Europarecht

Tötungsanordnung für an Tuberkulose erkrankte Rinder

Aktenzeichen  Au 1 S 19.496

Datum:
10.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15650
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
TierGesG § 6 Abs. 1 Nr. 20, § 37 Nr. 5, § 38 Abs. 11
RindTbV § 4a Nr. 1, § 18a
VwZVG Art. 32, Art. 34 S. 2, Art. 36 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Soweit Tiere mehrere Halter haben, treffen die Pflichten aus dem Tierseuchenrecht jeden Halter einzeln, so dass auch jeder Halter zur Erfüllung der Pflichten herangezogen werden kann. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das öffentliche Interesse an einer voraussichtlich rechtmäßigen Eindämmung einer sich bereits ausgebreiteten Tierseuche wiegt schwerer als der anerkennenswerte Wunsch des Tierhalters, kein Tier töten zu lassen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die anstehende Tötung eines positiv auf Rindertuberkulose getesteten Rindes.
Der Antragsteller führt eine landwirtschaftliche Betriebsstätte im Oberallgäu und wird beim Amt für Landwirtschaft Kempten als Betriebsinhaber geführt. Auf dem Anwesen werden derzeit 18 Rinder gehalten. Die Antragstellerin gibt im vorliegenden Verfahren an, Eigentümerin und alleinige Halterin der Rinder zu sein. In der Rinderdatenbank ist der Antragsteller als Tierhalter erfasst. Auch in der Fachdatenbank für das Veterinärwesen ist der Antragsteller als Verantwortlicher für den landwirtschaftlichen Betrieb gemeldet. Mit Erklärung vom 5. Februar 2018 wurde die Antragstellerin vom Antragsteller bevollmächtigt, gegenüber dem Landratsamt … Entscheidungen, Willenserklärungen etc. hinsichtlich des Tierbestandes abzugeben.
Im Februar 2018 wurde durch das Veterinäramt des Landratsamtes … bei sämtlichen Rindern in dem landwirtschaftlichen Betrieb der Antragsteller eine Tuberkuloseuntersuchung durchgeführt und bei einem Tier Rindertuberkulose nachgewiesen. Am 15. und 18. Mai 2018 erfolgte die erste Nachuntersuchung, bei der 23 Rinder getestet wurden. Von neun der aufgrund der Hautreaktion (Ablesen der Hautdickenzunahme) am 27. Juni 2018 getöteten Tiere wurde bei sieben Rindern Tuberkulose nachgewiesen. Die gegen die Tötungsanordnung gerichteten Klageverfahren wurden in der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2019 für erledigt erklärt (Au 1 K 18.885, Au 1 K 18.887). In diesem Rahmen gab die Antragstellerin an, der Antragsteller habe für die neun getöteten Tiere die Entschädigungen der Tierseuchenkasse erhalten.
Mit Bescheid vom 12. März 2019 verpflichtete das Landratsamt … den Antragsteller, 18 Tiere aus seinem Rinderbestand auf TBC mittels intrakutanem Tuberkulintest (in Form des Simultantests) untersuchen zu lassen. Die Untersuchung wurde am 19. März 2019 durchgeführt. Bei der Ablesung der Hautreaktion am Freitag 22. März 2019 ergab sich bei dem streitgegenständlichem Rind eine positive Hautreaktion.
Mit Anordnung vom 25. März 2019 verpflichtete das Landratsamt … den Antragsteller, das Tier mit positiver Hautreaktion töten zu lassen (Ziffer I.). Er wurde aufgefordert, das Tier zum Zwecke der Tötung fixiert in der Stallung bereit zu halten und zum Abtransport zur Tötung an die Tierkörperbeseitigungsanstalt K* … an den Vertreter des Veterinäramts … sowie an die Mitarbeiter des beauftragten Transportunternehmens herauszugeben. Alternativ sei das betreffende Tier durch einen beauftragten Tierarzt zu euthanasieren und zum Abtransport an den Vertreter des Veterinäramts … sowie die Mitarbeiter des beauftragten Transportunternehmens herauszugeben (Ziffer II.). Für die Durchführung der angeordneten Tötung werde der 3. April 2019, 8:00 Uhr bestimmt (Ziffer III.). Für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung zur Tötung der betroffenen Kuh nicht nachkomme in der Form, dass das betroffene Tier bzw. der Tierkörper am 3. April 2019, 8:00 Uhr, wie unter Ziffer II angeordnet, nicht bereit stehe und herausgegeben werde, werde das Landratsamt … die Entnahme des Tiers aus dem Betrieb auf Kosten des Betriebsinhabers durchführen. Die Ersatzvornahme werde insoweit angedroht. Die Kosten der Ersatzvornahme würden vorläufig auf 250,00 EUR veranschlagt (Ziffer IV.). Für den Fall, dass gegen die unter Ziffer IV. angedrohte Ersatzvornahme Widerstand geleistet oder die Durchführung behindert werde, werde die Entnahme des betroffenen Rindes durch das Landratsamt … durch Anwendung des unmittelbaren Zwangs vollzogen (Ziffer V). Die Antragstellerin wurde verpflichtet, die unter den Ziffern I. mit IV. getroffenen Anordnungen zu dulden (Ziffer VI.). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das positiv getestete Tier gem. § 4a der Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes (RindTbV) zwingend zu töten sei. Dies stünde nicht im Ermessen der Behörde. Der Ablauf der Tötung werde zur Erleichterung der Betroffenen durch das Veterinäramt … organisiert. Alternativ könne auch der Antragsteller die Tötung organisieren und das Landratsamt organisiere nur die Abholung. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die erforderliche Unterstützung nicht geleistet werde und die Tiere dem Veterinäramt … nicht übergeben werden, sei die Ersatzvornahme anzudrohen gewesen. Eine Zwangsgeldandrohung ließe nicht erwarten, dass die Maßnahme zeitnah umgesetzt werden könnte. Als möglicherweise folgebedingtes weiteres Zwangsmittel sei unmittelbarer Zwang angedroht worden.
Gegen die anstehende Tötung der Rinder ließen die Antragsteller am 9. April 2019 einen Eilantrag stellen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei an den falschen Adressaten gerichtet, da nicht der Antragsteller, sondern die Antragstellerin Halterin und Eigentümerin des Tieres sei. Zudem sei der Test nicht lege artis durchgeführt worden, so dass ein fehlerhaftes Ergebnis wahrscheinlich sei.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25.3.2019 (Az. SG-34-560/Ba) wird angeordnet.
Der Antragsgegner äußerte sich nicht zum Verfahren.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist einerseits die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 37 Nr. 5 TierGesG) sofort vollziehbare Tötungsanordnung samt der Mitwirkungshandlungen und der Duldung begleitender Maßnahmen (Ziffern I. bis III. des Bescheids vom 25.3.2019). Der Antrag richtet sich weiter gegen die Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer IV. des Bescheids vom 25.3.2019) sowie gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs für den Fall des Widerstands gegen die Ersatzvornahme (Ziffer V. des Bescheids vom 25.3.2019), die als Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung von Gesetzes wegen ebenso sofort vollziehbar sind (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21 a VwZVG). Zuletzt richtet sich der Antrag gegen die in Ziffer VI. verfügte Duldungsanordnung gegenüber der Antragstellerin.
2. Der Antrag ist unbegründet, da überwiegende Interessen der Antragsteller nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben sind.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen der Antragsteller und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessensabwägung vorliegend zu Ungunsten der Antragsteller aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Tötungsanordnung sowie der Androhung der Ersatzvornahme und des unmittelbaren Zwangs.
Die gegen die Tötungsanordnung und die Duldungsanordnung zu richtende Klage wird aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, da die Tötungsanordnung und die Duldungsanordnung rechtmäßig sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die Anordnung der Maßnahmen in Ziffern I. bis V. des streitgegenständlichen Bescheids konnte an den Antragsteller als richtigen Adressaten gerichtet werden. Aufgrund der summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller zumindest auch der Halter der Tiere ist. Dieser ist beim Amt für Landwirtschaft Kempten als Betriebsinhaber geführt, in der Rinderdatenbank als Tierhalter erfasst und auch in der Fachdatenbank für das Veterinärwesen als Verantwortlicher für den landwirtschaftlichen Betrieb genannt. Zudem führte die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2019 in den Verfahren Au 1 K 18.885 und Au 1 K 18.887 aus, der Antragsteller habe die Entschädigung für die neun getöteten Tiere von der Tierseuchenkasse erhalten. Auch die Tötungsanordnungen sind damals gegenüber dem Antragsteller ergangen. Nicht zuletzt hat die Antragstellerin selbst gegenüber dem Landratsamt eine Vollmacht des Antragstellers vorgelegt, wonach dieser ihr sämtliche Entscheidungen und Willenserklärungen bezüglich des Tierbestands übertrug. Vor diesem Hintergrund kann es nicht beanstandet werden, dass das Landratsamt die Handlungspflichten in den Ziffern I. bis V. des streitgegenständlichen Bescheids gegen den Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs und als offizieller Halter der Tiere auftretenden Antragsteller richtete. Soweit Tiere mehrere Halter haben, treffen die Pflichten aus dem Tierseuchenrecht jeden Halter einzeln, so dass auch jeder Halter zur Erfüllung der Pflichten herangezogen werden kann.
b) Rechtsgrundlage für die Tötungsanordnung hinsichtlich des positiv getesteten Rindes im Sinne der Nummer 2.2.5.3.2 Buchst. a des Anhangs B der Richtlinie 64/433/EWG ist § 38 Abs. 11 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 20 TierGesG i.V.m. §§ 4a Nr. 1, 18a der Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes (RindTbV). Hiernach können Anordnungen bezüglich des Tötens seuchenkranker oder verdächtiger Tiere getroffen werden. Nach § 4a Nr. 1 RindTbV sind mit Tuberkulinprobe positiv getestete Rinder zu töten, was auf das streitgegenständliche Rind zutrifft.
c) Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass die Amtsveterinäre des Landratsamts … über die notwendigen fachlichen Kenntnisse verfügen, um den intrakutanen Tuberkulintests qualifiziert und sachgerecht durchzuführen. Insbesondere haben sich in der Vergangenheit die positiven und zweifelhaften Testergebnisse des Tuberkulintests im Rahmen der nachträglichen Untersuchungen am getöteten Tier überwiegend als zutreffend herausgestellt. Von neun der aufgrund der Hautreaktion (Ablesen der Hautdickenzunahme) am 27. Juni 2018 getöteten Tiere wurde bei sieben Rindern Tuberkulose nachgewiesen.
d) Nachdem die Tötungsanordnung voraussichtlich rechtmäßig ist, bestehen auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in den Ziffern II. und III. verfügten Anordnungen, welche die ordnungsgemäße Mitnahme und Tötung der betroffenen Tiere sicherstellen sollen sowie den Zeitpunkt der Maßnahmen vorgeben. Gleiches gilt für die Duldungsanordnung in Ziffer VI. des angefochtenen Bescheids.
d) Auch die Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer IV.) ist voraussichtlich rechtmäßig. Hinsichtlich dieser Mitwirkungshandlungen konnte für den Fall der Verweigerung die Ersatzvornahme nach Art. 32 Satz 1 VwZVG i.V.m. Art. 36 Abs. 1 VwZVG angedroht werden. Die Ersatzvornahme ist auch nach Art. 32 Satz 2 VwZVG zulässig, weil angesichts der bisherigen beharrlichen Weigerung der Antragsteller davon ausgegangen werden durfte, dass ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lassen werde.
e) Die in Ziffer V. verfügte Androhung des unmittelbaren Zwangs für den Fall, dass gegen die unter Ziffer IV. angedrohte Ersatzvornahme Widerstand geleistet wird, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig. Denn nach Art. 34 Satz 2 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde unmittelbaren Zwang auch dann anwenden, wenn gegen die Ersatzvornahme Widerstand geleistet wird.
f) Überwiegende Interessen der Antragsteller, die gleichwohl eine Entscheidung zu ihren Gunsten rechtfertigten, bestehen nicht. Zwar ist der Wunsch der Antragsteller, kein Tier töten zu lassen, nachvollziehbar, verständlich und anerkennenswert. Das öffentliche Interesse an einer voraussichtlich rechtmäßigen Eindämmung einer sich bereits ausgebreiteten Tierseuche wiegt allerdings schwerer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Unterbindung einer weiteren Ausbreitung von Rindertuberkulose in dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers letztlich auch in seinem Interesse ist. Denn nach wie vor gab es bei der Nachuntersuchung auch Tiere, bei denen das Testergebnis negativ ausgefallen ist.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil haben die Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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