Europarecht

Rechtmäßigkeit der Sicherstellung von Arzneimittelchargen

Aktenzeichen  RN 5 K 18.756

Datum:
28.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21536
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AMG § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, Abs. 19, § 4, § 69 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 72a
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, S. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Bezüglich des Klageantrags zu 1 ist die Klage zulässig, aber unbegründet soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Ziffern 1 und 2 des Bescheides der Regierung von Oberfranken vom 25.8.2017 rechtswidrig waren. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Anordnung des Sofortvollzuges rechtswidrig war, ist der Klageantrag bereits nicht statthaft und damit unzulässig.
1. a) Statthafte Klageart bezüglich der Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ziffer 1 und 2 des Bescheides ist die Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 25.8.2017 rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt hat. Der Bescheid hat sich durch die Aufhebung der Regierung von Oberfranken am 12.12.2017 erledigt.
Nicht statthaft ist die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch bezüglich der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung des Sofortvollzuges durch die Regierung von Oberfranken. Bei der Anordnung des Sofortvollzuges verdrängt der speziellere § 80 Abs. 5 VwGO die §§ 42, 43 VwGO. Die Überprüfung des Sofortvollzuges ist nur im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO möglich (BVerwG, B. v. 21.10.1968 – IV C 33/68, NJW 1969, 202 f.; Kopp/Ramsauer, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 78, 107, 119). Eine entsprechende Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung ist nicht zulässig (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 114). Die Klägerin hat in diesem Verfahren keinen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.
b) Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sicherstellung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Dazu gehört jedes nach vernünftigen Erwägungen schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur (BVerwG, B. v. 17.12.2001 – 6 B 61/01, NJW 2002, 323, 324 m. w. N.). Ein Rehabilitationsinteresse ist gegeben, wenn von der ursprünglichen Maßnahme eine diskriminierende Wirkung ausgeht, die über die Maßnahme hinaus selbst fortwirkt (BVerwG, U. v. 15.2.1989 – 6 A 2/87, juris, Rn. 25). Aufgrund der Sicherstellung der Arzneimittel wurde gegen die Geschäftsführer der Klägerin ein Strafverfahren eingeleitet. Die Sicherstellung und die damit verbundene Verletzung von Vertragspflichten waren in diesem Fall auch geeignet, ihr Ansehen und ihren Geltungsanspruch im Wirtschaftsverkehr zu beeinträchtigen (vgl. VG Köln, U. v. 3.12.2012 – 7 K 432/11, juris, Rn. 48 ff.).
Auch ergibt sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin aus der drohenden Wiederholungsgefahr. Dafür sind konkreten Tatsachen geltend zu machen, aus denen sich ergibt, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, B. v. 26.4.1993 – 4 B 31/93, juris, Rn. 26). Hier ist nach dem Vortrag der Beteiligten hinreichend wahrscheinlich, dass im Rahmen einer weiteren Lieferung der gegenständlichen chinesischen Lohnhersteller eine erneute Sicherstellung von Arzneimittelchargen erfolgen würde.
3. Die Klage ist allerdings unbegründet. Der Bescheid war bis zu seiner Erledigung durch die Aufhebung rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
a) Die Ziffern 1 und 2 des Bescheides waren bis zu ihrer Aufhebung rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für die Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 25.8.2017 war § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG.
aa) Der Bescheid ist in Ziffern 1 und 2 formell rechtmäßig.
(1) Die Regierung von Oberfranken war nach § 2 Abs. 1 Verordnung über die Zuständigkeiten der Arzneimittelüberwachungsbehörden und zum Vollzug des Gendiagnostikgesetzes (ZustVAMÜB) vom 8. September 2013 (GVBl. S. 586), zuletzt geändert durch § 17b Abs. 3 der Verordnung vom 1. August 2017 (GVBl. S. 402) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 ZustVAMÜB sowie Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG für den Erlass der Sicherstellungsanordnung zuständig.
(2) Die Klägerin wurde gem. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG zulässigerweise nicht vor Bescheidserlass angehört. Die Entscheidung über die Sicherstellung war hier im öffentlichen Interesse geboten. Die Sicherstellung der sieben Chargen war zur Verhinderung ihres Verkaufes besonders eilbedürftig.
bb) Die Sicherstellung der sieben Arzneimittelchargen war auch materiell rechtmäßig.
(1) Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG waren gegeben.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz notwendigen Anordnungen. Sie können gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen unter den Voraussetzungen der Nummern 1 bis 7 untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen. Die Befugnis des § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG ist dabei bezüglich Anordnung der genannten Maßnahmen abschließend, es darf nur aus den in Nummer 1 bis 7 angeführten Gründen die das Inverkehrbringen untersagt, der Rückruf angeordnet oder die Sicherstellung durchgeführt werden (vgl. Kliesel/Cyran, AMG, 123. Akt.-Lief. 2012, § 69 Nr. 3). Bei der Sicherstellung handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme, deren Zweck es ist, die Gesundheitsgefährdung von Menschen durch die beanstandeten Arzneimittel zu verhüten und die Einziehung in einem späteren Straf- oder Bußgeldverfahren zu ermöglichen. Es handelt sich um das Verbot, ohne ausdrückliche Freigabe durch die zuständige Behörde über das sichergestellte Arzneimittel zu verfügen, Verschulden ist keine Voraussetzung (Kliesel/Cyran, AMG, 121. Akt.-Lief. 2012, § 69 Nr. 24).
(a) Mangels Vorliegen eines GMP-Zertifikates für Q2. war im Zeitpunkt der Sicherstellung der betroffenen Chargen und möglichen weiteren, auf den Transportweg befindlichen Chargen nicht gewährleistet, dass sie nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wurden und die nach pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufwiesen, § 69 Abs. 1 Satz 2, Nr. 2 AMG.
Gemäß § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG darf der Einführer Arzneimittel im Sinne des im Sinne des § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 1a, 2 und 4 AMG oder Wirkstoffe zunächst nur einführen, wenn die zuständige Behörde des Herstellungslandes durch Zertifikat bestätigt hat, dass sie entsprechend der anerkannten Grundregeln für die Herstellung und die Sicherung ihrer Qualität der EU oder nach gleichwertigen Standards hergestellt wurden, die Herstellungsstätte regelmäßig überwacht wird, die Überwachung durch ausreichende Maßnahmen erfolgt und die zuständige Behörde im Falle wesentlicher Abweichungen informiert wird. Ferner muss das Zertifikat bei Arzneimitteln im Sinne des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, gegenseitig anerkannt sein.
Bei den sichergestellten Chargen des eingeführten Piperacillin/Tazobactam handelt es sich im Zeitpunkt der Einfuhr um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG. Es war eine Zubereitung aus Stoffen, die zur Anwendung im menschlichen Körper bestimmt ist und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung und Linderung menschlicher Krankheiten bestimmt ist. Die Chargen waren nicht dazu bestimmt, im Inland zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet zu werden, ohne selbst eins zu sein (Vgl. BVerwG, U. v. 17.8.2017 – 3 C 18/15, juris, Rn. 9).
Unabhängig vom Vorliegen eines Zertifikates der Behörde im Herstellungsland fehlt es bereits an einer gegenseitigen Anerkennung von Zertifikaten der Behörde im Herstellungsland im Verhältnis zur Volksrepublik China. Es besteht kein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung.
Sofern ein Zertifikat nach § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG nicht vorliegt, ist die Einfuhr gem. § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG nur zulässig, wenn die zuständige Behörde bescheinigt hat, dass die genannten Grundregeln bei der Herstellung und der Sicherung der Qualität der Arzneimittel sowie der dafür eingesetzten Wirkstoffe, soweit sie menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind, oder Wirkstoffe, die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, oder bei der Herstellung der Wirkstoffe eingehalten werden und außerdem die Voraussetzungen nach § 72a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AMG vorliegen. Eine solche Bescheinigung liegt hier nicht vor.
(aa) Q2. verfügte im Zeitpunkt des Bescheidserlass über keine Bescheinigung für die Herstellung nichtsteriler Piperacillinsäure. Die letzte Inspektion wurde 2011 durchgeführt. Gem. § 64 Abs. 3f Satz 1 AMG ist nach einer Inspektion ein Zertifikat mit einer Gültigkeitsdauer von längstens drei Jahren über die Einhaltung der guten Herstellungspraxis auszustellen.
(bb) Die Herstellung der nichtsterilen Piperacillinsäure durch Q2. war bereits Teil der Arzneimittelherstellung im Sinne des § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG. Es handelt sich dabei um ein Anfertigen von Arzneimitteln im Sinne des § 4 Abs. 14 AMG.
Nach § 4 Abs. 14 AMG ist das Herstellen das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe. Das Gesetz geht von einem weiten Begriff des Herstellens aus (vgl. BVerwG, U. v. 17.8.2017, 3 C 18/15, juris, Rn. 15; U. v. 3.3.2011 – 3 C 8.10, juris, Rn. 16). So soll sichergestellt werden, dass die nach dem AMG vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen lückenlos bleiben. Bei natürlicher Betrachtung ist ein Arzneimittel das Ergebnis mehrerer aufeinanderfolgender Herstellungstätigkeiten (mit besonderem Bezug auf die Überwachung der an der Herstellung beteiligten Personen BGH, U. v. 4. 9. 2012 – 1 StR 534/11, PharmR 2013, 41, Rn. 24). Der Schutzzweck des AMG gebietet, bei einem mehrstufigen Herstellungsprozess bereits bestimmte Vorstufen den Kontrollen des AMG zu unterwerfen (BVerwG, U. v. 17.8.2017, 3 C 18/15, juris, Rn. 18; U. v. 3.3.2011 – 3 C 8.10, juris, Rn. 16). Der Sammelbegriff des Herstellens umfasst sämtliche Tätigkeiten des Produktions- und Verarbeitungsprozesses bis hin zum verkaufsfertig verpackten Arzneimittel. Der Herstellungsvorgang ist nicht erst bei Erreichen eines konsumfertigen Endprodukts vollendet. Es genügt, dass nur eines der vorgenannten Herstellungsstadien abgeschlossen ist, etwa, wenn durch die Synthese verschiedener Stoffe die Vorstufe eines Arzneimittels, ein Zwischenprodukt oder ein Endprodukt erarbeitet wurde (BGH, U. v. 3.12.1997 – 2 StR 270/97, NJW 1998, 836, 838). Ein Anfertigen ist demnach auch gegeben, wenn ein für die Herstellung des Arzneimittels notwendiges Zwischenprodukt hergestellt wird (vgl. Kügel/Müller/Hofmann, AMG, § 4 Rn. 119; BGH, U. v. 3.12.1997 – 2 StR 270/97, NJW 1998, 836, 838).
Die Herstellung der nichtsterilen Piperacillinsäure durch Q2. war demnach bereits Teil der Herstellung der sichergestellten Chargen des Arzneimittels Piperacillin-Tazobactam. Sie gehört zu der Anfertigung des Arzneimittels. Es handelt sich bei nichtsteriler Piperacillinsäure bereits um ein notwendiges Zwischenprodukt.
Die Herstellung des Arzneimittels Piperacillin/Taobactam beginnt nicht erst mit der Mischung von nichtsterile Piperacillinsäure und Tazobactamsäure sowie von Wasser und Natriumhydroxid und der folgenden Sterilisierung. Dagegen spricht auch nicht, dass nichtsterile Piperacillinsäure nach dem Vortrag des Klägers vorher nicht vom Körper aufgenommen werden kann. Anders für das Vorliegen von Arzneimitteln bei der Einfuhr kann hier nicht darauf abgestellt werden, das keine wesentlichen Bearbeitungs- oder Aufbereitungsschritte bis zum anwendungsfertigen Produkt erforderlich sind (vgl. zur Arzneimitteleigenschaft von Blutegeln BVerwG, U. v. 17.8.2017, 3 C 18/15, juris, Rn. 18). Hier liegen bereits vor dem letzten wesentlichen Herstellungsschritt erhebliche Herstellungsschritte vor. Nichtsterile Piperacillinsäure ist dagegen bereits das Ergebnis der chemischen Verarbeitung von Ausgangsstoffen. Würde die Herstellung sämtlicher Arzneimittel auf den letzten wesentlichen Bearbeitungsschritt beschränkt, würde das zum einen dem weiten Herstellungsbegriff des § 4 Abs. 14 AMG erheblich beschränken. Zum anderen wäre die durch diese weite Formulierung angestrebten lückenlosen Sicherheitsmaßnahmen nach dem Arzneimittelgesetz nicht gewährleistet.
(cc) Für die Einführung der betroffenen Chargen war außerdem eine Bescheinigung im Sinne des § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG für Q2. als Herstellerin des mikrobiellen Wirkstoffs „unsterile Piperacillinsäure“ erforderlich.
Unsterile Piperacillinsäure ist bereits ein Wirkstoff im Sinne des § 4 Abs. 19 AMG. Ausweislich der Zulassung des Piperazillin/Tazobactam sind arzneilich wirksame Bestandteile Piperacillin-Natrium und Tazobactam-Natrium. Q2. lieferte nicht sterile Piperacillinsäure an Q., die diese dann weiterverarbeitete.
Gemäß § 4 Abs. 19 AMG sind Wirkstoffe Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.
Nach dem Wortlaut ist dabei die „Bestimmung“ des jeweiligen Stoffes entscheidend, es kommt auf seinen Zweck an. Dieser richtet sich in erster Linie nach objektiven Maßstäben, nur bei ambivalenten Stoffzubereitungen und Stoffen ist die Zweckbestimmung durch den Hersteller oder denjenigen, der den Wirkstoff in Verkehr bringt, von Bedeutung (Erbs/Kohlhaas/Pfohl, 228. EL Januar 2020 Rn. 37, AMG § 4 Rn. 37; VG Hamburg, U. v. 12.12.2001 – 7 VG 1121/2001, PharmR 2002, 110, 114 f.; VG Köln, U. v. 16.5.2008 – 18 K 1917/06, juris, Rn. 28).
Arzneilich wirksame Bestandteile wirken an der bestimmungsgemäßen pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Hauptwirkung des Produkts alleine oder zusammen mit anderen arzneilich wirksamen Bestandteilen mit, indem sie diese Wirkungen unmittelbar oder jedenfalls mittelbar durch eine Beeinflussung der pharmakologischen Eigenschaften eines anderen Stoffes hervorrufen, es sei denn, es handelt sich dabei nur um eine pharmakokinetische oder pharmakodynamische Beeinflussung (VG Köln, U. v. 16.5.2008 – 18 K 1917/06, juris, Rn. 38). Piperacillin-Natrium ist an der pharmakologischen Hauptwirkung von Piperacillin/Tazobactam beteiligt. Piperacillin-Natrium wirkt bakterizid gegen eine Vielzahl von grampositiven und gramnegativen Keimen. Das gleiche gilt für Piperacillinsäure. Auch diese wirkt bakterizid gegen die genannten Keime (vgl. Kommentar zur Ph. Eur. 5.5, Piperacillin, Piperacillin-Natrium). Unsterile Piperacillinsäure ist bereits dazu bestimmt, nach weiteren Verarbeitungsschritten als Piperacillin-Natrium im Arzneimittel Piperacillin-Tazobactam E. Verwendung zu finden.
Nach dem Vortrag der Klägerin entfaltet nicht sterile Piperacillinsäure keine arzneiliche Wirkung, sie könne nicht vom Körper aufgenommen werden. Es gebe kein Arzneimittel „nichtsterile Piperacillinsäure“. Anders als für den Arzneimittelbegriff in § 2 AMG ist eine unmittelbare Wirkung allerdings auch nicht erforderlich, um die Wirkstoffqualität im Sinne des § 4 Abs. 19 AMG zu bejahen. Nach der Definition des § 4 Abs. 19 AMG ist ausreichend, dass der jeweilige Stoff bei seiner Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen des Arzneimittels werden soll. Piperacillin-Natrium ist ausweislich der Zulassung von Piperacillin-Tazobactam arzneilich wirksamer Bestandteil. Nichtsterile Piperacillinsäure ist ausschließlich dazu bestimmt, zu steriler Piperacillinsäure und Piperacillin-Natrium verarbeitet zu werden.
Ferner handelt es sich bei nichtsteriler Piperacillinsäure jedenfalls bereits um ein Zwischenprodukt, das nach Beginn der Wirkstoffherstellung entsteht, und nicht um ein Wirkstoff-Startmaterial (sog. „Active Substance Starting Material“). Es handelt sich um ein Zwischenprodukt im Sinne des Teiles II des EU-GMP-Leitfadens und damit um einen Teil der Wirkstoffherstellung im Sinne des § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG.
Wirkstoff-Startmaterialen sind Rohmaterialien, Zwischenprodukte oder Wirkstoffe, der für die Produktion eines Wirkstoffes verwendet werden und als wichtige Strukturelemente in die Struktur des Wirkstoffes eingebaut werden. Sie haben im Regelfall definierte chemische Eigenschaften und eine definierte Struktur (vgl. EU-GMP-Leitfaden, Teil II, S. 6). Ausweislich der Wirkstoff-Stammdokumentation von Q2. und Q. von Piperacillin sind die Ausgangsstoffe für den Wirkstoff Piperacillin(-Natrium) EDPCL und Ampillicin Trihydrat. Diese werden als wichtige Strukturelemente in die Struktur des Wirkstoffes eingebaut. Sie verfügen über definierte chemische Eigenschaften und eine definierte Struktur (vgl. EU-GMP-Leitfaden, Teil II, S. 6).
Die Wirkstoffherstellung beginnt bei Piperacillin ausweislich der Stammdokumentation mit dem Einbringen der Wirkstoff-Startmaterialien (API Starting Material) Ampillicin Trihydrat und EDPCL. Nach den Richtlinien des EU-GMP-Leitfadens Teil II, Nr. 1.2 hat der Wirkstoffhersteller den Punkt, an dem die Produktion eines Wirkstoffes beginnt, festzulegen und zu dokumentieren. Bei synthetischen Prozessen ist dies der Punkt, an dem „Wirkstoff-Startmaterialien“ in den Prozess eingeführt werden, bei anderen Prozessen sollte dieser vom Hersteller festgelegt werden. Bei Auslegung der Dokumente nach dem objektiven Empfängerhorizont in entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 BGB ist davon auszugehen, dass mit der Einbringung dieser Elemente die Wirkstoffherstellung beginnt. Die Angaben zum Herstellungsprozess sind dabei so auslegen, dass die Herstellung des Wirkstoffes Piperacillin-Natrium mit der Reaktion von Ampillicin-Trihydrat und EDCPL beginnt.
Diese Annahme, dass die Wirkstoffherstellung auch nach Auffassung der liefernden Unternehmen bereits vor der Herstellung der nichtsterilen Piperacillinsäure begann, wird auch dadurch gestützt, dass Q. über ein eigenes EU-GMP-Zertifikat für die Herstellung nichtsteriler Piperacillinsäure verfügt.
Es handelt sich ferner bei nichtsteriler Piperacillinsäure um einen Wirkstoff mikrobieller Herkunft im Sinne des § 72a Abs. 1 Nr. 2 AMG, der für die Herstellung des Arzneimittels Piperacillin/Tazobactam eingesetzt wurde. Bei Piperacillin handelt es sich ausweislich des Europäischen Arzneimittelbuches (Ph. Eur.) um einen semisynthetischen Wirkstoff, dessen Ausgangsprodukt ein Fermentationsprodukt ist.
In der amtlichen Begründung zu § 1 der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (AMWHV) stellte die Bundesregierung klar, dass von den Wirkstoffen mikrobieller Herkunft alle Wirkstoffe erfasst seien, zu deren Herstellung Mikroorganismen eingesetzt würden, unabhängig davon, ob deren Einsatz im gesamten Herstellungsverfahren oder nur für bestimmte Syntheseschritte erfolge (BR-Drucks. 398/06). Der Bundesrat hatte zwar vorgeschlagen, in § 4 AMG eine Definition des Begriffes der „mikrobiellen Herkunft“ aufzunehmen. Demnach sollten Wirkstoffe mikrobieller Herkunft alle Mikroorganismen sein, deren Bestandteile oder hoch- und niedermolekulare Stoffwechselprodukte, die durch Fermentation gewonnen werden und von der Monographie „Fermentationsprodukte“ des Europäischen Arzneibuches erfasst würden. Andere Wirkstoffe „mikrobieller Herkunft“, wie etwa semisynthetische Wirkstoffe oder durch mikrobielle Stoffumwandlung hergestellte Wirkstoffe, sollten nicht erfasst werden, dies würde eine nicht risikoorientierte Ausweitung der Erlaubnispflicht verhindern (BR-Drucks. 398/06 (Beschluss), S. 2). Diese einschränkende Definition wurde allerdings nicht in die § 4 AMG übernommen. Der Definitionsvorschlag kann daher dem Wirkstoff mikrobieller Herkunft im Sinne des § 72a Abs. 1 AMG zugrunde gelegt werden.
Die Notwendigkeit, den Begriff „mikrobiell“ eng auszulegen, ergibt sich auch nicht aus europarechtlichen Vorgaben. Zwar trägt der Klägervertreter vor, dass andere Mitgliedsstaaten beim Import von Arzneimitteln für die Hersteller von Wirkstoffen mikrobieller Herkunft keine GMP-Zertifikation vorsehen. Dies entspricht jedoch dem Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten im Bereich des Art. 46b Abs. 1 RL 2001/83/EG. Die Richtlinie 2001/83/EG gibt insgesamt keine Vollharmonisierung vor, sodass Regelungen im Bereich der Gewährleistung der Einhaltung guter Herstellungspraxis nicht einheitlich von den Mitgliedsstaaten zu gestalten sind. Anders als die Vorschriften über die Arzneimittelwerbung in den Art. 90 ff. RL 2001/83/EG sind die Regelungen über Herstellung und Import, insbesondere Art. 46b RL 2001/83/EG insoweit offener formuliert, als die Mitgliedstaaten ausschließlich dazu verpflichtet werden, „geeignete Maßnahmen“ zu treffen, um etwa die Einhaltung der EU-GMP-Vorschriften sicher zu stellen. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit in den Schranken der Verhältnismäßigkeit über Umsetzungsspielraum (zur Arzneimittelwerbung vgl. EuGH, Urteil vom 8.11.2007, C-374/05, EuZW 2008, 25).
Auch verlangt es eine europarechtskonforme Auslegung nicht, den Begriff mikrobiell auf solche Wirkstoffe zu beschränken, die unmittelbar durch Mikroorganismen hergestellt werden und keine weiteren chemischen oder sonstigen Verarbeitungsschritte durchlaufen. In der Richtlinie 2001/83/EG findet sich keine derartige Differenzierung, vielmehr nimmt diese allgemein auf Wirkstoffe Bezug. Es liegt im Einzelnen im Ermessen der Mitgliedstaaten, wie die Einhaltung der guten Herstellungs- und Vertriebspraxis für Wirkstoffe sichergestellt wird.
Durch die Regelung des § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG wird ferner auch nicht die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff. AEUV oder der Handel mit Arzneimitteln zwischen den Mitgliedstaaten beschränkt. Dieser schützt nur den Handel mit Arzneimitteln vor Handelshindernissen zwischen den Mitgliedstaaten, nicht aber gegenüber Anforderungen an den Import von Waren.
Schließlich kann mit Bezug auf die bei der Arzneimittelherstellung verwendeten Wirkstoffe mikrobieller Herkunft offenbleiben, ob § 72a Abs. 1 Nr. 2 AMG die Vorgaben des Art. 46b Abs. 2 RL 2001/83/EG ordnungsgemäß umsetzt (Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 23a). Art. 46b Abs. 2 RL 2001/83/EG verlangt, dass Wirkstoffe nur eingeführt werden dürfen, wenn sie nach Standards der guten Herstellungspraxis, die den von der Union festgelegten zumindest gleichwertig sind, hergestellt wurden (lit. a). Ferner muss den Wirkstoffen eine schriftliche Bestätigung des ausführenden Drittlandes beiliegen, die bescheinigt, dass die Standards der guten Herstellungspraxis für den Herstellungsbetrieb zumindest gleichwertig sind, dieser regelmäßig strengen Kontrollen und Maßnahmen zur Durchsetzung der guten Herstellungspraxis einschließlich wiederholter und unangekündigter Inspektionen unterliegt sowie Verstöße gegebenenfalls an die Union weitergegeben werden (lit. b). Nach Abs. 4 kann die Anwendung der in Abs. 2 lit. b) genannten Anforderungen von einem Mitgliedsstaat für einen Zeitraum ausgesetzt werden, der nicht über die Geltungsdauer des Zertifikates über die gute Herstellungspraxis hinausreicht, wenn ein Herstellerbetrieb, der einen zur Ausfuhr bestimmten Wirkstoff herstellt, von einem Mitgliedsstaat inspiziert und seine Einhaltung gemäß Art. 47 Abs. 3 RL 2001/83/EG festgelegten Grundsätze und Leitlinien der guten Herstellungspraxis festgestellt wurde. Die Umsetzung in § 72a Abs. 1 Nr. 2 AMG könnte insoweit nicht richtlinienkonform sein, als sie die ausschließliche Bescheinigung der mitgliedsstaatlichen Behörde unabhängig von der Sicherstellung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln zulässt. Die Vorlage eines Zertifikates nach Art. 46b Abs. 2 lit. b) RL 2001/83/EG wird in § 72 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht ausdrücklich verlangt. Hier ist jedoch bereits fraglich, ob im streitgegenständlichen Fall überhaupt der Anwendungsbereich von Art. 46b RL 2001/83/EG eröffnet ist. Nur in diesem Fall wäre durch die unmittelbare Wirkung des Europarechts eine richtlinienkonforme Auslegung notwendig. Die Klägerin importierte im streitgegenständlichen Fall keine Wirkstoffe, sondern Fertigarzneimittel in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik. Bei der durch Q2. hergestellten nicht sterilen Piperacillinsäure handelte es sich außerdem nicht um einen Wirkstoff im Sinne des Abs. 4, der zur Ausfuhr bestimmt war. Er war vielmehr dazu bestimmt, innerhalb der Volksrepublik China durch Q. zur Arzneimittelherstellung verwendet zu werden.
Schließlich widerspricht die zusätzliche Voraussetzung eines GMP-Zertifikat nicht Art. 46b RL 2001/83/EG. Dieser verpflichtet die Mitgliedstaaten zunächst, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Herstellung, die Einfuhr und der Betrieb von Wirkstoffen auf ihrem Hoheitsgebiet der guten Herstellungs- und Vertriebspraxis für Wirkstoffe entsprechen. Bei der Sicherstellung der Einhaltung der guten Herstellungspraxis wird den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ein Umsetzungsermessen eingeräumt. Mit dem Nachweis durch GMP-Zertifikat für Hersteller mikrobieller Wirkstoffe für importierte Arzneimittel ist dieses nicht überschritten. Art. 46b Abs. 2 RL 2001/83/EG formuliert dem Wortlaut zufolge nur Mindestanforderungen. Das Verlangen der Bescheinigung des Drittstaates schließt nicht aus, zusätzlich ein GMP-Zertifikat zu verlangen.
(b) Des Weiteren fehlte bis zur Überprüfung durch das LGL und der folgenden Freigabe durch die Klägerin an einer Zertifizierung nach den Vorgaben des EU-GMP-Leitfadens als letztem Herstellungsschritt und damit auch insoweit an einer GMPkonformen Herstellung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG. Die gezogenen Proben, die durch S. überprüft wurden, waren für die sichergestellten Chargen nicht repräsentativ. Es fehlte damit an einer Untersuchung, die sicherstellt, dass die Fertigarzneimittelcharge den Anforderungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen zugrunde gelegten Anforderungen genügt, Annex 16 Ziffer 1.5.4 des EU-GMP-Leitfadens.
Maßstab für die notwendigen Qualitätskontrollen ist der EU-GMP-Leitfaden. Gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 AMWHV gilt zur Auslegung der Grundsätze der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel Teil I des EU-GMP-Leitfadens. Nr. 1.9 Abs. 7 Teil I des EU-GMP-Leitfadens verlangt, dass keine Produktcharge vor der Zertifizierung durch eine sachkundige Person freigegeben wird, die bestätigt, dass sie mit den relevanten Genehmigungen für Verkauf und Auslieferung nach Anhang 16 des EU-GMP-Leitfadens im Einklang steht.
Gemäß Anhang 16, Ziffer 1.5.4 bis 1.5.6 des EU-GMP-Leitfadens sind Arzneimittel, die in Drittstaaten hergestellt wurden, durch eine sachkundige Person innerhalb der EU zu zertifizieren. Dies stellt die letzten Stufen der Herstellung vor der Überführung der Charge in den verkaufsfähigen Bestand dar.
(aa) Der EU-GMP-Leitfaden ist in dieser Fassung auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Der Leitfaden ist in dieser Fassung am 15.4.2016 in Kraft getreten. Die Klägerin hat die sichergestellten Lieferungen erst nach diesem Zeitpunkt importiert.
(bb) Ausweislich Nr. 1.5.4 des Anhangs 16 des GMP-Leitfadens ist es im Rahmen der Zertifizierung erforderlich, dass die qualifizierte Person sicherstellt, dass die Fertigarzneimittelcharge in einem Mitgliedstaat einer vollständigen qualitativen Analyse, einer quantitativen Analyse der Wirkstoffe und sämtlichen sonstigen Prüfungen unterzogen wird, die erforderlich sind, um die Qualität der Arzneimittel entsprechend der Genehmigung für das Inverkehrbringen der zugrundeliegenden Anforderungen zu gewährleisten. Dabei sollen nach Nr. 1.5.5 die vom eingeführten Produkt gezogenen Proben vollständig repräsentativ für die Charge sein. Die Proben können entweder nach Eintreffen in der EU oder an der Herstellungsstätte im Drittstaat nach einem technisch begründeten Verfahren entnommen werden, das im Qualitätssystem des Unternehmens festgelegt ist. Wenn der Probenzug in einer Herstellungsstätte in einem Drittstaat durchgeführt wird, sollte die technische Begründung einen formalen Qualitäts-Risikomanagement-Prozess beinhalten, um alle mit diesem Verfahren verbundenen Risiken zu identifizieren und zu handhaben. Dies sollte vollständig dokumentiert werden, diese Dokumentation soll mindestens ein Audit der Herstellungsaktivitäten einschließlich aller Aktivitäten zum Probenzug in der Betriebsstätte im Drittstaat sowie die Bewertung der darauf folgenden Transportschritte für die Chargen und Proben enthalten, um zu gewährleisten, dass die Proben für die eingeführte Charge repräsentativ sind. Außerdem sollte sie eine umfassende wissenschaftliche Studie enthalten, die Daten einschließt, die belegen, dass die im Drittstaat entnommenen Proben nach der Einfuhr für die Charge repräsentativ sind sowie Vorschriften für regelmäßige Analysen von nach der Einfuhr zufällig entnommenen Proben, um das fortgesetzte Vertrauen auf die in einem Drittstaat entnommenen Proben zu rechtfertigen und eine Überprüfung aller unerwarteten Ergebnisse oder aller bestätigten Ergebnisse außerhalb der Spezifikation.
(cc) Bei den sichergestellten Chargen wurden die Proben bei Q. in China gezogen. Die technische Begründung enthält keinen formalen Qualitätsrisikomanagementprozess einschließlich vollständiger Dokumentation. Ausweislich des Gespräches zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem zuständigen Sachbearbeiter der Regierung von Oberfranken am 4.12.2017 fehlte es an einer Qualifizierung des Probenzugs nach den Vorschriften des EU-GMP-Leitfadens, Annex 16, Punkte 1.5.5 und 1.5.6.
(c) Offen bleiben kann, ob die Sicherstellung auch gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a AMG angeordnet werden konnte, weil der begründete Verdacht bestand, dass es sich um ein gefälschtes Arzneimittel beziehungsweise einen gefälschten Wirkstoff handelte.
Ein gefälschtes Arzneimittel ist nach § 4 Abs. 40 AMG ein Arzneimittel mit falschen Angaben über seine Identität, einschließlich seiner Verpackung, seiner Kennzeichnung, seiner Bezeichnung oder seiner Zusammensetzung in Bezug auf einen oder mehrere seiner Bestandteile, einschließlich der Hilfsstoffe und des Gehalts dieser Bestandteile (Nr. 1) beziehungsweise über die Herkunft, einschließlich des Herstellers, das Herstellungsland, das Herkunftsland und den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder den Inhaber der Zulassung (Nr. 2) oder den in Aufzeichnungen und Dokumenten beschriebenen Vertriebsweg (Nr. 3). Ein Verdacht ist gegeben, wenn eine Vermutung über den Ablauf eines Sachverhalts besteht (Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, Teil 2 § 10 Rn. 203). Der Verdacht ist begründet, wenn es sich um eine aus Tatsachen ableitbare Gefahr handelt, bloße Vermutungen oder Besorgnisse sind nicht ausreichend (Weber BtMG/Weber, 5. Aufl. 2017, AMG § 5 Rn. 23 m. w. N.).
Bei den sieben sichergestellten Lieferungen von Piperacillin/Tazobactam lag im Zeitpunkt des Bescheidserlasses allenfalls mit Bezug auf drei der Chargen der begründete Verdacht vor, dass es sich um gefälschte Arzneimittel handelte. Auf den Konformitätsbescheinigungen wurde als Ursprung der Wirkstoffe (API Source) jedenfalls bei den Lieferungen mit den Chargennummern 1706019, 1706020 und 1706021 ausschließlich Q. als Wirkstoffhersteller angegeben.
(2) Die Sicherstellung war verhältnismäßig. Es war im Zeitpunkt des Bescheidserlass kein milderes, gleich effektives Mittel ersichtlich, um eine Gefährdung der Gesundheit kranker Personen auszuschließen. Insbesondere wurde nur vorübergehende Sicherstellung angeordnet und kein dauerhaftes Verbot des Inverkehrbringens. Auch wurden nur die Chargen sichergestellt, bei denen nachweislich Piperacillin von Q2. verwendet worden war. Schließlich wäre bei Freigabe aufgrund der schlechten Versorgungslage unmittelbar mit Verkauf und Verbrauch der Chargen zu rechnen gewesen, diese Schäden wären irreversibel gewesen.
(3) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
II.
Die Klage ist auch zulässig, aber unbegründet, soweit die Klägerin die Aufhebung der Ziffern 4 und 5 des Bescheides vom 28.8.2017 begehrt.
1. Statthafter Rechtsbehelf ist in diesem Fall die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Die Regierung von Oberfranken hat mit ihrem Bescheid vom 12.12.2017 nur die Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 25.8.2017 aufgehoben. Die Kostenentscheidung in Ziffer 4 und die Gebührenfestlegung in Ziffer 5 des Bescheides haben sich demnach nicht erledigt.
2. Die Klage ist aber auch insoweit unbegründet. Die Kostenentscheidung und die Gebührenfestlegung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Die Kostenentscheidung entspricht den Anforderungen der Art. 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Satz 1, 5, 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 11 Satz 1 KG.
aa) Es handelt sich bei der Sicherstellung um eine kostenpflichtige Amtshandlung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG. Die Klägerin ist als Verursacherin der Amtshandlung Kostenschuldnerin gem. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG. Durch die Vornahme der Sicherstellung ist der Kostenanspruch gem. Art. 11 KG entstanden.
bb) Die kostenpflichtige Amtshandlung war ferner rechtmäßig, vgl. Art. 16 Abs. 5 KG.
cc) Die Kostenentscheidung ist auch nicht dadurch rechtswidrig geworden, dass die Regierung von Oberfranken die Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 25.8.2017 aufgehoben hat. Die Kosten waren zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden.
b) Die Gebührenfestsetzung in Ziffer 5 des Bescheides begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Nach dem bei Bescheidserlass geltenden Kostenverzeichnis zum KG betrugt der Gebührenrahmen für Anordnungen nach § 69 Abs. 1 AMG gemäß Tarif-Nummer 7.IC.8/Tarifstelle 5 des Kostenverzeichnisses 60 bis 1000 EUR. Die Einordnung in den Kostenrahmen lässt keine Ermessensfehler erkennen. Die Kostenhöhe befindet sich mit 500,00 EUR noch in der unteren Hälfte des eingeräumten Gebührenrahmens.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 ZPO.


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