Europarecht

Pflicht zur Untersuchung auf Bisphenol A – Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Beschichtung von Trinkwasserleitungen mit Epoxidharz

Aktenzeichen  20 B 17.1378

Datum:
6.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2018, 2835
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 39 Abs. 2 Nr. 1
TrinkwV § 3 Nr. 2e, § 6 Abs. 3, § 9 Abs. 7, § 20 Abs. 1 Nr. 4b
VwGO § 114

 

Leitsatz

1. Grundsätzlich ist von einer Spezialität der Befugnisnormen der Trinkwasserverordnung auszugehen. Ein Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG ist nur denkbar, soweit die Trinkwasserverordnung materielle Anforderungen an die Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch aufstellt, ohne der zuständigen Behörde zu ihrer Durchsetzung eine entsprechende Eingriffsbefugnis zur Seite zu stellen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist in der Wissenschaft streitg, bis zu welchem Wert eine tägliche Aufnahme von Bisphenol A durch den Menschen unbedenklich ist und davon abgeleitet, welche Dosis in einer bestimmten Menge eines Lebensmittels bzw. von Trinkwasser enthalten sein darf, ohne eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen zu lassen, so kommt bei der Beurteilung dieser Schwelle dem Sachverstand der hierfür zuständigen Fachbehörde eine besondere Bedeutung zu. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Potentiell das Trinkwasser verunreinigende und seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussende Stoffe sollen so wenig wie möglich im Trinkwasser vorkommen, ihre Konzentration soll minimiert werden, § 6 Abs. 3 TrinkwV. Diese Norm verlangt eine derartige Minimierung nicht unter allen Umständen, sondern nur, soweit dies mit vertretbarem Aufwand unter Berücksichtigung von Einzelfällen möglich ist. (Rn. 46 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Resultieren die im Trinkwasser festgestellten Werte für Bisphenol A und Epichlorhydrin jedenfalls auch aus der Auskleidung der Wasserleitungen mit Epoxidharz, ist dies im Rahmen des § 9 Abs. 7 TrinkwV nur relevant, wenn aus der Trinkwasserinstallation auch eine gesundheitliche Gefahr resultiert. (Rn. 50 – 51) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 K 14.324 2015-11-25 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 25. November 2015 wird geändert. Der Bescheid des Landratsamts Würzburg vom 10. März 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. März 2015 wird in den Ziffern I.3.1, I.6.1, III a), soweit diese sich auf Ziff. I.6.1 bezieht und in Ziff.
III. c), soweit diese sich auf Ziff. I.3.1 bezieht, aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in beiden Rechtszügen zu 95%. Die Klägerin und die Beigeladene tragen die Kosten gesamtschuldnerisch zu 5%, insoweit trägt die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Jeder Beteiligte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die in Ziffer I.3.1 des Bescheids vom 10. März 2014 verfügte Sanierung aller mit Epoxidharz beschichteten Leitungsabschnitte, die in Ziffer I.6.1 des Bescheids verfügte Untersuchungspflicht hinsichtlich Bisphenol A und Epichlorhydrin sowie die Klage gegen die in den Ziffern III. Buchst. a und c verfügte Zwangsgeldandrohung hinsichtlich dieser beiden Anordnungen (vgl. den Zulassungsbeschluss des Senats vom 18. Juli 2017 (20 ZB 16.182)).
I.
Ziffer I.3.1 des Bescheids vom 10. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Beklagte ordnete in dieser Ziffer seines Bescheids wörtlich „die Sanierung aller mit Epoxidharz beschichteten Leitungsabschnitte“ an. Diese Formulierung ist so zu verstehen, dass damit die Entfernung des in den Jahren 2011 bis 2013 eingebrachten Epoxidharzes aus der Trinkwasser-Installation (§ 3 Nr. 3 TrinkwV) der im Eigentum der Klägerin stehenden Häuser verlangt wird. Da es offenbar keine Möglichkeit gibt, nur das Epoxidharz aus den Leitungen zu entfernen und diese im Gebäude zu belassen, kommt zur Erfüllung dieser Anordnung allein die mechanische Entfernung der Leitungen in Betracht (wovon insbesondere auch die Klägerin in ihrer im Verfahren W 6 S 14.485 an das Verwaltungsgericht gerichteten Kostenschätzung ausgeht, vgl. den dortigen Schriftsatz v. 19.Mai 2014, Bl. 8 der Gerichtsakte).
1. Als Rechtsgrundlage für die in Ziffer I.3.1 des Bescheids getroffene Anordnung kommt allein § 9 Abs. 7 TrinkwV in Betracht. Der Bescheid des Landratsamts nennt für diese Anordnung selbst keine Befugnisnorm, auf die die Anordnung gestützt wird. Dies ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung jedoch grundsätzlich unschädlich, da das Berufungsgericht die Rechtmäßigkeit des Bescheids unter allen Gesichtspunkten prüft, unabhängig von einer etwa genannten Rechtsgrundlage (BVerwG, U.v. 27.1.1982 – 8 C 12/81 – BVerwGE 64, 356, 1. Leitsatz).
Die vom Verwaltungsgericht neben anderen Normen genannten §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 – 3 TrinkwV stellen keine Befugnisnormen dar, sondern enthalten stattdessen materielle Anforderungen an die Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 4 TrinkwV, Rn. 3 bzw. § 6 TrinkwV, Rn. 3).
Gleiches gilt für § 17 TrinkwV, insbesondere dessen Absätze 1 und 2. Auch diese enthalten lediglich inhaltliche Anforderungen (vgl. Rathke, a.a.O., § 17 TrinkwV, Rn. 3) und eröffnen der zuständigen Behörde selbst keine Eingriffsbefugnis.
Der ebenfalls vom Verwaltungsgericht zitierte § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG scheidet als Befugnisnorm für die hier getroffene Anordnung ebenfalls aus. Danach hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des § 37 Abs. 1 und 2 IfSG und von Rechtsverordnungen nach § 38 Abs. 1 und 2 IfSG sicherzustellen. Die Trinkwasserverordnung stützt sich in ihren maßgeblichen Teilen auf die Verordnungsermächtigung des § 38 Abs. 1 und 2 IfSG und dient nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG der Umsetzung der in § 37 Abs. 1 und 2 geregelten Anforderungen an Wasser für den menschlichen Gebrauch bzw. Wasser, das in Gewerbebetrieben oder öffentlichen Bädern bereitgestellt wird (vgl. u.a. Rathke, a.a.O., § 6 TrinkwV, Rn 4, § 17 TrinkwV, Rn. 4). Damit ist diese Befugnisnorm grundsätzlich anwendbar, wenn es um die Einhaltung der materiellen Anforderungen nach der Trinkwasserverordnung einer behördlichen Anordnung bedarf. Allerdings enthält die Trinkwasserverordnung selbst sowohl hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als auch hinsichtlich der einzelnen zu treffenden Maßnahmen spezielle Befugnisnormen, die sich insbesondere in den §§ 9, 10 TrinkwV und hinsichtlich von Untersuchungspflichten in § 20 TrinkwV finden. Würde auch im Anwendungsbereich dieser speziellen Eingriffsbefugnisse ein Rückgriff auf die all-gemeine Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG möglich sein, so würden deren Tatbestandsanforderungen im Ergebnis ausgehebelt und leerlaufen. Daher ist grundsätzlich von einer Spezialität der Befugnisnormen der Trinkwasserverordnung auszugehen. Ein Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG ist wegen dieses Spezialitätsverhältnisses nur denkbar, soweit die Trinkwasserverordnung materielle Anforderungen an die Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch aufstellt, ohne der zuständigen Behörde zu ihrer Durchsetzung eine entsprechende Eingriffsbefugnis zur Seite zu stellen. Nur in diesem Fall existiert keine speziellere, vorrangige Befugnisnorm, die die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG sperren würde.
Darüber hinaus müsste sich eine auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG, § 17 TrinkwV gestützte Anordnung auf der Rechtsfolgenseite auf die Sicherstellung der Einhaltung der in § 17 TrinkwV genannten Vorgaben beschränken. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG, der allein den Erlass von Maßnahmen, um die Einhaltung u.a. von Rechtsverordnungen nach § 38 Abs. 1 und 2 IfSG „sicherzustellen“, erlaubt. Vorliegend hat sich das Landratsamt in Ziffer I.3.1 des streitgegenständlichen Bescheids aber nicht darauf beschränkt, anzuordnen, dass beispielsweise nach § 17 Abs. 1 TrinkwV die Trinkwasserinstallation der Klägerin nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu bauen und zu betreiben ist oder dass nach § 17 Abs. 2 TrinkwV nur die dort genannten Werkstoffe und Materialien für die Neuerrichtung oder Instandhaltung von Anlagen für die Verteilung von Trinkwasser verwendet werden dürfen. Vielmehr hat das Landratsamt angeordnet, dass die im Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits mit Epoxidharz innen ausgekleideten Wasserleitungen wieder zu „sanieren“, im Ergebnis (s.o.) zu entfernen sind. Damit geht die getroffene Anordnung aber über die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 17 TrinkwV eröffnete Möglichkeit zur „Sicherstellung“ der Einhaltung der Anforderungen nach § 17 TrinkwV hinaus. Eine derartige „Sicherstellungsanordnung“ wäre nur vor der Einbringung des Epoxidharzes in die Trinkwasser-Installation der Wohnungsanlage möglich gewesen. Die Beseitigung des bereits eingebrachten Epoxidharzes bzw. der mit Epoxidharz ausgekleideten Leitungen geht dagegen über die möglichen Rechtsfolgen von § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 17 TrinkwV hinaus und kann darauf nicht gestützt werden.
Rechtsgrundlage für Ziff. I.3.1 des Bescheids vom 10. März 2014 kann daher nur § 9 Abs. 7 TrinkwV sein. Nach § 9 TrinkwV sind über eine bloße Sicherstellung der Einhaltung von materiellen Vorgaben der Trinkwasserverordnung hinausgehende Anordnungen möglich. Dabei differenziert die Vorschrift in ihren einzelnen Absätzen nach den unterschiedlichen Arten von Wasserversorgungsanlagen im Sinne des § 3 Nr. 2 TrinkwV und nach den nicht eingehaltenen Anforderungen der Trinkwasserverordnung an Wasser zum menschlichen Gebrauch. § 9 Abs. 7 TrinkwV stellt hier die spezielle Befugnisnorm für den Fall dar, dass die Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der in den §§ 5 – 7 TrinkwV festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen auf die Trinkwasser-Installation im Sinne von § 3 Nr. 3 TrinkwV oder deren unzulängliche Instandhaltung zurückzuführen ist. Diese ist daher vor der allgemeineren Regelung des § 9 Abs. 4 TrinkwV wegen Spezialität vorrangig.
Die Rechtmäßigkeit der in Ziffer I.3.1 getroffenen Anordnung ist daher an der Befugnisnorm des § 9 Abs. 7 TrinkwV zu messen.
2. Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids am 10. März 2014 abzustellen.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bestimmt sich im Verwaltungsprozess grundsätzlich nach dem materiellen Recht (BVerwG, U.v. 27.4.1990 – 8 C 87/88 – NVwZ 1991, 360, 1. Leitsatz; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 45). Dem § 9 TrinkwV ist jedoch keine Aussage zu entnehmen, auf welchen Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung einer auf diese Bestimmung gestützten Maßnahme abzustellen ist. Daher greift hier der prozessrechtliche Grundsatz, dass für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses abzustellen ist (Schmidt in Eyermann, a.a.O., Rn. 45).
3. Tatbestandsvoraussetzung für die Anordnung einer Maßnahme nach § 9 Abs. 7 TrinkwV ist die Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der in den §§ 5 – 7 TrinkwV festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen. Vorliegend wurden in den bis zum Bescheidserlass genommenen Proben die Stoffe Epichlorhydrin und Bisphenol A festgestellt. Hinsichtlich Epichlorhydrin existiert ein Grenzwert nach § 6 Abs. 2 TrinkwV i.V.m. Anlage 2, der sich auf 0,10 gg/l beläuft. Dieser Grenzwert wurde in den bis zum Bescheidserlass (und auch danach) entnommenen Wasserproben jeweils weit unterschritten. Insoweit kann daher eine Grenzwertüberschreitung nicht festgestellt werden.
Für Bisphenol A existiert demgegenüber kein Grenzwert im Sinne des § 6 Abs. 2 TrinkwV. Ebenso wenig existiert ein Grenzwert nach § 7 i.V.m. Anlage 3 TrinkwV. § 5 TrinkwV ist auf Bisphenol A schon aus dem Grunde nicht anwendbar, weil es sich dabei um einen chemischen Stoff und keinen mikrobiologischen Parameter handelt. In Frage kommt daher nur eine Nichteinhaltung der Anforderungen nach § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 TrinkwV.
a) Nach § 6 Abs. 1 TrinkwV dürfen im Trinkwasser chemische Stoffe nicht in Konzentrationen enthalten sein, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen. Dafür, dass eine Schädigung zu „besorgen“ ist, muss diese weder eingetreten, noch mit Sicherheit zu erwarten sein. Es reicht, dass die Möglichkeit einer Gesundheitsbeschädigung besteht. Insbesondere ist zu berücksichtigen, ob in den wissenschaftlichen Fachkreisen die Möglichkeit für Gesundheitsschäden allgemeine Ansicht ist oder ob nur Außenseiter eine solche Möglichkeit bejahen (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 6 TrinkwV, Rn. 5 i.V.m. § 5 Rn. 11). Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 TrinkwV ergibt, ist dabei insbesondere auch die Konzentration des Stoffes im Trinkwasser zu berücksichtigen (vgl. auch Rathke, a.a.O., § 5 Rn. 12).
In sämtlichen bis zur Entscheidung des Senats durchgeführten Messungen wurden Werte für Bisphenol A in dem aus der Trinkwasserinstallation entnommenen Wasser von zwischen 0,018 (Probenahme v. 3.4.2014, Wohnung J., 6. OG, Haus …*) und 1,35 gg/l (Probenahme vom 30.11.2017, gleiche Wohnung) im Warmwasser festgestellt. Das Vorhandensein von Bisphenol A in Lebensmitteln wie auch im Trinkwasser wird von allen Sachverständigen und von allen zuständigen Behörden als grundsätzlich problematisch und gesundheitlich nicht unbedenklich gesehen (vgl. nur Umweltbundesamt, Bisphenol A – Massenchemikalie mit unerwünschten Nebenwirkungen, Dessau 2010, zu finden unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/ medien/publikation/long/3782.pdf zuletzt recherchiert am 23.4.2018). Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist in der Wissenschaft allerdings, bis zu welchem Wert eine tägliche Aufnahme durch den Menschen unbedenklich ist und davon abgeleitet, welche Dosis in einer bestimmten Menge eines Lebensmittels bzw. von Trinkwasser enthalten sein darf, ohne eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen zu lassen. Bei der Beurteilung dieser Schwelle kommt dem Sachverstand der hierfür zuständigen Fachbehörde eine besondere Bedeutung zu.
Das Umweltbundesamt hat in seiner Empfehlung vom 13. Mai 2014 „Beurteilung materialbürtiger Kontaminationen des Trinkwassers“ (zu finden unter: https://www. umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente/140514_dwpll_empfe hlung.pdf; zuletzt recherchiert am 23. April 2018) ausgeführt, dass, wenn das Trinkwasser durch einen materialbürtigen Stoff verunreinigt ist, für den die Trinkwasserverordnung keinen Grenzwert enthält und das Gesundheitsamt – etwa im Rahmen von § 9 Abs. 7 oder § 20 Abs. 1 TrinkwV – zu bewerten hat, ob die Verunreinigung eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nach § 6 Abs. 1 TrinkwV besorgen lässt, hierfür die Leitwerte für materialbürtige Kontaminanten nach den Leitlinien und Bewertungsgrundlagen des Umweltbundesamtes herangezogen werden können. Diese Leitwerte, die bisher als DWPLL (drinking water positive list limit)-Wert bezeichnet wurden (künftig: MTCtap), seien humantoxikologisch abgeleitete provisorische Trinkwasserhöchstwerte für materialbürtige Stoffe. Der Senat geht daher davon aus, dass dieser aufgrund der Expertise des Umweltbundesamtes festgelegte Wert zur Bestimmung der Möglichkeit einer Schädigung der menschlichen Gesundheit im Sinne von § 6 Abs. 1 TrinkwV geeignet ist. Die hiergegen vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Beklagten vorgebrachten Gründe beschränken sich auf allgemeine Ausführungen zur grundsätzlichen Gefährlichkeit von Bisphenol A und zur Bedenklichkeit der von der Beigeladenen angewandten Methode der Rohrinnensanierung mit Epoxidharz. Sie vermögen jedoch die Empfehlung des Umweltbundesamtes schon deshalb nicht in Frage zu stellen, als sie über die genannten allgemeinen Ausführungen hinaus keine abweichende Einschätzung enthalten, ab welchem Wert von Bisphenol A im Trinkwasser eine Schädigung der menschlichen Gesundheit zu besorgen wäre.
Das Umweltbundesamt hat in seiner Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von organischen Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser (Beschichtungsleitlinie), die im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in ihrer Fassung vom 30. November 2010 gültig war, einen DWPLL-Wert für Bisphenol A von 30 gg/l festgelegt. Im März 2015 (und mithin nach Bescheidserlass) hat das Umweltbundesamt diesen Wert aufgrund einer geänderten Einschätzung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hinsichtlich der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge für Bisphenol A auf 12 gg/l reduziert. Damit werden durch die festgestellten Bisphenol-A-Konzentrationen im Trinkwasser der klägerischen Wohnungsanlage weder der im Bescheidserlass geltende höhere Wert von 30 gg/l noch der inzwischen geltende niedrigere Wert von 12 gg/l erreicht. Die Frage, ob aufgrund des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage allein auf den im Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltenden Wert von 30 gg/l abzustellen ist oder ob es sich bei der Änderung lediglich um eine veränderte Einschätzung der Gefährdung durch die zuständige Behörde, die mithin zu berücksichtigen wäre, handelt, kann daher offen gelassen werden. In keinem Fall liegt danach eine Konzentration von Bisphenol A vor, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lässt. Die Anforderungen des § 6 Abs. 1 TrinkwV wurden daher im Zeitpunkt des Bescheiderlasses eingehalten.
b) Für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich ist auch die am 8. März 2018 – und mithin nach Erlass des vorliegenden Urteils – vom Umweltbundesamt publizierte „Information – neue Regelung von Bisphenol A – Konsequenzen für Materialien im Kontakt mit Trinkwasser“ (zu finden unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/ default/files/medien/374/dokumente/neue_regelung_von_bisphenol_a_-_konsequen zen_fuer_materialien_im_kontakt_mit_trinkwasser.pdf, zuletzt recherchiert am 23. April 2018). Darin hat das Umweltbundesamt darüber informiert, dass es nach der Verordnung (EU) Nr. 2018/213 einen neuen gesundheitlich begründeten Höchstwert im Trinkwasser (MTCtap) auf der Grundlage der Bewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festlege. Dieser Höchstwert von Bisphenol A, das aus organischen Materialien in das Trinkwasser abgegeben werde, betrage nunmehr 2,5 gg/l. Damit werde der in der UBA-Beschichtungsleitlinie für Bisphenol A angegebene DWPLL-Wert, der ursprünglich 30 gg/l betragen habe und 2015 auf 12 gg/l abgesenkt worden sei, nunmehr mit 2,5 gg/l festgelegt. Diese Anforderung gelte ab sofort bei Prüfungen aller organischen Materialien entsprechend den UBA-Leitlinien, die Bisphenol A als Ausgangsstoff enthielten. Diese Änderung solle auch berücksichtigt werden, wenn Trinkwasser aus beschichteten Bauteilen von Wasserversorgungsanlagen, z.B. nach Innenbeschichtungen von Trinkwasserinstallationen, auf materialbürtige Stoffe untersucht werde. Auch wenn man davon ausgeht, dass es sich dabei um eine grundsätzlich auch bei Zugrundelegung des Bescheidsdatums als maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage berücksichtigungsfähige Änderung der Einschätzung der sachverständigen Behörde handelt, führt diese Änderung der Einschätzung der zuständigen Fachbehörde nicht zu einem anderen Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits. Denn im Zeitpunkt des Bescheidserlasses wurde auch der neue vom Umweltbundesamt festgesetzte Vorsorgewert bei Weitem nicht erreicht. Auch der höchste bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats gemessene Wert beträgt mit 1,35 gg/l Bisphenol A (gemessen am 30. November 2017 im Haus Nr. …, 6. OG, Wohnung V.) immer noch nur etwas mehr als die Hälfte dieses neuen Vorsorgewerts.
c) Die Anforderung des § 6 Abs. 3 TrinkwV wird ebenfalls eingehalten. Danach sollen Konzentrationen von Stoffen, die das Trinkwasser verunreinigen oder seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussen können, so niedrig gehalten werden, wie dies nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik mit vertretbarem Aufwand unter Berücksichtigung von Einzelfällen möglich ist. Potentiell das Trinkwasser verunreinigende und seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussende Stoffe sollen so wenig wie möglich im Trinkwasser vorkommen, ihre Konzentration soll minimiert werden. Bei der Bestimmung handelt es sich um eine Konkretisierung der grundlegenden Anforderungen an Trinkwasser nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TrinkwV (Rathke, a.a.O., § 6 Rn. 17). Auch wenn es sich dabei nur um eine Sollbestimmung handelt, ist eine Verletzung dieser Norm dennoch möglich, sodass sie Grundlage einer Maßnahme nach § 9 Abs. 7 TrinkwV sein kann. Eine Konzentration von chemischen Stoffen im Wasser, die das Trinkwasser verunreinigt oder seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussen kann, liegt hier vor: Hinsichtlich Epichlorhydrin ist zwar fraglich, ob dieser Stoff überhaupt von § 6 Abs. 3 TrinkwV erfasst ist, da insoweit mit § 6 Abs. 2 TrinkwV i.V.m. Anlage 2 eine Spezialnorm besteht. Dies kann jedoch dahingestellt werden, da jedenfalls der ebenfalls das Trinkwasser nachteilig beeinflussende Stoff Bisphenol A, für den kein Grenzwert nach § 6 Abs. 2 TrinkwV i.V.m. Anlage 2 existiert, im Wasser feststellbar ist.
Eine Reduzierung dieser Konzentration ist nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses grundsätzlich möglich. Die hierfür notwendige Maßnahme wäre im Zeitpunkt des Bescheiderlasses die Entfernung sämtlicher mit Epoxidharz ausgekleideten Wasserleitungen. Diese wäre nur auf sogenannte „klassische“ Weise, also durch mechanische Entfernung dieser Leitungen möglich (s.o.). Ein solches Vorgehen entspräche den allgemein anerkannten Regeln der Technik und würde zu einer Verringerung der Bisphenol-A-Werte führen, auch wenn ein Eintrag aus anderen Quellen in das Trinkwasser, wie insbesondere die Beigeladene im Berufungsverfahren vorgetragen hat, grundsätzlich denkbar ist.
Allerdings verlangt § 6 Abs. 3 TrinkwV eine derartige Minimierung nicht unter allen Umständen, sondern nur, soweit dies mit vertretbarem Aufwand unter Berücksichtigung von Einzelfällen möglich ist. Der Verordnungsgeber trägt insoweit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung, indem er zwar unter Vorsorgegesichtspunkten eine möglichst weitgehende Minimierung von das Trinkwasser negativ beeinflussenden Stoffen anordnet, dies aber unter dem Vorbehalt des vertretbaren Aufwands, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung von Einzelfällen, stellt. Hier bedeutet dies, dass das Minimierungsgebot (vgl. Rathke, a.a.O., § 6 Rn. 18/19) durch die von der Klägerin unterlassene Entfernung der mit Epoxidharz ausgekleideten Wasserleitungen nicht verletzt ist. Denn diese Maßnahme würde nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Kosten in Höhe von rund 1.000.000,00 € verursachen. Angesichts der bislang sehr geringen Konzentration von Epichlorhydrin und Bisphenol A, die die Vorsorgewerte des Umweltbundesamts nicht erreicht, stände dieser Betrag nicht mit dem möglicherweise zu erzielenden Erfolg im Verhältnis. Es fehlt daher schon an der Angemessenheit der angeordneten Minimierung.
d) Aber auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 7 TrinkwV lie-gen nicht vor.
Zwar sind hier Tatsachen bekannt geworden, nach denen das Vorhandensein von Epichlorhydrin und Bisphenol A auf die Trinkwasserinstallation in der Wohnanlage der Klägerin zurückzuführen ist im Sinne von § 9 Abs. 7 Satz 1 TrinkwV. „Trinkwasser-Installation“ ist nach § 3 Nr. 3 TrinkwV die Gesamtheit der Rohrleitungen, Armaturen und Apparate, die sich zwischen dem Punkt des Übergangs von Trinkwasser aus einer Wasserversorgungsanlage im Sinne von § 3 Nr. 2 TrinkwV an den Nutzer und dem Punkt der Entnahme von Trinkwasser befinden. Diese Definition ist, was die mit Epoxidharz ausgekleideten Wasserleitungen angeht, erfüllt. Entgegen der Argumentation der Beigeladenen im Berufungsverfahren ist der Senat auch davon überzeugt, dass die im Trinkwasser festgestellten Werte für Bisphenol A und Epichlorhydrin jedenfalls auch aus der Auskleidung der Wasserleitungen mit Epoxidharz resultieren. Die diesbezügliche Argumentation des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil ist überzeugend und wurde durch die Argumentation der Beigeladenen im Berufungsverfahren nicht substantiiert infrage gestellt.
Aus diesem Umstand muss jedoch auch eine gesundheitliche Gefahr resultieren, § 9 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 TrinkwV. Der Gefahrbegriff ist dabei ebenso wie nach Art. 3 Nr. 14 der Verordnung (EG) 178/2002 zu verstehen (Rathke, a.a.O., § 9 Rn. 6). Die gesundheitliche Gefahr in diesem Sinne muss aber nicht wie in § 6 Abs. 1 TrinkwV verlangt aufgrund der Konzentration der chemischen Stoffe „zu besorgen“ sein, sondern sie muss vielmehr möglicherweise aus der Trinkwasserinstallation „resultieren“. Dies ergibt sich aus der Formulierung „aus der Nichteinhaltung oder Nichterfüllung möglicherweise resultierenden Gefahren“ im Wortlaut des § 9 Abs. 7 Satz 1 TrinkwV. Gegen diese Auslegung der Bestimmung kann auch nicht mit dem Beklagten argumentiert werden, bei einem derartigen Verständnis würde das Vorsorgein ein Nachweisprinzip verkehrt: Denn bei § 9 Abs. 7 TrinkwV handelt es sich um eine Eingriffsbefugnis, die vom Betreiber einer Wasserversorgungsanlage erhebliche Maßnahmen verlangen kann, bis die gesundheitliche Gefahr beseitigt oder zumindest auf ein tolerierbares Maß verringert ist. Hierfür muss eine möglicherweise bestehende Gefahr schon aus Verhältnismäßigkeitsgründen gefordert werden. Eine derartige Anordnung nur zur Vorsorge gegen etwaige, derzeit noch nicht feststehende Entwicklungen zu treffen, würde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und wäre mit dem Grundrechtsschutz der betroffenen Betreiber von Wasserversorgungsanlagen nicht vereinbar.
Aufgrund des bereits oben dargestellten Umstands, dass die vom Umweltbundesamt festgelegten DWPLL-Werte für Bisphenol A bzw. die in der Trinkwasserverordnung enthaltenen Grenzwerte für Epichlorhydrin nicht überschritten sind, kann von einer gesundheitlichen Gefahr nicht ausgegangen werden. Damit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm nicht vor.
3. Darüber hinaus ist die Anordnung auch wegen eines Ermessensfehlers (§ 114 VwGO) rechtswidrig. Bei der von der Klägerin betriebenen Wasserversorgungsanlage handelt es sich um eine solche nach § 3 Nr. 2 Buchst. e TrinkwV, da aus dieser das von einem Wasserversorger (Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2 Buchst. a oder b TrinkwV) stammende Wasser an Verbraucher, hier konkret die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. deren Mieter abgegeben wird. Diese wird auch nicht im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit im Sinne von § 3 Nr. 11 TrinkwV betrieben. Eine solche ist definiert als die Trinkwasserbereitstellung für einen unbestimmten, wechselnden und nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis. Die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 530/10, Seite 63) nennt als Unterscheidungsmerkmal, dass die im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit betriebenen Einrichtungen der Allgemeinheit Leistungen anbieten, die von einem wechselnden Personenkreis in Anspruch genommen werden. Im Gegensatz dazu gibt es hier einen genau bestimmten Personenkreis, bestehend aus den Eigentümern bzw. den Mietern der Wohneinheiten und deren Besuchern bzw. Gästen. Damit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 7 Satz 2 TrinkwV vor mit der Folge, dass aus der gebundenen Befugnisnorm nach Satz 1 eine im Ermessen des Gesundheitsamts stehende Befugnis wird (vgl. Rathke a.a.O., § 9 Rn. 19). Das Gesundheitsamt hat also ein Ermessen, ob es eine Maßnahme nach § 9 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 TrinkwV anordnet, von dem es pflichtgemäß Gebrauch machen muss.
Betrachtet man die Begründung des Bescheids zu Ziffer I.3.1 (Seite 8 des Bescheids; zur Maßgeblichkeit der Begründung vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 18) ist nicht erkennbar, dass es dem Beklagten bewusst war, dass er hier einen Ermessensspielraum hat und dass er diesen ausfüllen will. Die Begründung erschöpft sich insoweit auf Ausführungen zur Frage, ob überhaupt eine Innensanierung von alten Kupferleitungen mittels Epoxidharzbeschichtung zulässig ist und ob diese den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Im Sinne einer Ermessensbetätigung kann allein die Formulierung verstanden werden, dass die Gefahr bestehe, dass aus dem Epoxidharz Bisphenol A und Epichlorhydrin ausgeschwemmt werde, Stoffe, die nachweislich das Risiko gesundheitlicher Gefahren in sich bergen. Dass das Landratsamt erkannt hat, dass es hier einen Spielraum hat, lässt sich der Begründung dagegen nicht entnehmen.
Aber auch wenn man nicht von einem Ermessensausfall ausgeht, liegt jedenfalls ein Ermessensfehlgebrauch vor. Nach § 114 Satz 1, 2. Alternative VwGO prüft das Gericht auch, ob die Behörde ihr Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entspre-chend ausgeübt hat. Diese Anforderung vergleicht die Gründe der Behörde mit dem Gesetzeszweck (Rennert, a.a.O., § 114 Rn. 20). Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob sich die Behörde von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Dies umfasst auch die Prüfung, ob die Behörde den oder die Zwecke des Gesetzes zutreffend und vollständig erfasst und sich in diesem Normprogramm gehalten hat (Rennert, a.a.O.). Vorliegend lässt sich der Begründung der Ziffer I.3.1 des Bescheids nicht entnehmen, dass dem Landratsamt bewusst war, dass für die Frage, ob eine Anordnung nach § 9 Abs. 7 Sätze 1 und 2 TrinkwV getroffen wird, maßgeblich darauf ankommt, wie hoch die Gefahr für die menschliche Gesundheit ist, was sich danach bemisst, wie hoch die festgestellten Werte von Epichlorhydrin und Bisphenol A sind. Etwaige Überlegungen hierzu lassen sich der Begründung nicht im Ansatz entnehmen. Daher ist die Anordnung jedenfalls wegen eines Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig.
Ziffer I.3.1 des Bescheids verletzt die Klägerin auch in eigenen Rechten und ist daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auf die Frage, ob die Sanierung korrodierter Wasserleitungen durch Ausspritzen mit Epoxidharz den allgemein anerkannten Regeln der Technik i.S.v. § 17 TrinkwV entspricht oder nicht, kommt es nach alledem nicht entscheidungserheblich an. Gleiches gilt für die Frage, ob der Beklagte mit dem Schreiben vom 20. November 2012, mit dem das Verfahren zur Untersagung der Rohrinnensanierung mit Epoxidharz eingestellt wurde, einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.
II.
Ziffer I.6.1 des Bescheids ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anordnung stellt einen engen Zusammenhang mit der in Ziffer I.3.1 angeordneten Sanierung der mit Epoxidharz ausgekleideten Wasserleitungen her, indem die Untersuchung bis zu dieser Sanierung angeordnet wird. Daher ist im Gleichlauf mit dem oben zu Ziffer I.3.1 des streitgegenständlichen Bescheids ausgeführten für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 10. März 2014 abzustellen.
Der streitgegenständliche Bescheid nennt auch hinsichtlich der in Ziffer I.6.1 angeordneten Pflicht zur Untersuchung des Trinkwassers auf Epichlorhydrin und Bisphenol A keine Rechtsgrundlage.
1. Diese findet sich für die Untersuchung auf Bisphenol A jedoch in § 20 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b TrinkwV.
§ 20 Abs. 1 Nr. 3 TrinkwV ist vorliegend nicht einschlägig, da er nur eine Modifikation der in § 14 TrinkwV geregelten Untersuchungspflichten ermöglicht. Untersuchungspflichten nach § 14 Abs. 1 und 2 TrinkwV richten sich aber nur an Inhaber einer Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2 Buchst. a oder b TrinkwV. Die Untersuchungspflichten nach § 14 Abs. 3 TrinkwV richten sich zwar auch an Inhaber einer Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2 Buchst. e TrinkwV wie vorliegend, allerdings nur bei Abgabe von Trinkwasser im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit, die hier nicht vorliegt (s.o.).
§ 20 Abs. 1 Nr. 5 TrinkwV ist vorliegend nicht einschlägig, da er nur auf die Anordnung von Maßnahmen zur Beseitigung von Verunreinigungen und zur Vorbeugung von künftigen Verunreinigungen abzielt. Auch darum geht es bei Ziffer I.6.1 des Bescheides nicht.
Tatbestandsmäßige Voraussetzung einer Anordnung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 b TrinkwV ist die Erforderlichkeit der Untersuchung zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Sicherstellung der einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers. Auf der Rechtsfolgenseite können dann Untersuchungen angeordnet werden zur Feststellung, ob andere als die nach den Anlagen 2 und 3 untersuchten Parameter in Konzentrationen enthalten sind, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen.
Bei Bisphenol A handelt es sich grundsätzlich um einen für die menschliche Gesundheit schädlichen Stoff, der nicht in den Anlagen 2 oder 3 enthalten ist. Er befindet sich im Trinkwasser der klägerischen Wohnanlage derzeit wie auch im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nur in Konzentrationen, die eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit nicht besorgen lassen (siehe oben). Allerdings kann diese Konzentration aufgrund der von dem Beklagten im Berufungsverfahren angeführten Umstände grundsätzlich in Zukunft ansteigen, insbesondere in den Fällen einer thermischen oder chemischen Desinfektion wegen Legionellen, außerdem wegen Alterung, möglicher schlechter Verarbeitung, etc. Um zu erkennen, ob die Konzentration von Bisphenol A über den vom Bundesamt für die Beurteilung, ob eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit im Sinne des § 9 Abs. 7 TrinkwV zu besorgen ist, festgesetzten DWPLL-Wert angestiegen ist, kann daher eine derartige Untersuchung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 b TrinkwV angeordnet werden, da die allgemeinen Untersuchungspflichten des § 14 TrinkwV wie gezeigt eine derartige Untersuchung nicht abdecken.
2. Hinsichtlich der alle 5 Jahre angeordneten Untersuchung auf Epichlorhydrin (vgl. den Änderungsbescheid vom 28. Mai 2015) kann jedoch § 20 Abs. 1 Nr. 4 b TrinkwV nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da dieser Stoff in der Anlage 2 genannt ist. § 20 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 TrinkwV sind aus den bereits oben zur Untersuchung auf Bisphenol A genannten Gründen nicht einschlägig.
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 TrinkwV könnte nach seinem Wortlaut wohl herangezogen werden („bestimmte Untersuchungen“). Nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs dient die Bestimmung aber nur der Anordnung eines bestimmten Untersuchungsverfahrens (BR-Drs. 530/10, S. 106), was gegen die Anwendung auf den vorliegenden Fall spricht. Letztendlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, da dann mangels einer Spezialvorschrift in der Trinkwasserverordnung als Befugnisnorm § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 6 Abs. 2 TrinkwV einschlägig wäre.
3. Gleichwohl ist auch die in Ziffer I.6.1 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnete Untersuchungspflicht rechtswidrig. Die Anordnung stellt nämlich nach ihrem Wortlaut einen untrennbaren Zusammenhang mit der Maßnahme nach Ziffer I.3.1 auf, da die Untersuchung „bis zur Beseitigung“ verlangt wird. Da die Anordnung nach Ziffer I.3.1 aber rechtswidrig und auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben ist, kann auch die Untersuchungspflicht, so wie sie verfügt ist, nicht aufrechterhalten bleiben.
Daneben besteht wohl auch ein Ermessensdefizit: Denn das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Beklagten hat im Zulassungsverfahren (Blatt 168 f. der Akte des Zulassungsverfahrens) selbst detailliert ausgeführt, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beprobung des Trinkwassers auf Bisphenol A zu stellen wären. Derartige Vorkehrungen sind in der hier streitgegenständlichen Anordnung aber nicht getroffen worden.
Die Untersuchungspflicht in Ziffer I.6.1 des Bescheides ist daher rechtswidrig, verletzt die Klägerin in eigenen Rechten und ist aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
III.
Gleiches gilt für die in Ziffer III. a und c verfügten Zwangsgelder. Da sie sich auf die rechtswidrigen und aufzuhebenden Anordnungen nach Ziffer I.3.1 und I.6.1 beziehen, sind sie ebenfalls rechtswidrig, verletzen die Klägerin in ihren eigenen Rechten und sind daher aufzuheben.
IV.
Die Kostenentscheidung war aufgrund des Grundsatzes der Kosteneinheit (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, vor § 154, Rn. 6) neu und einheitlich für beide Instanzen zu bilden. Da der Beklagte hinsichtlich der Teile des streitgegenständlichen Bescheids, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens waren, im insoweit rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts obsiegt hat, waren die Kosten nach § 155 Abs. 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Ausgangspunkt für die Quotelung waren dabei die Streitwerte der einzelnen Ziffern des Bescheids, wie sie sich aus dem Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts ergeben. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da dieser einen Antrag gestellt hat und sich damit dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat (Schmidt in Eyermann, VwGO, § 162, Rn. 17 m.w.N.).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, welche Bestimmung Rechtsgrundlage einer Anordnung zur Beseitigung von Epoxidharz ausgekleideten Wasserleitungen sein kann, grundsätzliche Bedeutung hat, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

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