Europarecht

Privatrechtliches Leitungsrecht für die Ableitung von Niederschlagswasser, Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit durch eine gehobene wasserrechtliche Erlaubnis (verneint)

Aktenzeichen  M 2 K 20.1187

Datum:
24.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13716
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 15
WHG § 14 Abs. 3
BGB § 1019, § 1027

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A. Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt den Klägern nicht die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte ist unter Zugrundelegung ihres Vorbringens nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, U.v. 28.2.1997 – 1 C 29/95 – juris Rn. 18). Vorliegend erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Rechtsposition der Kläger, die ihnen die eingetragene Grunddienstbarkeit vermittelt, eine Schutzwirkung dergestalt entfaltet, dass bereits die durch Erteilung der streitgegenständlichen Erlaubnis ins Werk gesetzte Vorbereitung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu Lasten der Kläger, der wiederum zum Erlöschen der Grunddienstbarkeit führen kann (vgl. BayObLG, B.v. 19.3.1998 – 2Z BR 14/98 – Rn. 9), als Beeinträchtigung zu verstehen ist, die sie der Erlaubnis nach § 14 Abs. 3 WHG i.V.m. § 15 Abs. 2 WHG entgegensetzen können.
B. Die Klage ist unbegründet. Auf die Grunddienstbarkeit wird durch die Gewässerbenutzung nicht nachteilig im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 WHG eingewirkt. Die streitgegenständliche Erlaubnis vom 18. Februar 2020 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
I. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 WHG, der auf gehobene Erlaubnisse anzuwenden ist (§ 15 Abs. 2 WHG), darf, wenn zu erwarten ist, dass die Gewässerbenutzung auf das Recht eines Dritten, der Einwendungen erhebt, nachteilig einwirkt, die Erlaubnis nur erteilt werden, wenn die nachteiligen Wirkungen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden. Ist dies nicht möglich, so darf die Bewilligung dennoch erteilt werden, wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern; in diesem Fall ist der Betroffene zu entschädigen (§ 14 Abs. 3 Sätze 2 und 3 WHG). Es ist nicht zu erwarten, dass die streitgegenständliche Erlaubnis ein solches Recht der Kläger, die im Verwaltungsverfahren Einwendungen erhoben haben, beeinträchtigt.
a) Zu den in § 14 Abs. 3 Satz 1 WHG vorausgesetzten Rechten gehören alle durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen, die Abwehrrechte gegen (auch mittelbare) Eingriffe der öffentlichen Hand begründen. Unter die privaten Rechte fallen zunächst die absoluten Rechte des bürgerlichen Rechts, wie sie in § 823 Abs. 1 BGB angesprochen sind, aber auch sonstige sachenrechtliche Rechtspositionen (vgl. Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 14 Rn. 82 f.). Eine wasserrechtliche Bewilligung kann eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition im genannten Sinne sein (vgl. Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 14 Rn. 86).
Die dem Kläger durch Grundbucheintrag vermittelte Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB mit dem in Randnummer 2 beschriebenen Inhalt (der Inhalt der Grunddienstbarkeit ergibt sich aus der Umschreibung ihres Inhalts im Grundbucheintrag und aus den in Bezug genommenen Urkunden, vgl. Kazele in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann BeckOGK, BGB, Stand: 1.5.2022, § 1018 Rn. 320) ist ein solches, weil dingliches Recht, das gemäß § 873 Abs. 1 BGB durch dingliche Einigung und durch Eintragung ins Grundbuch begründet wird (vgl. Mohr in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1018 Rn. 3).
b) aa) Ferner bedarf es der Erwartung einer nachteiligen Einwirkung auf dieses Recht durch die Gewässerbenutzung. Nach inzwischen wohl allgemeiner Meinung liegt eine nachteilige Wirkung bei jeder Verschlechterung tatsächlicher oder rechtlicher Art vor, die durch die Gewässerbenutzung gegenüber dem bisherigen Zustand hervorgerufen wird. Nachteil ist insoweit jede Ein- oder Auswirkung, durch die der Betroffene schlechter oder ungünstiger gestellt wird, als er es ohne die beabsichtigte Benutzung wäre (vgl. Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 14 Rn. 82 f. m.w.N.). Ein Nachteil liegt allerdings nur in dem Umfang vor, wie der Dritte diese Ein- oder Auswirkung als Folge gerade seines Rechts verhindern kann. Nachteil und Inhalt des Rechts müssen insoweit aufeinander bezogen sein. Schließlich muss die Gewässerbenutzung adäquat für den zu erwartenden Nachteil sein (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1997 – 11 B 12/97 – juris Rn. 3), der infolge des Rechts abgewehrt werden darf; vorliegend ist insoweit § 1027 BGB maßgeblich. Der Wortlaut von § 14 Abs. 3 WHG stellt dabei auf die Benutzung (als tatsächliches Verhalten) und nicht auf den Regelungsgehalt der Erlaubnis als Verwaltungsakt ab.
bb) Nach diesem Maßstab fehlt es an einer adäquat kausalen Rechtsverletzung der Kläger. Der verwirklichte Benutzungstatbestand, der die wasserrechtliche Erlaubnispflicht auslöst, – i.e. das beabsichtigte tatsächliche Einleiten von andernorts gesammelten Regenwasser in den … Graben durch die Beigeladene – beeinträchtigt die Grunddienstbarkeit der Kläger ersichtlich nicht. Diese berechtigt die Kläger dazu, auf dem Nachbargrundstück Fl.-Nr. … eine Leitung zu verlegen und zu belassen und diese Leitung dazu zu benutzen, das Regenwasser von ihrem eigenen Grundstück abfließen zu lassen. In dem von der Erlaubnis legitimierten Verhalten der Gemeinde liegt aber keine Beeinträchtigung im Sinne von § 1027 BGB. Eine Beeinträchtigung wäre allenfalls dann denkbar, wenn infolge der Einleitung von Niederschlagswasser durch die Gemeinde den Klägern aus tatsächlichen oder auch aus rechtlichen Gründen das Einleiten ihres Niederschlagswassers künftig verwehrt wäre; ob dies der Fall ist, bedarf jedoch deshalb keiner näheren Untersuchung, weil der Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht auf das Einleiten des Wassers in den … Graben gerichtet ist (und auch nicht sein könnte, vgl. § 4 Abs. 3 WHG). Über eine eigene wasserrechtliche Bewilligung, die ebenfalls ein Recht im Sinne von § 14 Abs. 3 WHG darstellt, und in einem solchen Fall kausal beeinträchtigt sein könnte, verfügen die Kläger nicht.
cc) Selbst wenn man bei der Prüfung eines kausalen Nachteils nicht nur auf das beabsichtigte tatsächliche Benutzungsverhalten und dessen Folgen für das Recht des Dritten abstellt, sondern den gesamten Regelungsgehalt der Erlaubnis betrachtet, so ist diese nicht mit einem adäquat kausalen Nachteil für die Grunddienstbarkeit der Kläger verbunden. Die Erlaubnis vermittelt der Gemeinde weder das Recht, über den Fortbestand oder den Verlauf der Leitung noch über die Art und Weise der Entwässerung auf dem klägerischen Grundstück und damit den Inhalt der Leitung – über den im Rahmen der Grunddienstbarkeit auch die Kläger entscheiden dürfen – zu bestimmen. Die gehobene Erlaubnis führt auch nicht ipso iure zum Erlöschen der Grunddienstbarkeit. Die Grunddienstbarkeit würde nur (u.a.) erlöschen, fiele der Vorteil, der mit ihr verbunden ist, dauerhaft weg (vgl. Kazele in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann BeckOGK, BGB, Stand: 1.5.2022, § 1018 Rn. 531 ff.; ders., a.a.O., § 1019 Rn. 86 ff.). Eine solche Erlöschenswirkung kommt aber allenfalls einem Anschluss- und Benutzungszwang zu, sofern auch die Voraussetzungen eines gegebenenfalls satzungsmäßig vorgesehenen Ausnahme- oder Befreiungsrechts von diesem Zwang nicht gegeben sind (vgl. BayObLG, B.v. 19.3.1998 – 2Z BR 14/98 – juris Rn. 9; BayObLG, B.v. 2.8.1989 – BReg 2 Z 86/89 – juris Rn. 18). Ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht aber derzeit nicht und wird auch nicht durch die streitgegenständliche Erlaubnis angeordnet. Sollte die gehobene Erlaubnis rechtlich notwendige Vorbereitungshandlung für einen später noch anzuordnenden Anschluss- und Benutzungszwang zu Lasten der Kläger sein (conditio sine qua non), so fehlte es schon deshalb an einer adäquat kausalen Beeinträchtigung bereits durch die hier streitgegenständliche gehobene Erlaubnis (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1997 – 11 B 12/97 – juris Rn. 3), weil für den Anschluss- und Benutzungszwang ein eigenständiges Verwaltungsverfahren (zumal durch einen anderen Hoheitsträger) durchzuführen ist, dessen Ergebnis von den Klägern gegebenenfalls zum Gegenstand eines eigenständigen Rechtsschutzverfahrens gemacht werden kann.
Vor diesem Hintergrund kommt eine Aufhebung der Erlaubnis wegen einer Rechtsverletzung der Kläger nicht in Betracht. Die Klage ist daher abzuweisen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene einen schriftsätzlich begründeten Sachantrag gestellt und sich nach § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO) und den Klägern aufzuerlegen.


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