Europarecht

Streit um Zulassung von Taxistandplatz

Aktenzeichen  M 23 K 14.5849

Datum:
6.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PBefG PBefG § 8 Abs. 3, § 9 Abs. 1, § 47 Abs. 1, Abs. 3 S. 3 Nr. 1
StVO StVO § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 1
TaxiO § 2 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits mangels auch nur möglicher Klagebefugnis des Klägers unzulässig ist (§ 42 Abs. 2 VwGO).
Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss nach dem Vorbringen des Klägers die Verletzung seiner Rechte möglich sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die vom Kläger behaupteten Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen können. Ob der Kläger nach seinem zu substantiierenden Vorbringen in seinen Rechten verletzt sein kann, ist dabei nach den Vorschriften des materiellen Rechts zu beurteilen (BVerwG, U.v. 20.4.1994 – 11 C 17/93 – juris m.w.N.).
Dies berücksichtigend, ist es vorliegend auszuschließen, dass der Kläger durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten, die zwei begehrten Taxibedarfsstandplätze am … und in der … nicht einzurichten, in eigenen Rechten i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO verletzt werden kann bzw. ist ein Anspruch des Klägers auf Einrichtung der Bedarfsstandplätze nicht denkbar.
Eine eindeutige gesetzliche Regelung über die Zulässigkeit der (zusätzlichen) Einrichtung von solchen streitgegenständlichen Bedarfsstandplätzen existiert nicht. Die Beklagte beruft sich insoweit in ihrer Praxis auf § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 11 StVO in Verbindung mit § 2 Abs. 2 ihrer Verordnung über das Taxigewerbe (TaxiO), wonach u.a. Plätze zur Bereithaltung an zusätzlichen Stellen zu bestimmten Zeiten festgelegt werden können. Diese zusätzlichen Stellen wurden von der Beklagten als Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 11 StVO in Form einer Allgemeinverfügung bekannt gemacht.
Die Rechtsgrundlage der Taxiordnung dürfte ausschließlich in § 47 Abs. 3 PBefG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 4 ZustV zu sehen sein. Die Berufung der Beklagten auf die Regelung in § 46 StVO i.V.m. § 2 TaxiO erscheint daher fraglich, ist vorliegend aber nicht streitentscheidend.
Möglich erscheint, dass § 47 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 PBefG selbst auch zur Einrichtung solcher (unbeschilderten) Bedarfsstandplätze ermächtigt, mit welchen dem Taxifahrer eine Befreiung von dem grundsätzlichen Verbot aus § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG, Taxis außerhalb zugelassener Standplätze im Gemeindegebiet bereitzuhalten, erteilt wird.
Ein subjektiv-öffentliches Recht des Klägers auf einen zusätzlichen Bedarfsstand Platz ergibt sich aus diesen Regelungen des Personenbeförderungsrechts jedoch zweifelsohne nicht. Vielmehr ist die Einrichtung von Taxistandplätzen – wie auch die vorliegende begehrte Einrichtung von Taxibedarfsstandplätzen – gemäß § 47 PBefG eine öffentlich-rechtliche Pflicht der Gemeinden, im Interesse der Öffentlichkeit für ausreichende Taxistandplätze zu sorgen. Zwar gewährt § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG einen Rechtsanspruch des Taxifahrers auf Benutzung der behördlich eingerichteten Taxistandplätze. Es lässt sich daraus aber weder für einen Taxiunternehmer noch für einen angestellten Taxifahrer ein subjektives Recht darauf ableiten, dass an einer bestimmten Stelle ein Taxistand Platz errichtet wird oder bestehen bleibt (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 11 CE 16.219; OVG Koblenz, U.v. 17.9.1985 – 7 A 21/85 – juris). Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus Art. 12 GG, welcher die Berufswahlfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit gewährt. Die Berufsausübung kann dabei nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz geregelt werden und gebietet es allenfalls, dass in einer größeren Gemeinde überhaupt Taxistandplätze eingerichtet werden, damit die Taxiunternehmer ihrer Betriebspflicht nach § 21 PBefG nicht nur vom Betriebssitz, sondern auch von einem Taxistand Platz aus nachkommen können (BayVGH, a.a.O.). Ungeachtet dessen könnten allenfalls einem selbständigen Taxiunternehmer öffentlich-rechtliche Abwehransprüche nach dem Personenbeförderungsrecht zustehen (z.B. im Falle der behördlichen Einschränkung des Befahrens von Taxistandplätzen, vgl. BayVGH, B.v. 25.6.007 – 11 ZB 06.1223 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze können vorliegend durch die behördliche Ablehnung der beantragten zwei Bedarfsstandplätze keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Klägers, der als angestellter Taxifahrer tätig ist, berührt sein, ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Einrichtung. Die Klage ist daher mangels Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig.
Selbst wenn der behördlichen Praxis der Beklagten, wonach das Einrichten eines Bedarfsstandplatzes als Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach dem Straßenverkehrsrecht (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 11 StVO) gesehen wird, gefolgt und damit eine Klagebefugnis des Klägers nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht von vornherein ausgeschlossen wäre, wäre die Klage jedenfalls unbegründet, da dem Kläger mangels Vorliegens der materiellen Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO kein Anspruch auf die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung zustünde, § 113 Abs. 5 VwGO.
Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen, u.a. von den Halt- und Parkverboten nach § 12 Abs. 4 StVO (Nr. 3) und von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen, Richtzeichen, Verkehrseinrichtungen oder Anordnungen nach § 45 Abs. 4 StVO erlassen sind (Nr. 11). Die Erteilung solcher straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigungen steht hiernach im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde. Die Ermessensentscheidung kann das Gericht nur eingeschränkt dahingehend überprüfen, ob die Ablehnung der beantragten Ausnahmegenehmigung deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte die ihr vorgegebenen gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 114 Satz 1 VwGO. Ein Anspruch auf Genehmigung bestünde lediglich in der Ausnahmesituation einer Ermessensreduzierung auf Null.
Hiervon ausgehend lässt sich vorliegend weder feststellen, dass die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hat noch eine Rechtspflicht zum Handeln bestünde. Geht es um eine Entscheidung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 VwGO, muss die Straßenverkehrsbehörde bei der Ausübung ihres Ermessens den mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Interessen die besonderen Belange der vom Verbot Betroffenen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegenüberstellen. Dabei wird das Ermessen im Sinne einer bundeseinheitlichen gleichmäßigen, am Gesetzeszweck orientierten Anwendung durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) „zentralgebunden“, die eine besondere Dringlichkeit des Ausnahmefalls unter Anwendung eines strengen Maßstabs voraussetzt (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2007 – 11 ZB 06.279 – juris; Nr. I. VwV-StVO zu § 46, abgedruckt bei Jagusch/Henschel, Straßenverkehrsrecht, § 46, Rn 3 ff.). Die Erteilung solcher Ausnahmegenehmigungen ist – deren Charakter entsprechend – somit restriktiv zu handhaben. Eine unkontrollierte Ausweitung würde die Gefahr in sich bergen, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Regelfall wird. Darüber hinaus sind an den Nachweis besonderer Dringlichkeit strenge Anforderungen zu stellen (Nr. I VwV-StVO zu § 46).
Eine solche unbedingte Erforderlichkeit einer Ausnahmegenehmigung für den Kläger mit dem Zweck, sein Fahrzeug außerhalb der gekennzeichneten Taxistandplätze bereithalten zu dürfen, ist vorliegend keinesfalls ersichtlich und demzufolge von der Beklagten zu Recht abgelehnt. Dem Kläger ist es möglich, die im Stadtgebiet der Beklagten zahlreich vorhandenen Taxistandplätze zu nutzen und dort sein Fahrzeug bereitzuhalten. Dies gilt insbesondere für die Örtlichkeit am …, wo in nur wenigen 100 m von der benannten Bar „…“ bereits ein Taxistand Platz eingerichtet ist. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die in München vorhandenen Taxi- und Taxibedarfsstandplätze einschließlich sonstiger Beförderungsaufträge (z.B. während der Fahrt oder am Betriebssitz, § 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG) für den Kläger als angestellten Taxifahrer nicht ausreichen, um die für seine Existenzsicherung notwenigen Verdienste zu erzielen. Im Gegenteil trägt der Kläger vor, dass es ihm vorliegend darum geht, durch weitere Bereithaltungsmöglichkeiten zahlungskräftige Fahrgäste dazuzugewinnen und auf diese Weise seine Umsatzbeteiligung zu steigern. Dieses Interesse genügt für eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO jedoch nicht, denn es besteht kein Anspruch darauf, dass Gesetze dergestalt vollzogen werden, dass eine Gewinnerzielungsmöglichkeit eröffnet wird (Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, 2016, § 46 StVO, Rn. 21).
Sofern der Kläger überdies geltend macht, ein angemessener Kundenservice gebiete es, Fahrgästen zusätzlich zu bereits in Fußnähe existierenden Taxistandplätzen unmittelbar vor den Lokalen weitere Bedarfsstandplätze anzubieten, resultiert hieraus keineswegs eine dringende Erforderlichkeit im oben genannten Sinn. Zudem handelt es sich hierbei lediglich um Interessen Dritter, die der Kläger im hiesigen Klageverfahren ohnehin nicht im eigenen Namen geltend machen kann.
Darüber hinaus teilt das Gericht insbesondere nach Einsicht der vom Kläger überreichten Videos die sowohl seitens der Beklagten nach Rücksprache mit dem Polizeipräsidium München als auch seitens der … (vgl. Stellungnahme vom 11.9.2014) geäußerten Bedenken, dass gerade das Bereithalten von Taxis auf Höhe der … angesichts des kurvigen, unübersichtlichen, engen und schlecht beleuchteten Straßenverlaufs zu einer riskanten Verkehrsgefährdung führen kann, welche bereits dem unbedingten Erfordernis einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO zuwiderläuft.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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