin als „Trägereinrichtung“ bezeichneten Bauteile, wie Stangen und Laschen, Bestandteile der Drehlager sein sollten. Sie seien vielmehr zusammen mit den Drehlagern Bestandteile des Drehgelenks. Die Klägerin weise in ihrer Berufungsbegründung zutreffend darauf hin, dass ein Patentanspruch im Verletzungsprozess, Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren stets unter Anwendung gleicher Maßstäbe nach objektiven Kriterien aus fachlicher Sicht auszulegen sei. Gleichwohl versuche die Klägerin, im anhängigen Verfahren den Begriff „zwischen den Drehlagern“ anders zu definieren, als noch im Einspruchsverfahren. Das Klagepatent habe aber das Einspruchsverfahren nur deshalb ohne Einschränkung überstanden, weil die Einspruchsabteilung seinerzeit die oben zitierte zutreffende Definition des Begriffs „zwischen den Drehlagern“ vorgenommen habe (Abschnitt 2.3.2 gemäß Anlage B 1). Für eine Abweichung hiervon bestehe im anhängigen Verfahren keinerlei Grund und Anlass.
Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen werde daran festgehalten, dass das die Drehlager verbindende Bauteil den Bereich „zwischen den beiden Drehlagern“ vollständig ausfülle, weshalb dieser Raumbereich vollständig abgesperrt sei und deshalb auch die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen nicht zwischen den beiden Drehlagern verlaufen könnten. Es werde weiterhin bestritten, dass in der Ausführungsform 2 der die Schlauchleitungen schützende Schutzmantel lediglich vorsorglich angebracht worden sei und jederzeit abgenommen werden könne, wie die Klägerin behaupte. Unerheblich und unschädlich sei, ob die Schlauchführung tatsächlich „kontaktnah“ zu dem die beabstandeten Drehlager verbindenden Bauteile erfolge. Entscheidend sei allein, dass die Schlauchführung nicht innerhalb der beiden Drehlager erfolge. Dies aber sei aufgrund des diesen Raumbereich absperrenden, die beiden Drehlager verbindenden Bauteils nicht möglich. Eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale des Patentanspruchs 1 durch die angegriffenen Ausführungsformen sei deshalb zu verneinen.
Aber auch eine äquivalente Verwirklichung der Merkmale des Patentanspruchs 1, namentlich auch des Merkmals 5, sei nicht gegeben. Insoweit könne zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen vollumfänglich auf die angegriffene Entscheidung sowie auf den klägerischen Schriftsatz vom 14.04.2016 (Abschnitt B IV) verwiesen werden.
Im Schriftsatz vom 14.04.2016 (Abschnitt B V) sei auch bereits ausführlich darauf hingewiesen worden, dass der Formsteineinwand in Bezug auf den Harvester M. A 91 greife.
Die Klägerin erwidert hierauf, die Antragsformulierung entspreche den Vorgaben der sog. „Blasfolien“-Rechtsprechung (BGH GRUR 2005, 569 – Blasfolienherstellung). Vor diesem Hintergrund gehe die Behauptung der Beklagten fehl, dass die Klägerin mit dem Teil-Anerkenntnisurteil vom 09.01.2014 bereits über einen Titel verfüge, denn dieses beziehe sich auf die ursprünglich angegriffene Ausführungsform, die keine Hülse und kein die beiden Drehlager verbindendes Bauteil aufgewiesen habe. Die Klageanträge seien auch weder widersprüchlich noch sonst unbestimmt, insbesondere vermenge die Beklagtenseite die Merkmale „Drehgelenk“, „Drehachse“ und „Drehlager“.
Das Bestreiten der Beklagten dazu, dass der die Schlauchleitungen schützende Schutzmantel der Ausführungsform 2 lediglich vorsorglich angebracht sei und jederzeit abgenommen werden könne, sei verspätet und unzulässig.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C. V. aufgrund Beweisbeschlusses vom 18.01.2018 (Bl. 263/265 d. A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.04.2018 (Bl. 267/270 d. A.) verwiesen.
Ergänzend wird auf die von den Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 23.11.2017 (Bl. 259/261 d. A.) und vom 12.04.2018 (Bl. 267/270 d. A.) Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen und sind die Klageanträge hinreichend bestimmt. In der Sache hat die Klägerin gegen die Beklagten im Hinblick auf die beiden angegriffenen Ausführungsformen einen Anspruch auf Unterlassung des Herstellens, Anbietens, Inverkehrbringens oder Einführens oder Besitzens zu den genannten Zwecken aus §§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 Satz 1 PatG i.V.m. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 1 des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 889 808 B1 zwar nicht wortsinngemäß, jedoch ist eine äquivalente Benutzung zu bejahen. Der „Formstein“-Einwand der Beklagten greift nicht durch. Demgemäß stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Folgeansprüche überwiegend zu.
Im Einzelnen:
A. Zulässigkeit der Klage
1. Der Umstand, dass die Klägerin bereits über einen vollstreckungsfähigen Titel in Form des Teil-Anerkenntnisurteils aus dem zwischen den Parteien beim Landgericht München I unter dem Aktenzeichen 21 O 13673/13 (Anlage LS 1) geführten Verfahren verfügt, führt nicht dazu, dass ihr im vorliegenden Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Hat ein Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel erlangt, so fehlt einer auf eine weitere Verletzungshandlung gestützten Unterlassungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Kläger aus dem Titel dagegen vorgehen kann (BGH GRUR 2006, 421 Rn. 32 – Markenparfümverkäufe). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist aber anzuerkennen, wenn die neue Klage auf eine der früheren nicht gleiche, sondern nur ähnliche Verletzungshandlung gestützt wird und ein erfolgreiches Vorgehen gegen die nunmehr beanstandete Verletzungshandlung im Vollstreckungsverfahren ungewiss ist (BGH WRP 2011, 873 Rn. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich). Für Patentrechtsstreitigkeiten bedeutet dies, dass zu prüfen ist, ob im Rahmen des vorangegangenen Erkenntnisverfahrens bereits über die Abwandlung mitentschieden worden ist, weil diejenigen Erwägungen zur Patentverletzung in Bezug auf die dort angegriffene Ausführungsform auch auf die Abwandlung zutreffen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Auflage 2017, H II. 3. Rn. 144 ff.). Vorliegend haben die Parteien in dem Verfahren beim Landgericht München I, Az. 21 O 13673/13, den Rechtstreit durch ein Teilanerkenntnis und einen Vergleich beendet. Dabei waren die hier angegriffenen Ausführungsformen unstreitig nicht Gegenstand des Vorverfahrens. Zudem fehlt es an einer begründeten gerichtlichen Entscheidung, deren Erwägungen als Grundlage für die Erstreckung der titulierten Ansprüche auf die streitgegenständliche, abgewandelte Verletzungshandlung herangezogen werden könnten (vgl. OLG München GRUR-RR 2011, 32). Ein Vorgehen der Klägerin aus dem bereits vorliegenden Titel in Bezug auf die streitgegenständlichen Abwandlungen ist daher nicht erfolgversprechend, so dass sie hier nicht auf den Weg des Ordnungsmittelverfahrens verwiesen werden kann, sondern ein Rechtsschutzbedürfnis hat, hiergegen mit einer weiteren Klage vorzugehen.
2. Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Soweit die Beklagten Unklarheiten in der klägerischen Formulierung der Unterlassungsanträge rügen, tragen jedenfalls die in den Klageanträgen mit dem „insbesondere-Zusatz“ hinzugefügten Abbildungen der angegriffenen Ausführungsformen zu einer hinreichenden Konkretisierung der Verletzungsgegenstände bei. In einem solchen Zusatz liegt regelmäßig eine Konkretisierung des allgemeiner gefassten Unterlassungsantrags, der vielfach als Auslegungshilfe für die dort enthaltene Verallgemeinerung zu dienen bestimmt ist und daher nicht unbeachtet bleiben darf (BGH GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter; BGH, GRUR 1997, 767, 768 – Brillenpreise II). Die vorliegend in die Anträge eingelichteten Abbildungen lassen – auch unter Heranziehung des Klagevortrags – die angeblich patentverletzenden Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Ausführungsformen hinreichend deutlich erkennen (vgl. zum wettbewerblichen Leistungsschutz: BGH GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter; BGH GRUR 2002, 820, 823 – Bremszangen; BGH GRUR 2013, 951 Rn. 11 – Regalsystem).
B. Das Klagepatent
1. Der Gegenstand der Erfindung des Klagepatents EP 1 889 808 B1 betrifft einen Kranarm mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte, wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk nach Art eines Kardangelenks aufweist. Deren Drehachsen sind senkrecht zueinander angeordnet, wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen. Dabei weist das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager auf und die Schlauchleitungen verlaufen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern (Patentbeschreibung Abs. [0001]).
2. Der Schutzbereich der durch das Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre wird durch den (einzigen) Patentanspruch 1 bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind (Art. 69 Abs. 1 EPÜ). Die Bedeutung der in einem Patentanspruch verwendeten Begriffe ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, die stets geboten ist und auch dann nicht unterbleiben darf, wenn der Wortlaut des Anspruchs eindeutig zu sein scheint (vgl. BGH Urteil vom 9.5.2017, Az. X ZR 102/15, BeckRS 2017, 117715, Rn. 12; BGH GRUR 2015, 875 Rn. 16 – Rotorelemente; BGH GRUR 2016, 361 Rn. 14 – Fugenband). Dabei ist für die Auslegung eines Patents nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der im Patentanspruch verwendeten Begriffe maßgeblich, sondern deren technischer Sinn, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv aus dem Patent ergeben, zu bestimmen ist (BGH GRUR 2016, 169 – Luftkappensystem Rn. 16 m. w. N.). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist (BGH GRUR 2002, 516, 517 – Schneidmesser I). Die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen (BGH Urteil vom 9.5.2017, Az. X ZR 102/15, BeckRS 2017, 117715, Rn. 12; BGH GRUR 2016, 361, 362 Rn. 14 – Fugenband; BGH GRUR 2015, 875 Rn. 16 – Rotorelemente; BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Auch der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt (BGH GRUR 2011, 701 Rn. 23 – Okklusionsvorrichtung), schließt es nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt (BGH Urteil vom 9.5.2017, Az. X ZR 102/15, BeckRS 2017, 117715, Rn. 12).
3. Maßgeblicher Durchschnittsfachmann ist entsprechend den von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Landgerichts ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Drehgelenken für Kranarme.
4. Im Stand der Technik waren Kranarme bekannt, bei denen der Rotator und das Arbeitsgerät über eine Hydraulikeinrichtung betrieben wurden. Dabei führten vom Kranarm zum Rotator Hydraulikschläuche, während sich die eigentliche Steuerungseinheit, das Hydraulikreservoir und Hydraulikpumpen am anderen Ende des Kranarms befanden, von wo aus auch die Steuerung durch einen Benutzer erfolgte (vgl. Abs. [0002]). Im Stand der Technik (gemäß US 2005/0017528) war es vorteilhaft, dass die Schlauchleitungen, die vom Kranarm zur Rotationseinrichtung führten, nicht leicht beispielsweise durch Äste, Ladegut oder anderes Werkzeug von außen beschädigt werden konnten, so dass ein Auslaufen von Hydraulikflüssigkeit vermieden wurde, welches die Funktion des Kranarms beeinträchtigte und Gefahrenmomente schuf (Abs. [0003]).
5. Technische Aufgabe des Patents ist es, einen Kranarm bereitzustellen, der die Vorteile des Stands der Technik gemäß US 2005/0017528 beibehält und verbessert, indem das durch die beiden Drehgelenke gebildete Kardangelenk möglichst stabil ausgebildet ist, die Schlauchleitungen vor Beschädigungen geschützt sind, und gleichzeitig als weiterer Vorteil die Anschlüsse für die Schlauchleitungen gut von außen zugänglich sind (Abs. [0004], [0005]).
6. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent einen Kranarm mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte vor, der sich entsprechend der Merkmalsanalyse des Erstgerichts, welcher sich der Senat anschließt, wie folgt gliedern lässt (vgl. auch Anlage LS 4):
(0) Kranarm
(1) mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte
(2) wobei die Befestigungsvorrichtung entlang einer vertikalen Achse beabstandete Drehgelenke aufweist
(2.1) mit einem kranarmseitigen Drehgelenk und
(2.2) einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk
(2.3) nach Art eines Kardangelenks,
(2.4) deren Drehachsen senkrecht zueinander angeordnet sind,
(3) wobei vom Kranarm Schlauchleitungen zu Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen und
(4) wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist und
(5) die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern verlaufen,
(6) die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und (%1) die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen.
7. Die den Oberbegriff des Anspruchs 1 bildenden Merkmale 1 bis 5 sind bereits in der zum Stand der Technik gehörigen US-Patentanmeldung 2005/0017528 offenbart. Sie dienen dem patentgemäßen Zweck, die Vorteile des Stands der Technik gemäß US 2005/0017528 beizubehalten, indem das durch die beiden Drehgelenke Kardangelenk möglichst stabil ausgebildet ist und die Schlauchleitungen vor Beschädigungen geschützt sind. Die Merkmale 6 und 7 beschreiben den gegenüber dem Stand der Technik technischen Fortschritt einer gleichzeitigen Verbesserung der Zugänglichkeit der Anschlüsse am Rotator, indem die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen (vgl. auch Ausführungen des EPA mit Einspruchsentscheidung vom 15.01.2013, Anlage B 1, Seite 8 Ziff. 2.4.2.). Dabei bestimmt maßgeblich den Gegenstand der Erfindung die Erkenntnis, dass es sich als vorteilhaft erwiesen hat, wenn die Anschlüsse an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind, da hierdurch die Schlauchleitungen vor externen Einflüssen abgeschirmt und beispielsweise davor geschützt sind, dass sie an einem Baum bzw. Ast hängen bleiben oder an einem scharfen Gegenstand verletzt werden (Abs. [0006]).
8. Zwischen den Parteien steht die Auslegung der Merkmale 4 und 5 „wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist und die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern verlaufen“ im Streit. Insoweit ist der zutreffenden Auslegung des Landgerichts zu folgen.
Aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns, der die Beschreibung und Zeichnungen (vgl. Figuren 1 bis 4) zur Kenntnis nimmt, weist die Befestigungsvorrichtung (2) des Kranarms (1) entlang einer vertikalen Achse (z) beabstandete Drehgelenke (4, 5) mit einem kranarmseitigen Drehgelenk (4) und einem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk (5) nach der Art eines Kardangelenks auf, wobei – wie in der Figur 3 erkennbar – das kranarmseitige Drehgelenk (4) entlang seiner Drehachse x mit zwei Drehlagern (4a, 4b) ausgestattet ist (Abs. [0008]). Der angesprochene Fachmann wird dabei den Begriff des „Drehlagers“ – trotz der nicht eindeutigen Pfeilführung in der Figur 4 zu Bezugsziffer 4b – auf das eigentliche Drehlager als Teilbestandteil des Drehgelenks beziehen, nicht aber auch auf weitere Bauteile insbesondere die plattenförmigen Trägereinrichtungen, die vertikal zu der Drehachse des Drehgelenks verlaufen. Für eine solche Auslegung, wie sie von Klageseite angeführt wird, hat der Fachmann unter Berücksichtigung von Funktion und Aufgabe des Patents keinen Anlass. So geht aus der Formulierung des Anspruchs „wobei das kranarmseitige Drehgelenk entlang seiner Drehachse zwei beabstandete Drehlager aufweist“ wie auch aus der Beschreibung, wonach „das kranarmseitige Drehgelenk (4) entlang seiner Drehachse x mit zwei Drehlagern (4a, 4b) ausgestattet ist (Abs. [0008])“, für den Fachmann hervor, dass sich die beiden Drehlager als Bestandteile des kranarmseitigen Drehgelenks entlang der Drehachse (x) befinden. Der angesprochene Fachmann, ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Drehgelenken für Kranarme, weiß, dass ein Drehgelenk wenigstens ein Drehlager aufweist und dass somit das Drehlager lediglich ein Bestandteil des Drehgelenks ist, welches neben dem Drehlager auch weitere Bauteile, wie Laschen, Stangen und Bolzen umfassen kann. Das Drehlager ist dabei das Bauteil, welches die Drehbewegung von Lasche und Stange um eine Drehachse ermöglicht. Auch die Patentschrift differenziert in Beschreibung und Anspruch jeweils konsequent zwischen den Begriffen Drehachse, Drehgelenk und Drehlager im Sinne von unterschiedlichen Bauteilen. Vor diesem Hintergrund besteht für den angesprochenen Fachmann kein Grund für die Annahme, dass mit dem Begriff „Drehlager“ weitere Bauteile als die eigentlichen Drehlager gemeint sein könnten, ohne dass diese im Patentanspruch, in der Beschreibung oder in den Zeichnungen näher bezeichnet wären. Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses ist das Merkmal 5 „die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern verlaufen“ aus der Sicht des Fachmanns funktionsorientiert auszulegen. Entsprechend der patentgemäßen Aufgabe soll eine möglichst zentrierte Führung der Schlauchleitungen – wie beispielhaft in den Figuren 3 und 4 dargestellt – erreicht und dabei eine Führung der Schlauchleitungen auf der dem Kranarm abgewandten Seite vermieden werden, um die Schlauchleitungen vor einer Beschädigung durch äußere Einwirkungen zu schützen (vgl. Abs. [0006]). Dies wird dadurch erreicht, dass – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – die Schlauchleitungen durch den zylindrischen Raum verlaufen sollen, der durch den Querschnitt der Drehlager (4a, 4b) bestimmt wird und sich von einem Drehlager zum anderen Drehlager erstreckt. Der Fachmann entnimmt dies auch der Beschreibung in Abs. [0008], wo ab Zeile 46 ausgeführt wird: „Wie deutlich anhand Figur 3 erkennbar, ist das kranarmseitige Drehgelenk (4) entlang seiner Drehachse (x) mit zwei Drehlagern (4a, 4b) ausgestattet, wobei die Schlauchleitungen (7) zwischen diesen beiden Drehlagern (4a, 4b) durchragen bzw. verlaufen“. Ein Durchragen bzw. Verlaufen zwischen den beiden Drehlagern (als Bestandteile des kranarmseitigen Drehgelenks) ist aber aus der Sicht des Fachmanns funktionell anders zu verstehen, als ein Durchragen bzw. Verlaufen der Leitungen zwischen dem Drehgelenk im Übrigen, einschließlich seiner plattenförmigen Trägereinrichtungen bzw. Laschen, wie es im Patent gerade nicht zum Ausdruck kommt. Aus der Sicht des Fachmanns kann mit dem Verlauf der Schlauchleitungen „zwischen den beiden Drehlagern“ also nur der (engere) Bereich gemeint sind, der durch den Querschnitt der beiden beabstandeten Drehlager bestimmt wird und sich von einem Drehlager zum anderen als zylindrischer Raum erstreckt.
Diese Sichtweise entspricht auch der Auslegung der Einspruchsabteilung des EPA in ihrer Entscheidung vom 15.01.2013 (vgl. Anlage B 1), welche auf Seite 5 unten, Seite 6 oben unter Ziff. 2.3.2 die Argumentation der Einsprechenden (hiesigen Beklagten), wonach Merkmal 5 so zu interpretieren sei, dass die Schlauchleitungen zwischen den zwei Ebenen, die durch die Gabeln der oberen kranarmseitigen Aufhängung (senkrecht zur Drehachse) definiert seien, verliefen, verworfen hat und weiter ausgeführt hat: „Unter dem Begriff „zwischen den beiden Drehlagern“ versteht der Fachmann nach Ansicht der Einspruchsabteilung ein weiter eingegrenztes Volumen, nämlich etwa eine zylindrische Form mit dem Durchmesser des Lagers als Basis und der Breite entlang der Drehachse des kranarmseitigen Drehgelenks zwischen den zwei Drehlagern als Höhe“.
Auch wenn diese Beurteilung im Einspruchsverfahren den Senat bei der im Verletzungsverfahren vorzunehmenden Auslegung nicht bindet (vgl. BGH GRUR 2015, 972 Rn. 20 – Kreuzgestänge), kann dem abweichenden Verständnis der Klägerin nicht gefolgt werden.
C.
Verletzung des Klagepatents
Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen das Klagepatent – wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat – nicht wortsinngemäß. Es liegt jedoch eine äquivalente Verletzung vor.
1. Bei den angegriffenen Ausführungsformen verlaufen die Schlauchleitungen beim kranarmseitigen Drehgelenk nicht zwischen den beiden Drehlagern im Sinne von Merkmal 5 des geltend gemachten Patentanspruchs. Denn die Schlauchleitungen der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 verlaufen nicht durch den zylindrischen Raum, der durch den Querschnitt der Drehlager bestimmt wird und sich von einem Drehlager zum anderen Drehlager diese Gelenks erstreckt – vielmehr ist dieser Raum durch ein gesondertes Bauteil, das die Klägerin „Drehachse“ und die Beklagten „Hülse“ nennen, ausgefüllt, so dass die Schlauchleitungen um dieses Bauteil herumgeführt werden müssen und hierdurch nicht durch den Raum zwischen den beiden Drehlagern des kranarmseitigen Drehgelenks verlaufen können. Das Merkmal 5 des geltend gemachten Patentanspruchs wird damit durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht wortsinngemäß erfüllt.
2. Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents wird jedoch durch die beiden angegriffenen Ausführungsformen äquivalent verwirklicht.
a) Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig Dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2015, 361, Rn. 18 – Kochgefäß; BGH GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH GRUR 2015, 361, Rn. 18 – Kochgefäß; BGH GRUR 2011, 313 Rn. 35 – Crimpwerkzeug IV; BGH GRUR 2016, 921 Rn. 74 – Pemetrexed).
b) Die erforderliche Gleichwirkung hat das Erstgericht in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen zu Unrecht verneint.
aa) Für die Frage der Gleichwirkung ist entscheidend, welche einzelnen Wirkungen die patentgemäßen Merkmale – für sich und insgesamt – zur Lösung der den Patentansprüchen zugrunde liegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Danach ist es erforderlich, die Patentansprüche darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit ihren Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiert die patentierte Lösung und stellt deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 19 – Kochgefäß; BGH GRUR 2000, 1005, 1006 – Bratgeschirr; BGH GRUR 2012, 1122 Rn. 19 – Palettenbehälter III). Nur so ist gewährleistet, dass trotz Abwandlung bei einem oder mehreren Merkmalen lediglich solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Patentanspruchs umfasst werden, bei denen der mit der geschützten Erfindung verfolgte Sinn beibehalten ist. Als gleichwirkend kann eine Ausführungsform nur dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 19 – Kochgefäß; BGH GRUR 2012, 1122 Rn. 26 – Palettenbehälter III; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Auflage 2017, A.V.2. Rn. 107), wobei es für eine Gleichwirkung auch genügen kann, dass eine nach dem Patentanspruch erforderliche Wirkung durch abgewandelte Mittel nur in eingeschränktem Umfang erzielt wird (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 25 – Kochgefäß).
bb) Die Aufgabe des Klagepatents, einen Kranarm bereitzustellen, der die Vorteile des Stands der Technik beibehält und verbessert, indem das durch die beiden Drehgelenke gebildete Kardangelenk möglichst stabil ausgebildet ist, die Schlauchleitungen vor Beschädigungen geschützt sind, und gleichzeitig als weiterer Vorteil die Anschlüsse für die Schlauchleitungen gut von außen zugänglich sind, wird durch die angegriffenen Ausführungsformen mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst. In den angegriffenen Ausführungsformen wird das Merkmal 5 „die Schlauchleitungen vom Kranarm zu den Anschlüssen zwischen den beiden Drehlagern verlaufen“, dahingehend abgewandelt, dass der zwischen den Drehlagern liegende zylindrische Raumquerschnitt durch ein gesondertes Bauteil ausgefüllt wird, um das die Schlauchleitungen herumgeführt werden. Hierdurch befinden sich diese über eine kurze Strecke auf der dem Kranarm abgewandten Seite, sie werden jedoch anschließend wieder auf der Kranarminnenseite zwischen den beiden plattenförmigen Trägereinrichtungen, die vertikal zur Drehachse des Drehgelenks verlaufen, hindurchgeführt. Der unter anderem mit Merkmal 5 des Klagepatents bezweckte Schutz der Schlauchleitungen vor äußeren Einwirkungen wird bei den beiden angegriffenen Ausführungsformen zwar insoweit eingeschränkt, als die Schlauchleitungen über eine kurze Strecke auch auf der kranarmabgewandten Seite verlaufen. Auch der Vorteil der patentgemäßen Lösung, wonach die zwischen den beiden Drehlagern gemäß Merkmal 5 geführten Schlauchleitungen frei beweglich und flexibel sind, wodurch sie Hindernissen und von diesen drohenden Beschädigungen besser ausweichen können, ist in den beiden angegriffenen Ausführungsformen eingeschränkt, soweit dort die Leitungen um das zwischen den beiden Drehlagern des kranarmseitigen Drehgelenks befindliche Bauteil entlang geführt werden und insoweit nicht flexibel sind. Ein Schutz der Schlauchleitungen wird aber auch in den angegriffenen Ausführungsformen durch die weitere Führung der Schlauchleitungen auf der Kranarminnenseite und innerhalb des Raumes des kranarmseitigen Drehgelenks unterhalb der beiden Drehlager erreicht. Mit den weiterhin unstreitig von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten Merkmalen 6 und 7, wonach die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen, wird neben dem Schutz der Schlauchleitungen auch die patentgemäße Aufgabe einer verbesserten Zugänglichkeit der Anschlüsse am Rotator unter Beibehaltung des Schutzes der Schlauchleitungen gelöst. Dass im Ergebnis das patentgemäße Ziel eines Schutzes der Schlauchleitungen vor äußeren Einwirkungen aus den oben genannten Gründen nur mit gewissen Einschränkungen (Schlauchführung kurz auf kranarmabgewandten Seite, geringere Flexibilität der Leitungen) erreicht wird, hindert die Annahme einer Gleichwirkung nicht. Eine Ausführungsform, die anstelle eines im Patentanspruch genannten Merkmals eine abweichende Gestaltung aufweist, fällt nicht nur dann in den Schutzbereich eines Patents, wenn sie die erfindungsgemäßen Wirkungen ohne jede Einschränkung erreicht. Für eine Gleichwirkung kann es genügen, dass eine nach dem Patentanspruch erforderliche Wirkung durch abgewandelte Mittel nur in eingeschränktem Umfang erzielt wird. Unter dem Gesichtspunkt angemessener Belohnung des Erfinders kann die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Patents bereits dann sachgerecht sein, wenn die erfindungsgemäßen Wirkungen im Wesentlichen, also in einem praktisch noch erheblichen Maße, erzielt werden (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 25 – Kochgefäß; BGH GRUR 1999, 909, 914 – Spannschraube; BGH GRUR 2005, 1005, 1006 – Bratgeschirr; BGH GRUR 2012, 1122 Rn. 27 – Palettenbehälter III). Dies ist vorliegend der Fall, da die erfindungsgemäßen Wirkungen, nämlich eine verbesserte Zugänglichkeit der Anschlüsse unter Beibehaltung eines Schutzes der Schlauchleitungen vor Beschädigungen durch äußere Einwirkungen, auch bei den angegriffenen Ausführungsformen noch in maßgeblicher Weise erreicht werden. Entgegen dem Dafürhalten des Landgerichts ändert hieran auch der Umstand nichts, dass in den angegriffenen Ausführungsformen eine maximal erreichbare Verkürzung und minimale Schlaufenbildung bei Drehbewegungen nicht vorhanden ist. Denn der Vorteil einer maximalen Verkürzung der Schlauchleitungen hat in der Patentschrift keine Erwähnung gefunden. Einer solchen steht im Übrigen auch nach der patentgemäßen Lösung der Umstand entgegen, dass die dort vorgesehene Führung der Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite, versetzt an dem arbeitsgeräteseitigen Drehgelenk vorbei zu den Anschlüssen, eine maximale Verkürzung der Leitungen (anders als im Stand der Technik nach US 2005/0017528) gerade nicht ermöglicht. Weiterhin ist in den beiden angegriffenen Ausführungsformen die einhergehende Verlängerung der Leitungen nicht derart umfangreich, dass mit einer maßgeblich vermehrten Schlaufenbildung bei Drehbewegungen zu rechnen wäre.
Die erforderliche Gleichwirkung ist insoweit sowohl in Bezug auf die Ausführungsform 1, als auch auf die Ausführungsform 2 festzustellen. Bei der Ausführungsform 2 fehlt es zwar an der in der Ausführungsform 1 vorhandenen „Hülse“, die eine Gegenführung und damit eine möglichst kontaktnahe Führung der Schlauchleitungen an den die Verbindung der zwei beabstandeten Drehlager darstellenden Bauteil des Drehgelenks bewirkt; aber auch hier sind die Schlauchleitungen durch ihren weiteren Verlauf auf der kranarmzugewandten Seite und innerhalb des räumlichen Schutzbereichs des Drehgelenks in erheblichem Maße vor äußeren Einwirkungen geschützt.
c) Der Fachmann konnte die abgewandelte Ausführung zum Prioritätszeitpunkt ohne erfinderische Überlegungen auch als gleichwirkend auffinden.
aa) Die für eine äquivalente Benutzung vorausgesetzte Auffindbarkeit für den Fachmann ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn das durch die Erfindung gelöste Problem mit gleichwirkenden Mitteln gelöst wird, die der Durchschnittsfachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse und aufgrund von Überlegungen auffinden konnte, die sich an der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung orientieren (BGH GRUR 1991, 436 440 – Befestigungsvorrichtung II; BGH GRUR 1988, 896, 899 Ionenanalyse). Voraussetzung ist also, dass der Fachmann gegenüber der Lehre des Verfügungspatents kein erfinderisches Bemühen einsetzen musste (BGH GRUR 1994, 597, 600 – Zerlegvorrichtung für Baumstämme).
bb) Vorliegend war für den Fachmann bei Betrachtung des Stands der Technik in Gestalt der US-Anmeldung US 2005/0017528 sowie des Klagepatents mit seiner Beschreibung und seinen Zeichnungen erkennbar, dass aus der Führung der Schlauchleitungen auf der Kranarm-Innenseite ein schützender Effekt resultiert, der auch durch die weiteren Bestandteile des Drehgelenks bewirkt wird. Für den Fachmann lag es somit nahe, dass die patentgemäßen Wirkungen auch dadurch erreicht werden können, dass – wie in den angegriffenen Ausführungsformen – die Schlauchleitungen nicht zwischen den beiden Drehlagern, sondern um das diese verbindende Bauteil herum geführt werden, aber im Übrigen entsprechend der patentgemäßen Lösung verlaufen. Die Ausführungsform 1 greift diesen Gedanken besonders dadurch auf, dass eine Gegenführung in Form der „Hülse“ erfolgt, die eine besonders enge Führung der Schläuche um das die beiden Drehlager verbindende Bauteil auf die Kranarm-Innenseite gewährleistet. Aber auch bei der Ausführungsform 2 zeigt sich dies an der hinreichend nahen radialen wie axialen Führung auf die Kranarm-Innenseite.
d) Auch die erforderliche Gleichwertigkeit ist gegeben.
aa) Die Annahme der für eine äquivalente Verletzung erforderlichen Gleichwertigkeit, setzt voraus, dass die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 49 – Pemetrexed; BGH GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2011, 313 Rn. 35 – Crimpwerkzeug IV). Es ist mithin nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt, sondern es müssen sich seine Überlegungen, die nicht allein für das abgewandelte Mittel festzustellen sind, an der Patentschrift orientieren. Die angegriffene Ausführungsform muss in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH GRUR 2007, 959 Rn. 21 – Pumpeinrichtung; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Auflage 2017, A. V. 2. Rn. 111).
bb) Die angegriffenen Ausführungsformen orientieren sich am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre, indem sie den Gedanken der geschützten Führung der Schlauchleitungen auf der Innenseite des Kranarms und durch den durch den vom kranarmseitigen Drehgelenk gebildeten Raum (unterhalb der Drehlager) ebenso übernehmen, wie die Anordnung der Anschlüsse am Rotator auf der Kranarm-Innenseite. Der Fachmann wird die abweichenden Ausführungen daher als eine gleichwertige Lösung in Betracht ziehen.
D. Der „Formstein“-Einwand
Der von Beklagtenseite erhobene „Formstein“-Einwand greift nicht durch.
1. Der Schutzbereich des Klagepatents im Rahmen der Äquivalenz kann nicht auf Ausführungsformen erstreckt werden, die ihrerseits nicht als erfinderisch gelten können (BGH GRUR 1986, 803 – Formstein). Die Berufung auf den Stand der Technik nach den Grundsätzen der „Formstein“-Entscheidung (BGH GRUR 1986, 803) erfordert die Prüfung, ob der Fachmann die das Schutzrecht (lediglich) mit Abwandlungen verwirklichende angegriffene Ausführungsform ohne erfinderische Tätigkeit dem Stand der Technik entnehmen konnte oder ob dies nicht festgestellt werden kann. Grundlage dieser Prüfung ist nicht der Gegenstand des Schutzrechts, sondern eine davon abweichende angegriffene Ausführungsform und ihre Vorwegnahme durch den Stand der Technik (BGH GRUR 1997, 454, 457 – Kabeldurchführung I). Eine erfolgreiche Erhebung des sog. „Formstein“-Einwands setzt also voraus, dass der als Verletzer in Anspruch Genommene darlegt, dass und inwiefern die als äquivalent angegriffene Ausführungsform durch den Stand der Technik nahe gelegt war (GRUR 2016, 1031, Rn. 39 – Wärmetauscher; BGH GRUR 1997, 454, 456 – Kabeldurchführung I; BGH GRUR 1986, 803 – Formstein). Zum Erfolg des „Formstein”-Einwands ist es nötig, dass die Gesamtheit derjenigen Merkmale der als patentverletzend beanstandeten Ausführung, derentwegen festgestellt werden kann, dass diese in den Schutzbereich des Patentanspruchs fällt, als gegenständliche Lehre zum technischen Handeln den gesetzlichen Anforderungen für einen Patentschutz nicht genügt hätte, wenn sie zum Prioritätszeitpunkt des erteilten Patents angemeldet worden wäre (BGH GRUR 2007, 959 Rn. 26 – Pumpeneinrichtung; BGH GRUR 1986, 803 – Formstein; BGH GRUR 1997, 454 – Kabeldurchführung I).
2. Vorliegend stützen die Beklagten den „Formstein“-Einwand auf den sogenannten Harvester A91 des Herstellers M. samt eines Schreitfußes namens „W.“, der ihrer Behauptung nach bereits im August 2003 auf der Forstmesse in L. ausgestellt gewesen sei, unter Vorlage der nachfolgenden Abbildungen (vgl. Schriftsatz vom 14.04.2016, Seite 32, Bl. 114 d. A., s. a. Anlagen B3 und B4):
Die Beklagten machen geltend, der vorbenutzte Harvester A91 des Herstellers M. samt eines Schreitfußes namens „W.“ verwirkliche alle Merkmale des Klagepatents (mit Ausnahme des Merkmals 5), wobei im Bereich des kranarmseitigen Drehgelenks ein die beiden Drehlager verbindendes Bauteil vorhanden sei (a.a.O. Seite 34). Die beiden mittleren Schlauchleitungen beim „M.“ verliefen vom Kranarm zu den Anschlüssen in unmittelbarer Nähe zu dem die beiden Drehlager verbindenden Bauteil (a.a.O. Seite 33 f.).
Die Klägerin hat insoweit unter anderem bestritten, dass diese Ausführungsform im Prioritätsdatum zum Stand der Technik gehörte, insbesondere, dass sie im August 2003 auf der Forstmesse in L. zu sehen war, dass diese Ausführungsform Drehgelenke nach Art eines Kardangelenks aufweist und dass die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet seien. Weiter stellt sie in Abrede, dass es sich bei dem von den Beklagten mit Schriftsatz vom 14.04.2016 (Bl. 81/117 d. A.) in Bezug genommenen Bauteil um einen Teil des Kranarms des dortigen Gerätes handeln würde.
3. Die Beklagten haben vor dem Hintergrund dieses Bestreitens nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass die angeführte Ausführungsform Harvester A91 des Herstellers M. samt eines Schreitfußes namens „W.“ seit August 2003 bzw. vor dem Prioritätstag des Klagepatents zum Stand der Technik gehörte und dass sie die Merkmale der angegriffenen Ausführungsformen aufwies bzw. dem Fachmann diese nahe gelegt hätte.
a) Die bereits erstinstanzlich vorgelegten, oben wiedergegebenen Abbildungen, vermögen – unabhängig davon, dass nicht feststeht, wann und wo sie entstanden sind (die Bildumgebung lässt eher nicht auf eine Messe schließen) – die von Beklagtenseite behaupteten Merkmale der angeführten Ausführungsform nicht zu dokumentieren. Unklar ist zunächst, ob es sich bei dem in Bezug genommenen roten Bauteil, das sich zwischen dem Kranarm und dem Schreitfuß „W.“ befindet, um einen Teil des Kranarms handelt oder um einen Bestandteil des Arbeitsgerätes. Weiterhin ist aus den Fotografien nicht ersichtlich, ob die dort gezeigte Ausführungsform Drehgelenke nach Art eines Kardangelenks aufweist, ob vom Kranarm Schlauchleitungen auf der Kranarm-Innenseite zu dort angeordneten Anschlüssen an einem zwischen Arbeitsgerät und arbeitsgeräteseitigem Drehgelenk angeordneten Rotator führen, ob die Anschlüsse für die Schlauchleitungen an der dem Kranarm zugewandten Seite der Befestigungsvorrichtung angeordnet sind und ob die Schlauchleitungen in Richtung der Drehachse des arbeitsgeräteseitigen Drehgelenks versetzt an diesem Drehgelenk vorbeilaufen. Während auf der rechten Abbildung (vgl. oben Seite 49) erkennbar ist, dass die seitlichen Schlauchleitungen seitlich in das Gerät führen, bleibt offen, wohin die hinteren Schlauchleitungen münden, also ob diese überhaupt zu Anschlüssen an einem Rotator führen.
b) Der von Beklagtenseite benannte Zeuge C. V. hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat angegeben, er habe die gegenständliche Ausführungsform der Firma M. auf der Messe 2003 in L. selbst nicht gesehen. Man habe von der Firma M. AG Fotos von dieser Maschine zur Verfügung gestellt bekommen mit dem Hinweis, dass diese – so wie auf den Fotos ersichtlich – auf der damaligen Messe ausgestellt gewesen sei. Man habe auch zur Vorbereitung auf den Verhandlungstermin im vorliegenden Rechtsstreit eine solche Maschine besichtigt, wie sie heute ausgestaltet sei. Diese entspreche der Ausgestaltung, wie sie auch im Jahr 2003 auf der Messe ausgestellt gewesen sei, wie sich aus der (vom Zeugen übergebenen) Erklärung der Firma M. AG (Herrn L.) vom 01.03.2018 ergebe.
Der Zeuge V. vermochte damit über die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, wonach die behauptete Ausführungsform mit den behaupteten Merkmalen im August 2003 auf der Messe in L. öffentlich ausgestellt worden sein soll, aus eigener Wahrnehmung keine Angaben zu machen. Der Senat war auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten bei Erlass des Beweisbeschlusses davon ausgegangen, dass der Zeuge V. auf der Messe in L. zugegen war. Auf den Hinweis des Senats im Termin am 02.11.2017, wonach das Beweisangebot „N. N.“ unbeachtlich ist, hatten die Beklagten auf das Beweisangebot des Zeugen V. verwiesen, ohne zu erläutern, dass dieser aus eigener Kenntnis zur Ausstellung auf der Messe keine Angaben machen kann.
Soweit sich der Zeuge V. auf Angaben von Mitarbeitern der Firma M. AG berufen hat, handelt es sich um die behauptete Wahrnehmung von Äußerungen Dritter, die nicht Beweisgegenstand waren. Zwar können auch Angaben, die ein Zeuge vom Hörensagen durch Dritte erlangt hat, Indizwirkung für die zu beweisenden Tatsachen haben (vgl. Musielak/Voit/Huber, 15. Aufl. 2018, ZPO § 373 Rn. 2). Selbst wenn man vorliegend aber unterstellt, der Zeuge V. habe entsprechende Äußerungen von Mitarbeitern der Firma M. AG wahrgenommen, wäre dies nicht ausreichend, um zur Überzeugung des Senats den erforderlichen Beweis zu erbringen (§ 286 Abs. 1 ZPO), da es an hinreichenden zusätzlichen Anknüpfungspunkten mangelt, die ein solches Indiz stützen könnten. So fehlt es etwa an der Vorlage von Abbildungen, Konstruktionszeichnungen, Katalogen o. ä., die nachweislich aus der Zeit vor dem Prioritätstag des Klagepatents stammen und aus denen die behaupteten Merkmale der angeführten Ausführungsform ersichtlich sind. Die vorgelegten Anlagen B 3 und B 4 sind insoweit unbehelflich, da sie ebenso wenig wie die erstinstanzlich vorgelegten Fotos (siehe oben) einen hinreichenden Schluss auf die konkrete Ausgestaltung des Harvester A91 M. in den hier interessierenden Merkmalen zulassen. Soweit die Beklagtenseite den Inhalt der vom Zeugen vorgelegten Erklärung des Herrn L. von der Firma M. AG vom 01.03.2018 im Termin vor dem Senat erstmals zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat, genügt dies zum Nachweis ihrer Behauptungen ebenfalls nicht (so dass es auf die Frage, ob dieser Vortrag verspätet ist, nicht ankommt). Die Klägerin hat bestritten, dass die behauptete Ausstellung der Ausführungsform des Harvester A91 M. auf der Messe 2003 stattgefunden hat und dass die Maschine so ausgestaltet war, wie dies in der Erklärung vom 01.03.2018 behauptet wird und wie sie in den Fotos dargestellt ist. Vor diesem Hintergrund ist die Vorlage einer nur schriftlichen Erklärung nicht ausreichend. Zwar kann die Erklärung eines Zeugen im Wege des Urkundenbeweis verwertet und gewürdigt werden, wobei der Beweiswert der Urkunde jedoch gering ist, wenn sie die nicht in einem formellen Verfahren gewonnene, sondern gegenüber einer Partei getätigte Äußerung eines Zeugen wiedergibt (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1077, Rn. 17 – Verwertung schriftlicher Zeugenäußerung). Grundsätzlich vermag eine solche Erklärung den Zeugenbeweis aber nicht zu ersetzen, wenn die Urkunde zum Zwecke der Vorlage bei Gericht erstellt wurde (vgl. MüKoZPO/Damrau, ZPO, 5. Auflage 2016, § 373 Rn. 20). Vorliegend ist davon auszugehen, dass eine Reihe von Personen in Betracht kommen, insbesondere unter den Mitarbeitern der Firma M.AG, die die von Beklagtenseite behauptete Ausstellung der angeführten Ausführungsform mit den behaupteten Merkmalen auf der Messe in L. 2003 aus eigener Wahrnehmung bekunden können müssten. Die Beklagte hat hierzu jedoch keinen unmittelbaren Zeugenbeweis angeboten, insbesondere nicht in Gestalt des die vorgelegte Erklärung vom 01.03.2018 unterzeichnenden Herrn L. oder der weiteren dort genannten Herren J. R., A. S. und C. C.
Im Ergebnis ist die Beklagte damit beweisfällig geblieben, so dass der „Formstein“-Einwand nicht durchgreift.
E. Rechtsfolgen
1. Infolge der festgestellten äquivalenten Verletzung des Klagepatents stehen der Klägerin gegen die Beklagten (zur Verantwortlichkeit des Beklagten zu 2) als Geschäftsführer vgl. BGH GRUR 2016, 257 – Glasfasern II) die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Hinblick auf die beiden angegriffenen Ausführungsformen entsprechend Klageantrag zu Ziff. 1.1. und 1.2. gem. Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i. V. m. §§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 Satz 1 PatG zu. Zwar fehlt es hinsichtlich des beanstandeten „Einführens“ an klägerischem Sachvortrag, vielmehr stellt die in Deutschland ansässige Beklagte zu 1 nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts die von ihr vertriebenen angegriffenen Ausführungsformen selbst her (vgl. LGU Seiten 5 und 6). Da die Frage des Produktionsstandorts bzw. einer Eigen- oder Auftragsfertigung bei einem produzierenden Unternehmen aber in erster Linie eine Kostenfrage ist, die sich fortlaufend ändern kann, ist vorliegend auch von einer Begehungsgefahr für ein Einführen durch die Beklagten auszugehen (vgl. BGH GRUR 2012, 512 Rn. 52 – Kinderwagen I; BGH GRUR 2006, 421 Rn. 42 – Markenparfümverkäufe; BGH GRUR 2016, 197 Rn. 47 – Bounty).
2. Die Beklagten sind außerdem gegenüber der Klägerin gem. Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i. V. m. §§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 139 Abs. 2 Satz 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zur Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatzleistung dem Grunde nach entsprechend der Klageanträge zu Ziff. 2., 3., und 6 verpflichtet. Diese Verpflichtung bezieht sich jedoch nicht auf Handlungen des „Einführens“, da diesbezüglich – wie oben ausgeführt – keine Verletzungshandlung festzustellen ist, sondern lediglich eine Begehungsgefahr vorliegt (vgl. BGH, GRUR 1964, 496, 497 – Formsand II; BGH GRUR 2006, 421 Rn. 47 – Markenparfumverkäufe). Insoweit war die Klage abzuweisen.
3. Die Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin weiterhin entsprechend Ziff. 4. und 5. der Klage die Herausgabe der streitgegenständlichen Erzeugnisse zum Zwecke der Vernichtung gem. Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i. V. m. §§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 140 a Abs. 1 PatG und deren Rückruf gem. Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i. V. m.§§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 140 a Abs. 3 PatG. Gründe für eine etwaige Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 140 a Abs. 4 PatG wurden von Beklagtenseite nicht vorgebracht.
4. Der mit Klageantrag zu Ziff. 7. geltend gemachte Anspruch auf Abmahnkostenerstattung ist gem. Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i. V. m. §§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 139 Abs. 2 PatG bzw. aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 683 S.1, 670, 677 BGB begründet.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB, wobei die Klägerin Zinsen nur seit dem 11.11.2014 beanspruchen kann, nachdem die Beklagten mit ihrem Antwortschreiben vom 11.11.2014 (Anlage LS 7) auf die klägerische Abmahnung (Anlage LS 6) die Erfüllung des Anspruchs ernsthaft und endgültig verweigert haben (BGH GRUR 2015, 1021 Rn. 34 – Kopfhörerkennzeichnung; BGH GRUR 2013, 925 Rn. 59 = WRP 2013, 1198 – VOODOO). Vor diesem Zeitpunkt ist weder dargetan, dass sich der Befreiungsanspruch, der zunächst gegen die Beklagten bestand, gem. §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 und 2 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, noch dass insoweit Verzug eingetreten ist.
III.
39. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
40. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 Satz 1, Satz 2, 709 Satz 2 ZPO.
41. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.