Europarecht

Risikoverteilung bei Veränderung des Marktpreises für Strom

Aktenzeichen  U 3922/15 Kart

Datum:
27.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WuW – 2017, 618
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 307 Abs. 3 S. 1, § 313 Abs. 1
GWB § 18 Abs. 1, § 29 S. 1 Nr. 2
PrklG § 1 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ist eine von den Strom-Großhandelspreisen unabhängige, auf – fiktiven – Erzeugungskosten eines virtuellen Steinkohlekraftwerks basierende Preisvereinbarung in einem langfristigen Stromliefervertrag das Ergebnis monatelanger Verhandlungen, haben die Parteien das Risiko von Veränderungen des Marktpreises für Strom jedenfalls solchen Ausmaßes übernommen, wie sie während der Vertragsverhandlungen zu verzeichnen waren. Derartige Preisschwankungen gehören zum unternehmerischen Risiko der davon benachteiligten Partei und begründen keinen Anspruch auf Anpassung des Vertragspreises aufgrund einer allgemeinen Wirtschaftsklausel. (Rn. 70)
2. Ein lieferunabhängiger Jahresleistungspreis als Teil der Gesamtvergütung eines langfristigen Stromliefervertrages entspricht einem bei Dauerschuldverhältnissen typischen Grundpreis, der unabhängig von der konkret in Anspruch genommenen Leistung als Gegenleistung für die Abrufbarkeit und Bereitstellung von Basisleistungen anfällt. Er stellt eine im vertraglichen Synallagma stehende Hauptleistungspflicht dar und unterliegt deshalb nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle. (Rn. 127)
3. Will sich ein regionaler Energieversorger durch den Ausbau von Eigenerzeugungskapazitäten in Form von physischen und/oder virtuellen Kraftwerksbeteiligungen von schwankenden StromGroßhandelspreisen unabhängig machen, ist für die Frage der marktbeherrschenden Stellung eines Anbieters virtueller Kraftwerksbeteiligungen der nach § 18 Abs. 1 GWB sachlich relevante Markt nicht der Erstabsatzmarkt für Strom, sondern der Markt für physische und virtuelle Kraftwerksbeteiligungen. (Rn. 156 – 160)
4. Eine Preisklausel in einem – an die Betriebsweise eines virtuellen Steinkohlekraftwerks angelehnten – langfristigen Stromliefervertrag, die die Höhe der Geldschuld an einen mit der vereinbarten Leistung (Lieferung von Strom) nicht vergleichbaren Maßstab, nämlich an den Index für tarifliche Stundenlöhne, den Importkohlepreis, den Durchschnittswert an Einheiten US-Dollar je Euro und den Durchschnittspreis für EU-Emissionsberechtigungen bindet, obwohl der Stromlieferant nicht verpflichtet ist, den zu liefernden Strom aus einem realen Steinkohlekraftwerk zu liefern, verstößt gegen § 1 Abs. 1 PrklG. (Rn. 180 – 184)

Verfahrensgang

4 HK O 28740/13 2015-09-28 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 28. September 2015, Az.: 4 HK O 28740/13, berichtigt durch Beschluss vom 26. November 2015, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Preisklausel gemäß Ziffer 5.1 des langfristigen Stromliefervertrages zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E. S. GmbH, vom 8. Februar 2007 unwirksam ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen. Die Klägerin hat 9/10 der Kosten des Streithelfers der Beklagten zu tragen. Die Beklagte hat 1/10 der Kosten des Streithelfers der Klägerin zu tragen. Im Übrigen haben die Streithelfer ihre Kosten selbst zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts München I sind im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

II.
A.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Anpassung eines langfristigen Stromliefervertrages. Hilfsweise macht sie die Nichtigkeit des Vertrages wegen unangemessener Benachteiligung durch die darin enthaltene Preisklausel gemäß § 307 BGB sowie wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften und gegen das Preisklauselgesetz geltend.
Die Klägerin ist ein regionaler Energieversorger mit Sitz in Darmstadt und firmierte bis 17. August 2015 unter H. AG (H.). Der E.-Konzern war bis zum Jahr 2012 mit 40% an der Klägerin beteiligt.
Die in Essen ansässige Beklagte gehörte zum E.-Konzern und firmierte bis 14. Dezember 2015 unter E. E. GmbH. Auf sie wurde im März 2008 der Geschäftsbereich „Vertrieb“ und damit auch der zwischen ihrer Rechtsvorgängerin, der E. S. GmbH, und der Klägerin am 8. Februar 2007 geschlossene langfristige Stromliefervertrag durch Abspaltung übertragen.
Aufgrund des seit dem Jahr 2000 stetig steigenden Strom-Großhandelspreises und der Liberalisierung der Strommärkte beschloss die Klägerin im Jahre 2005, eigene Erzeugungskapazitäten aufzubauen. Angestrebt wurde gemäß einer Präsentation vom 6./7. Dezember 2006 die Erhöhung der Eigenerzeugungsquote von 15% im Jahr 2006 auf ca. 50% im Jahr 2009 und ca. 65% im Jahr 2014. Zur Stromeigenerzeugung (Erdgas, Steinkohle) rechnete die Klägerin hierbei sowohl sogenannte virtuelle Kraftwerksbeteiligungen (über Langfristverträge) als auch physische Kraftwerksbeteiligungen (vgl. Anlage B 7, Seiten 7 und 10).
Die Klägerin erwog im Jahr 2005, sich – neben einer Beteiligung an dem Gas- und Turbinenkraftwerk Irsching 5 – an einem Steinkohle-Kraftwerksprojekt der Kraftwerke MainzWiesbaden (KMW) zu beteiligen, um die eigenen Erzeugungskapazitäten erheblich auszubauen. Im Februar 2007 verkündete sie, dass sie sich von ihren KMW-Anteilen trennen werde und hinsichtlich der geplanten Anlage mit den anderen Gesellschaftern keine Einigung erzielen konnte (vgl. Anlage B 37).
Im September 2005 unterbreitete die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin ein Vertragsangebot über einen langfristigen Stromliefervertrag (vgl. Anlage CBH 1). Das angebotene Konzept sah einen Langfristvertrag (7 bis 20 Jahre) basierend auf Erzeugungskosten eines Steinkohlekraftwerks mit einer Wahlmöglichkeit zwischen der Lieferung eines festgelegten Bandes, der Lieferung einer festgelegten Struktur (Stundenraster) oder der Lieferung einer kurzfristig änderbaren Struktur (virtuelles Kraftwerk) vor.
Das „virtuelle Kraftwerk“ sollte die Betriebsweise und Rahmenbedingungen eines typischen Steinkohlekraftwerks abbilden. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zog als Referenzobjekte das vom E.-Konzern geplante Steinkohlekraftwerk „Datteln IV“ sowie die Kraftwerksblöcke „Staudinger 5“ (Bestandsanlage) und „Staudinger 6“ (Neubaublock) heran (vgl. Anlagen CBH 4, CBH 57). Bei der Variante „virtuelles Kraftwerk“ sollte in der Preisformel ein von der bezogenen Energiemenge unabhängiger Jahresleistungspreis (LP) die Investitions- und Nebenkosten eines „typischen Kraftwerks“ abbilden. Der Leistungspreis spiegelt die fixen Betriebskosten wieder, die unabhängig davon anfallen, ob in dem (virtuellen) Steinkohlekraftwerk Strom produziert wird oder nicht. Darunter fallen der Kapitaldienst für die Investitionen (LP1) sowie Personalkosten und die Zusatzkosten für die gesicherte Lieferung (LP2,0). Zudem beinhaltet die Preisformel einen Arbeitspreis (AP), der die Kosten nachbildet, die der Betreiber des Steinkohlekraftwerks während der Stromerzeugung zu tragen hat, und einen Startpreis (SP), durch den dem Abnehmer solche Kosten auferlegt werden, wie sie beim An- und Abfahren eines realen Steinkohlekraftwerks anfallen würden.
Im Zuge der Vertragsverhandlungen übersandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin E.-Musterverträge (vgl. Anlage CBH 4). Im Vertragsentwurf vom 14. Oktober 2005 lag der die Kraftwerksinvestition abbildende Leistungspreis LP1 gemäß Ziffer 5.1.1 zunächst bei x1 €/MWa (vgl. Anlage CBH 5). Der Klägerin gelang es im Dezember 2005, den LP1 auf x2 €/MWa zu reduzieren (vgl. Anlage CBH 6). Mit Schreiben vom 8. August 2006 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Anstieg der für die Errichtung von Steinkohlekraftwerken benötigten Kosten an (vgl. Anlage CBH 8), forderte von der Klägerin in der Folgezeit wegen behaupteter gestiegener Investitions- und Materialkosten einen höheren LP1 und übersandte am 11. September 2006 einen Vertragsentwurf mit einem LP1 in Höhe von x3 €/MWa (vgl. Anlage CBH 59) sowie am 27. Oktober 2006 einen weiteren Vertragsentwurf mit einem LP1 in Höhe von x4 €/MWa (vgl. Anlage B 10).
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten teilte der Klägerin Anfang Oktober 2006 mit, dass der streitgegenständliche Vertrag auf absehbare Zeit der letzte Langfristvertrag „virtuelle Kraftwerksscheibe“ sein und sie künftig Verträge nur noch auf Marktpreisniveau abschließen werde (vgl. Anlage CBH 23).
Die zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen im September/Oktober 2006 für das Jahr 2009 nach der EEX Base-Preis-Prognose zu erwartenden Strom-Großhandelsmarktpreise in Höhe von ca. 54,- €/MWh lagen ca. 7,- €/MWh (vgl. Anlage B 13) bzw. 10,- €/MWh (vgl. Anlage CBH 23) über dem prognostizierten Vertragspreis. Eine Mitarbeiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten übersandte der Klägerin am 14. September 2006 eine Abschätztabelle mit Werten zu möglichen Gestehungskosten aus dem streitgegenständlichen Vertrag für die Jahre 2009 bis 2019 (vgl. Anlage CBH 22). Darin wurden die Gestehungskosten unter Annahme eines LP1 von x3 €/MWa für das Jahr 2009 auf 44,87 €/MWh, für das Jahr 2010 auf 45,07 €/MWh und für das Jahr 2013 auf 45,69 €/MWh berechnet. Dabei wurden jeweils eine Vollauslastung des virtuellen Kraftwerks mit einem Basis-Bezug von 180 KW bei jährlich 8.760 Volllastbenutzungs-stunden sowie konstante Kosten für Kohle und CO2-Zertifikate sowie konstante Wechselkurse zugrunde gelegt.
In dem am 8. Februar 2007 nach rund 17-monatiger Verhandlungsdauer abgeschlossenen „langfristigen Stromliefervertrag“ einigten sich die Vertragsparteien unter Ziffer 5.1.1 schließlich auf einen LP1 in Höhe von x5 €/MWa (vgl. Anlage CBH 11). Der Vertrag sieht in Ziffer 2 einen Lieferbeginn am 1. Januar 2009 und ein Lieferende am 31. Dezember 2031, eine gesicherte Lieferung von bis zu 8.760 Volllastbenutzungsstunden je Jahr und eine abrufbare Leistung von jeweils 180 MW in den Jahren 2009 bis 2013 und 200 MW in den Jahren 2014 bis 2031 vor. Gegenstand des Vertrages ist nach Ziffer 1 die Lieferung von elektrischer Energie, angelehnt an der Betriebsweise eines Steinkohlekraftwerks, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden erforderlichen Handlungen. Die Lieferung orientiert sich gemäß Ziffer 2 des Vertrages an den technischen Rahmenbedingungen eines Steinkohlekraftwerkes. Der Vertrag beinhaltet für die Klägerin keine Mindestabnahmemenge; die Beklagte ist jedoch verpflichtet, für die Klägerin eine abrufbare Leistung von 180 MW bzw. ab dem Jahr 2014 von 200 MW bereit zu halten.
Die von der Klägerin für die gelieferte elektrische Energie zu zahlende Gegenleistung setzt sich gemäß Ziffer 5.1 des Vertrages aus einem Jahresleistungspreis, einem Arbeitspreis und einem Startpreis zusammen.
Der Jahresleistungspreis LP nach Ziffer 5.1.1 wird unabhängig von der bezogenen Energiemenge nach der Berechnungsformel LP = LP1 + LP2,0 * L/L0 – LP3 ermittelt und besteht aus der Leistungspreiskomponente 1 (LP1: Festwert = x5 €/MWa), der Basis-Leistungspreiskomponente 2 (LP2,0: Wert = x6 €/MWa), der variablen Leistungspreiskomponente 3 (LP3), über die die Vergütung kostenfrei zugeteilter CO2-Zertifikate geregelt ist, der variablen Komponente L0, die den Index der tariflichen Stundenlöhne in der gewerblichen Wirtschaft und bei Gebietskörperschaften abbildet, und der variablen Komponente L (der Definition von L0 entsprechender Durchschnittswert für das vorletzte, dem jeweiligen Stromlieferjahr vorausgegangene Kalenderjahr).
Der Arbeitspreis (AP) für jede MWh der bezogenen Wirkarbeit wird nach Ziffer 5.1.2 ebenfalls nach einer Berechnungsformel ermittelt und setzt sich aus zwei Festwerten (Basis-Arbeitspreis 1 und Basis-Arbeitspreis 2) sowie den variablen Komponenten L0 und L (Index der tariflichen Stundenlöhne), K0 und K (durchschnittlicher Importkohlepreis), W0 und W (Durchschnittswert an Einheiten US-Dollar je Euro) und Z (arithmetischer Durchschnittspreis für CO2-Zertifikate in €/EU-Emissionsrecht) zusammen.
Der Startpreis (SP) für jeden Start setzt sich nach Ziffer 5.1.3 aus einem Basis-Startpreis und den variablen Komponenten K und K0 (durchschnittlicher Importkohlepreis) sowie W und W0 (Durchschnittswert an Einheiten US-Dollar je Euro) zusammen.
Im Einzelnen hat Ziffer 5.1 folgenden Wortlaut:
[…]
Nach Ziffer 5.2 des Vertrages sind die Parteien berechtigt, jeweils zum 1. Januar 2019, zum 1. Januar 2024 und zum 1. Januar 2029 die Anpassung der Preisregelung gemäß Ziffer 5.1 zu ver langen. Kommt es zwischen den Parteien innerhalb von drei Monaten nach Zugang des Anpassungsverlangens nicht zu einer Einigung, so sind beide Partner zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Die Kündigung begründet in diesem Fall keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Wertausgleich.
Die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten an die Klägerin während der Vertragsverhandlungen übersandten Vertragsentwürfe enthielten von Anfang an in Ziffer 14 eine „Wirtschaftsklausel“ (vgl. Entwurf vom 14. Oktober 2005, Anlage CBH 5). Am 12. Juni 2006 übersandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin einen Vertragsentwurf, der die Wirtschaftsklausel (dort Ziffer 15) wie folgt ergänzen sollte (vgl. Anlage CBH 9): „Ein Abweichen des Vertragspreises vom Marktpreis für Strom – auch im erheblichen Umfang – gilt alleine nicht als unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift.“ Die Rechtsvorgängerin der Beklagten teilte der Klägerin am 21. November 2006 mit, dass die Aufnahme dieses Zusatzes der Klarstellung diene und in beide Richtungen anwendbar sei, also auch zum Schutz der Klägerin vor Preisanpassungen seitens der E. S. GmbH gelte (vgl. Anlage B 13). Die Klägerin wies die Aufnahme des Zusatzes mit Blick auf die aufgrund der Langfristigkeit des Vertrages nicht absehbaren möglichen Marktentwicklungen zurück. Die im „langfristigen Stromliefervertrag“ vom 8. Februar 2007 unter Ziffer 14 vereinbarte Wirtschaftsklausel hat folgenden Wortlaut:
Sollten sich während der Vertragsdauer die wirtschaftlichen, technischen oder rechtlichen Grundlagen dieses Vertrages so wesentlich ändern, dass ein Festhalten an den vertraglichen Bedingungen für einen Partner eine unbillige Härte darstellt, so hat der betroffene Partner das Recht, eine Anpassung dieses Vertrages zu verlangen. Der Partner, der sich auf derartige Umstände beruft, hat die erforderlichen Tatsachen darzulegen und zu beweisen.
In der Folgezeit schlossen die Parteien am 17. Juli 2007, 14. August 2008, 30. Oktober 2008, 31. Oktober 2008, 11. Mai 2009, 14. Oktober 2010, 2. Mai 2011 und 8./11. Mai 2012 insgesamt acht Zusatzvereinbarungen.
Im Vertrag vom 8. Februar 2007 wurde nicht vereinbart, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichtet ist, den zu liefernden Strom aus einem (bestimmten) realen Steinkohlekraftwerk zu liefern. Sie war auch nicht verpflichtet, ein Steinkohlekraftwerk zu errichten und dieses während der Vertragszeit zu betreiben. Mit Schreiben vom 31. August 2009 bestätigte die Beklagte der Klägerin, dass die für die vereinbarte Lieferung bereitgestellte elektrische Energie zu 100% in Kohlekraftwerken erzeugt werde (vgl. Anlage B 23). Mit weiteren Schreiben vom 25. November 2011 und 26. Januar 2012 bestätigte die Beklagte, dass die Stromliefe rung für das Jahr 2010 zu 100% aus den Kohlekraftwerken KW Heyden, KW Wilhelmshafen und KW Staudinger erzeugt worden sei (vgl. Anlagen B 24 und B 25).
Die Strompreise in Deutschland waren bis zur Jahrtausendwende in relativ kurzer Zeit auf ein sehr niedriges Niveau von unter 20,- €/MWh (EEX Base-Preis) gefallen. Danach stiegen die Großhandelspreise wieder an. Zu Beginn des Jahres 2005 betrug der Strommarktpreis ca. 35,-€/MWh. Bis Mitte 2005 lag der EEX Base-Preis knapp unter 40,- €/MWh; er stieg im September 2005 auf 43,- €/MWh und erreichte im April 2006 während der Vertragsverhandlungen einen Höchststand von 61,- €/MWh; anschließend sanken die Großhandelspreise im Mai 2006 auf 47,- €/MWh und stiegen im Juli 2006 wieder auf 58,- €/MWh. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Februar 2007 lag der EEX Base-Preis für Strom bei 54,57 €/MWh (vgl. Anlagen B 6, CBH 24, Seite 7). Die Parteien gingen bei Vertragsschluss am 8. Februar 2007 davon aus, dass sich der Strom-Großhandelspreis auch bei Lieferbeginn am 1. Januar 2009 in dieser Größenordnung bewegen werde.
Die tatsächlichen Gestehungskosten lagen auf der Grundlage des vereinbarten LP1 von x5 €/MW a und der von der Klägerin tatsächlich abgerufenen Strommenge im Jahr 2009 bei 63,30 €/MWh und im Jahr 2013 bei 52,54 €/MWh. Da sich der Vertragspreis aus dem lieferunabhängigen Leistungspreisen LP1 und LP2,0 sowie mehreren variablen, nur bei Bezug anfallenden Preiskomponenten zusammensetzt und daher auch vom Bezugsverhalten der Klägerin abhängig ist, hätten die Gestehungskosten bei maximaler Ausnutzung der vertraglich vereinbarten Kapazität im Jahr 2009 lediglich 58,63 €/MWh und im Jahr 2013 nur 47,03 €/MWh betragen.
Im Zuge der Förderung und des Ausbaus erneuerbarer Energien und der hierdurch verursachten Einspeisemengen von Strom aus erneuerbaren Energien, insbesondere Photovoltaik und Windkraft, fiel der Marktpreis für Strom seit Vertragsabschluss. Der Mittelwert des EPEX-Spot Auktionspreises lag im Jahr 2009 bei 38,85 €/MWh, im Jahr 2010 bei 44,49 €/MWh, im Jahr 2011 bei 51,12 €/MWh, im Jahr 2012 bei 42,60 €/MWh und im Jahr 2013 bei 37,78 €/MWh (vgl. Anlage B 33). Innerhalb der einzelnen Jahre unterlag der Marktpreis jeweils erheblichen Schwankungen.
Die Klägerin wandte sich im September 2011 an die Beklagte, um über eine Anpassung des Stromliefervertrages zu verhandeln. Hintergrund des Anpassungsverlangens war unter anderem, dass die Strom-Großhandelspreise seit Vertragsbeginn im Jahr 2009 teilweise deutlich unter dem Niveau waren, auf dem sie sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Februar 2007 befanden, und der Vertragspreis für die Klägerin daher im Vergleich zu den StromGroßhandelspreisen unwirtschaftlich war. Zudem berief sie sich darauf, dass die (teilweise) kostenfreie Zuteilung von CO2-Zertifikaten ab 2013 wegfallen würde.
Die Parteien einigten sich daraufhin in der achten Zusatzvereinbarung vom 8./11. Mai 2012 unter anderem auf die Vereinbarung eines Preisnachlasses für die Jahre 2013, 2014 und 2015 (je x11 € netto) sowie 2019 und 2020 (je x12 € netto). Im Gegenzug sollte der Klägerin das Recht gemäß Ziff. 5.2 des Stromliefervertrages, eine Anpassung der Preisregelung zu verlangen und im Falle des Ausbleibens einer Einigung über das Preisanpassungsverlangen den Vertrag außerordentlich zu kündigen, nicht bereits zum 1. Januar 2019 zustehen, sondern erstmals zum 1. Januar 2021. Die achte Zusatzvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt (vgl. Anlage CBH 19):
Die Klägerin und [die Beklagte] haben vor dem Hintergrund der geänderten Rahmenbedingungen an den Strommärkten, insbesondere der Preisentwicklung auf dem Strom-Großhandelsmarkt sowie der Abkehr von der (teilweise) kostenfreien Zuteilung von CO2-Zertifikaten ab 2013, verschiedene Gespräche über die wirtschaftliche Situation ihres Stromliefervertrages vom 8. Februar 2007 nebst der dazu abgeschlossenen Zusatz- und Ergänzungsvereinbarungen (im Folgenden zusammen: „Stromliefervertrag“) geführt. [Die Klägerin] hat eine Anpassung des in Ziff. 5.1 des Stromliefervertrages vereinbarten Preises gefordert und geltend gemacht,
– der Stromliefervertrag sei an ein bestimmtes Steinkohlekraftwerk „gekoppelt“ bzw. weise einen Bezug zu einem bestimmten realen Steinkohlekraftwerk auf,
– die Geschäftsgrundlage für den im Stromliefervertrag vereinbarten Leistungspreis falle weg, weil das Steinkohlekraftwerk Datteln IV nicht in Betrieb gehen werde, und
– der Leistungspreis des Stromliefervertrages sei vor dem vorgenannten Hintergrund, insbesondere der Abkehr von der (teilweise) kostenfreien Zuteilung von CO2-Zertifikaten ab 2013, aufgrund vertraglicher Regelungen oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu reduzieren bzw. der Vertrag aufzulösen.
Die Beklagte hat die Darstellung der [Klägerin] und ihre Forderung auf Anpassung des Preises gemäß Stromliefervertrag als unzutreffend und unbegründet zurückgewiesen. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits über die Forderung der [Klägerin] und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage vereinbaren [die Klägerin] und [die Beklagte] folgendes:
1. [Die Klägerin] und [die Beklagte] sind sich einig, dass Ziff. 1 und 2 des Stromliefervertrages eine gesicherte Lieferung elektrischer Energie in Form eines Fahrplans vorsieht. Die Lieferung von elektrischer Energie durch [die Beklagte] ist dabei an die Betriebsweise eines virtuellen Steinkohlekraftwerks angelehnt (vgl. Ziff. 1 des Stromliefervertrages) und orientiert sich an den technischen Rahmenbedingungen eines virtuellen Steinkohlekraftwerks unter Beachtung der in Ziffer 2 des Stromliefervertrages vereinbarten Parameter. Weder nimmt der Stromliefervertrag hinsichtlich der Belieferung auf ein bestimmtes reales Steinkohlekraftwerk Bezug noch ist die Lieferung der elektrischen Energie an ein bestimmtes reales Steinkohlekraftwerk gekoppelt.
2. [Die Klägerin] und [die Beklagte] sind sich darüber hinaus einig, dass die Preisregelung des Stromliefervertrages zur Bestimmung der Leistungspreiskomponente 3 in Ziff. 5.1.1 des Stromliefervertrages auf ein virtuelles Steinkohlekraftwerk Bezug nimmt. Diese Bezugnahme erfolgt, um den vertraglich definierten Faktor VA unter Berücksichtigung der maximalen „Anzahl der Volllastbenutzungsstunden mit kostenfreier Zuteilung von CO2-Zertifikaten bei Stromerzeugung in einem virtuellen Steinkohlekraftwerk mit Inbetriebnahme im Jahr 2014 entsprechend dem Stand der Technik in 2014 unter Einhaltung der zu diesem Zeitpunkt einschlägigen, von der DEHSt oder nach den Kriterien der DEHSt ermittelten Benchmarks (zu sätzliche Neuanlagen)” unter Verwendung der Allokationsregeln einer 3. CO2-Handelsperiode für zusätzliche Neuanlagen mit Inbetriebnahmejahr 2014 zu bestimmen.
3. [Der Klägerin] ist bekannt, dass aufgrund gesetzlicher Regelungen ab dem 1. Januar 2013 die (teilweise) kostenfreie Zuteilung von CO2-Zertifikaten entfällt. [Die Klägerin] und [die Beklagte] sind sich einig, dass dies hinsichtlich der Leistungspreiskomponente 3 gemäß Ziffer 5.1.1 des Stromliefervertrages zur Folge hat, dass über die Leistungskomponente 3 für Lieferungen ab dem Jahr 2013 keine Vergütung kostenfrei zugeteilter CO2-Zertifikate gemäß Ziff. 5.1.1. des Stromliefervertrages mehr erfolgen wird. Vorgenannte Ziffern 2. und 3. ändern den Stromliefervertrag nicht.
4. [Der Klägerin] steht das Recht gemäß Ziff. 5.2 des Stromliefervertrages, eine Anpassung der Preisregelung zu verlangen und im Falle des Ausbleibens einer Einigung über das Preisanpassungsverlangen den Vertrag außerordentlich zu kündigen, nicht bereits (erstmals) zum 1. Januar 2019, sondern erstmals zum 1. Januar 2021 zu.
5. [Die Beklagte] gewährt der [Klägerin] für die unter lit. a) und b) genannten Lieferjahre einen Nachlass auf den von [der Klägerin] nach dem Stromliefervertrag für diese Lieferjahre zu zahlenden Gesamtnetto-Preis.
a. Für die Lieferjahre 2013, 2014 und 2015 beträgt der Nachlass je EUR x11 netto.
b. Für die Lieferjahre 2019 und 2020 beträgt der Nachlass je EUR x12 netto.
Über den Nachlass für das jeweilige Lieferjahr wird [die Beklagte] der [Klägerin] jeweils im Rahmen der Rechnung für den Monat Juni des jeweiligen Lieferjahres 2013, 2014, 2015, 2019 und 2020 eine Gutschrift erteilen.
6. Mit Wirksamwerden dieser Vereinbarung sind alle etwaigen Ansprüche im Zusammenhang mit den oben genannten Streitpunkten endgültig abgegolten und erledigt. [Die Klägerin] wird keine weiteren Ansprüche im Zusammenhang mit den o.g. Streitpunkten geltend machen.
7. Die Vertragspartner werden die Tatsache und den Inhalt dieser Zusatzvereinbarung und der dazu geführten Gespräche vertraulich behandeln und keinem Dritten gegenüber offenlegen. Dies gilt nicht, wenn der andere Vertragspartner der Offenlegung zuvor schriftlich zugestimmt hatte oder aufgrund Anordnung durch ein Gericht oder eine Behörde notwendig sein sollte. Keine Dritten im Sinne des vorstehenden Satzes sind ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtete Berater, Wirtschaftsprüfer, Banken, Versicherungen sowie die Aufsichtsorgane des jeweiligen Vertragspartners.
8. Im Übrigen gilt der abgeschlossene Stromliefervertrag unverändert weiter.
9. Die Wirksamkeit dieser Zusatzvereinbarung steht unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung des Aufsichtsrats der [Klägerin]…
Ergänzend zur achten Zusatzvereinbarung verständigten sich die Parteien am 8./11. Mai 2012 auf eine „Sprechklausel“, die wie folgt lautet (vgl. Anlagen CBH 19 und CBH 20):
Die Klägerin und [die Beklagte] werden die zukünftige Entwicklung der Preise auf dem StromGroßhandelsmarkt und des Vertragspreises weiter beobachten und auf Wunsch eines Vertragspartners unverbindlich Gespräche zu einer der 8. Zusatzvereinbarung zum Stromliefervertrag vom 8. Februar 2007 entsprechenden Anpassung der Lieferkonditionen ergebnisoffen führen.
Im Dezember 2012 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten und machte unter Berufung auf die Unwirtschaftlichkeit des Vertrages erneut eine Anpassung des Vertragspreises geltend. Nach mehreren ergebnislosen Gesprächen forderte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 26. September 2013 die Beklagte auf, einer Vertragsanpassung zuzustimmen (vgl. Anlage CBH 37). Mit Schreiben vom 20. November 2013 und 10. Dezember 2013 lehnte die Beklagte eine Zustimmung zur Vertragsanpassung ab.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe mit ihrem Angebot die Klägerin von dem Aufbau eigener Erzeugungskapazitäten abhalten wollen. Als Gegenleistung dafür, dass E. keine Marktanteile verliere, sei ein Strombezug stets unterhalb des Marktpreises vereinbart worden. Dies habe dem Verständnis und der Markterwartung beider Vertragsparteien entsprochen und sei Geschäftsgrundlage geworden. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Februar 2007 seien die Parteien einvernehmlich davon ausgegangen, dass die Gestehungskosten für Strom aus dem streitgegenständlichen Vertrag ca. 10,- € unter dem Marktpreis pro MWh lägen. Die Klägerin habe das Risiko getragen, dass der Marktpreis nur geringfügig die Gestehungskosten aus dem Stromliefervertrag übersteige und ihre Gewinnmarge entsprechend gering sei. Das Risiko der Rechtsvorgängerin der Beklagten sei es gewesen, dass der Marktpreis für Strom die Gestehungskosten deutlich übersteige. Hiergegen habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch zahlreiche Sicherungsmechanismen im Vertrag vorgesehen und die Preisparameter entsprechend indexiert.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Anpassungsverlangen sei aufgrund der Wirtschaftsklausel gemäß Ziffer 14 des geschlossenen Vertrages begründet. Die wirtschaftlichen Grundlagen des streitgegenständlichen Vertrages hätten sich geändert. Die Markterwartung sei in den Jahren 2006/2007 von der Annahme eines moderaten Ausbaus der erneuerbaren Energien geprägt gewesen; die Parteien seien daher von einem weiteren Ansteigen der StromGroßhandelspreise ausgegangen. Im Jahre 2007 sei für keine der Parteien vorhersehbar gewesen, in welchem Umfang Strom aus erneuerbaren Energien von Seiten des Staates in den Folgejahren gefördert wurde. Insbesondere aufgrund des unvorhersehbar starken Ausbaus der erneuerbaren Energien und des Rückgangs des Stromverbrauchs seien die Strom-Großhandelspreise entgegen der gemeinsamen Erwartung und der wirtschaftlichen Vertragsgrundlage nach Ver-tragsschluss von ca. 54,- €/MWh zur Jahreswende 2006/2007 auf 37,65 €/MWh im November 2013 gefallen. Die Gestehungskosten von 57,90 €/MWh lägen damit im Jahr 2013 um über 20,-€/MWh bzw. 54% über dem Marktpreis.
Auch die rechtlichen Grundlagen des Vertrages hätten sich geändert. Ein reales Kraftwerk könne man stilllegen oder seit Ende 2012 zu „Redispatch-Maßnahmen“ des Übertragungsnetzbetreibers anmelden. Hätten die Parteien vorhergesehen, dass der Großhandelspreis für Strom unter die Gestehungskosten in einem Steinkohlekraftwerk sinken würde, so hätten sie geregelt, dass das virtuelle Kraftwerk in den Zeiten stillgelegt wird, in denen es aufgrund externer, von den Parteien nicht beeinflussbarer Umstände nicht in der Lage ist, zu wirtschaftlichen Bedingungen Strom zu erzeugen.
Die Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen stelle für die Klägerin eine unbillige Härte dar. Durch einen Strombezug nach dem streitgegenständlichen Vertrag seien ihr im Jahre 2013 Verluste in Höhe von 13,9 Mio. €, im Jahre 2014 in Höhe von 18,7 Mio. €, im Jahre 2015 in Höhe von 22,5 Mio. € und im Jahre 2016 in Höhe von 25,7 Mio. € entstanden. Der streitgegenständliche Vertrag habe dazu geführt, dass sie bzw. ihre Muttergesellschaft keine Dividende ausschütten könnten. Die wirtschaftliche Lage sei derart prekär, dass ihre Mitarbeiter im Wege eines Sparprogramms auf Gehaltsbestandteile in Höhe von ca. 8% des Bruttogehalts verzichten müssten.
Die Beklagte hingegen könne nach dem Vertrag den Strom an der Börse oder außerbörslich einkaufen und sei dabei von der Erzeugungsart völlig unabhängig. Da dem Vertrag auch keine konkreten Investitionskosten zugeordnet werden könnten, weil der E.-Konzern im streitgegenständlichen Zeitraum kein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gebracht habe, sei es grob unbillig, die Klägerin mit Investitionskosten zu belasten, obwohl das „virtuelle Kraftwerk“ gar nicht in der Lage sei, unterhalb des aktuellen Marktpreises Strom zu erzeugen. Soweit die Beklagte ausführe, der Vertrag könne nicht „zur Bestabrechnung zweier Preismodelle“ herangezogen werden, habe die Klägerin bei den Vertragsverhandlungen stets darauf bestanden, dass deutliche Veränderungen am Markt, allein schon aufgrund der außergewöhnlich langen Laufzeit des Vertrages, über die Wirtschaftsklausel aufgefangen werden müssten. Ihr Verhalten sei deshalb nicht durch Vertragsreue veranlasst, sondern stelle vielmehr die legitime Wahrnehmung ihres durch den Vertrag begründeten Rechtes dar, eine Vertragsanpassung zu verlangen.
Auf die Wahrnehmung dieser Rechte habe sie auch nicht durch den Abschluss der achten Zusatzvereinbarung verzichtet. Mit dieser Vereinbarung hätten die Parteien lediglich eine Übergangsregelung für die dort genannten drei Jahre treffen wollen und gleichzeitig die dort ausdrücklich genannten Streitpunkte, nämlich die vermeintliche Koppelung an ein reales Steinkohlekraftwerk (Ziffer 1.), die ausbleibende Genehmigung für das Kraftwerk Datteln IV (Ziffer 2.) und die Frage der CO2-Zertifikate (Ziffer 3.) erledigen wollen.
Der Hauptantrag sei darauf gerichtet, den Vertrag dahingehend anzupassen, dass er wieder dem bei Vertragsabschluss von beiden Parteien ins Auge gefassten Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung entspräche, mithin, dass der nach dem Vertrag geschuldete Preis nur in der Höhe des für den jeweiligen Tag, an dem Strom bezogen wird, geltenden Marktpreises zu bezahlen sei. Hierdurch werde zwar das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis, wonach die Klägerin auf den Aufbau eigener Erzeugungskapazitäten verzichte, dafür aber langfristig Strom unterhalb des Marktpreises beziehen könne, nicht wiederhergestellt. Immerhin aber würde sie von der massiven Belastung des lieferunabhängigen Leistungspreises entlastet.
Der Hilfsantrag sei darauf gerichtet, den Vertrag aufgrund der Wirtschaftsklausel dahingehend anzupassen, dass er in den Zeiten ausgesetzt und der lieferunabhängige Leistungspreis anteilig gekürzt wird, in denen der nach dem Vertrag zu zahlende Preis über dem Marktpreis liegt und die Klägerin keinen Strom bezieht (Klageantrag Ziffer 2), der weitere Hilfsantrag darauf, dass der Vertrag aufgrund der von den Parteien unvorhersehbaren Entwicklung auf den Strommärkten außerordentlich beendet und aufgehoben wird (Klageantrag Ziffer 3).
Darüber hinaus hat die Klägerin hilfsweise geltend gemacht, dass der Vertragspreis nach Ziffer 5.1. des Vertrages gemäß §§ 307 Abs. 1, 309 Nr. 5 und 6 BGB sowie wegen Verstoßes gegen §§ 18, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 GWB, § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB, § 1 GWB, Art. 5 der VO (EU) Nr. 1227/2011 vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes (REMIT-VO) und § 1 Abs. 1 PrKlG unwirksam sei (Klageantrag Ziffer 4). Da der Vertrag von der Rechtsvorgängerin der Beklagten ohne die Vereinbarung des lieferunabhängigen Leistungspreises LP1 nicht abgeschlossen worden wäre, sei auch von einer Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB auszugehen. Höchsthilfsweise erstrebt sie die Feststellung, dass die Preisklausel gemäß Ziff. 5.1 des Stromliefervertrages unwirksam ist (Klageantrag Ziffer 5).
Die Verpflichtung zur Zahlung eines Jahresleistungspreises unabhängig von der bezogenen Strommenge sei mit dem Grundgedanken des Kaufvertragsrechts nach § 433 BGB nicht vereinbar. Die Preisklausel benachteilige die Klägerin unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 BGB, da der Zahlung eines lieferunabhängigen Jahresleistungspreises keine Haupt- oder Nebenleistung der Beklagten gegenüber stehe. Die Beklagte habe nach dem Vertrag weder Investitionsnoch Betriebskosten, die für ein physisches Kraftwerk anfielen. Da dem lieferunabhängigen Leistungspreis LP1 überhaupt keine Gegenleistung der Beklagten gegenüberstehe, handle es sich um eine kontrollfähige und unangemessen benachteiligende „take-or-pay-Klausel“. Die Preisklausel nach Ziffer 5.1 des Vertrages sei auch deshalb kontrollfähig, da sie zahlreiche Preisanpassungsparameter und Preisindizes enthalte, die nach Vertragsbeginn zu Preisanpassungen führten. Aufgrund der Doppelfunktion der Berechnungsklausel stelle sie hinsichtlich künftiger, noch ungewisser Preisänderungen eine der Inhaltskontrolle unterworfene Preisnebenabrede dar. Daneben verstoße der lieferunabhängige Jahresleistungspreis in Ziffer. 5.1.1 auch gegen die Wertungen des § 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB. Die Preisklausel sei im Übrigen auch intransparent.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe als marktbeherrschendes Unternehmen ihre Stellung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB missbraucht, indem sie von der Klägerin Entgelte gefordert habe, die sich bei wirksamem Wettbewerb nicht ergeben hätten.
Sachlich relevanter Markt sei der Erstabsatzmarkt für Strom. Der Bedarf der Klägerin entspreche der vertraglich vereinbarten Leistung, nämlich der Lieferung von Strom, den sie an ihre Kunden weiterleite. Der E.-Konzern habe in den Jahren 2005 bis 2007 zusammen mit der RWE AG, der ENBW AG und der Vattenfall AG über etwa 80% aller Erzeugungskapazitäten für Strom auf dem deutschen Markt innegehabt. Das Bundeskartellamt habe sogar von einem Duopol, bestehend aus E. und RWE, gesprochen. Der E.-Konzern und damit auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe im Jahr 2007 eine marktbeherrschende Stellung auf dem Erstabsatzmarkt für Strom gehabt.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe ausweislich des als Anlage CBH 10 vorgelegten Sachverständigengutachtens den Leistungspreis LP1 aus dem Vertrag so kalkuliert, dass dieser die Kraftwerksinvestition schon während der Dauer des Liefervertrages, also in der ersten Hälfte der üblichen Lebensdauer eines Steinkohlekraftwerks amortisiere. Dagegen sei der Leistungspreis LP1 von der Klägerin unabhängig von der bezogenen Energiemenge und über die gesamte Laufzeit des Vertrages zu bezahlen, ohne dass dem bei der Beklagten entsprechende Investitionskosten gegenüberstünden. Selbst wenn entsprechende Investitionen erfolgt wären, würde der Leistungspreis LP1 in der vereinbarten Höhe dazu führen, dass diese sich über einen Zeitraum von 13,1 Jahren amortisierten. Die Laufzeit des Vertrages betrage aber 23 Jahre, so dass selbst bei Vornahme der tatsächlich aber nur virtuellen Investitionen die Beklagte sich ca. 10 Jahre lang Investitionskosten bezahlen lassen würde, die sich längst amortisiert hätten.
Der Leistungspreis LP1 berücksichtige zudem nicht, dass ein Kraftwerk typischerweise nach 20 Jahren vollständig finanziert sei. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe es bewusst unterlassen, das sich anschließende „goldene Ende“, d. h. die zweite Lebenshälfte eines Kraftwerks, in den Leistungspreis LP1 einzurechnen. Auch insoweit erweise sich der Leistungspreis LP1 als missbräuchlich überhöht kalkuliert. Hinzu komme, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten während der Vertragsverhandlungen den Leistungspreis LP1 deutlich angehoben habe, nachdem die Klägerin ihr mitgeteilt habe, dass sie auf die Beteiligung am Steinkohle-Kraftwerksprojekt der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW) endgültig verzichte. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe bewusst ausgenutzt, dass sie nunmehr keine Alternative mehr gehabt habe. Eine Preisbildung im Wettbewerb habe es daher nicht gegeben.
Schließlich sei der Leistungspreis LP1 auch deshalb missbräuchlich kalkuliert, da er auf den Investitionskosten des Jahres 2007 basiere, obwohl eine faire Kalkulation hätte berücksichtigen müssen, dass ein Steinkohlekraftwerk, das im Jahre 2009 Strom liefern soll, sich bereits in den Jahren 2004/2005 mit entsprechend geringeren Investitionskosten in Bau befunden hätte.
Der überhöhte Leistungspreis LP1 stelle zugleich eine unbillige Behinderung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 GWB dar. Zudem verstoße die Preisklausel gegen § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB, da dem Leistungspreis LP1 keine realen und konkret zuordenbaren Kosten der Beklagten gegenüberstünden.
Im Übrigen sei der Vertrag gemäß § 134 BGB i. V. m. Art. 5 der VO (EU) Nr. 1227/2011 vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes (REMIT-VO) wegen Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation mit Wirkung ex nunc nichtig.
Schließlich verstoße die Preisklausel gemäß Ziffer 5.1 des Vertrages vom 8. Februar 2007 auch gegen das Preisklauselverbot des § 1 Abs. 1 PrklG.
Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin vom 26. September 2013 ab Wirkung zu diesem Tag auf Anpassung des langfristigen Stromliefervertrages zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E. S. GmbH, vom 8. Februar 2007 in der Fassung, die er durch die Nachträge vom 17. Juli 2007, 14. August 2008, 30. Oktober 2008, 31. Oktober 2008, 11. Mai 2009, 14. Oktober 2010, 2. Mai 2011 und 11. Mai 2012 gefunden hat, anzunehmen, wonach der langfristige Stromliefervertrag dahin gehend angepasst wird, dass die Klägerin für unter dem Stromliefervertrag von der Beklagten bezogenen Strom nur denjenigen Anteil des Leistungspreises bezahlen muss, der gemeinsam mit dem Startpreis und dem Arbeitspreis dem Marktpreis des Tages (Großhandelspreis für ein Tagesband day ahead, täglich für den Folgetag von der EPEX-Spot ermittelte Phelix Day Base) entspricht, an dem der entsprechende Strom bezogen wird.
2. hilfsweise zu 1.:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin vom 26. September 2013 auf Anpassung des langfristigen Stromliefervertrages zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E. S. GmbH, vom 8. Februar 2007 in der Fassung, die er durch die Nachträge vom 17. Juli 2007, 14. August 2008, 30. Oktober 2008, 31. Oktober 2008, 11. Mai 2009, 14. Oktober 2010, 2. Mai 2011 und 11. Mai 2012 gefunden hat, anzunehmen, wonach der langfristige Stromliefervertrag dahin gehend ergänzt wird, dass er an den Tagen, in denen der Marktpreis (Großhandelspreis für ein Tagesband day ahead) für Strom unterhalb der Erzeugungskosten (Gestehungskosten für Strom nach diesem Vertrag, also Startpreis, Arbeitspreis und anteilig Leistungspreis) liegt, ausgesetzt und der Leistungspreis um den Anteil dieser Tage am Jahr gekürzt wird, wenn und soweit die Klägerin an diesen Tagen keinen Strom von der Beklagten unter dem Stromliefervertrag bezieht;
3. hilfsweise zu 2.:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Anpassung des langfristigen Stromliefervertrages zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E. S. GmbH, vom 8. Februar 2007 in der Fassung, die er durch die Nachträge vom 17. Juli 2007, 14. August 2008, 30. Oktober 2008, 31. Oktober 2008, 11. Mai 2009, 14. Oktober 2010, 2. Mai 2011 und 11. Mai 2012 gefunden hat, anzunehmen, wonach der Stromliefervertrag außerordentlich beendet und aufgehoben wird;
4. hilfsweise zu 3.:
festzustellen, dass der unter Ziffer 1. genannte Vertrag unwirksam ist;
5. hilfsweise zu 4.:
festzustellen, dass die Preisklausel gemäß Ziff. 5.1 des Stromliefervertrages unwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe sich durch den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages, der vom Vertragstyp her ein „Langfristvertrag virtuelles Kraftwerk“ und somit einem Pachtvertrag vergleichbar sei, in die Situation eines Erzeugers begeben. Hiermit habe sie auf Beschaffungsseite die Chancen und Risiken aus der Entwicklung des Großhandelspreises für Strom gegen die Chancen und Risiken eingetauscht, die aus der Entwicklung der Preise herrühren, die die Kosten der Erzeugung von Strom in einem Steinkohlekraftwerk bestimmen. Mit der vorliegenden Klage versuche die Klägerin nun, die mit dem Vertrag realisierte, aktuell ungünstige wirtschaftliche Positionierung als Erzeuger zu Lasten der Beklagten als Vertrags partner zu revidieren und zeige damit „Vertragsreue“. Die von der Klägerin gewählte sogenannte virtuelle Kraftwerksscheibe sei ein Vertrag, der den Abnehmer wirtschaftlich so stelle, als betriebe dieser selbst ein entsprechendes Kraftwerk. Da bei diesem Vertragstyp der Vertragspreis gerade nicht an die Großhandelspreise von Strom gekoppelt sei, stimmten Vertragspreis und Großhandelspreis während der Vertragslaufzeit typischerweise nicht überein.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei dem streitgegenständlichen Vertrag handele es sich nicht um einen Kaufvertrag über die Lieferung von elektrischer Energie, sondern um einen Optionsvertrag über ein Strombezugsrecht in Form einer virtuellen Kraftwerksscheibe (Stromerzeugung). Der Anwendungsbereich der Wirtschaftsklausel sei nicht eröffnet, da sich Risiken realisierten, die ausschließlich in den Risikobereich der Klägerin fielen. Nach den wirtschaftlichen Grundlagen habe allein die Klägerin das Risiko zu tragen, dass der StromGroßhandelspreis unter den vereinbarten Vertragspreis falle. Aufgrund der hohen Volatilität der Großhandelspreise für Strom sei es auch nicht unvorhersehbar gewesen, dass diese während der Vertragsdauer weiterhin starken Schwankungen ausgesetzt seien. Die Entwicklung der Großhandelspreise für Strom und die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen stellten auch keine unbillige Härte für die Klägerin dar. Das Anpassungsverlangen der Klägerin sei im Übrigen auch unangemessen, da dadurch das ursprünglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung beseitigt würde. Die von der Klägerin begehrte Anpassung mache aus dem vereinbarten Vertrag über eine virtuelle Kraftwerksscheibe einen Vertrag, der die langfristige flexible Bereitstellung von Stromkapazitäten zu Preisen des ungesicherten Spotmarktes ermögliche. Dadurch werde der zwischen den Parteien vereinbarte Vertrag in sein Gegenteil verkehrt. Ein solcher Vertragstypus existiere in der Praxis nicht und sei der Beklagten nicht zumutbar, da er für sie dauerhaft defizitär sei und zu einer Bestabrechnung zweier Preismodelle durch die Klägerin führe.
Die von der Klägerin geforderte Vertragsanpassung sei darüber hinaus durch die achte Zusatzvereinbarung vom 8./11. Mai 2012 ausgeschlossen. Die Klägerin habe hierdurch einen signifikanten Preisnachlass für die Jahre 2013 bis 2015 (je x11 € netto) sowie 2019 und 2020 (je x12 € netto) erhalten. Im Gegenzug habe sich die Klägerin verpflichtet, keine weiteren Preisanpassungen vor dem Hintergrund der geänderten Rahmenbedingungen an den Strommärkten, insbesondere auf Grundlage der Preisentwicklung auf den Großhandelsmärkten und des Wegfalls der kostenfreien Zuteilung von CO2-Zertifikaten zu fordern. Die Zusatzvereinbarung sei auch keineswegs als Übergangsvereinbarung für drei Jahre gedacht gewesen. Sie habe vielmehr den aufgetretenen Konflikt über die Vertragsauslegung insgesamt und jedenfalls bis zum Stichtag der frühestmöglichen Kündigung beilegen wollen.
Der Vertrag sei auch nicht nach §§ 307, 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB unwirksam. Beim Jahresleistungspreis gemäß Ziffer 5.1.1 handele es sich bereits nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB, da der Wert des Leistungspreises LP1 als Individualverein-barung ausgehandelt worden sei. Die Preisklausel sei auch gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht kontrollfähig, da mit dem von der bezogenen Energiemenge unabhängigen Jahresleistungspreis die Bereitstellung der vertraglich zugesicherten Liefermenge abgegolten werde und es sich bei dieser Bereitstellungsverpflichtung um eine Hauptleistungspflicht handele. Da Jahresleistungspreis, Arbeitspreis und Startpreis aufgrund der Preisanpassungskomponenten zum Lieferbeginn am 1. Januar 2009 bei Vertragsschluss am 8. Februar 2007 noch nicht bestimmbar waren, sei die Preisbestimmung in Ziffer 5.1 von vornherein als Preishauptabrede variabel ausgestaltet und beinhalte daher keine (gesonderte) Preisnebenabrede hinsichtlich künftiger Preisanpassungen. Im Übrigen benachteilige die Preisklausel unter Berücksichtigung des Vertragszwecks, die Klägerin wirtschaftlich in die Position eines Erzeugers von Energie aus Steinkohle zu versetzen, nicht unangemessen und sei auch nicht intransparent.
Ihre Rechtsvorgängerin habe auch keine marktbeherrschende Stellung missbraucht, so dass der Vertrag nicht nach §§ 18, 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2, 29 Satz 1 Nr. 2 GWB unwirksam sei. Sachlich relevanter Markt sei nicht der Erstabsatzmarkt für Strom, sondern entsprechend dem Bedarf der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Markt für Erzeugungskapazitäten für Strom, der nicht nur virtuelle Kraftwerkskapazitäten, sondern auch reale Kraftwerke, Beteiligungen an realen Kraftwerken sowie andere Erzeugungskapazitäten von Strom umfasse. Im Übrigen habe ihre Rechtsvorgängerin auch keine unangemessenen Entgelte gefordert und ihre Stellung nicht missbraucht. Grund für die Erhöhung des Leistungspreises LP1 sei der Anstieg der Kosten für die Errichtung von Steinkohlekraftwerken gewesen; dies sei der Klägerin im August 2006 mitgeteilt worden (vgl. Anlage CBH 8). Der von der Klägerin behauptete Kausalzusammenhang zwischen ihrem Verzicht an der Beteiligung am Steinkohle-Kraftwerksprojekt der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW) und der Erhöhung des Leistungspreises LP1 sei mit dem tatsächlichen zeitlichen Ablauf unvereinbar. Die im August 2006 angekündigte Preiserhöhung habe in den Vertragsentwürfen vom 11. September 2006 (vgl. Anlage CBH 59) und 27. Oktober 2006 (vgl. Anlage B 10) ihren Niederschlag gefunden. Die Klägerin habe hingegen erst im Februar 2007 verkündet, dass sie sich von ihren KMW-Anteilen trennen werde (vgl. Anlage B 37). Der Leistungspreis LP1 sei gemäß dem Sachverständigengutachten vom 19. Dezember 2014 (vgl. Anlage B 44) auch angemessen.
Auch ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation gemäß Art. 5 REMIT-VO liege nicht vor. Da diese erst 2011 in Kraft getreten ist, komme eine Nichtigkeit des bereits im Jahre 2007 abgeschlossenen Vertrages nicht in Betracht. Im Übrigen liege auch keine Marktmanipulation vor.
Schließlich verstoße die Preisklausel nicht gegen § 1 Abs. 1 PrKlG. Für die Beurteilung der Vergleichbarkeit sei auf den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung abzustellen. Vereinbart sei nicht nur die Lieferung von elektrischer Energie, sondern die unterbrechungsfreie Zurverfügungstellung von Eigenerzeugungskapazität aus Steinkohle. Die vereinbarte Gegenleistung werde durch den Preis von Gütern und Leistungen bestimmt, die in typischer Weise die Kosten für den Bau und Betrieb eines Steinkohlekraftwerks wiederspiegeln und sei daher mit der vereinbarten Leistung vergleichbar.
Als Streithelfer sind dem Rechtsstreit die im Rubrum Genannten beigetreten.
Mit Urteil vom 28. September 2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage im Hauptantrag stattgegeben.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichts München I zurückzuverweisen, hilfsweise das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2016 Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist weitgehend begründet.
Die Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 ZPO ist nicht angezeigt.
Die zulässige Klage hat lediglich im hilfsweise gestellten Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Preisklausel gemäß Ziffer 5.1 des Stromliefervertrages wegen Verstoßes gegen das Preisklauselverbot des § 1 Abs. 1 PrklG Erfolg (Klageantrag Ziffer 5.). Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch auf Anpassung des Stromliefervertrages (Klageanträge Ziffer 1. bis 3.). Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Stromliefervertrages ist unbegründet (Klageantrag Ziffer 4.).
I.
Einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages hat die Klägerin nicht. Ein solcher ergibt sich weder aus der Wirtschaftsklausel nach Ziffer 14 des Stromliefervertrages vom 8. Februar 2007 noch nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB.
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Parteien mit dem streitgegenständlichen langfristigen Stromliefervertrag einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB geschlossen haben.
2. Das Landgericht hat jedoch zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Anpassung des Vertragspreises bejaht. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach Ziffer 14 des Vertrages liegen nicht vor. Das Landgericht hat verkannt, dass nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien die Klägerin das Risiko, dass der Marktpreis für Strom unter den Vertragspreis fällt, zu tragen hat und daher eine Vertragsanpassung nach der Wirtschaftsklausel nicht in Betracht kommt.
a) Wirtschaftsklauseln knüpfen an die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung an, so dass keine Anpassung erfolgt, wenn sich Risiken realisieren, die in die ausschließliche Risikosphäre nur einer der Parteien fallen.
Ein Anspruch auf Vertragsanpassung besteht nur dann, wenn einem Vertragspartner infolge grundlegender Veränderungen die Beibehaltung der Vertragsbestimmungen nicht mehr zugemutet werden kann, weil die auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen abzielenden Absichten der Vertragspartner nicht mehr erfüllt werden. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine Partei nach der vertraglichen Vereinbarung das Risiko von Veränderungen in einem bestimmten Bereich zu tragen hat (vgl. BGH NJW 2013, 2745 Tz. 17).
Aus der Reichweite einer Preisvereinbarung ergibt sich, welcher Anwendungsbereich für eine allgemeine Wirtschaftsklausel noch verbleibt. Je nach dem von den Parteien gewählten Preismodell kann sich der Anwendungsbereich einer Wirtschaftsklausel ändern (vgl. Harms, DB 1983, 322, 326; Kunth, BB 1978, 178, 181). Maßgeblich sind darüber hinaus die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Interessenslage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände des Vertragsschlusses (vgl. BGH NJW 2013, 2745 Tz. 19, 24, 25).
b) Aufgrund der hier getroffenen von den Strom-Großhandelspreisen unabhängigen, auf – fiktiven – Erzeugungskosten eines Steinkohlekraftwerks basierenden Preisvereinbarung haben beide Parteien das Risiko von Veränderungen des Marktpreises für Strom jedenfalls solchen Ausmaßes übernommen, wie sie während der 17-monatigen Vertragsverhandlungen zwischen 22. September 2005 und 8. Februar 2007 zu verzeichnen waren; ihnen ist es deshalb zuzumuten, an der Preisvereinbarung bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit zum 1. Januar 2019 gemäß Ziffer 5.2 des Vertrages bzw. zum 1. Januar 2021 gemäß Ziffer 4 der achten Zusatzvereinbarung vom 8./11. Mai 2012 auch dann festgehalten zu werden, wenn sich der Marktpreis in dieser Zeit abweichend vom vereinbarten Preis entwickelt und sich der vereinbarte Preis damit für die eine oder andere Partei im Nachhinein als unvorteilhaft erweist. Derartige Preisschwankungen gehören zum unternehmerischen Risiko der davon benachteiligten Partei, das diese mit der Preisvereinbarung zu Erzeugungskosten eines Steinkohlekraftwerks bewusst eingegangen ist.
aa) Die Klägerin wollte nach ihrem eigenen Vortrag bei Aufnahme der Vertragsverhandlungen im September 2005 aufgrund des seit dem Jahr 2000 stetig steigenden StromGroßhandelspreises eigene Erzeugungskapazitäten aufbauen. Sie ging auch bei Vertragsschluss am 8. Februar 2007 von tendenziell weiter steigenden Großhandelspreisen aus und wollte sich von diesen durch den Ausbau ihrer Eigenerzeugungskapazitäten weitgehend unabhängig machen. Aus diesem Grunde schloss sie den langfristigen Stromliefervertrag, dessen Preisbildung sich an den Investitions- und Betriebskosten eines Steinkohlekraftwerks orientiert und vom Großhandelspreis an den Strombörsen abgekoppelt ist. Dies zeigt die Entwicklung sowohl vor als auch unmittelbar nach Abschluss des Vertrages:
Nach einer Präsentation vom 6./7. Dezember 2006 beabsichtigte die Klägerin die Erhöhung der Eigenerzeugungsquote von 15% im Jahr 2006 auf ca. 50% im Jahr 2009 und ca. 65% im Jahr 2014. Zur Stromeigenerzeugung (Erdgas, Steinkohle) rechnete sie hierbei sowohl virtuelle Kraftwerksbeteiligungen (über Langfristverträge) als auch physische Kraftwerksbeteiligungen (vgl. Anlage B 7, Seiten 7 und 10).
Gemäß ihrer Presseerklärung vom 14. Juni 2007 beteiligte sie sich an einem effizienten Gaskraftwerk in Irsching und schloss einen Strom-Liefervertrag als sogenannte virtuelle Kraftwerksscheibe ab. Sie beabsichtigte damit, den Anteil des Strombezuges auf rund 65% Eigener-zeugungsbasis zu steigern und ihre Abhängigkeit von schwankenden Marktpreisen zu verringern (vgl. Anlage B 36).
In ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 2007 führte sie aus, dass es als Regionalversorger bei stetig steigenden Beschaffungskosten wichtig sei, über eigene Erzeugungskapazitäten zu verfügen, um so langfristig Unabhängigkeit zu sichern und neue Wertschöpfungsstufen zu erschließen. Ihr Ziel sei es, die Eigenerzeugungspotentiale von 15% auf bis zu 70% anzuheben. Aus dem Weg dahin habe sie wichtige Schritte vollziehen können. Neben der Grundsteinlegung in Irsching für ein modernes Gas- und Turbinenkraftwerk im November 2007 könne sie aus dem Erwerb einer virtuellen Kraftwerksscheibe ab 2009 weitere 180 Megawatt einsetzen (vgl. Anlage B 16, Seite 38 des Geschäftsberichts).
Auch in ihrem Quartalsbericht Q1 2012 ordnete die Klägerin den streitgegenständlichen Stromliefervertrag der Erzeugungsvermarktung zu und sah sich als Betreiberin eines virtuellen Kohlekraftwerkes (vgl. Anlage B 41).
Der Klägerin war bei Abschluss des langfristigen Stromliefervertrages am 8. Februar 2007 bewusst, dass der vereinbarte Vertragspreis gemäß Ziffer 5.1 gegenüber dem Bezug zum StromGroßhandelsmarktpreis einen abweichenden und von diesem unabhängigen Preisberechnungsmechanismus enthielt. Sie wollte gerade langfristig Strom zu Erzeugungskosten und nicht zu Spot-Marktpreisen beziehen.
bb) Entgegen der Behauptung der Klägerin war es nicht das gemeinsame Verständnis beider Parteien bei Vertragsabschluss am 8. Februar 2007, dass der Vertragspreis, der sich an den Erzeugungskosten eines Steinkohlekraftwerkes orientiert, während der gesamten Vertragsdauer bis 31. Dezember 2031 bzw. zumindest bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit zum 1. Januar 2019 stets unterhalb des Strom-Großhandelspreises liegen und somit einen Strombezug dauerhaft unterhalb des Marktpreises ermöglichen sollte.
aaa) Hiergegen spricht bereits die hohe Volatilität der Strom-Großhandelspreise.
Seit dem Jahr 2000 stiegen die Großhandelspreise von unter 20,- €/MWh auf ca. 35,- €/MWh zu Beginn des Jahres 2005; im September 2005 stieg der Marktpreis auf 43,- €/MWh und erreichte im April 2006 einen Höchststand von 61,- €/MWh. Anschließend sanken die Großhandelspreise im Mai 2006 auf 47,- €/MWh und stiegen im Juli 2006 wieder auf 58,- €/MWh. Im Februar 2007 lag der EEX-Marktpreis für Strom schließlich bei 54,57 €/MWh (vgl. Anlagen B 6, CBH 24, Seite 7).
Die Parteien gingen bei Vertragsschluss am 8. Februar 2007 zwar davon aus, dass sich der Strom-Großhandelspreis auch bei Lieferbeginn am 1. Januar 2009 in dieser Größenordnung bewegen werde. Angesichts der starken Schwankungen seit dem Jahr 1999 und während der Vertragsverhandlungen zwischen September 2005 und Februar 2007 war jedoch nicht davon auszugehen, dass der Marktpreis für Strom nach Vertragsschluss über einen Zeitraum von mehreren Jahren oder gar Jahrzehnten linear ansteigen bzw. dauerhaft über dem davon unabhängigen Vertragspreis liegen würde.
bbb) Jedenfalls die Rechtsvorgängerin der Beklagten rechnete bei Vertragsschluss damit, dass auch in Zukunft kurzfristig oder in längeren Schwankungszyklen Veränderungen der StromGroßhandelspreise in erheblichem Ausmaße nach unten wie nach oben möglich sein würden.
Diese Erwartung teilte sie der Klägerin am 21. November 2006 auch mit, als sie die Aufnahme des angeregten Zusatzes in der Wirtschaftsklausel, wonach ein Abweichen des Vertragspreises vom Marktpreis für Strom – auch im erheblichen Umfang – alleine nicht als unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift gelten sollte, damit begründete, dass der Zusatz lediglich der Klarstellung diene, in beide Richtungen anwendbar sei und sie die Anwendung der Wirtschaftsklausel ablehne, wenn der einzige Grund in einer für die Klägerin ungünstigen Differenz zwischen Markt- und Vertragspreis liege, da der Vertrag definitiv nicht zur Bestabrechnung zweier Preismodelle vorgesehen sei (vgl. Anlage B 13).
Soweit die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin Anfang Oktober 2006 mitteilte, dass der streitgegenständliche Vertrag auf absehbare Zeit der letzte Langfristvertrag „virtuelle Kraftwerksscheibe“ sein und sie künftig Verträge nur noch auf Marktpreisniveau abschließen werde (vgl. Anlage CBH 23), kann daraus nicht geschlossen werden, dass sie von konstant hoch bleibenden bzw. dauerhaft steigenden Strom-Großhandelspreisen ausgegangen sei, denn sie hat jedenfalls am 21. November 2006 gegenüber der Klägerin klargestellt, dass sie auch künftig mit der Möglichkeit stark schwankender Marktpreise rechne.
ccc) Auch die Klägerin war sich des Risikos fallender Marktpreise während der Vertragsdauer durchaus bewusst. So hat sie im Schriftsatz vom 16. November 2016 selbst vorgetragen, dass sie den Zusatz zur Wirtschaftsklausel (Ausklammerung der Marktpreisentwicklungen) gerade im Blick auf die aufgrund der Langfristigkeit des Vertrages nicht absehbaren möglichen Marktentwicklungen zurückgewiesen habe (Bl. 999 d. A.).
Insofern kommt es nicht darauf an, ob die von der Klägerin vorgetragenen einzelnen Umstände, die nach Vertragsschluss das Fallen des Strom-Großhandelspreises mitverursacht haben, wie ein gesunkener Stromverbrauch oder der verstärkte Ausbau der erneuerbaren Energien, vorhersehbar waren oder nicht. Denn der Marktpreis bestimmt sich aus einer Vielzahl komplexer Faktoren und ist selbst von erfahrenen und auf allen Stufen der Wertschöpfungskette langjährig tätigen Energieversorgungsunternehmen nicht sicher vorhersehbar.
ddd) Entgegen der Annahme des Landgerichts ergibt sich auch aus der am 14. September 2006 übersandten Abschätztabelle mit Werten zu möglichen Gestehungskosten aus dem streitgegenständlichen Vertrag für die Jahre 2009 bis 2019 (vgl. Anlage CBH 22) kein Hinweis darauf, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin einen Strombezug dauerhaft unterhalb des Marktpreises ermöglichen wollte. Darin werden lediglich die Gestehungskosten berechnet, Prognosen für die zu erwartenden Strom-Großhandelspreise für die Jahre 2009 bis 2019 enthält die Abschätztabelle hingegen nicht, so dass sich daraus keine Aussage über das zu erwartende Verhältnis zwischen Vertrags- und Marktpreis über das Jahr 2009 hinaus ableiten lässt.
eee) Schließlich führt auch die 40-prozentige Beteiligung des E.-Konzerns an der Klägerin bis zum Jahr 2012 zu keiner anderen Beurteilung. Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten allein wegen dieser Beteiligung einen für sie absehbar dauerhaft defizitären Vertrag abschließt.
fff) Soweit die Klägerin behauptet, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sie von dem Aufbau eigener Erzeugungskapazitäten abhalten wollen und als Gegenleistung dafür, dass sie keine Marktanteile verliere, einen Strombezug stets unterhalb des Marktpreises garantiert, findet dies schon keine Stütze im abgeschlossenen langfristigen Stromliefervertrag und in den sonstigen umfangreich vorgelegten schriftlichen Unterlagen während der Vertragsverhandlungen. Konkrete Umstände zu dieser behaupteten Absprache zwischen den Parteien hat die Klägerin weder dargetan noch unter Beweis gestellt. Im Übrigen ist dieser Vortrag auch nicht mit der Präsentation vom 6./7. Dezember 2006 (vgl. Anlage B 7), der Presseerklärung vom 14. Juni 2007 (vgl. Anlage B 36), dem Geschäftsbericht für das Jahr 2007 (vgl. Anlage B 16) und dem Quartalsbericht Q1 2012 (vgl. Anlage B 41) zu vereinbaren, in denen die Klägerin den Strombezug aus dem streitgegenständlichen langfristigen Stromliefervertrag jeweils der Eigenerzeugung zugeordnet hat.
cc) Für die Rechtsvorgängerin der Beklagten bedeutete der mit der Preisvereinbarung verbundene Verzicht auf eine Preisanpassung an die Marktentwicklung während der Laufzeit des Vertrages, dass sie im Falle weiter steigender Marktpreise Gewinneinbußen hinzunehmen hatte. Sie übernahm dadurch das Risiko, den Strom bei steigenden Marktpreisen möglicherweise unter dem jeweiligen Marktpreis liefern zu müssen.
Zwar hat sie sich unter anderem gegen steigende (fiktive) Lohnkosten durch die Indexierung des Leistungspreises LP^0 und des Arbeitspreises sowie gegen steigende Kohlekosten durch die Indexierung des Arbeitspreises und des Startpreises teilweise abgesichert. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein fallender Importkohlepreis auch der Klägerin zu Gute kommt. Zudem zeigt die tatsächliche Entwicklung, dass der Importkohlepreis und der Strom-Großhandelspreis nicht unbedingt gleichlaufend sind.
Die Klägerin konnte billigerweise nicht erwarten, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten zwar auf eine Erhöhung des vereinbarten Preises bei steigenden Marktpreisen verzichtet, umgekehrt aber der Klägerin eine Preissenkung bei fallenden Marktpreisen zugutekommen lässt. Vielmehr durfte die Rechtsvorgängerin der Beklagten davon ausgehen, dass die Klägerin aufgrund der getroffenen Preisvereinbarung auf der Basis von Erzeugungskosten das Risiko sinkender Marktpreise in gleichem Umfang zu tragen hat wie sie selbst das Risiko steigender Marktpreise.
Das bedeutet, dass die Klägerin bei interessengerechter Auslegung der Preisvereinbarung jedenfalls ein Zurückfallen des Marktpreises auf den Stand des Jahres 2005 – als sie beschloss, sich von den Strom-Großhandelspreisen durch den Ausbau von Erzeugungskapazitäten unabhängig zu machen, und die Vertragsverhandlungen der Parteien begannen – hinzunehmen hat, ohne unter Berufung auf die allgemeine Wirtschaftsklausel in Ziffer 14 des Vertrages eine Herabsetzung des vereinbarten Vertragspreises beanspruchen zu können.
Der Strom-Großhandelspreis lag bis Mitte 2005 knapp unter 40,- €/MWh, stieg im September 2005 zu Beginn der Vertragsverhandlungen auf 43,- €/MWh und lag schließlich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 8. Februar 2007 bei 54,- €/MWh. Nach Vertragsbeginn zum 1. Januar 2009 lag der Mittelwert des EPEX-Spot Auktionspreises im Jahr 2009 bei 38,85 €/MWh, im Jahr 2010 bei 44,49 €/MWh, im Jahr 2011 bei 51,12 €/MWh, im Jahr 2012 bei 42,60 €/MWh und im Jahr 2013 bei 37,78 €/MWh (vgl. Anlage B 33), wobei der Marktpreis auch innerhalb der einzelnen Jahre jeweils erheblichen Schwankungen unterlag.
Unter Berücksichtigung dieser Marktpreisentwicklung seit Mitte des Jahres 2005, als der Strom-Großhandelspreis wenige Wochen vor Beginn der Vertragsverhandlungen im September 2005 ebenso wie in den Jahren 2009 und 2013 unter 40,- €/MWh lag, kann sich die Klägerin nicht auf die Wirtschaftsklausel berufen. Sie hat das Risiko zu tragen, dass sich der vereinbarte Vertragspreis im Falle sinkender Großmarktpreise im Nachhinein als ungünstig erweist. Das folgt aus dem Gebot beiderseits interessengerechter Auslegung von Verträgen.
dd) Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin die Aufnahme des von der Rechtsvorgängerin der Beklagten angeregten Zusatzes zur Wirtschaftsklausel, wonach ein Abweichen des Vertragspreises vom Marktpreis für Strom – auch im erheblichen Umfang – alleine nicht als unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift gelte (vgl. Anlage CBH 9), zurückwies.
Während die Rechtsvorgängerin der Beklagten darauf hinwies, dass der Zusatz nur der Klarstellung diene, lehnte die Klägerin den Zusatz im Hinblick auf die aufgrund der Langfristigkeit des Vertrages nicht absehbaren möglichen Marktentwicklungen ab. Zugleich hat sie aber nicht auf die Aufnahme eines klarstellenden Zusatzes bestanden, wonach ein für sie ungünstiges Abweichen des Vertragspreises vom Marktpreis als unbillige Härte im Sinne der Wirtschaftsklausel gelte. Damit haben sich die Parteien bei Vertragsschluss nicht auf die Aufnahme des zusätzlichen Passus geeinigt, so dass die Klausel – so wie sie Vertragsbestandteil geworden ist – auszulegen ist wie geschehen.
ee) Eine Vertragsanpassung aufgrund der Wirtschaftsklausel in Ziffer 14 des Vertrages kommt auch nicht aufgrund geänderter rechtlicher Grundlagen des Vertrages in Betracht, weil die Klägerin ein reales Kraftwerk stilllegen oder seit 31.12.2012 zu Redispatch-Maßnahmen des Übertragungsnetzbetreibers anmelden könnte.
Denn die Klägerin hat sich gerade nicht für die physische Eigenerzeugung und den eigenständigen Aufbau eines realen Steinkohlekraftwerks entschieden, sondern für einen langfristigen Stromliefervertrag zu Erzeugungskosten eines – virtuellen – Steinkohlekraftwerks. Anders als beim Aufbau einer physischen Erzeugungskapazität ist sie unter anderem keinem Errichtungs-, Kraftwerksausfall- und Betriebsrisiko ausgesetzt. Daher kann sie sich auch nicht auf hypothetische Chancen und rechtliche Möglichkeiten einer realen Kraftwerksbetreiberin berufen. Die Wirtschaftsklausel berechtigt nur zur Vertragsanpassung, wenn sich die wirtschaftlichen, technischen oder rechtlichen Grundlagen dieses Vertrages ändern, nicht aber, wenn sich außerhalb des Vertrages liegende Umstände ändern.
ff) Eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Grundlagen des Vertrages kann auch nicht – isoliert betrachtet und unabhängig von der Entwicklung des Marktpreises für Strom – mit den behaupteten fundamentalen Umwälzungen epochalen Ausmaßes auf dem Energiemarkt durch den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien angenommen werden. Denn dieser Strukturwandel führte gerade zu den sinkenden Strom-Großhandelspreisen im aufgezeigten Umfang, nämlich zu einem Zurückfallen der Marktpreise auf das Niveau unmittelbar vor Beginn der Vertragsver handlungen im September 2005; dieses Risiko hat nach den oben dargestellten Kriterien aber alleine die Klägerin zu tragen.
c) Im Übrigen kann sich die Klägerin auf die Wirtschaftsklausel gemäß Ziffer 14 des Vertrages schon deshalb nicht berufen, weil der geltend gemachte Anspruch auf Vertragsanpassung durch Ziffer 6 der achten Zusatzvereinbarung vom 8./11. Mai 2012, eine Individualvereinbarung, ausgeschlossen wurde.
aa) Anlass der achten Zusatzvereinbarung war unter anderem, dass die StromGroßhandelspreise seit Vertragsbeginn im Jahr 2009 teilweise deutlich unter dem Niveau lagen, auf dem sie sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Februar 2007 befanden. Die Klägerin wandte sich daher im September 2011 an die Beklagte und machte geltend, dass der Vertragspreis im Vergleich zu den Strom-Großhandelspreisen für sie unwirtschaftlich sei.
bb) Die nach §§ 133, 157 BGB gebotene Auslegung der achten Zusatzvereinbarung nebst Sprechklausel kommt zum Ergebnis, dass die Klägerin gemäß Ziffer 6 auf eine weitergehende Anpassung des Vertragspreises aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen an den Strommärkten, insbesondere der Preisentwicklung auf dem Strom-Großhandelsmarkt, verzichtet hat. Auf diesen in der Präambel und der Sprechklausel ausdrücklich genannten Hintergrund der Zusatzvereinbarung und der zuvor geführten Gespräche nimmt der dritte Streitpunkt, in dem die Klägerin die Reduzierung bzw. Auflösung des Vertrages aufgrund vertraglicher Regelungen oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage geltend macht, durch den „insbesondere“-Zusatz Bezug.
Zwar wird in diesem dritten Streitpunkt ausdrücklich nur die Abkehr von der (teilweise) kostenfreien Zuteilung von CO2-Zertifikaten genannt. Durch die Bezugnahme auf den vorgenannten Hintergrund und die Verwendung des „insbesondere“-Zusatzes wird jedoch deutlich, dass die Klägerin die Vertragsanpassung nicht lediglich wegen der Abkehr von der (teilweise) kostenfreien Zuteilung von CO2-Zertifikaten geltend machte, sondern auch wegen der zuvor in der Präambel genannten Preisentwicklung auf dem Strom-Großhandelsmarkt.
Dieser durch Wortlautauslegung ermittelte Parteiwille zeigt sich ergänzend in der Sprechklausel, wonach die Parteien die zukünftige Entwicklung der Preise auf dem StromGroßhandelsmarkt und des Vertragspreises weiter beobachten und auf Wunsch eines Vertrags partners unverbindlich Gespräche führen werden. Durch die nochmalige Bezugnahme auf Anlass und Hintergrund der geführten Gespräche in der Sprechklausel haben die Parteien dokumentiert, dass die Preisentwicklung auf dem Strom-Großhandelsmarkt vom Anpassungsverlangen im dritten Streitpunkt umfasst war und gemäß Ziffer 6 der Zusatzvereinbarung abschließend geklärt wurde.
3. Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin eine Anpassung des Vertragsentgelts auch nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB verlangen.
Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung eines Vertrages verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Geschäfts geworden sind, schwerwiegend verändert haben, die Vertragsparteien bei Kenntnis der Veränderung diese im Vertrag berücksichtigt hätten und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Im Rahmen der Zumutbarkeitserwägungen sieht das Gesetz eine Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung ausdrücklich vor. Für eine beachtliche Störung der Geschäftsgrundlage ist deshalb grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf die Änderung der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. BGH NJW 2006, 899 Tz. 30).
So liegt es auch im Streitfall. Das Risiko eines fallenden Strom-Großhandelspreises während der Vertragsdauer fällt in den Risikobereich der Klägerin und ist von ihr auch bewusst übernommen worden. Im Übrigen wurde das etwaige Recht auf Anpassung des Vertragspreises durch die achte Zusatzvereinbarung wirksam abbedungen.
4. Die Hilfsanträge Ziffer 2. und 3., die durch die Berufung der Beklagten zur Entscheidung im Berufungsverfahren angefallen sind (vgl. BGH NJW-RR 2013, 1334 Tz. 9 m. w. N.), unterscheiden sich vom Hauptantrag lediglich in den begehrten Rechtsfolgen der Vertragsanpassung und bleiben aus denselben Gründen wie der Hauptantrag ohne Erfolg.
II.
Soweit die Klägerin hilfsweise – und damit ebenfalls im Berufungsverfahren angefallen -die Feststellung der Unwirksamkeit des langfristigen Stromliefervertrages vom 8. Februar 2007 geltend macht (Klageantrag Ziffer 4.), ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Die Preisbestimmung gemäß Ziffer 5.1 des Stromliefervertrages verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1, § 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB. Der Stromliefervertrag ist auch nicht gemäß § 1, § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 und Nr. 2, § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB unwirksam. Schließlich liegt kein Verstoß gegen Art. 5 der VO (EU) Nr. 1227/2011 vom 25.10.2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes (REMIT-VO) vor.
1. Die negative Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPO zulässig.
Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist nicht unter dem Gesichtspunkt des grundsätzlichen Vorrangs einer Leistungsklage zu verneinen. Die Feststellungsklage steht jedenfalls dort frei, wo die Klärung der Anspruchshöhe aufwendig wäre oder das streitige Verhältnis über eine einmalige Leistung hinausgeht (vgl. Foerste, Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 256 Rn. 12). Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Zudem ist die Anspruchshöhe ungewiss, weil sich der behauptete Schaden noch in der Entwicklung befindet.
2. Die Preisbestimmung gemäß Ziffer 5.1 des Stromliefervertrages ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
a) Die streitgegenständliche Preisbestimmung ist eine von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es handelt sich um eine für eine Vielzahl von gleichartigen Stromlieferverträgen vorformulierte Vertragsbedingung, deren Einbeziehung in den Vertrag die Rechtsvorgängerin der Beklagten verlangt hat. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, es liege gleichwohl keine Allgemeine Geschäftsbedingung vor, weil die Klausel ausgehandelt worden sei.
aa) Die Rechtsvorgängerin der Beklagten bezeichnete die an die Klägerin während der Vertragsverhandlungen übersandten Vertragsentwürfe selbst als E.-Musterverträge. Ein mit EMail vom 12. Juni 2006 übermittelter Vertragsentwurf entsprach in Struktur und Wortwahl dem aktuellen E.-Mustervertrag (vgl. Anlagen CBH 4, CBH 58).
bb) Die Zahlung eines lieferunabhängigen Jahresleistungspreises (LP) war Bedingung der Rechtsvorgängerin der Beklagten und stand dem Grunde nach zu keiner Zeit zur Disposition.
Die Klausel wurde nicht deshalb nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelt, weil der Wert des als Festpreiskomponente ausgestalteten Leistungspreises LP1 während der Vertragsverhandlungen mehrmals variierte und letztlich in Ziffer 5.1.1 des Stromliefervertrages vom 8. Februar 2007 mit einem Wert von x5 €/MWa vereinbart wurde.
aaa) Ein Aushandeln erfordert gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (vgl. BGH NJW 2013, 856 Tz. 10 – bring-or-pay-Klausel). Ein Aushandeln liegt nicht vor, wenn die für den Vertragspartner des Verwenders nachteilige Wirkung der Klausel im Zuge von Verhandlungen zwar abgeschwächt, der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel vom Verwender jedoch nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird (vgl. BGH MDR 2016, 10 Tz. 26) bbb) Nach diesen Maßstäben hatte die Klägerin keine ausreichende Gestaltungsfreiheit. Denn die Erhöhung des Leistungspreises LP1 von x2 €/MWa im Dezember 2005 auf x3 €/MWa im September 2006 und schließlich auf x4 €/MWa im Vertragsentwurf vom 27. Oktober 2006 (vgl. Anlage B 10) hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit gestiegenen Investitionskosten begründet und insofern der Klägerin vorgegeben. Soweit im Stromliefervertrag vom 8. Februar 2007 der Leistungspreis LP1 auf x5 €/MWa festgesetzt wurde, hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kerngehalt dieser Klausel nicht ernsthaft zur Disposition gestellt, sondern lediglich den Preis geringfügig reduziert.
b) Die Preisklausel gemäß Ziffer 5.1 des Stromliefervertrages ist nicht mangels Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB unwirksam.
Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. BGH NJW 2016, 1575 Tz. 31).
Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Klausel. Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ein auf dem Energiemarkt erfahrener regionaler Energieversorger ist und sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten nur an derartige Vertragspartner wandte.
c) Die Preisbestimmung gemäß Ziffer 5.1 des Stromliefervertrages unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB, soweit im Jahresleistungspreis LP gemäß Ziffer 5.1.1 die unabhängig von der bezogenen Energiemenge anfallenden Leistungspreise LP1 und LP2,0 geregelt sind. Sie ist insoweit gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei.
aa) Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB auf solche Klauseln beschränkt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind demgegenüber solche Bestimmungen, die Art und Umfang des vertraglichen Hauptleistungsversprechens und die hierfür zu zahlende Vergütung unmittelbar festlegen. Leistung und Gegenleistung können von den Vertragsparteien nach dem Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es daher insoweit auch an einem Kontrollmaßstab (vgl. BGH NJW 2015, 687 Tz. 23).
Allerdings führt die bloße Einstellung einer Klausel in ein Regelwerk, das Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung festlegt, noch nicht dazu, dass die einzelne Klausel als unselbständiger Bestandteil einer „Gesamtpreisabsprache“ jeder Kontrolle entzogen ist. Der klare Wortlaut des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB verlangt auch dann eine Prüfung, ob die Klausel lediglich deklaratorische Wirkung hat oder ob sie Rechtsvorschriften ergänzt, indem sie etwa ein Entgelt festlegt, obwohl eine Leistung für den Vertragspartner nicht erbracht wird. Der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Daher ist ohne Rücksicht auf die Preisstruktur insgesamt und die Beschaffenheit der sonstigen Einzelpreise zu überprüfen, ob der streitigen Klausel eine echte (Gegen-)Leistung zugrun de liegt oder ob es sich um eine kontrollfähige (Preisneben-)Abrede handelt (vgl. BGH NJW 2013, 856 Tz. 16 – bring-or-pay-Klausel).
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegt im Streitfall der Jahresleistungspreis in Ziffer 5.1.1 des Stromliefervertrages nicht der Inhaltskontrolle, soweit er die Leistungspreiskomponenten LP1 und LP2,0 betrifft.
Nach Darstellung der Beklagten soll mit dem von der bezogenen Energiemenge unabhängigen Jahresleistungspreis die Bereitstellung der vertraglich zugesicherten Liefermenge abgegolten werden.
Bei dieser Bereitstellungsverpflichtung handelt es sich um eine Hauptleistungspflicht der Beklagten. Sie ist gemäß Ziffer 2 des langfristigen Stromliefervertrags zu einer gesicherten Lieferung von bis zu 8.760 Volllastbenutzungsstunden je Jahr bei einer abrufbaren Leistung von jeweils 180 Megawatt in den Jahren 2009 bis 2013 bzw. 200 Megawatt in den Jahren 2014 bis 2031 verpflichtet. Der Vertrag beinhaltet für die Klägerin zwar keine Mindestabnahmemenge; die Beklagte ist jedoch verpflichtet, für die Klägerin eine abrufbare Leistung von 180 MW bzw. ab dem Jahr 2014 von 200 MW bereit zu halten.
Der lieferunabhängige Jahresleistungspreis als Teil der Gesamtvergütung entspricht im Streitfall einem bei Dauerschuldverhältnissen typischen Grundpreis, der unabhängig von der konkret in Anspruch genommenen Leistung als Gegenleistung für die Abrufbarkeit und Bereitstellung von Basisleistungen – wie etwa bei der Verpflichtung eines Telekommunikationsdienstleis-tungsunternehmens, dem Kunden den Zugang zu einem Mobilfunknetz zu eröffnen (vgl. BGH NJW 2002, 2386, 2387) – anfällt, und erweist sich deshalb als im vertraglichen Synallagma stehende Hauptleistungspflicht der Beklagten. Auch in der Entscheidung vom 14. Mai 2014 (Az.: VIII ZR 114/13) hat der Bundesgerichtshof bei einem Erdgasliefervertrag die Vereinbarung eines festen Jahresgrundpreises AGB-rechtlich nicht beanstandet; insoweit ist er von einer der Inhaltskontrolle entzogenen Hauptleistungspflicht des Energieversorgers ausgegangen (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 14).
d) Die Preisbestimmung gemäß Ziffer 5.1 des Stromliefervertrages unterliegt jedoch insoweit der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB, als sie künftige Preisänderungen regelt. Sie ist insoweit nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei.
Die Preisbestimmung gemäß Ziffer 5.1 des Stromliefervertrages ist kontrollfähig, weil die Leistungspreiskomponente L/L0 in Ziffer 5.1.1, der Arbeitspreis AP in Ziffer 5.1.2 und der Startpreis SP in Ziffer 5.1.3 variabel ausgestaltet sind und damit auch künftige Preismodifikationen zum Gegenstand haben.
aa) Von der Hauptleistung zu unterscheiden sind kontrollfähige (Preis-)Nebenabreden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Anders als die unmittelbaren Preisabreden bestimmen sie nicht das Ob und den Umfang von Entgelten, sondern treten als ergänzende Regelungen, die lediglich die Art und Weise der zu erbringenden Vergütung und/oder etwaige Preismodifikationen zum Inhalt haben, „neben“ eine bereits bestehende Preishauptabrede. Sie weichen von dem das dispositive Recht beherrschenden Grundsatz ab, nach dem die Preisvereinbarung der Parteien bei Vertragsschluss für die gesamte Vertragsdauer bindend ist, und sind daher einer Inhaltskontrolle unterworfen (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie dem Verwender das Recht zu einer einseitigen Preisänderung einräumen oder eine automatische Preisanpassung zur Folge haben (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 15).)
Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Preisregelung, die sowohl der Berechnung des bei Vertragsbeginn geltenden Vertragspreises als auch der Berechnung späterer Preisänderungen dient, ist als Preishauptabrede der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen, soweit durch sie der bei Vertragsbeginn geltende Vertragspreis bestimmt wird. Sie stellt dagegen eine der Inhaltskontrolle unterworfene Preisnebenabrede dar, soweit sie künftige, noch ungewisse Preisanpassungen regelt (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 14, 17; BGH NJW 2014, 2715 Tz. 18, 22).
Die gegenteilige Auffassung, wonach eine sowohl für die Berechnung eines im Vertrag nicht bezifferten Anfangspreises als auch für spätere Preisänderungen maßgebliche Preisklausel als eigentliche Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB insgesamt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entzogen sei, wird dem Schutzzweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht gerecht, weil sie es dem Klauselverwender auf leichte Weise ermöglicht, die Inhaltskontrolle zu umgehen. Sie knüpft für die Frage nach der Kontrollfähigkeit einer Preisklausel allein an deren sprachlich-technische Ausgestaltung und nicht an die Funkti on und den Regelungsgehalt der Klausel an. Die Kontrollfähigkeit einer Berechnungsformel für zukünftige Preisänderungen hängt nicht davon ab, ob sich mit derselben Berechnungsformel auch der Anfangspreis ermitteln lässt. Ebenso wenig richtet sich die Kontrollfähigkeit einer solchen Klausel hinsichtlich zukünftiger Preisänderungen danach, ob ein bestimmbarer Anfangspreis vorliegt. Denn die bloße Regelungstechnik ändert nichts an den voneinander abgrenzbaren Funktionen der Berechnungsformel hinsichtlich der Bestimmung des Anfangspreises einerseits und künftiger Preisänderungen andererseits (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 29).
bb) Im Streitfall regeln die Leistungspreiskomponente L/L0 in Ziffer 5.1.1 sowie Arbeits- und Startpreis in den Ziffern 5.1.2 und 5.1.3 zugleich den Vertragspreis zum Lieferbeginn am 1. Januar 2009 und zukünftige Preisänderungen.
Der Leistungspreis L/L0 und der Arbeitspreis berechnen sich unter anderem nach den durchschnittlichen tariflichen Stundenlöhnen für das vorletzte, dem jeweiligen Stromlieferjahr vorausgegangene Kalenderjahr (vgl. Definition der Preiskomponenten L und L0 in Ziffer 5.1.1). Der Arbeitspreis und der Startpreis bestimmen sich unter anderem nach dem durchschnittlichen Importkohlepreis für das letzte, dem jeweiligen Stromlieferquartal vorausgegangene Kalenderquartal (vgl. Definition der Preiskomponenten K und K0 in Ziffer 5.1.2).
Die Preisklausel in Ziffer 5.1 des Vertrages sieht mithin Änderungen des Vertragspreises im Quartalsrhythmus vor und ist daher nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen, soweit sie künftige Preisänderungen regelt, deren Umfang und Höhe bei Vertrags-schluss noch nicht absehbar waren. Insoweit handelt es sich um eine Preisnebenabrede. Nicht kontrollfähig sind hingegen die unter c) genannten von der bezogenen Energiemenge unabhängigen Leistungspreise LP1 und LP2,0. e) Der demnach gebotenen Inhaltskontrolle halten die variablen Preiskomponenten in Ziffer 5.1 des Vertrages jedoch stand. Die Preisregelung benachteiligt die Klägerin insoweit nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
aa) Als unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Klausel angesehen, in der der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH NJW 2013, 856 Tz. 19 – bring-or-pay-Klausel).
Die Feststellung, ob eine Klausel die Grenzen eines angemessenen Interessenausgleichs im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB überschreitet, kann nicht ohne Berücksichtigung der Art des konkreten Vertrags, der typischen Interessen der Vertragschließenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen getroffen werden (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 33).
Bei der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, ist auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und darüber hinaus den Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs angemessen Rechnung zu tragen. Der kaufmännische Rechtsverkehr ist wegen der dort herrschenden Handelsbräuche, Usancen, Verkehrssitten und wegen der zumeist größeren rechtsgeschäftlichen Erfahrung der Beteiligten auf eine stärkere Elastizität der für ihn maßgeblichen vertragsrechtlichen Normen angewiesen als der Letztverbraucher. Innerhalb des kaufmännischen Geschäftsverkehrs sind auch die branchentypischen Interessen der Vertragschließenden zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf, dass im Handelsverkehr Preisklauseln in verschiedenster Ausgestaltung weit verbreitet sind, wird ihre Wirksamkeit im kaufmännischen Geschäftsverkehr nicht denselben strengen Maßstäben unterworfen wie gegenüber Verbrauchern. Im Bereich des Energie- und Wasserrechts deuten auch die Regelungen in § 1 Abs. 2 AVBFernwärmeV, § 1 GasGVV, § 1 StromGVV, § 1 Abs. 2 AVBWasserV darauf hin, dass bei der rechtlichen Beurteilung formularmäßiger Versorgungsbedingungen im unternehmerischen Bereich andere Maßstäbe anzulegen sind als bei Verbraucherverträgen (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 43 f.).
bb) Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten verwendeten Preisregelung im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht zu beanstanden sind.
aaa) Die variablen Preisanpassungsbestimmungen benachteiligen die Klägerin nicht unangemessen.
Da der Vertragspreis vom Marktpreis bewusst abgekoppelt wurde und sich an den Erzeugungskosten eines fiktiven Steinkohlekraftwerks orientieren sollte, war die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht verpflichtet, etwaige tatsächliche Kostensenkungen aufgrund der Beschaffung von Strom zu günstigeren Preisen entweder aus dem konzerneigenen Portfolio oder am Strommarkt und damit verbundene Einsparungen hinsichtlich Vorhalte- und Personalkosten über die Preisanpassungsklauseln auszugleichen.
Von einem regionalen Energieversorger wie der Klägerin ist zu erwarten, dass sie ihre Gestehungskosten sorgfältig kalkuliert und deshalb einer ihr gegenüber verwendeten Preisanpassungsklausel besondere Aufmerksamkeit schenkt. Diese Kostenkalkulation gehört zum Kernbereich kaufmännischer Tätigkeit. Es ist deshalb in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Aufgabe des Unternehmers, selbstverantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob ein langfristiger Stromliefervertrag, der sich an den Erzeugungskosten eines fiktiven Steinkohlekraftwerks orientiert und eine Bindung des Vertragspreises unter anderem an den Importkohlepreis und die durchschnittlichen tariflichen Stundenlöhnen vorsieht, für ihn als Weiterverteilungsunterneh-men akzeptabel ist. Es ist dagegen nicht Aufgabe der Gerichte, die unternehmerische Entscheidung für eine Bindung an die fiktiven Erzeugungskosten eines virtuellen Steinkohlekraftwerks darauf hin zu überprüfen, ob sie sachgerecht ist, und sie gegebenenfalls zu Gunsten des einen Unternehmens sowie zu Lasten des anderen zu korrigieren (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 46).
Allfällige Kostensenkungen werden nach dem Vertrag insbesondere durch die Indexierung des Importkohlepreises berücksichtigt. Dass die Entwicklung des Importsteinkohlepreises – wie anderer Rohstoffe auch – mit Ungewissheiten verbunden und dieser in der Vergangenheit seit Vertragsbeginn tendenziell gestiegen ist, gehört zu den für eine unternehmerische Tätigkeit typischen Risiken, die die Klägerin selbst zu beurteilen und zu tragen hat (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 47).
Zudem ist der Beklagten aufgrund der mathematischen Funktionsweise der Preisgleitklausel kein Ermessen bei Preiserhöhungen eingeräumt. Die Preisanpassungen sind jeglicher Einflussnahme durch die Beklagte entzogen. Preissenkungen auf dem Importkohlemarkt werden nach denselben Maßstäben an die Klägerin weitergegeben wie Preissteigerungen. Eine Befugnis der Beklagten zu Gewinnsteigerungen durch beliebige Preiserhöhungen, die auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr gemäß § 307 Abs. 1 BGB unzulässig wäre (vgl. BGH NJW 2014, 2708 Tz. 49), ist damit ausgeschlossen.
bbb) Selbst bei Annahme ihrer Kontrollfähigkeit würden die lieferunabhängigen Preiskomponenten LP1 und LP2,0 die Klägerin unter Berücksichtigung des ursprünglich festgelegten Äquivalenzverhältnisses und des von beiden Parteien bewusst eingegangenen Risikos steigender bzw. fallender Strom-Großhandelspreise nicht unangemessen benachteiligen.
(1) Die Klägerin ging im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von tendenziell weiter steigenden Strom-Großhandelspreisen aus und wollte sich von diesen unter anderem durch den Abschluss des streitgegenständlichen Stromliefervertrages, dessen Preisbildung sich an den Investitionsund Betriebskosten eines Steinkohlekraftwerks orientiert und vom Großhandelspreis an den Strombörsen abgekoppelt ist, weitgehend unabhängig machen. Ihr Interesse lag darin, langfristig Strom zu kalkulierbaren – fiktiven – Erzeugungskosten zu beziehen. Zur Stromeigenerzeugung (Erdgas, Steinkohle) rechnete sie auch die streitgegenständliche „virtuelle Kraftwerksbeteiligung“.
(2) Die Beklagte schuldet gemäß Ziffer 1 des Vertrages die Lieferung von elektrischer Energie, angelehnt an der Betriebsweise eines (virtuellen) Steinkohlekraftwerks. Sie betreibt dafür selbst kein Steinkohlekraftwerk und ist nach dem Vertrag auch nicht verpflichtet, den zu liefernden Strom aus einem (bestimmten) realen Steinkohlekraftwerk zu liefern, ein Steinkohlekraftwerk zu errichten oder dieses während der Vertragszeit zu betreiben.
Der Beklagten entstehen insofern bei der Erfüllung ihrer vertraglichen Lieferverpflichtung gegenüber der Klägerin keine konkret zuordenbaren Investitions- oder Betriebskosten, die mit dem lieferunabhängigen Jahresleistungspreis unmittelbar korrespondieren. Sie kann daher rein tatsächlich – abhängig von der Liquidität des Strommarktes – die unter dem Vertrag von der Klägerin abrufbare Strommenge auch am Strom-Großhandelsmarkt beziehen. Allerdings ist sie zur Bereitstellung der vertraglich zugesicherten Liefermenge verpflichtet und muss insofern entweder aus den bestehenden konzerneigenen Steinkohlekraftwerken oder über den Zukauf am Strommarkt entsprechende Stromkapazitäten vorhalten.
(3) Die Klägerin hat in der Vergangenheit ihren Strombedarf über den streitgegenständlichen Stromliefervertrag immer dann gedeckt, wenn die Strom-Großhandelspreise über dem Vertragspreis lagen. Zu diesen Zeitpunkten war es jedoch für die Beklagte unwirtschaftlich, ihre Lieferverpflichtung durch Zukauf am Strommarkt zu erfüllen, da sie dann ihrerseits Verluste gemacht hätte. Durch die Abkoppelung des Vertragspreises vom Strom-Großhandelspreis war es der Beklagten verwehrt, in diesen Fällen der Klägerin entsprechende Zusatzkosten in Rechnung zu stellen. Zugleich war die Beklagte aufgrund der Bereitstellungsverpflichtung gehindert, die von der Klägerin abgerufene, in den konzerneigenen Steinkohlekraftwerken erzeugte Strommenge zu höheren Strom-Großhandelspreisen am Markt anzubieten.
Soweit der Vertragspreis jedoch über dem Marktpreis liegt und die Klägerin deshalb ihr vertraglich zugesichertes Bezugskontingent aus dem streitgegenständlichen Vertrag nicht ausschöpft, sondern ihren Strombedarf stattdessen teilweise durch Zukauf über den Großhandelsmarkt deckt, kann sie sich ihrerseits nicht darauf berufen, dass die Beklagte auf den vertraglich vereinbarten lieferunabhängigen Leistungspreis verzichtet.
Da lediglich die Leistungspreise LP1 und LP^0, nicht jedoch Arbeits- und Startpreis lieferunabhängig ausgestaltet sind und der Vertragspreis entsprechend der Interessenslage der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Marktpreis unabhängig und von diesem abgekoppelt sein sollte, benachteiligt der lieferunabhängige Jahresleistungspreis die Klägerin unter Berücksichtigung der Risikoverteilung bei Vertragsschluss nicht unangemessen.
ccc) Die lieferunabhängigen Preiskomponenten LP1 und LP2,0 benachteiligen die Klägerin auch nicht vor dem Hintergrund der Anforderungen des § 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB unangemessen.
Die in den § 309 BGB enthaltenen Wertentscheidungen besitzen auch im Verhältnis zu Unternehmern (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine Indizwirkung und können über § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB im Einzelfall zur Unwirksamkeit der Regelung führen. Unter Berücksichtigung der Inte-ressenslage und der Risikoverteilung bei Vertragsschluss sowie der Bereitstellungsverpflichtung der Beklagten stellt die Klausel in Ziffer 5.1.1 jedoch weder eine Schadenspauschalierung nach § 309 Nr. 5 BGB, noch eine Vertragsstrafe nach § 309 Nr. 6 BGB dar. Sie spiegelt vielmehr nur das zentrale Anliegen beider Vertragsparteien wieder, den Strombezug auf virtueller Erzeugerbasis auszugestalten.
3. Der langfristige Stromliefervertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 18, 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 und Nr. 2 GWB i. V. m. § 134 BGB wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung unwirksam.
Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 8. Februar 2007 eine marktbeherrschende Stellung hatte und Normadres-satin der nach § 19 GWB verbotenen Verhaltensweisen war.
a) Der nach § 18 Abs. 1 GWB sachlich relevante Markt ist im Streitfall nicht der Erstabsatzmarkt für Strom, sondern der Markt für physische und virtuelle Kraftwerksbeteiligungen.
aa) Auszugehen ist bei der sachlichen Marktabgrenzung von dem Bedarfsmarktkonzept. Danach sind dem relevanten (Angebots-)Markt alle Produkte zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (vgl. BGH NJW-RR 2009, 264 Tz. 15 – E./Stadtwerke Eschwege).
bb) Zwar ist bei der Lieferung von Strom durch stromerzeugende Unternehmer an Weitervertei-lungsunternehmen wie die Klägerin grundsätzlich auf den Erstabsatzmarkt für Strom abzustellen. Eine Marktabgrenzung ist fehlerhaft, wenn sie dazu führt, dass Erzeuger und Weiterverkäufer auf eine Handelsstufe gestellt werden, obwohl die gesamte gehandelte Ware von den Erzeugern in den Verkehr gebracht worden ist. Für die Marktabgrenzung auf den Strommärkten kommt es daher darauf an, welche Strommengen „körperlich“ angeboten werden. Deshalb besteht ein Erstabsatzmarkt für Strom, auf dem allein die stromerzeugenden und -importierenden Unternehmen als Anbieter auftreten. Bloße Stromgroßhändler gehören nicht zu den Anbietern auf diesem Markt (vgl. BGH a.a.O. Tz. 18 – E./Stadtwerke Eschwege).
cc) Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass sich die Klägerin von den StromGroßhandelspreisen gerade unabhängig machen und deshalb ihre Erzeugungskapazitäten ausbauen wollte. Ihr Bedarf bestand gerade nicht nur darin, Strom zu beziehen, um ihn an die Endkunden weiterzuleiten.
Ihr Bedarf ging vielmehr dahin, eigene Stromerzeugungskapazitäten entweder durch physische Beteiligungen an realen Kraftwerken oder durch den Erwerb von virtuellen Kraftwerksscheiben aufzubauen und dadurch in die Erzeugerposition zu gelangen. Neben dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages hat sie sich daher an dem modernen Gas- und Turbinenkraftwerk Irsching 5 beteiligt. Zugleich beabsichtigte sie in den Jahren 2005 bis 2006, sich an einem modernen Steinkohle-Kraftwerksprojekt der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW) zu beteiligen, wovon sie jedoch Anfang des Jahres 2007 endgültig Abstand nahm. Die bloße Nachfrage nach Elektrizität zu Großhandelsbedingungen kam für die Klägerin daher nicht in Betracht. Sie fragte ausschließlich physische oder virtuelle Kraftwerksbeteiligungen nach. Das Merkmal des Bezugs von Strom auf Eigenerzeugerbasis durch entsprechende Kraftwerksbeteiligungen war deshalb so charakteristisch, dass es nicht mit einem Strombezug auf den Stromhandelsbörsen austauschbar war (vgl. BGH NJW-RR 2010, 392 Tz. 20, 22 – Reisestellenkarte).
b) Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. der E.-Konzern eine marktbeherrschende Stellung als Anbieter auf dem Markt für physische und virtuelle Kraftwerksbeteiligungen hat.
Nach ihrem eigenen Vortrag boten im Verhandlungszeitraum zwischen 22. September 2005 und 8. Februar 2007 neben den vier großen deutschen Energieunternehmen E., RWE, EnBW und Vattenfall der Regionalversorger Kraftwerke Mainz Wiesbaden (KMW), die beiden ausländischen Unternehmen Electrabel (heute Gd Suez) und Dong sowie die beiden Stadtwerkekooperationen Trianel und SüdWestStrom physische und/oder virtuelle Kraftwerksbeteiligungen an.
Gemäß dem Finanzreport des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) vom Mai 2007 gab es am Markt zum damaligen Zeitpunkt mehrere Beteiligungsprojekte, die entweder von einem der etablierten großen Kraftwerksbetreiber oder von neuen Marktteilnehmern, in der Regel Kooperationsgesellschaften, angeboten bzw. entwickelt wurden. In diesem Finanzreport waren als derartige Projekte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) das STEAG Steinkohlekraftwerk Herne 5, das Trianel Power GuD-Kraftwerk Hamm-Uentrop, das Trianel Steinkohlekraftwerk Lünen, das RWE Steinkohlekraftwerk Westfalen, das SüdWestStrom Steinkohlekraftwerk Brunsbüttel, das E. Energie/N-Ergie/Mainova Gas- und Turbinenkraftwerk Ir-sching 5 sowie virtuelle Kraftwerksscheiben von E., EnBW und RWE aufgeführt (vgl. Anlage CBH 24, Seite 7).
Die konkreten Marktanteile von E. bzw. dem Duopol E./RWE als Anbieter auf dem Markt für physische und virtuelle Kraftwerksbeteiligungen hat die Klägerin nicht dargetan. Es kann daher nicht von einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. § 18 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 GWB im Jahr 2007 ausgegangen werden.
4. Der langfristige Stromliefervertrag ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB i. V. m. § 134 BGB unwirksam.
Danach ist es einem Unternehmen verboten, als Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas (Versorgungsunternehmen) auf einem Markt, auf dem es allein oder zusammen mit anderen Versorgungsunternehmen eine marktbeherrschende Stellung hat, diese Stellung missbräuchlich auszunutzen, indem es Entgelte fordert, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten.
a) Der Anwendungsbereich des § 29 GWB ist eröffnet. Dieser wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 eingeführt und war ab 22. Dezember 2007 gültig. In § 131 Abs. 7 GWB a.F. war zwar angeordnet, dass § 29 GWB nach dem 31. Dezember 2012 nicht mehr anzuwenden ist. Durch die 8. GWB-Novelle 2012/2013 vom 26. Juni 2013 wurde die Frist gemäß § 131 Abs. 1 GWB bis zum 31. Dezember 2017 verlängert. Danach war § 29 GWB lediglich zwischen 1. Januar 2013 und 26. Juni 2013 unanwendbar (vgl. Bechtold/Bosch, Kartellgesetz GWB, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 4; § 131 Rn. 2).
b) Ob Marktbeherrschung i. S. d. § 29 GWB vorliegt, richtet sich nach § 18 GWB (vgl. Bechtold/Bosch, a.a.O., § 29 Rn. 8). Auch insoweit hat die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf dem Markt für physische und virtuelle Kraftwerksbeteiligungen jedoch nicht dargetan.
c) Im Übrigen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten Entgelte gefordert hat, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten. Denn insoweit ist nicht isoliert auf den lieferunabhängigen Jahresleistungspreis abzustellen, sondern auf die gesamte Preisklausel mit Arbeits- und Startpreis. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gingen beide Parteien davon aus, dass die Gestehungskosten aus dem streitgegenständlichen Vertrag bei Lieferbeginn zum 1. Januar 2009 unterhalb des Strom-Großhandelspreises liegen würden. Die Entwicklung des Marktpreises war zu diesem Zeitpunkt unsicher. Für die Rechtsvorgängerin der Beklagten bestand das Risiko, dass die Marktpreise weiter steigen, womit insbesondere die Klägerin rechnete. Die Vereinbarung eines lieferunabhängigen Leistungspreises, in dem die – fiktiven – Investitionskosten eines Steinkohlekraftwerks nachgebildet sein sollten, erscheinen ungeachtet der konkreten Berechnungskalkulation jedenfalls im Rahmen des Gesamtpreises aus damaliger Sicht nicht unangemessen hoch.
5. Einen Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB – wie vom Landgericht thematisiert – hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan.
6. Der Stromliefervertrag ist auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 5, Art. 2 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1227/2011 vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes (REMIT-VO) i. V. m. § 134 BGB ex nunc nichtig.
a) Gemäß Art. 5 REMIT-VO sind die Vornahme oder der Versuch der Vornahme von Marktmanipulation auf den Energiegroßhandelsmärkten untersagt. „Marktmanipulation“ ist nach Art. 2 Abs. 2 a) ii) REMIT-VO der Abschluss einer Transaktion oder das Erteilen eines Handelsauftrags für Energiegroßhandelsprodukte, der bzw. die den Preis eines oder mehrerer Energiegroßhandelsprodukte durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflusst oder zu beeinflussen versucht, dass ein künstliches Preisniveau erzielt wird, es sei denn, die Person, welche die Transaktion abgeschlossen oder den Handelsauftrag erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe dafür hatte und dass diese Transaktion oder dieser Handelsauftrag nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden Energiegroßhandelsmarkt verstößt.
b) Es kann dahinstehen, ob das erst nach Abschluss des streitgegenständlichen langfristigen Stromliefervertrags in Kraft getretene Verbot der Marktmanipulation ausnahmsweise zu einer Unwirksamkeit ex nunc führt. Auch wenn sich die Wirksamkeit eines Vertrags grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht richtet, können Verbotsgesetze bereits wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse in der Weise erfassen, dass sie ex nunc unwirksam werden. Dies setzt voraus, dass das Verbotsgesetz die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit nach seinem Sinn und Zweck erfordert. Dies ist beispielsweise für das Kartellverbot nach § 1 GWB der Fall (vgl. BGH WRP 2003, 1131, 1133).
Eine Marktmanipulation durch Schaffung eines künstlich überhöhten Preisniveaus liegt im Streitfall nicht vor.
Nach Erwägungsgrund 13 der REMIT-VO bedeutet eine Manipulation auf den Energiegroßhandelsmärkten, dass Maßnahmen von Personen getroffen werden, mit denen künstlich für ein Preisniveau gesorgt wird, das durch die Marktkräfte von Angebot und Nachfrage, einschließlich tatsächlicher Verfügbarkeit der Produktions-, Speicherungs- oder Transportkapazität und -nachfrage, nicht gerechtfertigt ist. Zu Marktmanipulationen zählen die Erteilung oder Zurückziehung falscher Aufträge; die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen oder Gerüchten über die Medien einschließlich Internet oder auf anderem Wege; die vorsätzliche Übermittlung falscher Informationen an Unternehmen, die Preisbewertungen oder Marktberichte enthalten, mit der Folge, dass Marktteilnehmer, die aufgrund dieser Bewertungen und Berichte tätig werden, irregeführt werden; und das vorsätzliche Erwecken des Anscheins, dass die verfügbare Stromerzeugungskapazität oder die verfügbare Erdgaskapazität oder die verfügbare Transportkapazität eine andere als die tatsächlich technisch verfügbare Kapazität ist, wenn solche Informationen die Preise für Großhandelsenergieprodukte beeinflussen oder wahrscheinlich beeinflussen werden. Die Marktmanipulationen und ihre Auswirkungen können über Grenzen hinweg, zwischen Strom- und Gasmärkten und auf Finanz- und Warenmärkten einschließlich der Märkte für Emissionszertifikate auftreten.
Danach kann von einer Marktmanipulation der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht ausgegangen werden. Die Preisbildung anhand der (fiktiven) Kosten eines virtuellen Steinkohlekraftwerks stellt zwar einen künstlichen Preisbildungsmechanismus dar. Allerdings ist es nicht Sinn und Zweck der REMIT-VO, zwischen zwei Vertragspartnern bilateral vereinbarte Strompreise auf ihre Angemessenheit zu kontrollieren und Verträge, die einen marktpreisunabhängigen Preisbildungsmechanismus vorsehen, grundsätzlich zu verbieten. Andernfalls wäre jede Preisvereinbarung verboten, die vom aktuellen Marktpreis abweicht.
Die Klägerin ist bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass die Strom-Großhandelspreise weiter steigen würden und wollte sich von diesen unabhängig machen. Im Falle des Eintritts dieser Erwartung hätte sie von der vereinbarten Preisbildung profitiert und Strom zu günstigeren Preisen als auf der Strombörse einkaufen können. Sie hat nicht dargetan, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten falsche oder irreführende Informationen zur Entwicklung der StromGroßhandelspreise erteilt hat; Anhaltspunkte für ein solches manipulatives Vorgehen sind auch nicht ersichtlich.
III.
Die Klage ist jedoch begründet, soweit die Klägerin im Klageantrag Ziffer 5. hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit der Preisklausel gemäß Ziffer 5.1 des langfristigen Stromliefervertrages aufgrund eines Verstoßes gegen das Preisklauselverbot des § 1 Abs. 1 Preisklauselgesetz (PrklG) geltend macht. Auch dieser Hilfsantrag ist in der Berufung angefallen. Insoweit war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
1. Das Preisklauselgesetz in der Fassung vom 7. September 2007, gültig seit 14. September 2007, ist gemäß § 9 Abs. 2 PrKlG anwendbar. Danach sind lediglich auf Preisklauseln, die bis zum 13. September 2007 vereinbart worden sind und deren Genehmigung bis dahin beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle beantragt worden ist, die bislang geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat eine entsprechende Genehmigung jedoch nicht beantragt.
2. Die Preisklausel gemäß Ziffer 5.1 des langfristigen Stromliefervertrages vom 8. Februar 2007 verstößt gegen § 1 Abs. 1 PrKlG.
Diese Vorschrift enthält ein Verbot für Klauseln, die die Höhe einer Geldschuld an einen mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbaren Maßstab binden und bei Änderung der Bezugsgröße eine unmittelbare und selbständige Anpassung vorsehen. Erfasst werden damit automatisch wirkende Gleitklauseln bzw. „Indexklauseln“.
Bei der Preisklausel in Ziffer 5.1 des Vertrages handelt es sich um eine solche Indexklausel. Sie bindet die Höhe der Geldschuld an einen mit der vereinbarten Lieferung von Strom nicht vergleichbaren Maßstab, nämlich an den Index für tarifliche Stundenlöhne, den Importkohlepreis, den Durchschnittswert an Einheiten US-Dollar je Euro und den Durchschnittspreis für EUEmissionsberechtigungen.
Zwar schuldet die Beklagte gemäß Ziffer 1 des Vertrages die Lieferung von elektrischer Energie, angelehnt an die Betriebsweise eines Steinkohlekraftwerks, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden erforderlichen Handlungen; die Lieferung orientiert sich gemäß Ziffer 2 des Vertrages an den technischen Rahmenbedingungen eines Steinkohlekraftwerkes.
Allerdings ist die Beklagte, die selbst kein Steinkohlekraftwerk betreibt, nach dem Vertrag nicht verpflichtet, den zu liefernden Strom aus einem (bestimmten) realen Steinkohlekraftwerk zu liefern. Sie ist auch nicht verpflichtet, ein Steinkohlekraftwerk zu errichten und dieses während der Vertragszeit zu betreiben. In der achten Zusatzvereinbarung vom 8./11. Mai 2012 wurde dementsprechend in Ziffer 1 auch klargestellt, dass der Stromliefervertrag weder hinsichtlich der Belieferung auf ein bestimmtes reales Steinkohlekraftwerk Bezug nimmt noch die Lieferung der elektrischen Energie an ein bestimmtes reales Steinkohlekraftwerk gekoppelt ist. Soweit die Beklagte in der Vergangenheit tatsächlich in Steinkohlekraftwerken des E.-Konzern erzeugten Strom geliefert hat (vgl. Bestätigungen zur Stromkennzeichnung, Anlagen B 23, B 24 und B 25), war sie hierzu vertraglich nicht verpflichtet. Da die Beklagte der Klägerin auch über den Strom-Großhandelsmarkt bezogenen Strom liefern könnte, bindet die Indexklausel in Ziffer 5.1 des Vertrages die Höhe der Geldschuld an einen mit der vereinbarten Leistung (Lieferung von Strom) nicht vergleichbaren Maßstab, nämlich an den Index für tarifliche Stundenlöhne, den Importkohlepreis, den Durchschnittswert an Einheiten US-Dollar je Euro und den Durchschnittspreis für EU-Emissionsberechtigungen.
3. Die Preisklausel ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 PrKlG zulässig.
Danach gilt das Preisklauselverbot nach § 1 Abs. 1 PrKlG nicht für Klauseln, bei denen die in ein Verhältnis zueinander gesetzten Güter oder Leistungen im Wesentlichen gleichartig oder zumindest vergleichbar sind (Spannungsklauseln) oder nach denen der geschuldete Betrag insoweit von der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter oder Leistungen abhängig gemacht wird, als diese die Selbstkosten des Gläubigers bei der Erbringung der Gegenleistung unmittelbar beeinflussen (Kostenelementeklauseln).
a) Eine Kostenelementeklausel nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKlG liegt im Streitfall nicht vor. Da die Beklagte selbst kein eigenes Steinkohlekraftwerk betreibt und vertraglich nicht verpflichtet ist, den zu liefernden Strom aus einem (bestimmten) realen Steinkohlekraftwerk zu liefern, wird der geschuldete Betrag nach Ziffer 5.1 nicht von der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter oder Leistungen abhängig gemacht wird, die die Selbstkosten der Beklagten bei der Erbringung der Gegenleistung unmittelbar beeinflussen.
b) Bei der streitgegenständlichen Preisanpassungsklausel handelt es sich auch nicht um eine Spannungsklausel im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKlG. Spannungsklauseln sind Vereinbarungen, die die Höhe der Geldschuld vom künftigen Preis oder Wert gleichartiger oder zumindest vergleichbarer Güter oder Leistungen abhängig machen.
Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere der Index der tariflichen Stundenlöhne in der gewerblichen Wirtschaft und bei Gebietskörperschaften unter der variablen Komponente L0, der im Jahresleistungspreis (Ziffer. 5.1.1) und im Arbeitspreis (Ziffer 5.1.2) enthalten ist, stellt keinen Bezug zur vereinbarten Stromlieferung her. Auch der Importkohlepreis, der Durchschnittswert an Einheiten US-Dollar je Euro und der Durchschnittspreis für EU-Emissionsberechtigungen sind mit der vertraglich vereinbarten Stromlieferung nicht vergleichbar.
4. Eine Ausnahme vom Preisklauselverbot nach § 1 Abs. 1 PrKlG ergibt sich im Streitfall auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1, §§ 3 bis 7 PrKlG.
5. Gemäß § 8 Satz 1 PrKlG tritt die Unwirksamkeit der Preisklausel erst zum Zeitpunkt des rechtskräftig festgestellten Verstoßes ein. Die Rechtswirkungen der Preisklausel bleiben bis zum Zeitpunkt der Unwirksamkeit unberührt; diese tritt mit Rechtskraft ex nunc ein (vgl. § 8 Satz 2 PrKlG).
Die Unwirksamkeit betrifft entsprechend dem hilfsweise gestellten Klageantrag Ziffer 5. nur die Preisklausel nach Ziffer. 5.1. des Vertrages, nicht aber den Gesamtvertrag (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, Anhang zu § 245 BGB, § 8 PrKlG Rn. 1). Die Vorschrift des § 139 BGB, wonach die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts im Zweifel zur Gesamtnichtigkeit führt, ist unanwendbar, wenn sich aus der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung oder dem Gesetzeszweck eine abweichende Regelung ergibt. Wird gegen ein Gesetz verstoßen, das eine Vertragspartei vor bestimmten nachteiligen Klauseln schützen soll, so beschränkt sich die Nichtigkeit nach dem Zweck der Verbotsnorm auf die verbotene Klausel, das Geschäft im Übrigen bleibt wirksam (vgl. Grüneberg in: Palandt, a.a.O., § 139 BGB Rn. 18).
So liegt es auch beim vorliegenden Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PrKlG, der insofern eine vorrangige abweichende Regelung i. S. d. § 139 BGB darstellt. Die Parteien sind gemäß §§ 313, 242 BGB verpflichtet, die unwirksam werdende Klausel durch eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Regelung zu ersetzen (vgl. Grüneberg in: Palandt, a.a.O., Anhang zu § 245 BGB, § 8 PrKlG Rn. 1).
IV.
Der nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichte nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 15. Dezember 2016 sowie die nicht nachgelassenen Schriftätze der Klä gerin vom 10. und 24. Februar 2017 boten keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO).
C.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 101 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Da die Unwirksamkeit der Preisklausel gemäß § 8 Satz 1 PrklG erst zum Zeitpunkt des rechtskräftig festgestellten Verstoßes eintritt, ist das Urteil in Ziffer I. nicht vorläufig vollstreckbar.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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