Europarecht

Unberechtigte Nutzung eines patentgeschützten Videokompressionsstandards

Aktenzeichen  21 O 13026/19

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 50638
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PatG § 9, § 30 Abs. 3, § 139, § 140a, § 140b
DPMAV § 28 Abs. 2
EPÜ Art. 64
BGB § 162 Abs. 2, § 242, § 275, § 315
AEUV Art. 102

 

Leitsatz

1. Die streitgegenständlichen mobilen Endgeräte (Laptop-PCs, Laptop/Tablet Hybridgeräte, DesktopPCs und Workstations) verfügen über einen Videodecodierer mit einer Grafikverarbeitungseinheit (GPU), die den H.264-Videokompressionsstandard verwendet; der H.264-Standard verwirklicht seinerseits alle Merkmale von Anspruch 8 des Streitpatents unmittelbar und wortsinngemäß.  (Rn. 100 – 119) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Nachteil, im Falle einer Verurteilung zur Unterlassung eine Lizenz zu den vom Patentinhaber bestimmten Bedingungen abschließen zu müssen, stellt per se keinen Grund dar, einen Unterlassungsanspruch einzuschränken. (Rn. 118) (redaktioneller Leitsatz)
3. Voraussetzung für eine Prüfung der FRAND-Gemäßheit des Angebots des Patentinhabers ist, dass der Patentverletzer überhaupt lizenzwillig ist; bei der Feststellung des Bestehens einer Lizenzwilligkeit kann die Frage, ob bzw. wann ein Gegenangebot erfolgt ist, ein wichtiges Indiz darstellen. Verfolgt der Patentverletzer von Anfang an eine Verzögerungstaktik, kann dies durch die Abgabe eines FRAND-gemäßen Lizenzvertragsangebotes während des Verletzungsprozesses nicht ohne weiteres ungeschehen gemacht werden. (Rn. 152 – 169) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die nicht rechtzeitige Erklärung der Lizenzbereitschaft führt nicht automatisch zum Entfallen des FRAND-Einwandes, da es grundsätzlich möglich sein muss, einzelne Defizite bei der Verhandlungsführung zu beseitigen; hier bedarf es der Betrachtung des Einzelfalls und dabei insbesondere des Gesamtverhaltens des Patentverletzers. (Rn. 170) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist,
zu unterlassen,
Interpolatoren zum Interpolieren eines Bildes,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
wobei das Bild Pixel (A) enthält, die in Zeilen und Spalten angeordnet sind und durch Werte repräsentiert werden, die einen bestimmten dynamischen Bereich haben, wobei sich die Pixel (A) in den Zeilen an horizontalen Ganzzahlorten befinden und sich die Pixel (A) in den Spalten an vertikalen Ganzzahlorten befinden, wobei die Interpolatoren dafür ausgelegt sind, Werte für Unterpixel (b, c, d, e, f, g, h, i) zu erzeugen, wobei sich ein Unterpixel (b, c, d, e, f, g, h, i) an einem horizontalen Bruchzahlort und/oder einem vertikalen Bruchzahlort befindet, wobei die horizontalen und vertikalen Bruchzahlorte gemäß der mathematischen Schreibweise 1/2x repräsentiert werden können, wobei x eine ganze Zahl im Bereich von 1 bis N ist, wobei 1/2x ein bestimmtes Niveau der Unterpixelinterpolation repräsentiert und N ein maximales Niveau der Unterpixelinterpolation repräsentiert, wobei die Interpolatoren für Folgendes ausgelegt sind: a) Interpolieren von Werten für Unterpixel (b), die sich an horizontalen 1/2N-1-Ganzzahlorten und an vertikalen Ganzzahlorten befinden, und für Unterpixel (b), die sich an horizontalen Ganzzahlorten und vertikalen 1/2N-1-Ganzzahlort befinden, unter Verwendung gewichteter Summen von Pixeln (A), die sich an jeweiligen horizontalen und vertikalen Ganzzahlorten befinden; b) eines Wertes für ein Unterpixel (c), das sich an einem horizontalen 1/2N-1-Ganzzahlort und an einem vertikalen 1/2N-1-Ganzzahlort befindet, unter Verwendung entweder einer ersten gewichteten Summe der interpolierten Werte für Unterpixel (b), die sich an horizontalen 1/2N-1-Ganzzahlorten und vertikalen Ganzzahlorten befinden, oder einer zweiten gewichteten Summe der interpolierten Werte für Unterpixel (b), die sich an horizontalen Ganzzahlorten und vertikalen 1/2N-1-Ganzzahlorten befinden, die im Schritt a) erhalten wurden; und c) Interpolieren eines Wertes für ein Unterpixel (h, i), das sich an einem horizontalen 1/2N-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-Ganzzahlort befindet, unter Verwendung entweder – eines gewichteten Durchschnitts des Wertes eines ersten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2N-m-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-n-Ganzzahlort befindet, und des Wertes eines zweiten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2N-p-Ganz-zahlort und einem vertikalen 1/2N-q-Ganzzahlort befindet, oder – eines gewichteten Durchschnitts des Wertes eines Pixels (A), das sich an einem horizontalen Ganzzahlort und einem vertikalen Ganzzahlort befindet, und des Wertes eines Unterpixels (c), das sich an einem horizontalen 1/2N-m-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-n-Ganzzahlort befindet, wobei die Variablen m, n, p und q ganzzahlige Werte im Be-reich von 1 bis N annehmen, derart, dass die jeweiligen ersten und zweiten Unterpixel (b) oder jeweiligen Pixel (A) und Unterpixel (c) diagonal in Bezug auf das Unterpixel (h, i) an dem horizontalen 1/2N-Ganzzahlort und dem vertikalen 1/2N-Ganz-zahlort, das interpoliert wird, angeordnet sind.
(Anspruch 8 von EP 1 433 316 B9)
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 29.05.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 29.05.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen), sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten, im Besitz von gewerblichen Abnehmern befindlichen Interpolatoren gegenüber den gewerblichen Abnehmern zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die im Besitz dieser Vorrichtungen sind, schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem vorliegenden Urteil erkannt hat, dass eine Verletzung des deutschen Teils des Klagepatents Klagepatents EP 1 433 316 B9 vorliegt, dass die Beklagte ihnen anbietet, diese Vorrichtungen zurückzunehmen, wobei den gewerblichen Abnehmern verbindlich zugesagt wird, dass der möglicherweise bereits für die zurückgerufenen Vorrichtungen bezahlte Verkaufspreis oder ein Äquivalent davon erstattet wird sowie die Kosten für Verpackung, Transport oder Übersendung übernommen werden und die zurückgerufenen und zurückgegebenen Vorrichtungen in Besitz genommen werden, wobei diese Verpflichtung nur für diejenigen Erzeugnisse gilt, die seit dem 29.05.2015 vermarktet wurden.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr durch die unter Ziffer I. bezeichneten und seit dem 29.05.2015 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
VI. Die Beklagte trägt sie Kosten des Rechtsstreits. Die Streithelferin trägt ihre Kosten selbst.
VII. Das Urteil ist in Ziffer I. und IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 3.240.000,00 EUR, in Ziffer II. und III. in Höhe von insgesamt 810.000,00 EUR sowie in Ziffer VI. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert (A.). Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht alle Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 8 des Klagepatents wortsinngemäß, so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche zustehen (B.). Der von der Beklagtenseite erhobene gesetzliche wie vertragliche Kartellrechtseinwand greift nicht durch (C.) und ausreichende Anhaltspunkte für den fehlenden Bestand des Klagepatents liegen gleichfalls nicht vor (D.).
A.
Die Klägerin ist ausweislich der Anlage K 3 (Seite 3) seit dem 04.05.2015 im Patentregister eingetragene Inhaberin des Klagepatents.
Zwar ist für die Frage der Aktivlegitimation allein die materiellrechtliche Rechtslage entscheidend und nicht die Eintragung im Patentregister. Die Eintragung im Patentregister ist für die Beurteilung der Frage, wer materiellrechtlich Inhaber des Patents ist, dennoch nicht bedeutungslos. Ihr kommt im Rechtsstreit eine erhebliche Indizwirkung zu. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 PatG darf das Patentamt eine Änderung in der Person des Patentinhabers nur dann im Register vermerken, wenn sie ihm nachgewiesen wird. Der Nachweis muss zwar nicht zwingend durch Vorlage von Urkunden erfolgen, aus denen sich das Rechtsgeschäft oder das sonstige Ereignis, das die Übertragung bewirkt hat, unmittelbar ergibt. Gem. § 28 Abs. 2 DPMAV genügt es vielmehr, wenn der zuvor eingetragene Inhaber den Antrag auf Umschreibung zusammen mit dem Rechtsnachfolger unterschreibt oder wenn der Rechtnachfolger eine Zustimmungserklärung des zuvor eingetragenen Inhabers vorlegt. Auch in diesen Konstellationen spricht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eintragung des Rechtsübergangs im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig widergibt.
Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft. Eine Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche vom Registerstand ab, muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt (BGH GRUR 2013, 713 Rn. 52 ff. – Fräsverfahren; Grabinski/Zülch, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage, 2015, § 139 Rn. 16 f.).
Die Beklagte hat demgegenüber die Aktivlegitimation der Klägerin nur einfach bestritten. Im Lichte des Vorgesagten vermag das einfache Bestreiten die durch die Eintragung im Patentregister gerechtfertigte Annahme der Aktivlegitimation der Klägerin nicht ernsthaft zu erschüttern.
B.
Der in den angegriffenen Ausführungsformen der Beklagten verwendete Decoder macht von der Lehre nach Anspruch 8 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch; § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG, Art. 64 Abs. 1 EPÜ (I.). Die Beklagte ist daher wie tenoriert auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gemäß Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 3, 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB zu verurteilen (II.).
I. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Subpixelwertinterpolation (Ansprüche 1 bis 7), einen Interpolator zum Interpolieren eines Bildes anhand von Subpixelwerten (Ansprüche 8 bis 16) sowie weitere Vorrichtungen (Ansprüche 17 und 18) und ein Computerprogramm (Anspruch 19).
1. Ausgangspunkt des Klagepatents ist das De- bzw. Codieren von Daten, insbesondere von digitalen Videodaten.
Einzelne Sequenzen digitaler Videos bestehen aus einer Aneinanderreihung vieler einzelner Bilder, die in schneller Abfolge (15-30 Bilder pro Sekunde) nacheinander gezeigt werden und dabei für das menschliche Auge den Eindruck eines fortlaufenden Bewegtbildes schaffen. Dabei besteht jedes Einzelbild einer Videosequenz aus einer Menge Dateninformation. Jedes dieser Bilder setzt sich aus einer Anordnung von Bildpixeln zusammen; im Quarter Common Interchange Format (QCIF) beispielsweise sind es 176 x 144 Pixel, insgesamt also 25.344. Jedes Pixel wiederum wird durch eine Anzahl von Bits repräsentiert, die die Information zur Leuchtdichte bzw. Farbe tragen. Typischerweise wird ein Block von 16×16 Bildpixeln durch einen Block von 16×16 Pixeln repräsentiert, der die Luminanz-Information (Leuchtdichte) enthält sowie einen Bock von 8×8 Pixeln, der die ChrominanzInformation (Farbart) bereitstellt und der mit dem 16×16 Pixel-Block äquivalent ist und 2-fach herangezogen wird. Die daraus resultierende Anordnung von 16×16 Leuchtdichte-Block und 2x 8×8 Farbart-Block wird auch als Markoblock bezeichnet. Ein Bild im QCI-Format besteht aus 11×9 Markoblöcken, so dass bei einer 8 bit-Auflösung eine Gesamtmenge von 3.072 Bits pro Makroblock und von 304.128 Bits pro Bild benötigt wird. Bei einer Abfolge von 30 Einzelbildern pro Sekunde ergibt sich daraus eine Informationsmenge von 9 Millionen Bits pro Sekunde (vgl. Anlage K 2, Patentbeschreibung, Abs. [0001] bis [0006]).
Demgegenüber können die Datennetzwerke höchstens 64 Tausend Bits pro Sekunde, im Bereich der mobilen Videotelefonie teilweise sogar nur 20 Tausend Bits pro Sekunde übertragen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für Videoübertragungen die Datenmenge zu reduzieren unter gleichzeitiger Beibehaltung einer akzeptablen Bildqualität; [0007].
Die hierfür im Stand der Technik bekannten Kompressionsverfahren basieren auf der Reduktion räumlicher, zeitlicher oder spektraler Redundanzen, die für die Wahrnehmung der Videosequenzen unwesentlich sind. Um noch größere Datenmengen einzusparen, wird zudem die Qualität der für die Videosequenzen am wenigsten wichtigen Teile reduziert sowie die Redundanz des komprimierten VideoBitstreams selbst reduziert; [0008] bis [0010].
Eine im Stand der Technik bekannte Methode zur Video-Kompression ist die Bewegungskompensation. Ihr Prinzip ist die Minimierung der Menge von Information in einem „prediction error frame“, En (x,y), der sich als Differenz zwischen dem codierten „current frame“, In (x,y), und dem „prediction frame“, Pn (x,y), darstellt.
Schematisch lässt sich diese Methode gemäß Fig. 1 der Patentbeschreibung darstellen:
Der „prediction frame“ setzt sich zusammen aus Pixelwerten eines „reference frame“, Rn (x,y), der allgemein einer der zuvor codierten und übertragenen Bildrahmen ist. Der „prediction frame“ wird durch das Auffinden sogenannter „prediction pixels“ im „reference frame“ konstruiert, die wiederum mit den Pixeln im „current frame“ korrespondieren. Der „prediction frame“ wird als angenäherte Darstellung des „current frame“ unter Verwendung der Pixelwerte im „reference frame“ konstruiert. Der „prediction error frame“ ist somit die Differenz zwischen der angenäherten Repräsentation des durch den „prediction frame“ gelieferten „current frame“ und diesem selbst. Der Grundvorteil dieser Methode ist, dass eine relativ kompakte Beschreibung des „current frame“ erreicht wird; [0015], [0016].
Die Bewegungsinformation wird durch Vektoren dargestellt. Aufgrund der hohen Anzahl an Pixeln werden jedoch die Bewegungsinformationen nicht für jedes Pixel einzeln, sondern für größere Bereiche, wie etwa einen Makroblock, übertragen. Typischerweise wird die Lage eines Makroblocks in einem „current frame“ durch die (x/y)-Koordinate seiner oberen linken Ecke bestimmt. Demnach beschreibt in einem Videocodierschema, bei dem jedem Makroblock eines Einzelbildes eine Bewegungsinformation zugeordnet wird, jeder Bewegungsvektor die horizontale und vertikale Verschiebung eines Pixels, der die obere linke Ecke eines Makroblocks im „current frame“ darstellt in Bezug auf ein solches, korrespondierendes Pixel im „reference frame“; [0018], [0019], [0031]. Dabei wird die Bewegungsinformation durch die Bewegung von Einzelbild zu Einzelbild in Bezug auf ein Pixel dargestellt (sog. Vollpixelauflösung). Damit kann die reelle Bewegung jedoch nicht hinreichend genau dargestellt werden. Um eine genauere Darstellung der Bewegung zu gewährleisten ist es in Videocodierungsstandards im Stand der Technik möglich, dass die Bewegungsvektoren zwischen die Pixel zeigen (sog. Unterpixelauflösung). Da dies zu einer erhöhten Rechenleistung führt, wird die Unterpixelauflösung auf eine Halb- oder Viertelpixelauflösung begrenzt; [0031].
Die Unterpixelauflösung wird in einem Zweistufenprozess dadurch erreicht, dass zunächst der Bewegungsvektor der Vollpixelauflösung bestimmt wird. Anschließend wird dieser weiter verfeinert und so die Halbpixelauflösung generiert. Dies geschieht gemäß der Darstellung in der Fig. 5 der Patentschreibung durch die Bildung von 8 neuen 16×16 Suchblöcken, wobei die obere linke Ecke eines Suchblocks jeweils mit einem „X“ markiert ist.
Da nur die Pixelwerte der ursprünglichen Bildpixel bekannt sind, müssen die Werte der Unterpixel anhand eines Interpolationsschemas berechnet werden. Nach dem Interpolieren der Werte der Unterpixel wird jeder der acht Suchblöcke mit dem Makroblock verglichen, dessen Bewegungsvektor gesucht wird. Der Makroblock wird mit jedem der 8 Suchblöcke anhand eines Kriteriums, wie etwa einer Summe von absoluten Differenzen (SAD) verglichen. Als Ergebnis der Vergleiche wird allgemein ein minimaler SAD-Wert erhalten. Dieser kann – abhängig von der realen Bewegung – der Voll- oder Halbpixelauflösung entsprechen. So ist es möglich zu bestimmen, ob ein Bewegungsvektor auf einen Vollpixel- oder Unterpixelort zeigen soll, und in letzterem Falle den entsprechenden Unterpixelauflösungs-Bewegungsvektor zu bestimmen; [0032] bis [0034].
Zwei Interpolationsschemata, die als Testmodelle (TML) für die Zwecke der Evaluierung und weiteren Entwicklung realisiert wurden, werden von der Patentschrift im Weiteren vorgestellt. Beim Testmodell TML5 hängt die Interpolation der ¼-Auflösung von der Interpolation der ½-Auflösung ab. Zur Berechnung der ¼-Werte müssen demnach zunächst die ½-Werte berechnet werden. Hinzu kommt, dass einige der ¼-Werte abgeschnitten werden müssen, was deren Präzision negativ beeinflusst. Insgesamt ist das TML5-Schema für den Decodierer rechentechnisch sehr komplex. Darüber hinaus müssen die ½-Werte gespeichert werden, um aus ihnen die ¼-Werte berechnen zu können. Das erhöht die Speicherlast; [0053].
Demgegenüber wird gemäß der Patentbeschreibung beim TML6-Schema die Unterpixel-Interpolation direkt vorgenommen. So werden Zwischenwerte verwendet, die weder gerundet noch abgeschnitten sind; [0054]. Eine Ableitung von ¼-Werten aus gerundeten bzw. gekappten ½-Werten findet nicht statt. Somit ist es auch nicht notwendig, Endwerte für eines der ½-Auflösung-Unterpixel zu berechnen. Die für die Berechnung der Endwerte notwendigen Kappungs- und Abschneidevorgänge sind ebenso überflüssig wie die Speicherung der ½-Werte. Demnach ist das TML6- Verfahren im Vergleich zum TML5-Verfahren rechentechnisch weniger komplex. Gleichwohl verlangt es – was die Patentbeschreibung als nachteilig erwähnt – Hochpräzisionsarithmetik sowohl im Codierer als auch im Decodierer und benötigt daher mehr Siliziumfläche sowie mehr Berechnungen bei einigen CPU’s (Central Processor Unit). Schließlich hat die direkte Interpolation einen hohen Speicherbedarf; [0057].
Vor diesem Hintergrund betrachtet die Patentbeschreibung es als Problem im Stand der Technik, ein Verfahren zur Unterpixelwertinterpolation bereitzustellen, das eine zufriedenstellende Funktion sowohl im Codierer als auch im Decodierer liefert; [0058].
2. Als objektiv zu bestimmende Aufgabe kann es daher angesehen werden, ein Interpolationsschema bereitzustellen, das sowohl im Codierer als auch im Decodierer eine zufriedenstellende Funktion erfüllt (vgl. auch [0176]).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 ein Interpolationsverfahren und in Anspruch 8 in Form eines selbstständigen Vorrichtungsanspruchs einen Interpolator vor, der für dieses Schema ausgelegt ist. Gemäß dem Vorschlag der Klägerin lässt sich Anspruch 8 wie folgt gliedern:
1. Interpolator (730, 750, 845, 890) zum Interpolieren eines Bildes,
2. wobei das Bild Pixel (A) enthält, die in Zeilen und Spalten angeordnet sind und durch Werte repräsentiert werden, die einen bestimmten dynamischen Bereich haben, 
3. wobei sich die Pixel (A) in den Zeilen an horizontalen Ganzzahlorten befinden und sich die Pixel (A) in den Spalten an vertikalen Ganzzahlorten befinden,
4. wobei der Interpolator (730, 750, 845, 890) dafür ausgelegt ist, Werte für Unterpixel (b, c, d, e, f, g, h, i) zu erzeugen, wobei sich ein Unterpixel (b, c, d, e, f, g, h, i) an einem horizontalen Bruchzahlort und/oder einem vertikalen Bruchzahlort befindet,
5. wobei die horizontalen und vertikalen Bruchzahlorte gemäß der mathematischen Schreibweise 1/2x repräsentiert werden können, wobei x eine ganze Zahl im Bereich von 1 bis N ist, wobei 1/2x ein bestimmtes Niveau der Unterpixelinterpolation repräsentiert und N ein maximales Niveau der Unterpixelinterpolation repräsentiert,
6. wobei der Interpolator für Folgendes ausgelegt ist:
6.1 a) Interpolieren von Werten für Unterpixel (b), die sich an horizontalen 1/2N-1-Ganzzahlorten und an vertikalen Ganzzahlorten befinden, und für Unterpixel (b), die sich an horizontalen Ganzzahlorten und vertikalen 1/2N-1-Ganzzahlorten befinden, unter Verwendung gewichteter Summen von Pixeln (A), die sich an jeweiligen horizontalen und vertikalen Ganzzahlorten befinden;
6.2 b) Interpolieren eines Wertes für ein Unterpixel (c), das sich an einem horizontalen 1/2N-1-Ganzzahlort und an einem vertikalen 1/2N-1-Ganzzahlort befindet, unter Verwendung entweder einer ersten gewichteten Summe der interpolierten Werte für Unterpixel (b), die sich an horizontalen 1/2N-1- Ganzzahlorten und vertikalen Ganzzahlorten befinden, oder einer zweiten gewichteten Summe der interpolierten Werte für Unterpixel (b), die sich an horizontalen Ganzzahlorten und vertikalen 1/2N-1-Ganzzahlorten befinden, die im Schritt a) erhalten wurden; und
6.3 c) Interpolieren eines Wertes für ein Unterpixel (h, i), das sich an einem horizontalen 1/2N-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-Ganzzahlort befindet, unter Verwendung entweder
6.3.1 – eines gewichteten Durchschnitts des Wertes eines ersten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2N-m-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-n- Ganzzahlort befindet, und des Wertes eines zweiten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2Np-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-q-Ganzzahlort befindet, oder
6.3.2 – eines gewichteten Durchschnitts des Wertes eines Pixels (A), das sich an einem horizontalen Ganzzahlort und einem vertikalen Ganzzahlort befindet, und des Wertes eines Unterpixels (c), das sich an einem horizontalen 1/2N-m-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-n-Ganzzahlort befindet,
6.3.3 wobei die Variablen m, n, p und q ganzzahlige Werte im Bereich von 1 bis N annehmen, derart, dass die jeweiligen ersten und zweiten Unterpixel (b) oder jeweiligen Pixel (A) und Unterpixel (c) diagonal in Bezug auf das Unterpixel (h, i) an dem horizontalen 1/2N-Ganzzahlort und dem vertikalen 1/2N-Ganzzahlort, das interpoliert wird, angeordnet sind.
Das Wesen der erfindungsgemäßen Lehre lässt sich ausgehend von Anspruch 8 dahingehend zusammenfassen, dass die Komplexität bzw. der Rechenaufwand des Interpolationsvorgangs verringert wird, indem – unter Beibehaltung eines ausreichend genauen Berechnungsergebnisses – (1.) bei der Interpolation der Unterpixel „b“ und „c“ gewichtete Summen verwendet werden (Merkmal 6.1 a) und 6.2 b) und es zudem als ausreichend erachtet wird, jeweils mittels nur einer linearen Interpolation entlang der diagonal angeordneten Subpixel mit 1/2N-m und 1/2N-n sowie 1/2N-pund 1/2N-q (d.h. die Subpixel (b) mit 1/2-Pixel Auflösung) (Merkmal 6.3.1) oder mittels der diagonal angeordneten Pixel A und des Subpixels (c) mit 1/2N-m und 1/2N-n das dazwischen liegende Subpixel mit ¼-Pixel Auflösung zu bestimmen.
3. Zwischen den Parteien ist im Hinblick auf Anspruch 8 – zu Recht – nur die Auslegung der Merkmale 6.2 b) (nachfolgend unter a), 6.3 c) (nachfolgend unter b) sowie 6.3.1 (nachfolgend unter c) streitig.
a) Zwischen den Parteien steht in Frage, ob es sich bei den „interpolierten Werten“ für Unterpixel (b) gemäß Merkmal 6.2 b) des Klagepatents, die Grundlage der Berechnung eines Werts für Unterpixel (c) sind, um „Zwischenwerte“ oder um „Endwerte“ handelt.
aa) Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Klagepatent verstehe unter „interpolierten Werten“ jedenfalls auch Zwischenwerte.
Die Beklagte und mit ihr die Streithelferin sind hingegen der Auffassung, dass der Begriffs des „interpolierten Werts“ in Merkmal 6.2 b) sowohl ausgehend vom Anspruchswortlaut, dem fachmännischen Verständnis sowie der richtigen Auslegung vor dem Hintergrund der Patentbeschreibung nur der finale Subpixelwert sei.
bb) Richtigerweise ist unter „interpolierter Wert“ im Sinne von Merkmal 6.2. b) jedenfalls auch ein Zwischenwert zu verstehen.
(1.) Der primär heranzuziehende Wortlaut des Anspruchs 8 lässt ebenso wie Anspruch 1 des Klagepatents offen, was unter „interpolierter Wert“ zu verstehen ist. Zwar mag der allgemein übliche Begriff von „Interpolieren“ sowie der allgemeine Sprachgebrauch nahelegen, dass es sich bei einem interpolierten Wert um einen Endwert im Sinne eines Ergebnisses eines vollständig abgeschlossenen Interpolationsberechnungsvorgangs handelt. Jedoch tritt das allgemeine Sprachverständnis von Begriffen/Merkmalen des Patents in den Hintergrund, wenn ersichtlich ist, dass ein davon abweichendes Verständnis von dem Patent zugrunde gelegt wird.
Die Bedeutung der in einem Patentanspruch verwendeten Begriffe ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln. Die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen (BGH GRUR 2015, 875 Rn. 16 – Rotorelemente). Im Zweifel ist ein Verständnis des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht (BGH GRUR 2016, 361 Rn. 14 – Fugenband).
(2.) Aus der Beschreibung ergibt sich vorliegend, dass das vom Patent vorgeschlagene Interpolationsverfahren für die Berechnung der Unterpixel c Zwischenwerte von zuvor berechneten Unterpixeln b verwendet. Die Patentbeschreibung erläutert das erfindungsgemäße Interpolationsverfahren in [0162] ff. In allgemeiner Form wird in [0165] zur Berechnung von Unterpixeln b und c ausgeführt:
Nach weiterer Erläuterung heißt es in [0166]:
„A final value for 1/2 resolution subpixel b is calculated by dividing intermediate value b by a constant scale1, truncating it to obtain an integer number and clipping the result to lie in the range [0, 2n-1]. In alternative embodiments of the invention rounding may be performed instead of truncation. Preferably, constant scale1 is chosen to be equal to the sum of filter coefficients xi.“
(Hervorhebung durch das Gericht)
Demnach erfolgt die Interpolation von Unterpixeln b in zwei Schritten: in einem ersten Schritt wird ein „Zwischenwert“ b („intermediate value“) unter Verwendung eines Filters K-ter Ordnung berechnet. Schließlich wird ein „Endwert“ („final value“) durch das Dividieren des Zwischenwerts b durch einen konstanten Skalenwert sowie ein anschließendes Abschneiden und Kappen erreicht. Die Unterscheidung von Zwischenwert „b“ und Endwert „b“ wird durch die kursive Schriftweise des Zwischenwerts deutlich gemacht.
Der von der Beklagtenseite vorgebrachte Einwand, der „finale Wert“ sei derjenige, der durch Rundung/Kappung, aber nicht durch Division erfolge (vgl. etwa Schriftsatz vom 29.05.2020, Seite 21 / Bl. 434 d.A.), verfängt daher nicht. Nichts anderes gilt für den Einwand der Beklagtenseite, das streitige Merkmal des Anspruchs 8 könne nicht durch Verweis auf ein bloßes Ausführungsbeispiel in [0183] ff. im Sinne der Klägerin ausgelegt werden (Schriftsatz vom 29.05.2020, Seite 21 f. / Bl. 434 f. d.A.). Denn wie [0165] und [0166] zeigen, steht diese Auslegung in Einklang mit dem allgemeinen Verständnis des patentgemäßen Interpolationsverfahrens und ist gerade nicht auf ein Ausführungsbeispiel beschränkt.
Zur Berechnung von ½-Unterpixeln c wird sodann ein Zwischenwert c („intermediate value“) unter Verwendung eines Filters M-ter Ordnung gebildet:
[0166].
Dabei ist bi ein entsprechender Vektor der Zwischenwerte („intermediate values bi“) in horizontaler bzw. vertikaler Richtung. Daraus folgt gemäß [0168]:
Schließlich werden in einem weiteren (zweiten) Schritt auch die so berechneten Zwischenwerte c für ½-Unterpixel c zum Endwert gemacht, indem eine Division durch einen konstanten Skalenwert 2 erfolgt und das Ergebnis abgeschnitten bzw. gekappt wird, um in den Bereich [0, 2n-1] zu passen.
„A final value of ½ resolution subpixel c is computed by dividing intermediate value c by a constant scale2, truncating it to obtain an integer number and clipping the result to lie in the range [0, 2n-1).“
(Hervorhebung durch das Gericht)
[0170].
Daraus ergibt sich, dass als interpolierter Wert im Sinne von Merkmal 6.2 b) (auch) ein Zwischenwert zu verstehen ist in dem Sinne, dass es sich um einen Wert für Unterpixel b handelt, der noch nicht dividiert wurde und somit den Skaleneffekt durch die Gewichtung noch in sich trägt.
Das wird auch an einer weiteren Stelle der Patentbeschreibung deutlich: So wird in [0181] f. eine bevorzugte Ausführungsform für das Interpolieren von Unterpixeln in ¼-Auflösung mit Bezug auf die Figuren 14a, 14b und 14c beschrieben. Vorab heißt es in [0181]:
„In the following, it will be assumed that all image pixels and final interpolated values for subpixels are represented with 8-bits.“
(Hervorhebung durch das Gericht)
Demnach geht das Patent ersichtlich von Werten aus, die interpoliert sind, aber noch nicht „final interpoliert“ sind. Entsprechend führt die Patentbeschreibung in [0182] und [0183] aus:
„[0182] Calculation of 1/2 resolution subpixels at i) half unit horizontal and unit vertical locations and ii) unit horizontal and half unit vertical locations.
1. A value for the subpixel at half unit horizontal and unit vertical location, that is 1/2 resolution subpixel b in Figure 14a, is obtained by first calculating intermediate value b = (A1 – 5A2 + 20A3 + 20A4 – 5A5 + A6) using the values of the six pixels (A1 to A6) which are situated at unit horizontal and unit vertical locations in either the row or the column of pixels containing b and which are disposed symmetrically about b, as shown in Figures 14b and 14c. A final value for ½ resolution subpixel b is calculated as (b + 16) / 32 where the operator / denotes division with truncation. The result is clipped to lie in the range [0, 255].
[0183] Calculation of ½ resolution subpixels at half unit horizontal and half unit vertical locations.
2. A value for the subpixel at half unit horizontal and half unit vertical location, that is ½ resolution subpixel c in Figure 14a, is calculated as c = (b1 – 5b2 + 20b3 + 20b4 – 5b5 + b6 + 512) / 1024 using the intermediate values b for the six closest ½ resolution subpixels which are situated in either the row or the column of subpixels containing c and which are disposed symmetrically about c. Again, operator / denotes division with truncation and the result is clipped to lie in the range [0, 255]. As previously explained, using intermediate values b for ½ resolution subpixels b in the horizontal direction leads to the same result as using intermediate values b for ½ resolution subpixels b in the vertical direction. Thus, in an encoder according to the invention, the direction for interpolating ½ resolution subpixels b can be chosen according to a preferred mode of implementation. In a decoder according to the invention, the direction for interpolating subpixels b is chosen according to which, if any, ¼ resolution subpixels will be interpolated using the result obtained for ½ resolution subpixel c.“
(Hervorhebungen jeweils durch das Gericht)
Ferner wird in [0194] das erfindungsgemäße Interpolationsverfahren dergestalt beschrieben, dass es Unterpixel cij unter Verwendung der nicht mit einem Skalierungsfaktor dividierten Zwischenwerte b bildet.
Aus der Beschreibung ist mithin ersichtlich, dass patentgemäß das Interpolieren von Unterpixeln c unter Verwendung von Werten für zuvor bestimmte Unterpixel b erfolgt, wobei letztere insofern interpolierte Werte sind, als es sich um gewichtete Summen handelt, die nicht weiter dividiert wurden. Bei den Endwerten der Unterpixel b handelt es sich um die abschließend durch den Skalierungsfaktor dividierten Summen, die zudem multipliziert bzw. gekappt wurden. Diese Endwerte sind indes nicht Ausgangpunkt der Interpolation für das Unterpixel c.
(3.) Die gefundene Auslegung wird systematisch von dem abhängigen Anspruch 15 bestätigt.
Die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs kann grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs eines Patents beitragen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Unteransprüche regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht einengen, sondern nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung aufzeigen (BGH GRUR 2016, 1031 Rn. 15 – Wärmetauscher).
Andererseits ist zu beachten, dass auch dann, wenn der Gegenstand eines Unteranspruchs regelmäßig enger ist als der des zugrundeliegenden Hauptanspruchs, sich nicht allein aus seiner Existenz zwingend ableiten läßt, dass der Hauptanspruch einen weiteren Gegenstand erfassen muss und seine Verwirklichung auch in einer Weise möglich sein muss, die nicht gleichzeitig die Merkmale des Unteranspruchs erfüllt (BGH, BeckRS 2019, 17249 Rn. 17 – Seitenaufprallschutz bei Kopf-Airbag). Das ist hier aber nicht der Fall, denn hier dient die Heranziehung von Anspruch 15 dazu, deutlich zu machen, dass der Hauptanspruch jedenfalls auch im Sinne des Unteranspruch zu verstehen ist.
Anspruch 15 lässt sich gemäß dem Vorschlag der Klägerin wie folgt gliedern:
„9. Interpolator (730, 750, 845, 890) nach Anspruch 8, wobei der Interpolator (730, 750, 845, 890) konfiguriert ist, den Wert für das Unterpixel (h, i), das sich an einem horizontalen 1/2N- Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-Ganzzahlort befindet, im Schritt c) unter Verwendung des gewichteten Durchschnitts des Wertes des ersten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2N-m-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-n-Ganzzahlort befindet, und des Wertes des zweiten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2N-p-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-q-Ganzzahlort befindet, zu interpolieren,
10. wobei im Schritt a) der Interpolator (730, 750, 845, 890) konfiguriert ist, einen Unterpixelwert unter Verwendung einer gewichteten Summe zu interpolieren, was Folgendes umfasst:
das Berechnen eines Zwischenwertes für den Unterpixelwert, wobei der Zwischenwert einen dynamischen Bereich hat, der größer als der bestimmte dynamische Bereich ist, und
das Berechnen eines Endwertes für den Unterpixelwert durch Dividieren des Zwischenwertes durch einen Skalierungsfaktor, der einen Wert hat, der gleich der Summe der jeweiligen Gewichte, die in der gewichteten Summe des Schrittes a) verwendet werden, ist, Durchführen einer Rundung, um eine ganze Zahl zu erhalten und Abschneiden des Resultats, um dadurch einen Unterpixelwert mit einem dynamischen Bereich zu bilden, der gleich dem bestimmten dynamischen Bereich ist, und
11. wobei der Interpolator (730, 750, 845, 890) konfiguriert ist, Zwischenwerte, die im Schritt a) berechnet wurden, als die interpolierten Werte in den jeweiligen gewichteten Summen des Schrittes b) zu verwenden und
12. konfiguriert ist, Endwerte, die im Schritt a) berechnet wurden, als die Werte des ersten Unterpixels (b) und des zweiten Unterpixels (b) zu verwenden, wenn der Wert des Unterpixels, das sich an einem horizontalen 1/2N-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-Ganzzahlort befindet, in Schritt c) interpoliert wird.“
Dieser Anspruch zeichnet sich dadurch aus, dass er eine Ausgestaltung der Merkmalsgruppe 6 des Anspruchs 8 beschreibt. Ausdrücklich beansprucht er einen Interpolator, der bei Interpolation der Unterpixel c (= Merkmal 6.2 b) von Anspruch 8) die zuvor gemäß Merkmal 10 erhaltenen Zwischenwerte bei der Interpolation der Unterpixel b (= Merkmal 6.1 a) von Anspruch 8) verwendet.
Da Anspruch 8 als Hauptanspruch zu (Unter-)Anspruch 15 möglichst so auszulegen ist, dass er die dort beschriebene Ausgestaltung mitumfasst, um das Patent und seine Ansprüche insgesamt widerspruchsfrei auslegen zu können, ist er so zu verstehen, dass sein Merkmal 6.2 b) jedenfalls auch Zwischenwerte beinhalten kann.
Daher kann auch in Bezug auf Anspruch 15 der Argumentation der Beklagtenseite, wonach kein unterschiedliches Verständnis der interpolierten Werte in Merkmal 11 und 10 angenommen werden könne, nicht beigetreten werden. Denn es ist ersichtlich, dass es sich bei den interpolierten Werten nach Merkmal 11 um diejenigen handelt, die zur Interpolation für Unterpixel c verwendet werden und eben nicht um die finalen Werte für Unterpixel b. Ein Widerspruch ist darin nicht erkennbar.
(4.) Schließlich ergibt die vorgenommene Auslegung auch technischfunktional einen Sinn. Entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 29.05.2020, Seite 16 / Bl. 429 d.A.) führt die Verwendung von nicht um den Skalierungsfaktor bereinigten (dividierten) Zwischenwerten der Unterpixel b nicht zu falschen Ergebnissen. Denn die gewichteten Summen der Unterpixel b werden zwar zur weiteren Interpolation der Unterpixel c herangezogen. Im Rahmen dieser Berechnung findet dann die Division ebenso wie die Rundung und Kappung statt. Der Endert für Unterpixel c ist daher stets ein um den Skalierungsfaktor bereinigter Wert und somit technisch verwertbar. Dass diese Art der Interpolation technisch sinnvoll ist, zeigt auch und gerade der angegriffene H.264-Standard, von dem die Beklagte selbst behauptet, er verwende Zwischenwerte und keine interpolierten, d.h. um den Skalierungsfaktor bereinigte Werte (Schriftsatz vom 17.01.2020, Seite 17 / Bl. 125 d.A.). Dass die Verwendung von Zwischenwerten insoweit technisch vorteilhaft ist, als dadurch eine hohe Präzision erreicht wird, bestätigt auch das Klagepatent bei Beschreibung des TML6-Verfahens; [0054] (vgl. bereits oben).
(5.) Zwar stimmen Wortlaut und Beschreibung des Klagepatents insoweit nicht überein, als die Beschreibung von „Zwischenwerten“ spricht, während Anspruch 8 „interpolierte Werte“ nennt.
Dabei ist zu beachten, dass ein engerer Patentanspruch nicht nach Maßgabe einer weiter gefassten Beschreibung interpretiert werden darf. Der Patentanspruch hat vielmehr Vorrang gegenüber der Beschreibung (BGH GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung). Was in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden hat, kann nicht unter den Schutz des Patents fallen. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind zwar nach Art. 69 Absatz 2 EPÜ bzw. § 14 Satz 2 PatG zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen, da diese der Erläuterung der Patentansprüche dienen. Beschreibung und Zeichnungen sind mithin heranzuziehen, um den Sinngehalt des Patentanspruchs zu ermitteln. Ihre Heranziehung darf aber weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, a.a.O.).
Das ist vorliegend aber nicht Fall. Denn nicht nur die Beschreibung, sondern auch die Betrachtung von Anspruch 15 sowie die funktionale Betrachtungsweise belegen das gefundene Auslegungsergebnis.
(6.) Soweit sich die Beklagtenseite zur Untermauerung auf Einschränkungen des Klagepatents im Laufe des Erteilungsverfahren beruft, verhilft ihr das nicht zum Erfolg.
Der Inhalt der Ursprungsunterlagen oder der Veröffentlichung der Anmeldung bleibt bei der Auslegung außer Betracht. Weder darf der Patentanspruch – zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung – nach Maßgabe des ursprünglich Offenbarten ausgelegt werden (BGH, GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum I), noch darf umgekehrt sein Sinngehalt dadurch ermittelt werden, dass dem Wortlaut des Patentanspruchs abweichende Formulierungen der Anmeldung gegenübergestellt werden. Allenfalls dann, wenn zweifelhaft bleibt, ob sich Patentanspruch und Beschreibung sinnvoll zueinander in Beziehung setzen lassen, darf die „Anspruchsgeschichte“ zur weiteren Klärung der Frage herangezogen werden, ob mit dem Anspruch ein Gegenstand unter Schutz gestellt worden ist, der von dem in der Beschreibung offenbarten abweicht oder hinter diesem zurückbleibt (BGH GRUR 2015, 875, Rn. 17 – Rotorelemente; GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung). Ein solcher Fall ist vorliegend erkennbar nicht gegeben.
(7.) Nach alldem bestehen am Verständnis des Begriffs der interpolierten Werte in Merkmal 6.2 b) des Anspruchs 8 zumindest auch als Zwischenwerte in Form gewichteter Summen ohne Division durch einen Skalierungsfaktor keine vernünftigen Zweifel.
b) Weiterhin diskutieren die Parteien, ob der Interpolator gemäß Merkmal 6.3 c) beide in 6.3.1 und 6.3.2 genannten Rechenoperationen anwenden können muss oder nur eine davon.
Das Merkmal 6.3 c) definiert ein Interpolieren eines Wertes für ein Unterpixel (h, i), das sich an einem horizontalen ½N-Ganzzahlort und einem vertikalen ½N-Ganzzahlort befindet. Dies erfolgt entweder nach Merkmal 6.3.1 unter Verwendung eines gewichteten Durchschnitts des Wertes eines ersten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen ½N-m-Ganzzahlort und einem vertikalen ½N-n-Ganzzahlort befindet, und des Wertes eines zweiten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen ½N-p-Ganzzahlort und einem vertikalen ½N-q-Ganzzahlort befindet. Alternativ dazu kann die Berechnung gemäß Merkmal 6.3.2 unter Verwendung eines gewichteten Durchschnitts des Wertes eines Pixels (A) erfolgen, das sich an einem horizontalen Ganzzahlort und einem vertikalen Ganzzahlort befindet, und des Wertes eines Unterpixels (c), das sich an einem horizontalen ½N-m-Ganzzahlort und einem vertikalen ½N-n-Ganzzahlort befindet.
Erforderlich ist nicht, dass ein patentgemäßer Interpolator nach Merkmal 6.3 c) beide Berechnungen gemäß Merkmal 6.3.1 und Merkmal 6.3.2 ausführen können muss. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Merkmals mit der Verwendung des Wortpaars „entweder (…) oder“. Dieses zeigt, dass die beiden Möglichkeiten in einem Alternativverhältnis zueinander stehen.
Ferner zeigt die Patentbeschreibung aus Sicht der Kammer deutlich, dass es zwar zwei Möglichkeiten gibt, eine davon aber bevorzugt wird:
„[0172] There are two alternatives for interpolating values for the 1/4 resolution subpixels, labelled h. Both involve linear interpolation along a diagonal line linking 1/2 resolution subpixels neighbouring the 1/4 resolution subpixel h being interpolated. In a first embodiment, a value for subpixel h is calculated by averaging the values of the two 1/2 resolution subpixels b closest to subpixel h. In a second embodiment, a value for subpixei h is calculated by averaging the values of the closest pixel A and the closest 1/2 resolution subpixel c. (…).
Therefore the first embodiment is preferred.“
(Hervorhebungen durch das Gericht)
Dies steht in Einklang mit der wortsinngemäßen Auslegung, dass nur eine Möglichkeit anspruchsgemäß realisiert werden muss. Für die von der Beklagtenseite angeführte Auslegung, wonach ein anspruchsgemäßer Interpolator beide Berechnungen ausführen können müsse, besteht daher kein Raum.
c) Die Streithelferin macht darüber hinaus geltend, Merkmal 6.3.1 müsse in jeder Hinsicht so ausgelegt werden, dass ein anspruchsgemäßer Interpolator auch tatsächlich eine gewichtete Summe verwenden könne.
aa) Die Streithelferin rügt die fehlende Verwirklichung von Merkmal 6.3.1 jedenfalls in denjenigen Produkten der Beklagten, die mit ihren Komponenten ausgestattet sind. Da diese Produkte auch zu den angegriffenen Ausführungsformen gehören (vgl. Anlage K 7a, K 7b), worauf die Streithelferin die Kammer in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, kann die Frage der Verwirklichung dieses Merkmals nicht offen bleiben.
Die Beklagte hingegen hat die Verwirklichung von Merkmal 6.3.1 nicht in prozessual relevanter Weise in Abrede gestellt. Sie hat sich stattdessen darauf berufen, dass Merkmal 6.3.c) die Verwirklichung sowohl von Merkmal 6.3.1 als auch von Merkmal 6.3.2 verlange, die Klägerin indes nur die Verwirklichung des ersteren geltend mache, weswegen der Verletzungsvorwurf unschlüssig sei (siehe hierzu die Ausführungen zu Merkmal 6.3.c) sowie die Klageerwiderung vom 17.01.2020, Seite 18-19, Bl. 126-127 d.A.).
bb) Das Merkmal 6.3.1 beansprucht die Verwendung des gewichteten Durchschnitts des Wertes eines ersten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2N-m- Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-n-Ganzzahlort befindet, und des Wertes eines zweiten Unterpixels (b), das sich an einem horizontalen 1/2N-p-Ganzzahlort und einem vertikalen 1/2N-q-Ganzzahlort befindet.
In Übereinstimmung mit der Streithelferin ist das Merkmal dahingehend zu verstehen, dass ein gewichteter Durchschnitt von Werten verwendet werden muss. Gerade weil der Wortlaut des Anspruchs insofern keinerlei Beschränkungen erkennen lässt, bedeutet das auch, dass eine solche Gewichtung lediglich „1“ sein kann. Dies steht in Einklang mit der bereits zitierten Stelle in der Beschreibung, die in [0172] ausführt:
„In a first embodiment, a value for subpixel h is calculated by averaging the values of the two 1⁄2 resolution subpixels b closest to subpixel h. “
Auch [0185] zeigt, dass eine Gewichtung mit 1 ausreichend ist:
Ein anspruchsgemäßer Interpolator ist daher in Bezug auf das Merkmal 6.3.1 ein solcher, der dazu ausgelegt ist, eine Gewichtung vorzunehmen. Das schließt eine Gewichtung mit dem Faktor „1“ mit ein, weswegen ein Interpolator dann diesbezüglich anspruchsgemäß ist, wenn er die Multiplikation mit „1“ durchführt.
Dem steht auch nicht etwa der Auslegungsgrundsatz entgegen, wonach ein Patentanspruch, der die Eignung der geschützten Vorrichtung für einen bestimmten Vorgang fordert und dazu ein Mittel benennt, über das diese Eignung erreicht werden soll, im Zweifel dahin auszulegen ist, dass das Mittel dazu vorgesehen ist und dementsprechend geeignet sein muss, an dem Vorgang, wenn er ausgeführt wird, in erheblicher Weise mitzuwirken (GRUR 2020, 159 Rn. 18 – Lenkergetriebe). Denn hier besagt der ausgelegte Anspruch gerade, dass eine Mitwirkung auch dann ausreichend und anspruchsgemäß ist, wenn die Gewichtung „1“ ist.
4. Der H.264-Standard verwirklicht alle Merkmale von Anspruch 8 des Klagepatents unmittelbar und wortsinngemäß. Er verwirklicht insbesondere die zwischen den Parteien streitigen Merkmale der Merkmalsgruppe 6, auf die nachfolgend eingegangen wird. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig.
a) Das Merkmal 6.1 a) ist im Standard in (8-214) bis (8-244) dargestellt. Dort (Anlage K 8) heißt es:
„The samples at half sample positions labelled b are derived by first calculating intermediate values denoted as b1 by applying the 6-tap filter to the nearest integer position samples in the horizontal direction. The samples at half sample positions labelled h are derived by first calculating intermediate values denoted as h1 by applying the 6-tap filter to the nearest integer position samples in the vertical direction:
b1 = (E – 5 * F + 20 * G + 20 * H – 5 * I + J) (8-241)
h1 = (A – 5 * C + 20 * G + 20 * M – 5 * R + T) (8-242)
The final prediction values b and h are derived using
b = Clip1Y((b1 + 16) >> 5) (8-243)
h = Clip1Y((h1 + 16) >> 5) (8-244).“
Demnach werden zunächst für Unterpixel b, die sich an Halbwertpositionen befinden, Zwischenwerte gebildet. Diese Zwischensummen beinhalten ausweislich etwa (8-241) gewichtete Summen. Diese werden sodann in einem zweiten Schritt in einen finalen Vorhersagewert umgerechnet, indem sie mit 16 addiert und durch den Skalierungsfaktor 32 („>>5“ bildet eine binäre Division durch 32 ab; vgl. Standard, Ziffer 5.4, Seite 16) geteilt werden.
Das entspricht der Berechnung, wie sie in [0182] als Schritt 1 beschrieben wird. Merkmal 6.1 a) ist daher verwirklicht.
b) Die Interpolation von Subpixeln, die sich an der Position „half sample position“ entsprechend den vertikalen bzw. horizontalen ½N-1-Ganzzahlorten befinden (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 17.01.2020, Seite 17 / Bl. 125 d.A.) beschreibt der Standard in (8-245) bis (8-247) anhand des Bezugszeichens „j“ wie folgt:
„The samples at half sample position labelled as j are derived by first calculating intermediate value denoted as j1 by applying the 6-tap filter to the intermediate values of the closest half sample positions in either the horizontal or vertical direction because these yield an equal result:
j1 = cc – 5 * dd + 20 * h1 + 20 * m1 – 5 * ee + ff, or (8-245)
or
j1 = aa – 5 * bb + 20 * b1 + 20 * s1 – 5 * gg + hh (8-246)
where intermediate values denoted as aa, bb, gg, s1 and hh are derived by applying the 6-tap filter horizontally in the same manner as the derivation of b1 and intermediate values denoted as cc, dd, ee, m1 and ff are derived by applying the 6-tap filter vertically in the same manner as the derivation of h1. The final prediction value j are derived using
j = Clip1Y((j1 + 512) >> 10) (8-247).”
Demzufolge wird „j“, welches dem Unterpixel c aus Merkmal 6.2 b) entspricht, interpoliert, indem in einem ersten Schritt eine Zwischensumme j1 aus Zwischensummen aa, bb, gg, s1 and hh gebildet wird, die entsprechend der Darstellung in (8-241) zu b1 gebildet wurden. Die so errechnete Zwischensumme („intermediate value“) j1 wird sodann wiederum zur Endsumme durch Addition und Division sowie Kappung berechnet.
Diese Berechnung entspricht derjenigen des Unterpixels c in Merkmal 6.2 b) des Klageanspruchs 8 bzw. dem Ausführungsbeispiel in [0183] der Patentschrift. Dies zeigt auch folgende, an die Darstellung der Klägerin angelehnte Gegenüberstellung:
Unterpixel
Berechnung im Klagepatent
Ort
Berechnung im Standard
Ort
b / b1 (Zwischenwert)
b = (A1 – 5A2 + 20A3 + 20A4 – 5A5 + A6)
[0182]
Nr. 1
b1 = (E – 5 * F + 20 * G + 20* H – 5 * I + J)
(8-241)
c / j (finaler Wert
c = (b1 – 5b2 + 20b3 + 20b4 – 5b5 + b6 + 512)/1024
[0183]
Nr. 2
j1 = aa – 5 * bb + 20 * b1 + 20 * s1
– 5 * gg + hh j = Clip1Y((j1 + 512) >> 10)
(8-246)
(8-247)
c) Das Merkmal 6.3.1 wird vom Standard wortsinngemäß verwirklicht.
Der Standard beschreibt die Interpolation von 1/4-Pixeln auf Seite 171 der Anlage K 8 wie folgt:
„The samples at quarter sample positions labelled as e, g, p and r are derived by averaging with upward rounding of the two nearest samples at half sample positions in the diagonal direction using
e = (b + h + 1) >> 1 (8-258)
(…)”
Daraus ergibt sich, dass der Standard einen Mittelwert verwendet und dieser in seinem Fall den Gewichtungsfaktor 1 hat. Die Berechnung in 8-258 unterscheidet sich nicht von derjenigen, die das Klagepatent zur Illustration von Merkmal 6.3.1 in [0185] darstellt (vgl. oben). Somit ist Merkmal 6.3.1 auch bei den von der Streithelferin an die Beklagte gelieferten Komponenten verwirklicht.
d) Schließlich ist auch das Merkmal 6.3 c) im Standard verwirklicht. Nach richtiger Auslegung (vgl. oben) muss ein patentgemäßer Interpolator lediglich eine der Berechnungen gemäß Merkmal 6.3.1 oder 6.3.2 ausführen können. Das ist für die angegriffenen Ausführungsformen von der Klägerin bezüglich der Berechnung gemäß Merkmal 6.3.1 dargelegt, was von der Beklagtenseite nicht bestritten wurde. Dass auch die Komponenten der Streithelferin der Beklagten unter den Anspruch fallen, wurde unter c) gezeigt.
5. Die Beklagte bietet nach dem von ihr unbestrittenen Vortrag der Klägerin Produkte in Deutschland an, deren Decodierer mit einer Grafikverarbeitungseinheit (GPU) ausgestattet sind, die den H.264 Standard unterstützt bzw. verwendet. Eine Erlaubnis zur Verwendung des klägerischen Patents hat sie nicht. Die Klägerin ist daher in Bezug auf den geltend gemachten Patentspruch 8 in ihrem Ausschließlichkeitsrecht gemäß § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG verletzt.
a) Ihr steht somit ein Unterlassungsanspruch gemäß § 139 Abs. 1 PatG, Art. 64 Abs. 3 EPÜ zu.
aa) Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform besteht Wiederholungsgefahr mit Blick auf die unstreitig gegebenen Tathandlungen. Die Wiederholungsgefahr wird durch die rechtswidrigen Benutzungshandlungen indiziert. Sie ist nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt.
bb) Der insbesondere von der Streithelferin erhobene Einwand, der Ausspruch einer Unterlassung wäre unverhältnismäßig, verfängt nicht.
(1.) Die Unverhältnismäßigkeit der Unterlassungspflicht ist als Einwand und somit als Gegenrecht des Schuldners ausgebildet. Daher bedarf es keiner allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung, sondern der Schuldner muss den Einwand erheben und zu dessen materiellen Voraussetzungen substantiiert vortragen. Im deutschen Recht hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang und ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz über § 242 BGB und § 275 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.
Mittlerweile ist höchstrichterlich anerkannt, dass im Ausnahmefall eine Einschränkung der Unterlassungspflicht geboten sein kann, wenn die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unter Berücksichtigung der Interessen von Patentinhaber und Verletzer eine unverhältnismäßige, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte darstellte und daher treuwidrig wäre (vgl. BGH GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher).
Hier ist (auch zur Einhaltung der Rechtsordnung und zur Wahrung der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit) ein strenger Maßstab geboten. Da das Unterlassungsgebot für den Schuldner stets Härten bedeutet, die grundsätzlich hinzunehmen sind, ist der Einwand nur in sehr wenigen Ausnahmefällen begründet. Bringt der Schuldner beachtliche Gründe für eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs vor, ist für die Annahme, eine unbedingte Untersagung treffe ihn unzumutbar hart, eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich und eine schematische Lösung verbietet sich. Insofern ist auch das patentrechtliche und prozessuale Gesamtgefüge von maßgeblicher Bedeutung. Berücksichtigt werden können das Verhalten des Patentinhabers und sein Interesse an der Unterlassung, deren wirtschaftliche Auswirkungen für den Patentverletzer, das Verhältnis von Gegenstand des Klagepatents und angegriffenem (komplexen) Produkt, das Verhalten des Verletzers sowie allgemein Art und Umfang des Eingriffs. Es sind aber nur solche Beeinträchtigungen relevant, die bestimmungsgemäß über die hinausgehen, die mit dem Ausspruch der Unterlassung einhergehen. Der Verletzer muss mögliche und zumutbare Vorkehrungen zur Vermeidung der Patentverletzung treffen und diese beachten. Ebenso muss er sich so früh wie möglich um eine Lizenz bemühen und spätestens ab Zugang des Verletzerhinweises beginnen, für den Fall der Verurteilung zur Unterlassung eine Umstellung vorzubereiten, weil er nicht erwarten darf, hierfür Zeit nach Verkündung des Urteils zu erhalten (vgl. Werner, in: Busse, Patentgesetz, 9. Auflage, 2020, § 139 Rn. 91 f. m. w. N. – zur Veröffentlichung vorgesehen).
(2.) Die Streithelferin hat indes keinen konkreten Sachvortrag geleistet, warum vorliegend ausnahmsweise der Unterlassungsanspruch unverhältnismäßig wäre. Der von der Streithelferin vorgetragene Nachteil für die Beklagte, im Falle einer Verurteilung zur Unterlassung eine Lizenz zu den von der Klägerin bestimmten Bedingungen abschließen zu müssen, um mit ihren Produkten am Markt bleiben zu können, stellt per se keinen Grund dar, den Unterlassungsanspruch einzuschränken.
Unabhängig davon, werden möglicherweise eintretende Härten der Unterlassungspflicht durch das patentrechtliche und zivilprozessuale Gesamtgefüge, wie etwa die angeordnete Sicherheitsleistung (vgl. hierzu unten) berücksichtigt.
b) Ebenso steht der Klägerin ein Anspruch auf Auskunft gemäß § 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG sowie auf Rechnungslegung gemäß §§ 242, 259 BGB jeweils in Verbindung mit Art. 64 Abs. 3 EPÜ zu.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140 b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140 b Abs. 3 PatG.
Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass die Klägerin damit in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch (vgl. sogleich unter d) zu beziffern. Die Klägerin ist auf die geltend gemachten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt.
Die Beklagte wird demgegenüber durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht in unzumutbarer Weise belastet.
c) Weiter steht der Klägerin gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß § 140a Abs. 3 PatG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 3 EPÜ zu.
Die Beklagte hat mit den angegriffenen Ausführungsformen die klagepatentgemäße Erfindung benutzt, ohne dazu berechtigt zu sein.
aa) Für eine Unverhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Beim Ausschluss des Rückrufs wegen Unverhältnismäßigkeit handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, dessen Voraussetzungen vom Verletzer konkret und auf den Einzelfall bezogen darzulegen und zu beweisen sind (OLG Düsseldorf, InstGE 7, 139 – Thermocycler). Als Ausnahmevorschrift ist diese restriktiv zu handhaben (BGH GRUR 1997, 899 – Vernichtungsanspruch, zum Markenrecht). Dass der Rückruf oder die Vernichtung zu teilweise erheblichen Schäden beim Verletzer führt, steht der Anwendung des Anspruchs nicht per se entgegen. Bloße allgemeine finanzielle Nachteile sowie eine gewisse Rufschädigung sind dem Anspruch wesensimmanent und innerhalb der Verhältnismäßigkeit hinzunehmen (Grabinski/Zülch, in: Benkard, PatG, 11. Aufl. 2015, § 140a Rn. 8).
bb) Um dem Rückrufanspruch nachzukommen, genügt es grundsätzlich, die Videofunktion in den angegriffenen Produkten der Beklagten zu deaktivieren. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass das unmöglich ist und sie alle Produkte vollständig vom Markt entfernen müsste.
Auch die Anzahl der zurückzurufenden Geräte begründet per se keine Unverhältnismäßigkeit. Ansonsten wären die Hersteller bzw. Verkäufer von Massenartikeln in Bezug auf den Rückraufanspruch gegenüber den Herstellern/Verkäufern von Produkten mit kleineren Stückzahlen stets bevorzugt, da sie sich im Gegensatz zu den anderen auf ihre hohen zurückzurufenden Stückzahlen berufen könnten. Das ist indes nicht der Zweck des in § 140a Abs. 4 PatG geregelten Ausnahmetatbestandes.
Eine Unverhältnismäßigkeit folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin nach der Behauptung der Beklagtenseite selbst keine Produkte verkauft, die ihre Patente benutzen. Das Patent als subjektives vermögenswertes Recht gewährt dem Patentinhaber nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 9 Satz 2 PatG eine gegenüber jedermann wirkende ausschließliche Rechtsposition, wodurch dem Patentinhaber verfassungsrechtliches Eigentum zukommt (Art. 14 GG). Der Gesetzgeber, dem die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums obliegt, hat die Wahrnehmung der Ausschließlichkeitsbefugnis nach § 9 PatG nicht an eine gleichzeitige Benutzung des Patents durch den Patentinhaber geknüpft. Der nicht selbst nutzende Patentinhaber ist ebenso geschützt und hat bereits zur Durchsetzung seiner Verwertungsabsichten durch Lizenzvergabe ein im Patentsystem schutzwürdiges und berechtigtes Eigeninteresse an der Durchsetzung der ihm zukommenden Ausschließlichkeitsbefugnis. Dem Patentverwerter allein den Unterlassungsanspruch zu gewähren und ihm die Durchsetzung der diesen Anspruch flankierenden Ansprüche per se zu verwehren, würde der grundsätzlichen Gleichstellung des benutzenden und nicht benutzenden Patentinhabers zuwiderlaufen.
Darüber hinaus hat die Klägerin das Klagepatent bereits an zahlreiche Nutzer des Standards entgeltlich lizenziert (vgl. sogleich unter C.). Sie wahrt mit der Durchsetzung der Ansprüche daher ihr eigenes, nicht zu vernachlässigendes Interesse am Erhalt von Lizenzgebühren sowie die Interessen ihrer redlichen Lizenznehmer. Sie hat mithin durchaus auch ein eigenes Interesse an der Folgenbeseitigung der patentverletzenden Handlungen durch die Beklagte.
d) Weiterhin hat die Beklagte dem Grunde nach für Benutzungshandlungen seit dem 29.05.2015 Schadensersatz zu leisten; § 139 Abs. 2 PatG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 3 EPÜ.
Die Beklagte begeht die Patentverletzung schuldhaft, weil sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest hätte erkennen können und daher jedenfalls fahrlässig handelt; § 276 BGB.
Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Ersatzansprüchen droht. Eine Bezifferung der der Klägerin zustehenden Schadensersatzansprüche ist dieser derzeit nicht möglich.
C.
Den der Klägerin zustehenden Ansprüchen auf Unterlassung und Rückruf stehen weder ein von der Beklagtenseite erhobener kartellrechtlicher noch ein vertraglicher Zwangslizenzeinwand entgegen.
Die Klägerin hat in Bezug auf den H.264/AVC-Standard eine markbeherrschende Stellung inne (I.). Sie ist daher Normadressatin des Art. 102 AEUV, sodass die insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH in der Sache C-170/13 „Huawei Technologies / ZTE“ (GRUR 2015, 764) sowie des BGH in der Sache KZR 36/17 – FRAND-Einwand (GRUR 2020, 961) etablierten Anforderungen an die Parteien einschlägig sind. Dabei ist festzustellen, dass die Beklagte diesen Anforderungen nicht nachgekommen ist, da sie die Lizenzvertragsverhandlungen verzögert hat (II.). Auf einen vertraglichen Lizenzeinwand kann sich die Beklagte gleichfalls nicht mit Erfolg berufen (III.).
I. Die Klägerin hat in Bezug auf den H.264/AVC-Standard eine markbeherrschende Stellung inne und ist daher Normadressatin des Art. 102 AEUV.
1. Eine markbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV liegt vor, wenn ein Unternehmen über eine wirtschaftliche Machtstellung verfügt die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern und Kunden gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten (grundlegend EuGH 13.02.1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Tz. 38; BGH, a.a.O., Rn. 55 m.w.N.; Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage, 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 76 m.w.N.).
Zwar folgt eine solche marktbeherrschende Stellung nicht bereits aus der Eigenschaft der Patentinhaberschaft, mittels derer jeder Dritten von der Benutzung der technischen Lehre des (Klage-)Patents ausschlossen werden kann. Patente schließen dem Grunde nach nur einen Nachahmungs-, nicht aber den Produktwettbewerb an sich aus. Die dem Inhaber eines Immaterialgüterrechts zustehenden Ausschließlichkeitsrechte können daher allein die marktbeherrschende Stellung nicht begründen (st. Rspr. EuGH, GRUR Int. 1995, 490, 492, Rdnr. 46 – Magill; BGH, a.a.O., Rn. 56 m.w.N.).
Eine beherrschende Stellung ergibt sich im Allgemeinen aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen. Dabei kommt der Bestimmung des betroffenen Marktes wesentliche Bedeutung zu. Die Bestimmung eines relevanten Angebotsmarkts folgt grundsätzlich dem Bedarfsmarktkonzept. Danach umfasst der relevante Erzeugnis- oder Dienstleistungsmarkt alle Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen nur in geringem Maße austauschbar sind. Ist durch eine Industrienorm oder durch ein anderes, von den Nachfragern wie eine Norm beachtetes Regelwerk (Defacto-Standard) eine standardisierte, durch Schutzrechte geschützte Gestaltung eines – aus der Sicht der Marktgegenseite nicht durch ein anderes Produkt substituierbaren – Produkts vorgegeben, bildet die Vergabe von Rechten, die potenzielle Anbieter dieses Produkts erst in die Lage versetzen, es auf den Markt zu bringen, regelmäßig einen eigenen, dem Produktmarkt vorgelagerten Markt (BGH, a.a.O., Rn. 57 m.w.N.).
Die Annahme eines solchen eigenständigen Lizenzmarkts bedarf damit zunächst der Feststellung, dass es sich um ein standardessentielles Patent handelt, also die Benutzung der patentgeschützten Lehre für die Umsetzung eines (von einer Standardisierungsorganisation normierten oder auf dem Markt durchgesetzten) Standards unerlässlich ist, so dass es in der Regel technisch nicht möglich ist, diese zu umgehen, ohne für den Produktmarkt wichtige Funktionen einzubüßen. Darüber hinaus ist Voraussetzung für einen eigenständigen Lizenzmarkt, dass die dem Patent und dem Standard entsprechende technische Lehre nicht durch eine andere technische Gestaltung des Produkts substituierbar ist (BGH, a.a.O., Rn. 58 m.w.N.; vgl. auch Europäische Kommission, Entscheidung vom 29.04.2014, C(2014) 2892 final, AT.39985 – MOTOROLA, Rn. 227/236).
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:
a) Bei dem Klagepatent handelt es sich um ein standardessentielles Patent. Wie unter B. dargestellt, macht ein Endgerät der angegriffenen Ausführungsform, welches den H.264-Standard anwendet, notwendigerweise von der Lehre des Klagepatents (wortsinngemäß) Gebrauch.
b) Im Zusammenhang mit dem hier geltend gemachten Verbietungsrecht aus einem Patent ist die Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen: Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe am jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender. Ein dem Lizenzvergabemarkt nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen.
Zwar ist die Verwendung des H.264-Standards, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 04.03.2020 („Replik nichttechnischer Teil“, Seite 4-6 / Bl. 334-336 d.A.) aufgezeigt hat, insofern nicht zwingend, als neben dem H.264-Standard zahlreiche weitere Videocodecs existieren, die von den Endgeräten ebenfalls unterstützt werden.
Indes hat die Beklagtenseite mit Vorlage der Anlage XX 101 bis 107 zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass die H.264-Decodiertechnologie diejenige ist, die am Markt jedenfalls deutlich vorherrschend ist. Dafür spricht bereits der Vortrag der Klägerin, wonach sie mit über 33 Unternehmen Lizenzverträge betreffend das Decoding gemäß dem H.264-Standard und 5 betreffend auch das Encoding abgeschlossen hat (Schriftsatz vom 19.05.2020, Bl. 395 ff.d.A.). Auch die Existenz des MPEG-LA H.264-Patentpools spricht für die Dominanz des H.264- Standards. Die angegriffenen Ausführungsformen sind demnach nicht wettbewerbsfähig, wenn sie den H.264-Standard nicht enthalten. Damit stellt der H.264- Standard ein Marktzutrittshindernis dar.
c) Außergewöhnliche Gründe, die die Marktbeherrschung der Klägerin als Inhaberin eines standardessentiellen Patents ausschließen, sind nicht erkennbar.
Soweit die Klägerin darauf verweist, sie könne ihre Monopolstellung gar nicht entsprechend ausüben, da sie auf dem relevanten H.264 Lizenzvergabemarkt unter massiven Preis- und Wettbewerbsdruck der anderen Videocodecs sowie von Nachfolgetechnologie stehe, kann sie damit nicht durchdringen. Denn hierfür hat sie bereits keinerlei tragfähige Nachweise erbracht.
d) Die marktbeherrschende Stellung in Deutschland – und damit einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts – hat die Beklagte durch Vorlage der Anlagen XX 104 bis 107 zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nachgewiesen. Denn diese Anlagen zeigen, dass von am Markt führenden Unternehmen die Verwendung des H.264 Standards auch für deutsche Nutzer empfohlen wird.
II. Die Klage eines marktbeherrschenden Patentinhabers, welcher sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, kann einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung darstellen, wenn und soweit sie geeignet ist, zu verhindern, dass dem Standard entsprechende Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt erhältlich bleiben. Missbräuchlich können danach Klageanträge sein, die auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung von Produkten aus den Vertriebswegen oder auf Vernichtung gerichtet sind (BGH, a.a.O., Rn. 68).
Die Verpflichtung zur Lizenzierung setzt indes voraus, dass auch derjenige, der das Patent benutzen will oder bereits benutzt und patentgemäße Produkte bereits auf den Markt gebracht hat, obwohl er über keine Lizenz verfügt, bereit ist, eine Lizenz an diesem Patent zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu nehmen und im Rahmen der Verhandlungen keine Verzögerungstaktik verfolgt (EuGH, a.a.O., Rn. 27). Denn auch der marktmächtige Patentinhaber muss die Lizenznahme niemandem aufdrängen und hat hierfür auch keine rechtliche Handhabe, da zwar der potentielle Lizenznehmer von ihm den Abschluss eines Lizenzvertrages verlangen kann, dem Patentinhaber umgekehrt aber ein solcher Anspruch nicht zusteht, er vielmehr darauf verwiesen ist, Ansprüche wegen einer Patentverletzung gegen denjenigen durchzusetzen, der zwar die erfindungsgemäße Lehre benutzen, einen Lizenzvertrag hierüber aber nicht abschließen will (BGH, a.a.O., Rn. 70 mit Verweis auf EuGH GRUR 2015, 764 Rn. 54 = WRP 2015, 1080 – Huawei/ZTE; BGHZ 180, 312 = GRUR 2009, 694 Rn. 27 – Orange-BookStandard).
Gemessen an den an einen lizenzbereiten Patentverletzer zu stellenden Anforderungen (1.) war die Beklagte nicht lizenzbereit (2.). Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel an der FRAND-Gemäßheit ihrer Gegenangebote (3.). Eine vom Gericht außerdem noch durchgeführte Offensichtlichkeitsprüfung des Angebots der Klägerin 18.03.2019 zeigt zudem, dass dieses nicht offensichtlich FRAND-widrig ist (4.).
1. Das Erfordernis der Lizenzwilligkeit des Verletzers setzt voraus, dass er zuvor vom Patentinhaber angemessen über den Umstand der Verletzung eines standardessentiellen Patents und die Möglichkeit der Lizenznahme in Kenntnis gesetzt wurde. Diese Verpflichtung des marktbeherrschenden Patentinhabers dient dem Verletzer dazu, für seine Benutzungshandlungen angemessene Bedingungen mit diesem aushandeln zu können. Daher genügt es nach dem ersten Hinweis zur Begründung weiterer Verpflichtungen des marktbeherrschenden Patentinhabers nicht, wenn der Verletzer sich daraufhin lediglich bereit zeigt, den Abschluss eines Lizenzvertrages zu erwägen oder in Verhandlungen darüber einzutreten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vertragsschluss für ihn in Betracht komme. Vielmehr muss der Verletzer sich seinerseits klar und eindeutig bereit erklären, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen abzuschließen, und muss auch in der Folge zielgerichtet an den Lizenzvertragsverhandlungen mitwirken, ohne dabei eine Verzögerungstaktik zu verfolgen (EuGH, a.a.O.; BGH, a.a.O., Rn. 72, 83 m.w.N.; vgl. auch Patents Court [2017] EWHC 711 (Pat) Rn. 162 – Huawei/Unwired Planet: „FRAND as a process“).
Voraussetzung für eine Prüfung der FRAND-Gemäßheit des Angebots des Klägers ist somit, dass der Patentverletzer überhaupt lizenzwillig ist.
a) Bei der tatrichterlichen Feststellung des Bestehens einer Lizenzwilligkeit kann die Frage, ob und ggf. wann ein Gegenangebot erfolgt ist, ein wichtiges Indiz darstellen. Denn der Zeitpunkt der Lizenzbereitschaftserklärung bzw. der Abgabe eines FRANDgemäßen Gegenangebots ist bei der Frage, ob die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs missbräuchlich ist, von mitentscheidender Bedeutung (vgl. Axster/Osterrieth, in: Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge, 4. Auflage, 2018, A.  III. Rn. 357, 359; BGH, a.a.O., Rn. 87: „Im Übrigen darf der Patentinhaber, der das verletzte Patent und den maßgeblichen Standard genannt hat, erwarten, dass der Verletzer innerhalb kurzer Frist mitteilt, wenn ihm diese Angaben zur Identifizierung des Verletzungsvorwurfs nicht genügen. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – eine Vielzahl von Patenten und Standards genannt werden.“). Hierfür spricht auch die vorgenannte Rechtsprechung des EuGH, die verlangt, dass der Patentverletzer bei Ausschlagung des Angebots innerhalb „kurzer Frist“ ein FRAND-gemäßes Gegenangebot macht (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 66). Die Zeit ist daher ein beachtenswerter Faktor.
Ob und inwiefern eine nach Klageerhebung bzw. nach erstinstanzlicher Verurteilung erklärte Lizenzbereitschaft Auswirkungen auf die kartellrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Patentinhabers haben kann, hat der BGH offen gelassen (BGH, a.a.O., Rn. 97).
b) Wäre der Zeitpunkt der Abgabe der Lizenzbereitschaftserklärung sowie des Gegenangebots für die erfolgreiche Durchsetzung des FRAND-Einwandes unerheblich, bestünde keinerlei Motivation des Patentverletzers mehr, zeitnah zu einer Verletzungsanzeige in ernsthafte Vertragsverhandlungen einzutreten. Der Patentverletzer könnte die FRAND-Verhandlungen nur pro forma ohne echte Lizenzbereitschaft führen und abwarten, ob der Inhaber des standardessentiellen Patents den Willen und vor allem die finanziellen Mittel hat, dieses gerichtlich durchzusetzen. Im Prozess könnte er dann einer drohenden Verurteilung durch Ziehen der „Notbremse Gegenangebot“ zunächst entgehen. Obwohl sein bis dato erhobener FRAND-Einwand mangels Lizenzwilligkeit und/oder Gegenangebot erkennbar aussichtlos war, könnte er ihn durch das Nachholen des Gegenangebots retten und der Gerichtsprozess würde in die Länge gezogen.
Das vom EuGH aufgestellte Leitbild zügiger und ausgewogener Lizenzverhandlungen zwischen den Parteien wäre ausgehebelt und zudem für den Beklagten sanktionslos. Im Interesse konstruktiver Herangehensweisen der Parteien an Lizenzverhandlungen sowie auch zur Schonung der gerichtlichen Ressourcen kann ein solches Verhalten nicht akzeptiert werden (A.A. OLG Karlsruhe GRUR 2020, 166, Rn. 103-116 – Datenpaketverarbeitung).
c) Dem wird man nicht entgegenhalten können, ein entsprechendes Verhalten des Patentinhabers würde dagegen ungerechtfertigterweise sanktionslos bleiben. So könne der Patentinhaber seinerseits bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung an einem FRANDwidrigen Angebot festhalten und dann ein FRANDgemäßes Angebot zur Abwendung eines (teil) klageabweisenden Urteils unterbreiten. Daher sei auch für ihn jede Motivation, zuvor einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen vorzulegen bzw. abzuschließen, nicht gegeben.
Denn der Patentinhaber ist seinerseits gehalten, im eigenen Interesse an zielführenden Lizenzverhandlungen mitzuwirken. Jede Verzögerung führt dazu, dass die unberechtigte Benutzung seines standardessentiellen Patents länger andauert und die verfügbare Zeit für eine Lizenzierung bis zum Ablauf des Patents verkürzt wird. Schließlich läuft er Gefahr unter Umständen durch ein zuvor abgegebenes FRANDgemäßes Gegenangebot des von Anfang an lizenzwilligen Patentverletzers seinen Unterlassungsanspruch zu verlieren und die entsprechenden Kosten tragen zu müssen.
Vor diesem Hintergrund ist dem Zeitpunkt der Abgabe der unbedingten Lizenzbereitschaftserklärung zur Beurteilung der Frage, ob der Patentinhaber seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und der Patentverletzer sich hierauf berufen kann, eine gewichtige Rolle beizumessen.
d) Diesem Ergebnis stehen auch die Hinweise der Münchener Patentstreitkammern zu FRAND-Sachverhalten nicht entgegen. Zwar können nach Auffassung der Münchener Patentstreitkammern einzelne, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bestehende Defizite der Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beseitigt werden. Dies hat jedoch zunächst allein die prozessuale Folge, dass sie bei der Beurteilung des Sachverhalts von den Münchener Patentstreitkammern berücksichtigt und insoweit nicht als präkludiert angesehen werden.
Davon unabhängig ist gleichwohl die Beurteilung der materiellrechtlichen Situation. Denn die Möglichkeit zur Beseitigung einzelner Defizite soll nur der redlichen Partei zugute kommen, die entsprechend dem kartellrechtlich bedingten Leitbild zügig und redlich geführter Verhandlungen an der Aushandlung einer FRAND-gemäßen Lizenz wahrhaftig interessiert ist und lediglich einzelne Defizite – ggf. nach einem entsprechenden Hinweis der Kammer – noch nicht beseitigt hat. Demnach erhält sich gegebenenfalls ein von Anfang an lizenzbereiter Patentverletzer, der stets konstruktiv an Lizenzverhandlungen mitgewirkt hat, durch ein FRAND-gemäßes Gegenangebot noch während des Prozesses den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand. Denn das Gegenangebot wird vom Gericht im Lichte des gesamten Verhandlungsverlaufs betrachtet. Die Gesamtbetrachtung ist entscheidend für die Beurteilung, ob ein Patentverletzer tatsächlich lizenzbereit ist und sich um den erfolgreichen Abschluss eines Lizenzvertrages ernstlich bemüht.
Derjenige Patentverletzer aber, der unter Berücksichtigung der Verhandlungshistorie von Anfang an eine Verzögerungstaktik verfolgt hat, wird durch die Abgabe eines FRANDgemäßen Lizenzvertragsangebotes während des Prozesses nicht automatisch vom Saulus zum Paulus. Vielmehr muss der verzögernd agierende Patentverletzer damit rechnen, dass das Gericht bei Bewertung des Verhandlungsverlaufs feststellt, dass er von Anfang an nicht lizenzwillig war (vgl. Landgericht München I, Endurteil vom 10.09.2020, Az. 7 O 8818/19, wobei die Frage, ob das Gegenangebot FRANDgemäß war, dort offengelassen worden war). Diese Lizenzunwilligkeit kann er durch die Abgabe eines späten möglicherweise FRANDgemäßen Gegenangebots nicht mehr ungeschehen machen. Das steht auch deswegen in Einklang mit den Hinweisen zur Handhabung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes der Münchener Patentstreitkammern, weil diese nur die Beseitigung einzelner Defizite erlauben. Das bedeutet jedoch nicht, dass er alle Verhandlungsschritte auf einmal nachholen kann, da sonst das vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebene Verhandlungsregime, mit dem der Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen erreicht werden soll, konterkariert würde.
e) Dieses Ergebnis, wonach eine einmal erfolgte Verzögerungstaktik nicht ohne weiteres ungeschehen gemacht werden kann, steht nicht nur in Einklang mit dem vom Gerichtshof der Europäischen Union postulierten Ziel sachorientierter Lizenzverhandlungen, sondern kann zudem zwanglos in das juristische Gesamtgefüge eingeordnet werden.
aa) Es spiegelt sich im Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB wider. Wird demzufolge der Eintritt einer Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt der Bedingung als nicht erfolgt. Dem kann der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass nicht derjenige einen Nutzen aus einer für ihn günstigen Rechtsfolge ziehen können soll, der diese Rechtsfolge in treuwidriger Weise herbeigeführt hat (Bork, in: Staudinger, BGB, 2020, § 162 Rn. 2, 14; Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, 2018, § 162 BGB Rn. 18; Hau/Poseck/Rövekamp, in: BeckOK BGB, 55. Edition, Stand: 01.08.2020, § 162 BGB Rn. 10).
In Fallkonstellationen wie der vorliegenden bedeutet dies, dass der infolge treuwidrig verzögerter Lizenzvertragsverhandlungen herbeigeführte FRAND-Einwand als solcher letztlich nicht dem Patentverletzer zu Gute kommen und somit auch nicht zum Ausschluss des Unterlassungsanspruches führen kann.
Nichts anderes ergibt sich aus § 242 BGB (vgl. Grüneberg, in: Palandt, 79. Auflage, 2020, § 242 Rn. 48 m.w.N.).
bb) Demgegenüber kann nicht auf eine Vergleichbarkeit mit Einreden, wie etwa der Verjährungsrede abgestellt werden, um eine unbedingte Nachholbarkeit einer Lizenzbereitschaft und /oder eines Gegenangebots zu begründen. Denn im Gegensatz zur Einrede der Verjährung, deren Voraussetzungen objektiv und unveränderlich vor Klagerhebung vorliegen und nicht im Ermessen der Parteien, insbesondere der Beklagten liegen, würde das bei der unbedingten Nachholbarkeit schon gelten. Während der Kläger beim Verjährungseinwand zwar auch nicht notwendigerweise weiß, ob der Beklagten diese erheben wird, kann er sich aber selbst Klarheit darüber verschaffen, ob dessen Voraussetzungen vorliegen oder nicht. Bei einer Zulassung der unbedingten Nachholbarkeit von Lizenzbereitschaft und/oder Gegenangebot, kann sich der Beklagte diese Voraussetzungen noch während des Prozesses selbst schaffen. Dies wäre zwar für den redlichen Patentinhaber, der ein FRANDgemäßes Angebot vorgelegt hat unschädlich, da die Folge des FRANDgemäßen Gegenangebots lediglich ist, dass sein FRANDgemäßes Angebot vom Gericht ebenso bewertet und der FRAND-Einwand daher verworfen wird (vgl. hierzu unten). Es führte aber aufgrund der dann notwendigen Prüfung von Gegenangebot und Angebot zu einer aus Sicht des Klägers ungerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits. Die Verzögerungstaktik des Beklagten würde perpetuiert und er stünde unverdientermaßen besser dar, als der redliche Patentverletzer, der nach Eingang der Verletzungsanzeige umgehend konstruktiv am Abschluss eines Lizenzvertrages mitgearbeitet hat (insoweit auch Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage, 2020, Seite 706 Rn. 420, der aber im Ergebnis für eine Vergleichbarkeit mit der Verjährungseinrede argumentiert).
f) Selbstredend können starre Fristen für den Zeitpunkt einer Lizenzbereitschaftserklärung sowie eines Gegenangebots nicht bestimmt werden. Stets ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob die Erklärung der Lizenzbereitschaft bzw. die Abgabe des Gegenangebots so zeitnah erfolgen, dass aus objektiver Sicht von einer unbedingten Lizenzbereitschaft jenseits taktischer Erwägungen ausgegangen werden kann. Dass der Patentverletzer allerdings gehalten ist, so schnell wie möglich ein Gegenangebot abzugeben, folgt auch aus der bereits zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. a.a.O., Rn. 66: „innerhalb kurzer Frist“). Dabei verdient es der Erwähnung, dass der Patentbenutzer das Patent ohne Berechtigung nutzt. Er macht etwas, was ihm von der Rechtsordnung nicht erlaubt ist. Kommt der Patentinhaber auf ihn zu und teilt ihm mit, dass er das Patent seiner Ansicht nach verletzt, ist er dazu angehalten, so schnell als möglich den rechtswidrigen Zustand durch Abschluss eines FRANDgemäßen Lizenzvertrages abzustellen und dementsprechend zielgerichtet an Lizenzvertragsverhandlungen zum zeitnahen Abschluss eines Lizenzvertrages zu „whatever terms are in fact FRAND“ (BGH, a.a.O., Rn. 83) mitzuwirken.
Dabei ist die Kammer ausdrücklich nicht der Auffassung, dass die nicht rechtzeitige Erklärung der Lizenzbereitschaft automatisch zu einem Entfallen des FRANDEinwandes führt. Grundsätzlich muss es auch hier möglich sein, einzelne Defizite bei der Verhandlungsführung zu beseitigen. Auch hier bedarf es der Betrachtung des Einzelfalls und dabei insbesondere des Gesamtverhaltens des Patentverletzers.
2. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen erweist sich das Verhalten der Beklagten als Verzögerungstaktik.
a) Die Klägerin hat mit Schreiben vom 18.03.2019 (Anlage K 10) die Beklagte über den Vorwurf der Verletzung auch des hiesigen Klagepatents durch bestimmte Produkte der Beklagten informiert und ein Lizenzangebot unterbreitet (Attachment 4). Damit war die Beklagte in die Lage versetzt, sich ein Bild von der Berechtigung des Patentverletzungsvorwurfs zu machen. Weitere Erläuterungen waren nicht erforderlich (vgl. auch BGH, a.a.O., Rn. 85).
Als Antwort auf das Schreiben der Klägerin vom 18.03.2019 hat die Beklagte mit Email vom 23.04.2019 geantwortet, alle Korrespondenz betreffend Lizenzverhandlungen an eine bestimmte Mitarbeiterin zu schicken (Anlage XX-V 108 / Seite 1).
In einer weiteren Email vom 29.04.2019 äußerte die Beklagte erneut, die Kommunikation solle über eine bestimmte Mitarbeiterin geführt werden (Anlage XX-V 108 / Seite 3).
In der Folge fand ein Treffen der Parteien am 06.06.2019 in Chicago statt. Nach den Angaben der Beklagten (Schriftsatz vom 29.05.2020, Seite 57 f. / Bl. 521 f. d.A.) verlief dieses zur Unzufriedenheit der Beklagten, da zahlreiche technische Fragen ihr von der Klägerin nicht beantwortet wurden.
Mit Email vom 24.06.2019 sagte die Beklagte eine für den nächsten Tag geplante Besprechung („call“) mit der Begründung ab, sie benötige weitere Zeit, um die von der Klägerin behaupteten Patentansprüche zu prüfen (Anlage K 13: „(…) to further review the patent claims that N4. has made (…)). Ferner teilte die Beklagte der Klägerin darin mit, dass sie die von ihr geforderte Lizenzhöhe für deutlich höher halte im Vergleich zu anderen Lizenzhöhen im H.264-Standard. Im Hinblick auf Branchenüblichkeit sowie weitere Faktoren erachte sie daher die Lizenzgebühren der Klägerin für unzumutbar und untragbar („unreasonable and unsupportable“).
In einer Email vom 16.07.2019 sagte die Beklagte ein Treffen am 24.07.2019 in Chicago zur Diskussion betreffend die „h264 Patentsache“ („h.264 patent matter“) zu (Anlage XX-V 109 / Seite 1). Am 23.07.2019 sandte die Beklagte eine Email an die Klägerin, in der sie unter anderem zahlreiche Fragen betreffend das Patentportfolio der Klägerin adressierte (Anlage XX-V 138). Unter anderem bat sie um Übersendung vollständiger Claim Charts sowie von Informationen, aufgrund derer sie den vollständigen Umfang und die volle Breite, Tiefe und den potentiellen Wert des zu lizenzierenden Portfolios nachvollziehen könne. Weiter verhandelten die Parteien über eine Vertraulichkeitsvereinbarung, aufgrund derer die Klägerin der Beklagten weitere Informationen, insbesondere Drittlizenzverträge, zur Verfügung stellen können sollte.
Nach dem Treffen im Juli 2019 fand ein weiteres Treffen im August 2019 statt, bei dem nach den Angaben der Beklagten über die Vorlage von Drittlizenzverträgen seitens der Klägerin diskutiert wurde (Schriftsatz vom 29.05.2020, Seite 60 / Bl. 524 d.A.).
Mit Schreiben vom 25.11.2019 erklärte die Beklagte ihre Lizenzwilligkeit betreffend Patenten bezogen auf den H.264 Standard, soweit diese von ihren Produkten benutzt werden. Weiter stellte sie die Verletzung von Patenten der Klägerin durch ihre Produkte sowie deren Standardessenzialität in Abrede. Dennoch erklärte sie ihre Bereitschaft, mit N4.einen FRANDgemäßen Lizenzvertrag abzuschließen. Gleichzeitig bemerkte sie, dass sie das Angebot der Klägerin nicht richtig beurteilen könne, da ihr hierfür immer noch „Schlüsselinformationen („key information“) fehlten, die sie bereits bei der Klägerin in der Vergangenheit angefragt habe. An diese Bemerkung schloss sich eine Auflistung von 6 Punkten an, die von der Klägerin aufzuklären seien (Anlage XX-V 110).
In einem Schreiben vom 06.12.2019 (Anlage XX-V 111) erläuterte die Beklagte unter anderem ein Gegenangebot, welches sie der Klägerin am 10.01.2020 übersandte. Nach dessen Zurückweisung durch die Klägerin legte sie am 01. bzw. 14.04.2020 Rechnung. Am 30.04.2020 legte die Beklagte der Klägerin ein weiteres Gegenangebot vor. Am 19.05.2020 leistete sie Sicherheit.
b) Dieses Verhalten läßt in der Gesamtschau keine ernsthafte Lizenzwilligkeit der Beklagten erkennen.
aa) Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin als Antwort auf ihr Schreiben vom 18.03.2019 klar und eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass sie bereit ist, mit der Klägerin einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen. Allein das Führen von Gesprächen reicht dafür nicht aus. Dies gilt zumal dann, wenn Gegenstand der Gespräche lediglich der Erhalt weiterer Informationen für den Verletzer ist, um das Angebot des Patentinhabers überhaupt erst prüfen zu können. Das Schreiben der Klägerin vom 18.03.2019 war jedoch ausreichend, um der Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, gegebenenfalls unter Hinzuziehung externer Hilfe, das Angebot der Klägerin zu bewerten. Die Beklagte traf daher nach dem Schreiben der Klägerin vom 18.03.2019 zunächst die Obliegenheit, ihre Lizenzbereitschaft klar und eindeutig der Klägerin gegenüber zu erklären.
bb) Die Email der Beklagten vom 24.06.2019 (Anlage K 13) kann nicht als hinreichende Erklärung der Lizenzbereitschaft angesehen werden.
Obwohl die Klägerin mit dem Schreiben samt Angebot vom 18.03.2019 sowie den darin enthaltenen Claim-Charts zunächst alle an sie gestellten Anforderungen erfüllt hatte, damit die Beklagte ihre unbedingte Lizenzwilligkeit betreffend FRANDBedingungen deutlich zum Ausdruck bringen konnte, sagte die Beklagte in der Email vom 24.06.2019 eine geplante Unterredung mit Verweis auf mehr Zeit zur Prüfung der Richtigkeit des klägerischen Patentverletzungsvorwurfs ab. Ein Eintreten in konkrete Verhandlungen über die Lizenzhöhe wurde ebenfalls mit Verweis auf fehlende Angaben der Klägerin abgelehnt. Aus der Sicht der Klägerin konnte diese Email nicht als eindeutiges und unbedingtes Bekenntnis zum Abschluss eines Lizenzvertrages unter FRAND-Bedingungen aufgefasst werden.
cc) Nichts anderes gilt für das Schreiben vom 25.11.2019 (Anlage XX-V 110). Zwar erklärt die Beklagte dort, sie sei zum Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedigungen bereit. Gleichzeitig bestreitet sie darin die Verletzung der Patente der Klägerin: „… denies all allegations that its products are infringing N4.’s patents.“ Ferner stellt sie die Standardrelevanz der N4.-Patente ebenso in Abrede: „Further, Lenovo is not aware, and has not seen any evidence, that any particular N4. patent is truly essential to the H.264/AVC standard (…).” Daran ändert auch die darauffolgende Erklärung nichts, wonach eine Lizenz dann interessant sei, wenn die dazu diene, unnötige Patentstreitigkeiten zu vermeiden. In diesem Fall sei man bereit bzw. daran interessiert, diese Möglichkeit zu erkunden. Zusammen mit der nachfolgenden Aufzählung von Informationen, die die Klägerin liefern müsse, damit die Beklagte überhaupt in die Lage versetzt werde, das Angebot der Klägerin zu überprüfen, erweckt diese Erklärung nicht in den Eindruck einer tatsächlich ernsthaften Lizenzwilligkeit. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass seit dem ausreichenden Angebot der Klägerin von Mitte März 2019 bereits ein halbes Jahr vergangen ist, in der es der Beklagten möglich gewesen wäre, gegebenenfalls mit externer Hilfe das Angebot der Klägerin zu eruieren. Dass in der Zwischenzeit Informationsdefizite vorgelegen haben mögen, die einer verlässlichen Prüfung des Angebots der Klägerin bzw. der Erstellung eines Gegenangebots entgegenstanden, enthebt einen Patentverletzer nicht der Möglichkeit bzw. Obliegenheit, seine Lizenzbereitschaft – wie zwischen redlichen Lizenzvertragsparteien üblich – eindeutig zu offenbaren (vgl. auch Patents Court [2017] EWHC 711 (Pat) Rn. 162 – Huawei/Unwired Planet).
dd) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben vom 06.12.2019 (Anlage XX-V 111, eigentlich wohl 05.12.2019). Auch dort erklärt die Beklagte, allein fehlende Informationen der Klägerin stünden einer Bewertung des klägerischen Lizenzangebots entgegen. Zwar sei die Beklagte lizenzwillig und bereit, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen mit der Klägerin zu schließen. Gleichwohl bestreitet sie die Verletzung standardessentieller Patente der Klägerin durch ihre Produkte (“But … denies all allegations that its products are infringing N4.’s claimedessential H.264 patents. Moreover, as outlined in my November 25 letter, Lenovo is not aware, and has not seen any evidence, that any particular N4. patent is truly essential to the H.264 standard, as distinct from merely having been declared “essential” by N4..”). Daraus kann gerade keine unbedingte Lizenzwilligkeit geschlossen werden. Denn eigentlich wird gesagt, dass das Lizenzangebot der Klägerin bereits deswegen zurückzuweisen ist, weil es aufgrund der behaupteten Patentverletzung patentrechtlich unrechtmäßig ist.
Ferner verstrichen zwischen dem mit Schreiben vom 06.12.2019 beschriebenen Angebot und dessen tatsächlicher Übersendung an die Klägerin am 10.01.2020 wiederum gut 4 Wochen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese zeitliche Verzögerung insbesondere vor dem Hintergrund des bereits seit fast einem dreiviertel Jahr vorliegenden Angebots der Klägerin nicht mit dem Schreiben vom 06.12.2019 mitversandt wurde.
ee) Die Beklagte selbst hat in ihrem Vortrag zu den Vorgängen von März bis November 2019 nicht behauptet, sie habe „klar und eindeutig“ ihre Lizenzbereitschaft erklärt. Stattdessen hat sie sich auf die Position zurückgezogen, dass eine solche auch „konkludent“, durch „schlüssiges Verhalten“ sowie durch eine formlose und pauschale Erklärung möglich sei (Schriftsatz vom 29.05.2020, Bl. 53 f. / Bl. 517 f. d.A.).
Weiter kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass in keinster Weise erkennbar ist, warum das Gegenangebot der Beklagten vom 10.01.2020 bzw. vom 30.04.2020 – zu ihren Gunsten unterstellt, es wäre FRANDgemäß – nicht schon in 2019 hätte erfolgen können. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die von der Beklagten von der Klägerin noch mit Schreiben vom 25.11.2019 (Anlage XX-V 110) bzw. 06.12.2019 (Anlage XX-V 111) verlangten umfangreichen Informationen notwendig gewesen wären, um das Gegenangebot vom 10.01.2020 bzw. 30.04.2020 zu unterbreiten. Dieser Umstand zeigt zusammen mit der verzögerten Vorlage des im Schreiben vom 06.12.2019 beschriebenen Gegenangebots in aller Deutlichkeit, dass es der Beklagten gerade nicht um zielführende Verhandlungen ging, sondern um Verzögerung.
Wie unter 3. gezeigt wird, bestehen zudem hinsichtlich beider Gegenangebote Zweifel an der FRAND-Gemäßheit des Angebots der Beklagten – unabhängig vom Angebot der Klägerin. Sie können daher im Rahmen der Gesamtschau nicht zugunsten einer Lizenzbereitschaft der Beklagten gewertet werden.
ff) Ebenso widersprüchlich ist die Argumentation der Beklagten, die einerseits darauf verweist, der Patentpool der Klägerin sei sehr überschaubar und im Lichte eines Preis-Leistungs-Verhältnisses offensichtlich nicht FRAND, sich andererseits aber im Schreiben vom 25.11.2019 nicht in der Lage sah, diesen überschaubaren Pool innerhalb von 6 Monaten (März bis November 2019) zu bewerten. Die von der Beklagten vorgelegte Anlage XX 127 zeigt hingegen, dass sie offensichtlich aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 18.03.2019 doch in der Lage war, den Pool der Klägerin einzuschätzen.
Daher kann auch zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin ihrer entsprechenden Verpflichtung zur Darlegung ihrer Berechnungsmethode nicht nachgekommen war. Denn diese Verpflichtung bestand erst, nachdem die Beklagte ihre ernsthafte Lizenzbereitschaft bekundet hatte (BGH, a.a.O., Rn. 99).
gg) Insgesamt zeigt das Verhalten der Beklagten, dass sie darauf bedacht war, durch das Anfordern von soviel zusätzlicher Informationen wie möglich von der Klägerin soviel Zeit wie möglich vergehen zu lassen, ohne selbst wirklich konstruktiv an einer Lizenzverhandlung mitzuwirken.
hh) Diese Annahme wird bestätigt durch weitere Einlassungen der Beklagten im Verfahren, die sich zu einem Gesamtbild verdichten:
So hat die Beklagte im Schriftsatz vom 29.05.2020 (Seite 17 / Bl. 481 d.A.) ausgeführt, sie habe mit MPEG-LA keinen Lizenzvertrag betreffend den H.264-Standard abgeschlossen, weil sie auch aufgrund der Struktur ihrer Zuliefererverträge davon ausgehen dürfe, dass entsprechende Lizenzen von ihren Zulieferern abgeschlossen werden. Warum die Beklagte im Hinblick auf eine Lizenzvereinbarung mit der Klägerin eine andere Einstellung hat bzw. haben sollte, ist nicht ersichtlich. Erkennbar ist daraus jedoch die Einstellung der Beklagten, nicht sie sei die richtige Ansprechpartnerin für Lizenzen betreffend den H-264-Standard, sondern ihrer Zulieferer. Daraus lässt sich lebensnah und zwanglos schließen, dass sie nicht wirklich ernsthaft lizenzwillig ist. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte gerade das Lizenzregime des MPEG-LA Patentpools zur Begründung der FRAND-Widrigkeit des klägerischen Angebots heranzieht (vgl. unten). Warum sie dennoch keine Lizenznehmerin des MPEG-LA Patentpools ist, bleibt offen bzw. kann schlicht und einfach mit ihrer fehlenden Lizenzwilligkeit erklärt werden.
3. Die Gegenangebote der Beklagten vom 10.01.2020 sowie vom 30.04.2020 sind darüber hinaus nicht FRAND.
a) Die Beklagte beruft sich – wie unten näher erläutert wird – mangels anderer Angaben durch die Klägerin zur Darstellung ihres Gegenangebots auf den MPEG-LAPoollizenzvertrag (vgl. auch Schreiben vom 06.12.2019, Anlage XX-V 111). Dieser sieht ausweislich Seite 10 bzw. 11 (Anlage BP 5) auch eine Zahlungspflicht für bereits erfolgte Nutzungen vor, teilweise zurückreichend bis 2005 (Seite 10), teilweise rückwirkend bis 2006 (Seite 11). Die Beklagte hat gemäß ihrer Rechnungslegung in Deutschland seit 2012 über 17.200.000 Endgeräte der angegriffenen Ausführungsform, d.h. ohne Mobilfunkeigenschaft, verkauft (Anlage XX-V 137, Seite 3).
Es kann vom Gericht unterstellt werden, dass weltweit von der Beklagten wohl mehr als zehnmal soviele Geräte in diesem Zeitraum verkauft wurden, mithin mindestens 170 Mio. Stück (die Streithelferin nennt für die Beklagte im Schriftsatz vom 15.07.2020, Seite 12 und 13, allein für das Jahr 2019 rund 63 Mio. weltweit verkaufte Laptops und 8,5 Mio. weltweit verkaufte Tablets). Nimmt man diese – sicherlich nicht zu hoch gegriffene – Zahl und multipliziert sie mit der von der Beklagten – unter Berufung auf MPEG-LA – als angemessen bezifferte Lizenzgebühr von 0,02 USD, ergibt sich daraus eine Lizenzsumme von 3.400.000,00 EUR.
Die von der Beklagten angebotene Pauschale für alle weltweit verkauften Geräte beträgt indes lediglich x Mio. USD (vgl. auch Ziffer 1.13: „anywhere in the world“, Anlage XX-V 116) und damit nur ein Drittel von dem, was selbst nach dem Lizenzsatz der Beklagten – mit den vom Gericht unterstellten Zahlen – diese an Lizenzgebühren für die Vergangenheit bezahlen müsste. Bereits aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Gegenangebot der Beklagten offensichtlich FRANDgemäß ist.
b) Die Anpassungsklausel betreffend die Lizenzhöhe im Gegenangebot vom 30.04.2020 steht – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH in seiner „Orange Book Standard“-Entscheidung (GRUR 2009, 694).
Nach der Entscheidung „Orange Book Standard“ soll die Festlegung der Lizenzhöhe dem Patentinhaber zustehen – allerdings mit der Einschränkung, dass sie gemäß § 315 BGB überprüfbar ist. Das bedeutet, dass der Patentinhaber die Lizenzhöhe festsetzt und der Lizenznehmer sie dann – auf seine Kosten und sein Risiko – gerichtlich überprüfen lassen kann.
Die Beklagte hat ihr Gegenangebot vom 30.04.2020 indes derart ausgestaltet, dass sie (1.) eine Lizenzgebühr angibt und (2.) für die Patentinhaberin die Möglichkeit vorsieht, diese überprüfen zu lassen. Somit hat sie die Lizenzgebühr festgelegt und weist den Aufwand der rechtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Gebühren – sowie weiterer Klauseln – der Klägerin zu. Das entspricht nicht dem vom BGH vorgestellten System (vgl. Bukow, in: Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Auflage 2020, § 13 Rn. 278, 279; Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage, 2015, § 9 Rn. 73; Hinweise zur Handhabung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes nach Huawei v. ZTE innerhalb des Münchner Verfahrens in Patentstreitsachen Stand: Februar 2020, Seite 3).
4. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten eine Lizenzbereitschaft und ein FRANDgemäßes Gegenangebot unterstellen wollte, ging der gesetzliche Kartellrechtseinwand der Beklagtenseite fehl. Denn die hier nur noch auf Offensichtlichkeit erfolgte Prüfung des klägerischen Angebots vom 18.03.2019 ergibt, dass dieses nicht FRANDwidrig ist.
Die Kammer geht dabei nicht davon aus, dass in Fällen, in denen ein FRANDgemäßes Angebot und ein FRANDgemäßes Gegenangebot unterbreitet werden, die Parteien eine außergerichtliche Streitbeilegung durchzuführen haben. Vielmehr steht dann der Kartellrechtseinwand der Beklagtenpartei nicht zu, da sie ein FRANDgemäßes Angebot des klagenden Patentinhabers nicht angenommen hat.
Da es aufgrund der bereits festgestellten fehlenden Lizenzbereitschaft der Beklagten nicht mehr darauf ankommt, beschränkt sich das Gericht auf eine Offensichtlichkeitsprüfung des klägerischen Angebots vom 18.03.2019.
a) Der Missbrauch einer markbeherrschenden Stellung liegt in Fällen wie dem vorliegenden vor, wenn der Patentinhaber seiner Verpflichtung zur Unterbreitung eines FRANDgemäßen Lizenzierungsangebots an den lizenzwilligen Verletzer nicht nachgekommen ist. Lehnt der Verletzer ein FRANDgemäßes Lizenzierungsangebot ab, kann er sich nicht mit Erfolg auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand des Art. 102 AEUV berufen.
Dabei trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast, dass ein vorgelegtes Angebot des Klägers FRANDwidrig ist. Den Kläger trifft hinsichtlich seines Lizenzierungskonzepts eine sekundäre Darlegungslast, soweit es sich um Informationen handelt, die nur ihm vorliegen (BGH, a.a.O., Rn. 76). Lehnt der Verletzer ein Lizenzierungsangebot ab, wird er mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand zudem nur dann gehört, wenn er selbst ein jedenfalls nicht offensichtlich FRANDwidriges Gegenangebot unterbreitet hat.
b) Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2019 (Anlage K 10) ein Angebot über den Abschluss eines Lizenzvertrages betreffend den H.264 Standard und das hiesige Klagepatent gemacht.
Dieses Angebot ist jedenfalls nicht offensichtlich FRANDwidrig, da es von zahlreichen Unternehmen abgeschlossen wurde.
aa) Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, was unter FRAND zu verstehen ist, gibt es nicht; „FRAND is a range“ (Court of Appeals, EWCA Civ 2344 Rn. 121 ffUnwired Planet/Huawei; vgl. auch OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 95 mit Verweis auf die Europäische Kommission, Mitteilung über den Umgang der EU mit standardessenziellen Patenten, COM [2017] 712, 8 und bezogen auf Verhaltenspflichten bzw. Obliegenheiten der Parteien). Das liegt auch daran, dass die Bedingungen, die mit dem Lizenzangebot erfüllt sein müssen, nämlich „fair“ und „reasonable“ (= angemessen), unbestimmte Begriffe sind. Starre Vorgaben verbieten sich daher insoweit. Stattdessen sind sie stets im jeweiligen Einzelfall anhand dessen konkreter Umstände mit Leben zu erfüllen.
Weiterhin folgt aus der Unschärfe des FRAND-Begriffs, dass in aller Regel nicht nur ein einziges, ganz bestimmtes Angebot FRAND ist. Stattdessen lässt der Begriff eine gewisse Bandbreite zu, innerhalb derer ein FRANDgemäßes Angebot bzw. Verhalten festgestellt werden kann (vgl. ebenso OLG Karlsruhe, ebd.). Dabei gelten die FRAND-Anforderungen mitsamt ihrer Unschärfe nicht nur für das Verhalten bei Lizenzverhandlungen, sondern auch für das Angebot selbst. Auch dieses lässt sich nicht zwingend auf einen bestimmten Betrag herunterbrechen.
bb) Der Patentinhaber hat dabei sein Lizenzierungskonzept zu erläutern und ferner anzugeben, ob und mit welchem Inhalt er bereits zeitlich und sachlich vergleichbare Lizenzverträge abgeschlossen hat und ferner warum er – falls zutreffend – neben den vom Patentbenutzer gewünschten Patenten auch andere Patente in sein Lizenzangebot einbezogen hat.
cc) Das Angebot der Klägerin gemäß der Anlage K 10 umfasst Endgeräte, die den H.264/AVC Standard zum Decodieren verwenden. Pro verkauftem Endgerät wird eine Lizenzgebühr fällig. Das Angebot enthält ein abgestuftes Lizenzregime, abhängig vom empfohlenen Endverkaufspreis („MSRP“ = manufacturer’s suggested retail price) des Endgeräts. Für Produkte mit einem MSRP bis … EUR ist eine Lizenzgebühr von 0,20 EUR, für Produkte mit einem MSRP bis … EUR ist eine Lizenzgebühr von 0,35 EUR und für Produkte mit einem MSRP ab … EUR ist eine Lizenzgebühr von 0,60 EUR zu bezahlen.
Der angebotene Vertrag ist zeitlich befristet und endet am 31.12.2022.
Die Klägerin hat dargelegt, dass sie mit über 30 Unternehmen Lizenzverträge geschlossen hat, die das Decoding mit dem H.264 Standard betreffen und dieselbe Lizenzgebühr vorsehen, wie das der Beklagten unterbreitete Lizenzangebot vom 18.03.2019.
Sie hat weiterhin vorgetragen, sie habe auch andere Lizenzverträge abgeschlossen, die allerdings aus ihrer Sicht nicht vergleichbar mit dem hier streitgegenständlichen sind. Ebenso hat die Klägerin dargelegt, dass sie mit der überwiegenden Mehrzahl der am Markt relevanten Hersteller von Desk- und Laptops sowie Tablet-PCs keine Lizenzverträge betreffend Encoding im H.264 Standard abgeschlossen hat.
dd) Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 19.05.2020 dargestellten Lizenzverträge belegen, dass das Angebot der Klägerin von zahlreichen Unternehmen rund um den Globus akzeptiert wurde. Bereits aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Angebot offensichtlich FRANDwidrig ist.
Zwar ist zuzugeben, dass die aufgeführten Unternehmen weder zu den (unmittelbaren) Wettbewerbern der Beklagten gehören, noch ansonsten beeindruckende Ähnlichkeiten mit ihr aufweisen. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich hauptsächlich um kleinere, entweder örtlich oder fachlich spezialisierte Unternehmen, die allesamt nicht Anbieter von Geräten wie den angegriffenen Aufführungsformen sind. Daraus lässt sich indes nicht herleiten, das Angebot sei gegenüber der Beklagten nicht FRANDgemäß, weil die dieses Angebot annehmende Unternehmen allesamt nicht mit ihr vergleichbar seien.
Es ist für die Kammer nicht nachvollziehbar gemacht worden, warum für die Beklagte, bei der es sich um die deutsche Tochtergesellschaft eines der führenden Computerhersteller weltweit handelt, diskriminierend sein soll, die von der Klägerin gehaltenen H.264-Standard-Patente zu denselben Bedingungen zu nutzen, wie ein mittelständisches deutsches oder französisches Unternehmen oder ein Unternehmen von den Philippinen. Zwar mag die Beklagte im Gegensatz zu manchen Lizenznehmern, wie etwa Bang & Olufsen, ein weniger margenträchtiges Geschäftsmodell betreiben. Dass im Gegensatz zu diesem Unternehmen eine Lizenzgebühr von 0,60 EUR pro Endgerät ab … EUR die Beklagte (offensichtlich) benachteiligt, ist jedoch nicht erkennbar.
Alles andere würde auch bedeuten, dass man den Inhabern standardessentieller Patente die Pflicht auferlegte, genaueste Informationen zu Geschäftsmodell, Produktportfolio, Verkaufszahlen, Preispolitik und Gewinnzielen aller Unternehmen vorzuhalten, mit denen sie einen Lizenzvertrag schließen möchte. Denn nur so wäre gewährleistet, dass sie jedem Unternehmen ein maßgeschneidertes Lizenzangebot unterbreiten kann, das den jeweiligen Besonderheiten jedes einzelnen Unternehmens gerecht wird. Dass derartige Anforderungen die Inhaber standardessentieller Patente überfordern würde und ihnen die Verwertung ihrer Schutzrechte faktisch unmöglich machen würde, liegt auf der Hand. Zudem wäre ein derart ausziselierte Lizenzierungspraxis insofern problematisch, als sich der Lizenzgeber bei solchermaßen speziell angepassten Vertragsangeboten dem Vorwurf der Ungleichbehandlung von im Wesentlichen Gleichen aussetzte. Zudem müsste der Patentinhaber das Risiko einer richtigen Einschätzung seiner potenziellen Lizenzpartner tragen, obwohl er – gerade bei nicht börsennotierten Unternehmen – nur über eingeschränkte Erkenntnisquellen verfügen dürfte.
Schließlich hat die Beklagte ihre Behauptung, die Lizenzverträge seien Ergebnis einer überlegenen Verhandlungsmacht der Klägerin gegenüber den jeweiligen Unternehmen, die ihr gegenüber nicht gegeben sei, nicht näher substantiiert. Die Beklagte hat nicht ansatzweise dargelegt, dass die von der Klägerin als Referenz herangezogenen Lizenznehmer die Lizenzbedingungen unter dem Eindruck einer überlegenen Marktmacht der Klägerin abgeschlossen haben.
ee) Die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19.05.2020 dargestellten Verträge sind jedenfalls zur Darlegung der offensichtlichen FRAND-Konformität ihres Angebots vom 18.03.2019 ausreichend. Die anderen von der Klägerin ebenfalls abgeschlossenen und insbesondere im Schriftsatz vom 03.06.2020 (Bl. 646/656 d.A.) erläuterten Lizenzverträge sind demgegenüber unbeachtlich. So hat die Klägerin zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass die bestehenden Lizenzverträge mit A4., M4. und Panasonic nicht auf die vorliegende Situation anwendbar sind, da sie jeweils im Rahmen eines speziellen Zusammenhangs geschlossen wurden. So hat der Vertrag mit A4. auch eine Mobilfunkkreuzlizenz zum Gegenstand und erfasst nicht Laptops, PCs und Tablets (Anlage K 44). Zudem wurde er zur Beilegung eines Rechtsstreits geschlossen. Die Lizenz mit M4. kam im Rahmen eines Unternehmenskaufs zustande (Anlage K 45).
Weiterhin ist erwähnenswert, dass auch die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung den marktbeherrschenden Patentinhaber nicht grundsätzlich verpflichtet, Lizenzen nach Art eines „Einheitstarifs“ zu vergeben, der allen Nutzern gleiche Bedingungen einräumt (BGH, a.a.O., Rn. 81). Somit sind unterschiedliche Lizenzsätze von sich aus nicht automatisch ein Beweis für eine Ungleichbehandlung. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die fraglichen Verträge einer unterschiedlichen Verhandlungssituation entspringen. Lizenzsätze eines Lizenzsuchers, der allein Lizenzen für die Nutzung einer Technologie nachsucht, sind daher nicht ohne weiteres vergleichbar mit denjenigen, die ein Unternehmen mit demselben Lizenzgeber im Rahmen eines Vertrages über eine Kreuzlizenzierung oder einen Unternehmenskauf aushandelt.
ff) Das Lizenzmodell des MPEG-LA-Patentpool steht der Annahme der FRAND-Konformität nicht entgegen.
(1.) Selbst wenn man zugunsten der Beklagtenseite unterstellte, die Lizenzstruktur des MPEG-LA-Patentpools sei FRANDkonform, ließe dies nicht den Umkehrschluss zu, das Angebot der Klägerin vom 18.03.2019 sei dies nicht. Der Vergleich mit einer Poollizenz kann zwar als Indiz für die FRAND-Konformität verwendet werden. Allerdings ist dessen Aussagekraft schon deshalb begrenzt, weil unter anderem aufgrund der geringeren Transaktionskosten bei der Lizenzierung über einen größeren Pool mit den Schutzrechten von mehreren Unternehmen regelmäßig geringere Lizenzgebühren pro Patent gezahlt werden, als bei der Lizenzierung des Portfolios nur eines Unternehmens und einer geringeren Gesamtzahl von Schutzrechten (LG Düsseldorf, BeckRS 2016, 131580 Rn. 183).
(2.) Unabhängig davon ist zu beachten, wer Mitglied des MPEG-LA-Pools ist und welches (wirtschaftliche) Interesse er verfolgt.
Ausweislich der Anlage BP 5 sind Mitglieder unter anderem A4. Inc., HP Inc., M4. Corporation, S4. Electronics Co. Ltd., S5. Corporation und T5. Corporation. Diese Unternehmen sind allesamt jedenfalls auch Hersteller von Endgeräten wie den angegriffenen Ausführungsformen, nämlich Laptops und/oder Tablets. Auch zahlreiche andere – zum Teil sehr bekannte bzw. bedeutende – Unternehmen der (Unterhaltungs-)Elektroindustrie wie LG Electronics, P5. Corporation, P6. N.V., S6. Corporation oder Z6. Corporation gehören zu den Lizenzgebern. Alle diese lizenzierenden Unternehmen sowie zahlreiche weitere befinden sich gemäß der Anlage BP 5 – teilweise mit zahlreichen konzernverwandten Unternehmen (P5., S5.) – auch unter den Lizenznehmern des Pools. Demnach profitieren diese Unternehmen als Lizenznehmer von niedrigen Lizenzgebühren bzw. ist die Bereitstellung besonders lizenznehmerfreundlicher Lizenzvertragsbedingungen in ihrem Interesse. Diese Konstellation, in der zahlreiche Lizenzgeber gleichzeitig Lizenznehmer sind, unterscheidet den Lizenzansatz von MPEG-LA von dem der Klägerin. Deswegen kann aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Lizenzverträge nicht geschlossen werden, dass derjenige der Klägerin nicht FRAND ist. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass – wie oben gezeigt – zahlreiche Unternehmen dieses Lizenzsystem akzeptiert und mangels anderer Hinweise auch nicht in nennenswerter Zahl später wieder gekündigt haben.
Gegen die unbefangene Heranziehung der Lizenzbedingungen bestehender Patentpools als Maßstab für die FRAND-Konformität spricht ferner, dass sonst einige Inhaber standardessentieller Patente durch die frühzeitige Bildung eines Patentpools für alle anderen Inhaber von Patenten desselben Standards die Lizenzhöhe und Lizenzbedingungen vorgeben könnten. Die anderen Inhaber wären dann faktisch gezwungen dem Pool beizutreten, da sie allein keine Möglichkeit mehr hätten, ihre standardessentiellen Patente jedenfalls zu für die Lizenznehmer schlechteren Konditionen zu lizenzieren. Denn ihnen würde unter Verweis auf die lizenznehmerfreundlicheren Bedingungen des Patent-Pools stets die FRAND-Widrigkeit entgegengehalten. Somit würden diejenigen Patentinhaber, die zusammen mit anderen frühzeitig Lizenzbedingungen im Rahmen eines Pools festlegten, die Bedingungen bestimmen, unter denen ein ganzer Standard für alle anderen Inhaber standardessentieller Patente zu lizenzieren wäre. Das könnte alle anderen Inhaber standardessentieller ungerechtfertigt benachteiligen.
gg) Die Erfassung von Verletzungshandlungen für einen vergangenen Zeitraum von 2 Jahren gemäß Ziffer 2.1 des Vertragsangebots („past release“) ist gerade vor dem Hintergrund des MPEG-LA-Lizenzvertrages nicht unbillig.
Ausweilich der von der Beklagtenseite vorgelegten Vertragsbedingungen von MPEG-LA (Anlage XX 117 bzw. BP 5), umfassen die Lizenzgebühren nach dessen Vertragsmodell überhaupt keine vorangegangenen Benutzungshandlungen, sondern sind gesondert zu vergüten, beginnend ab dem Jahr 2005 (Folie 5 der Anlage BP 5). Zwar sind die zu zahlenden Gebühren auf bestimmte Beträge begrenzt. Dennoch folgt daraus, dass das Angebot der Klägerin im Vergleich hierzu nicht erkennbar schlechter für den Lizenznehmer ist.
hh) Auch im gerichtlichen Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagte kann jedenfalls vorliegend keine Diskriminierung der Klägerin gegenüber der Beklagten gesehen werden.
Dem Patentinhaber steht es jedenfalls grundsätzlich frei, gegen aus seiner Sicht patentverletzende Nutzer seiner Erfindungen vorzugehen oder nicht. Zwar darf er nicht selektiv gegen einzelne vorgehen, während er andere unbehelligt läßt und ihnen damit faktisch Nulllizenzen einräumt. Aus der Eigenschaft als Inhaber standardessentieller Patente kann aber nicht gefolgert werden, die Klägerin müsste entweder gegen alle (gleichzeitig) oder keinen Teilnehmer eines bestimmten Marktes vorgehen. Dies würde insbesondere an die finanziellen Kräfte der Klägerin Anforderungen stellen, die faktisch die Durchsetzung ihrer Patente unmöglich machte. Es erscheint im Gegenteil durchaus ressourcenschonend, wenn die Klägerin zunächst gegenüber einem Markteilnehmer, quasi stellvertretend für die übrigen, gerichtlich klärt, ob und unter welchen Bedingungen ihre Patente durchsetzbar sind. Denn die daraus gewonnen Erkenntnisse können in sich dann gegebenenfalls anschließenden Verhandlungen mit den übrigen Markteilnehmern eingebracht und notfalls auch vor Gericht verwendet werden.
Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht substantiiert dargelegt, dass und inwieweit die nicht verklagten Mitbewerber das Patent mit welchen Produkten verletzen und inwieweit die Kläger diese hätte verklagen können.
Die Inanspruchnahme der Beklagten als Verkäuferin der Endprodukte und nicht ihrer Zulieferer stellt sich gleichfalls nicht als offenkundig kartellrechtswidrig dar. Denn auch insoweit steht es der Klägerin grundsätzlich frei, gegen wen sie ihr Eigentumsrecht durchsetzt. Zudem wird die technische Lehre des Klagepatents erst in den Geräten der Beklagten bzw. von ihren Käufern tatsächlich genutzt, so dass es grundsätzlich nicht unbillig ist, wenn die Klägerin an dieser finalen Wertschöpfung partizipiert.
ii) Festzuhalten bleibt daher, dass die Klägerin mit Darstellung der über 30 Lizenzverträge zur Überzeugung der Kammer dargelegt hat, dass es sich bei dem Angebot an die Beklagte vom 18.03.2019 um ein solches handelt, das nicht offenkundig FRANDwidrig ist. Es gibt zahlreiche – wenn auch nicht unmittelbar mit der Beklagten vergleichbare – Unternehmen, die zu diesen Konditionen Lizenzverträge mit der Klägerin geschlossen haben.
c) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich.
Die Antwort auf die von der Beklagten im Schriftsatz vom 03.09.2020 formulierte erste Vorlagefrage ergibt sich bereits aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (GRUR 2015, a.a.O., Leitsatz 1). Ferner hat die Prüfung ergeben, dass das Angebot der Klägerin jedenfalls nicht offensichtlich FRANDwidrig ist.
Die zweite Vorlagefrage ist bereits nicht erheblich, da die Beklagte vorliegend nicht nur ihren „Willen zum Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrages (…) nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht hat“, sondern gar nicht lizenzwillig war, es also nicht nur am Schein, sondern bereits am Sein mangelt.
III. Der von der Beklagten ebenfalls erhobene vertragliche Zwangslizenzeinwand verhilft ihr nicht zum Erfolg.
1. Die Beklagte meint, die (F)RAND-Erklärung gegenüber der ITU betreffend das Klagepatent (Anlage XX 100) begründe nach dem auf diese Erklärung anwendbaren Schweizer Recht einen Vertrag zugunsten Dritter. Die Beklagte habe demnach einen vertraglichen Anspruch darauf, dass die Klägerin bezüglich des deklarierten Klagepatents Verhandlungen nach Treu und Glauben mit ihr führe. Ebenso folge daraus eine Obliegenheit der Klägerin dahingehend, das deklarierte Patent nicht gerichtlich durchzusetzen, bevor nach Treu und Glauben Verhandlungen geführt wurden. Das diesbezügliche Pflichtenprogramm sei im Einzelnen aufgrund vertraglicher Nebenpflichten auf Grundlage von Treu und Glauben im Sinne einer Obliegenheit dahin zu verstehen, dass patentrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Rückruf lediglich im Rahmen des vom Gerichtshof der Europäischen Union etablierten Huawei ./. ZTE Verhaltensregimes geltend gemacht werden könnten. Sie verweist hierzu auf ein Gutachten von Professor Dr. M3. L., LL.M. (Cambridge) in der Anlage XX 124a. Da die Klägerin diesem Pflichtenprogramm nicht ansatzweise entsprochen habe, greife der vertragliche Zwangslizenzeinwand ebenfalls durch.
2. Die von der Beklagten vorgebrachte Argumentation vermag aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen.
a) Selbst wenn man der Beklagten bei der Anwendung Schweizer Rechts sowie der Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter folgte, ist die dann folgende Anwendung des durch den Gerichtshof der Europäischen Union geformten FRAND-Regimes zumindest fraglich.
Die zwischen den Parteien geführten Lizenzverhandlungen betreffen den weltweiten Verkauf von Produkten der Beklagten. Eine Beschränkung auf Europa ist nicht vorgesehen. Entsprechend sind nicht nur Patente mit Wirkung für Europa Teil des Lizenzangebots der Klägerin, sondern auch Patente, die andere Teile der Erde abdecken.
Vor diesem Hintergrund ist fraglich, warum ausgehend vom Schweizer Recht der allgemeine Rechtsbegriff von Treu und Glauben gemäß Art. 2 Abs. 1 Schweizer ZGB ausgerechnet und allein durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand ausgefüllt werden soll.
Dass die Klägerin aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung bzw. Obliegenheit nach Schweizer Recht das FRAND-Regime des Gerichtshofs der Europäischen Union einhalten müsste, kann somit nicht angenommen werden.
b) Selbst wenn man dies zugunsten der Beklagten annähme, könnte sie den (F)RAND-Einwand nicht erfolgreich geltend machen, da sie selbst – wie gezeigt – sich nicht entsprechend den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union verhalten, sondern eine Verzögerungstaktik verfolgt hat.
D.
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO bis zur Erledigung des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens ist nicht veranlasst. Denn die für eine Aussetzung erforderliche erhebliche Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage lässt sich im Rahmen der vom Gericht anzustellenden Prognose nicht feststellen (vgl. hierzu BGH GRUR 2014, 1237 Rn. 4 – Kurznachrichten).
I. Das Klagepatent ist nicht durch die Druckschrift gemäß der Anlage XX 5 („Fandrianto“) neuheitsschädlich vorweggenommen.
1. a) Die Entgegenhaltung der Anlage XX 5 betrifft allgemein die Bewegungsschätzung und speziell die Bestimmung von Bewegungsvektoren (Spalte 1, Zeilen 6-10), und zwar im Bereich der Videocodierung (Spalte 1, Zeilen 12 ff.). Beispielhaft bezieht sich die Druckschrift auf einen Entwurf des Standards H.261 sowie auf die Arbeiten der MPEG (Spalte 1, Zeilen 27-42). Um eine möglichst hohe Präzision bei der Bewegungsschätzung zu erzielen, verwendet die Druckschrift wie die Klageschrift Subpixel (Spalte 5, Zeilen 26-28) und stellt sich zur Aufgabe eine flexible, effiziente und leicht implementierbare Architektur zur Bewegungsschätzung zu ermöglichen (Spalte 1, Zeilen 61-67: „a need has arisen for a flexible, high performance, low implementation cost programmable architecture for motion estimation.“). Hierzu offenbart die Druckschrift eine Vorrichtung zur Anwendung arithmetischer Operationen auf Pixel (Spalte 2, Zeilen 8-12). Dies wird veranschaulicht anhand der Figur 2, die eine Architektur zur Bewegungsschätzung zeigt und nach der Auffassung der Beklagten als Interpolator mit allen Merkmalen von Anspruch 8 des Klagepatents dient.
b) Die Beklagte beruft sich zur neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch die Anlage XX 5 insbesondere darauf, die Druckschrift lehre die Berechnung mit gewichteten Durchschnitten, was die Verwendung der anspruchsgemäßen gewichteten Summen mit beinhalte. In Bezug auf Merkmal 6.2 b) führt sie aus, dieses sei durch Spalte 6, Zeilen 9-12 in der XX 5 voroffenbart:
„Pixels Cr,c (r=0, …, 16; c=0, …, 16) are pixels interpolated at halfpixel locations, preferably vertically from the A matrix 72 or horizontally from the B matrix 74, but may also be interpolated diagonally from the X matrix 70.“
2. Dem kann nicht gefolgt werden. Aus der Offenbarung eines gewichteten Durchschnitts in XX 5 kann nicht entnommen werden, dass damit auch eine gewichtete Summe gelehrt wird. Diese ist im Sinne des Klagepatents gerade noch nicht dividiert worden (vgl. oben B.), was auch jedenfalls „prima facie“ zuletzt von der Beklagten im Schriftsatz vom 15.09.2020 konzediert wird.
Ferner führt die Beklagte selbst aus, in der XX 5 würden „aufgrund der Verwendung zweier Subpixel mit gleichem Abstand zu dem zu interpolierenden Subpixel die Gewichtsfaktoren 1 verwendet“ (Schriftsatz vom 17.01.2020, Seite 34). Daher handelt es sich nicht um eine gewichtete Summe, die derjenigen gemäß Merkmal 6.2 b) entspricht.
Schließlich verdient es der Erwähnung, dass im internationalen Recherchebericht zu der dem Klagepatent zugrundeliegenden PCT-Anmeldung die Druckschrift US 5 901 248 A, bei der es sich um ein Familienmitglied der XX 5 handelt, aufgeführt ist. Auch aus diesem Grund scheint es nicht wahrscheinlich, dass das Klagepatent wegen fehlender Neuheit im Hinblick auf die XX 5 im Bestand gefährdet ist.
II. Auch eine mangelnde Erfindungshöhe kann nicht mit der erforderlichen, erheblichen Wahrscheinlichkeit konstatiert werden.
1. Die patentgemäße Lehre ist durch die Druckschrift in der Anlage XX 7 nicht nahegelegt.
a) Bei der Anlage XX 7 handelt es sich um die Druckschrift „VCEG-L45 ‘H.26L Test Model Long Term Number 6 (TML-6) draft0“ (im Folgenden: „TML6-draft“). Die TML6-draft beschreibt auf Seite 5 ein Referenzcodierverfahren zur Anwendung in der ITU-T-Empfehlung H.26L. Der grundsätzliche Aufbau des Algorithmus basiert auf dem Standard H.263, verwendet im Unterschied dazu aber unter anderem ¼- Pixel-Positionen bei der Bewegungsvorhersage. Die TML6-draft stellt dabei gemäß Deckblatt eine Veröffentlichung zu dem Testmodell 6, TML-6 bzw. TML6 dar, das auch in der Klagepatentschrift besprochen wird (vgl. oben) und Gegenstand des Prüfungsverfahrens war.
b) Auch nach Meinung der Beklagten unterscheidet sich die TML6-draft von dem im Klagepatent beanspruchten Gegenstand dadurch, dass für die Interpolation zum Zwecke höherer Genauigkeit bei der Berechnung des Wertes für ein Subpixel an einem Viertelzahlort in zwei Richtungen diagonal interpoliert wird. Das Klagepatent hingegen beansprucht die Berechnung auf Basis nur einer Diagonalen.
Die Beklagte meint indes, das Merkmal 6.3.3 von Anspruch 8
„wobei die Variablen m, n, p und q ganzzahlige Werte im Bereich von 1 bis N annehmen, derart, dass die jeweiligen ersten und zweiten Subpixel oder jeweiligen Pixel und Subpixel diagonal in Bezug auf das Subpixel an dem horizontalen 1/2N-Ganzzahlort und dem vertikalen 1/2N-Ganzzahlort, das interpoliert wird, angeordnet sind.“
sei vom TML6-draft dennoch – implizit – offenbart. Hierzu verweist sie auf Seite 15 der Anlage XX 7:
Die Beklagte führt aus, aus der dort gezeigten Figur sei für den Fachmann ersichtlich, dass die jeweiligen Pixel für die Interpolation diagonal angeordnet seien. Das will sie mit folgender Abbildung kenntlich machen:
Die entsprechenden ersten und zweiten Subpixel (die Subpixel 5 und 4 in obiger Figur, blau) seien diagonal in Bezug auf das Subpixel m an dem horizontalen 1/2N -Ganzzahlort (¼) und dem vertikalen 1/2N-Ganzzahlort (¼), das interpoliert wird, angeordnet. Die diagonale Anordnung der Subpixel 5 (blau), m (grün) und 4 (blau) sei in der obigen Figur unmittelbar erkennbar. Das Merkmal 6.3.3 gehe demnach aus der TML6-draft hervor.
c) Tatsächlich ist auch für den Fachmann eine diagonale Interpolation nicht offenbart. Die an der von der Beklagten zitierten Stelle der Anlage XX 7 gelehrte Interpolation beruht zwar auf den benachbarten Pixeln/Unterpixeln ´3´, ´4´, ´5´ und ´D´, schlägt aber gerade keine diagonale Interpolation vor, sondern zunächst horizontale Interpolationen basierend auf den Unterpixeln ´3´ und ´4´ bzw. ´5´ und ´D´ zum Erhalt der Unterpixel ´i´ und ´p´ sowie im Anschluss daran eine vertikale Interpolation basierend auf den beiden Ergebnissen ´i´ und ´p´.
Dementsprechend kann auch eine Anregung für den Fachmann, statt der in der Anlage XX 7, Seite 15, gelehrten horizontalen und vertikalen Interpolationen eine diagonale Interpolation zu wählen, nicht angenommen werden.
d) Ein Naheliegen der einstatt der zweifachen Interpolation ergibt sich ferner nicht aus der Zusammenschau von Anlage XX 7 und der Anlage XX 13.
aa) Zwar ist der Beklagtenseite zuzugestehen, dass die Anlage XX 13 als Aufgabe unter Ziffer 1 angibt, eine Bruchzahl-Pixelinterpolation vorzustellen, bei der die Filterung nur in einer Dimension zur Komplexitätsreduktion erfolgt:
„An additional goal of this document is to present a fractional pixel interpolation where filtering is performed in one dimension only – for complexity reduction.”
Entsprechend lehrt die Druckschrift in Ziffer 2.4 die Anwendung nur einer diagonalen Interpolation:
Ebenso erwähnt sie die Interpolation von ¼-Pixeln (vgl. Ziffern 4. und 4.3).
bb) Allerdings kann bei Gesamtbetrachtung des Dokuments nicht angenommen werden, dass dieses vom Fachmann bei Überlegungen zur Vereinfachung von ¼-Pixelwerten näher herangezogen worden wäre.
Denn die Hauptaufgabe der Druckschrift ist gemäß ihrem Titel („Title: A simplified 1/3 pixel prediction method“) sowie der Ziffer 1. die Beschäftigung mit einer alternativen Interpolation mit einer Auflösung von 1/3-Pixeln. Das konzediert auch die Beklagte (vgl. Schriftsatz vom 17.01.2020, Seite 64). Das Ergebnis der Untersuchung in der Druckschrift ist gemäß Ziffer 4.4., dass die Vorhersage anhand von einer Auflösung mit 1/3-Pixeln überlegt werden sollte:
„4.4 Recommendation It is proposed to consider this definition of 1/3 pixel resolution prediction for a low complexity profile of H.26L”
Damit führt die Anlage XX 13 den Fachmann aber von der Verwendung von ¼- Pixelwerten gerade weg. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß Ziffer 4. die Verwendung von ¼-Pixeln und 6 taps eine „ähnliche gute Kombination“ ist, wie die Verwendung von 1/3-Pixeln und 4 taps. Denn nach Ziffer 4.3 „Complexity“ ist die Komplexität von ¼-Pixeln höher als die von 1/3-Pixeln, da für letztere nur 2, für erstere hingegen 3 Schritte notwendig sind:
„On the encoder side use of 1/3 pixel resolution needs two motion search steps (1 pixel and 1/3 pixel), whereas 1/4 pixel resolution needs three steps (1 pixel, 1/2 pixel and 1/4 pixel)”
Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung des Dokuments, die Tauglichkeit der Interpolation mit 1/3-Pixeln zu untersuchen, stellt diese Anmerkung neben der „Recommendation“ einen weiteren Grund für den Fachmann dar, sich der Verwendung von 1/3-Pixeln zuzuwenden und die Interpolation mittels ¼-Pixeln zu vernachlässigen.
Daher ist die Anlage XX 13 nicht geeignet, in Kombination mit der Anlage XX 7 das Merkmal 6.3.3 von Anspruch 8 des Klagepatents erfinderisch nahezulegen.
e) Vielmehr zeigt die XX 13, dass es für den Fachmann gerade nicht nahelag, eine einfach diagonale Berechnung bei der Interpolation von ¼-Pixeln in Erwägung zu ziehen. Daher hätte er auch nicht allein anhand der Druckschrift XX 7 die einfachdiagonale Interpolation als mögliche Lösung ins Auge gefasst.
2. Eine mangelnde Erfindungshöhe ausgehend von der Anlage XX 5 ist ebenso wenig ersichtlich.
a) Die Beklagte meint, soweit man Anspruch 8 nicht vollständig durch XX 5 offenbart ansähe, ergäbe sich das dort möglicherweise nicht dargestellte Verwenden gewichteter Summen aus dem Stand der Technik.
Dem kann nicht gefolgt werden, da in der XX 5 auch nicht offenbart ist, dass das Unterpixel „i“ von Merkmal 6.3.1 durch Interpolation des gewichteten Durchschnitts zweier Unterpixel gebildet wird.
Anders als die Beklagte meint, führt die XX 5 in Spalte 10, Zeilen 56-58 insoweit lediglich aus, dass das Unterpixel Q2 (entspricht Unterpixel „i“ / „h“ in Merkmal 6.3 c)) „aus einer diagonalen Interpolation der Daten im A-Block 72 und B-Block 74 abgeleitet werden“ kann. Wie sich aus Figur 3B sowie der Beschreibung in Spalte 5, Zeile 44 bis 49, sowie Spalte 6, Zeilen 18-48, ergibt, ist ein A-Block 72 oder BBlock 74 nicht auf ein bestimmtes Unterpixel begrenzt. Demnach folgt aus Spalte 10, Zeilen 56-58, nicht, dass aus dem A-Block und dem B-Block lediglich 2 Unterpixel zu verwenden sind.
Folglich kann die Argumentation, die Druckschrift der Anlage XX 5 führe jedenfalls in Verbindung mit dem Fachwissen zum Naheliegen der anspruchsgemäßen Erfindung, nicht verfangen.
b) Auch ein Naheliegen aus der Zusammenschau der Druckschriften XX 5 und XX 7 oder der Druckschrift zu TML5 – wie von der Beklagten zuletzt mit Schriftsatz vom 03.09.2020 samt Anlage XX 17 geltend gemacht – scheidet bei näherer Betrachtung aus.
Zum einen scheitert das Naheliegen der patentgemäßen Erfindung an der Offenbarung des diagonalen Interpolierens mit der gewichteten Summe der Werte zweier Unterpixel durch die XX 5 (siehe oben). Zum anderen hat die Beklagte nicht überzeugend dargelegt, warum der Fachmann ausgehend von TML6 oder TML5 ausgerechnet auf die Druckschrift XX 7 zurückgegriffen hätte.
Selbst wenn man annähme, der Fachmann hätte die Anlage XX 5 zusammen mit TML5 oder XX 7 herangezogen, erschließt sich nicht, warum er dann zu der erfindungsgemäßen Lösung gelangt wäre, ausgerechnet die behaupteterweise in der Anlage XX 7 enthaltene diagonale Interpolation mit 2 Unterpixeln zur Vereinfachung heranzuziehen. Gerade vor dem Hintergrund der Anlage XX 13 erscheint das gerade nicht naheliegend.
c) Daher kann auch die weitere Argumentation der Beklagten nicht überzeugen, wonach ein Naheliegen durch die Kombination der XX 5 mit der Anlage XX 13 gegeben sei.
Wie zuvor dargelegt, führt die Anlage XX 13 unabhängig von dem Umstand, dass die XX auch Merkmal 6.3.1 nicht offenbart, von der Verwendung von ¼-Pixeln weg und wäre daher vom Fachmann nicht zur Verwendung von 1/4-Pixeln mit diagonaler Interpolation herangezogen worden.
III. Schließlich ist Anspruch 8 nicht unzulässig erweitert.
1. Die Beklagte führt hierzu aus, Anspruch 8 sei im Hinblick auf die Priorität der US … (Anlage XX 1) unzulässig erweitert. Der Anspruch 8 sei im Rahmen des Erteilungsverfahrens umfassend geändert worden und unterscheide sich fundamental vom Offenbarungsgehalt der Anlage XX 1. Das Merkmal 6.2 b) des Anspruchs 8 weise gegenüber dem entsprechenden ursprünglichen Anspruch 23 der Anlage XX 1 die folgenden Änderungen auf:
Im Anspruch 23 der Anlage XX 1 sei demnach vorgesehen gewesen, dass die in Schritt a) definierten gewichteten Summen sowohl für die Interpolation in Schritt a) als auch für die Interpolation in Schritt b) herangezogen werden. Das entspreche auch der Beschreibung der Ausführungsbeispiele der Anlage XX 1 (Seite 72, Zeile 25 bis Seite 73, Zeile 9) sowie [0181] und [0182] der Klagepatentschrift, wonach zunächst eine gewichtete Summe als Zwischenwert („intermediate value“) berechnet werde. Die interpolierten Werte würden erhalten, indem eine Division mit Rundung und Abschneiden durchgeführt werde. Erst bei diesen finalen Werten handele es sich somit um interpolierte Werte („final interpolated values“).
In der Berechnung der Anlage XX 1 (Seite 73, Zeilen 11-28; entspricht [0183] im Klagepatent) würden dann entsprechend dem Schritt b) des Anspruchs 23 der Anlage XX 1 keine interpolierten Werte verwendet, sondern jene zuvor berechneten Zwischenwerte. Der Anspruch 8 des Klagepatents hingegen verwende in Schritt b) keine Zwischenwerte mehr, sondern eine erste oder zweite Summe der interpolierten Werte aus Schritt a).
Während Anspruch 23 der Druckschrift XX 1 also im Schritt „b“ die Verwendung von Zwischenwerten vorsehe, beanspruche das Klagepatent die Verwendung von interpolierten Werten. Diese seien gerade keine Zwischenwerte.
2. Wie jedoch oben unter B. gezeigt, beansprucht das Klagepatent in Merkmal 6.2 b) ebenfalls Zwischenwerte in dem Sinne, dass diese nicht durch den Skalierungsfaktor geteilt sind.
Ferner ist auf die Argumentation der Beklagtenseite verfehlt, die von einem (beschränkten) Anspruch 23 auf eine unzulässige Erweiterung des Anspruchs 8 schließen will. Denn zur ursprünglichen Offenbarung der angemeldeten Erfindung gehört alles, was mit den durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des einschlägigen Gebiets der Technik den ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung in ihrer Gesamtheit unmittelbar und eindeutig als zur angemeldeten Erfindung gehörend oder als mögliche Ausführungsform dieser Erfindung entnehmen kann. Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnungen der Anmeldeunterlagen sind dabei grundsätzlich gleichwertige Offenbarungsmittel (BGH BeckRS 2014, 15954, Rn. 42). Gegenstand der Ursprungsoffenbarung ist mithin nicht nur der Anspruch, sondern die gesamte Anmeldung.
Eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts ist zu vermeiden. Das Interesse des Anmelders ist regelmäßig darauf gerichtet, möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit bereits in der ursprünglichen Anmeldung Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begeht. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine mehr oder weniger endgültige Festlegung des Schutzgegenstands (Schäfers, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage, 2015, § 34 Rn. 14f mit Verweis auf BGH GRUR 2014, 542 Rn. 23 – Kommunikationskanal).
Die Beschreibung der XX 1 enthält in Bezug auf Schritt b) des Anspruchs 8 Ausführungsbeispiele, bei denen die Angabe „direkt“ in Bezug auf die in Schritt b) des Anspruchs 8 vorgenommene Berechnung des Unterpixels (c) nicht auftaucht. So etwa Seite 73, Zeile 13-28:
Daher ist das Merkmal 6.2 b) von Anspruch 8 des Klagepatents nicht unzulässig erweitert und das Klagepatent nimmt die Priorität der Druckschrift US … insoweit zu Recht in Anspruch.
3. Die Druckschrift XX 6 ist für die Neuheit das Klagepatents unschädlich, weil sie nach dem wirksam in Anspruch genommenen Prioritätsdatum des 17.09.2001 veröffentlicht wurde.
Zwar weist das Dokument gemäß der Anlage XX 6 als Erstellungsdatum („Generated: 10 September ’01“) ein Datum vor der in Anspruch genommenen Priorität auf. Daraus kann indes nicht geschlossen werden, dass es zu diesem Zeitpunkt auch bereits veröffentlicht worden war. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat hierfür keine Tatsachen vorgetragen.
Unmittelbar aus der XX 6 entnehmbar ist dagegen, dass diese Druckschrift am 21.09.2001 und damit nach dem Prioritätstag hochgeladen wurde. Daher wird das Klagepatent durch die Druckschrift der Anlage XX 6 nicht neuheitsschädlich getroffen.
Insgesamt bestehen daher keine Gründe, eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für den Widerruf des Klagepatents anzunehmen.
E.
I. Die Kostentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Das infolge der Rücknahme der Feststellungsanträge III. aus der Klageschrift grundsätzlich gegebene Unterliegen der Klagepartei fällt im Vergleich zu ihrem Obsiegen mit allen übrigen Ansprüchen nicht ins Gewicht, was eine Entscheidung nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO rechtfertigt.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 und 108 ZPO.
Die Höhe der Sicherheitsleistung ergibt sich dabei aus den folgenden Erwägungen:
1. Die Sicherheitsleistung ist grundsätzlich so zu bemessen, dass alle Schäden der Beklagten, die dieser durch die Vollstreckung des später aufgehobenen oder abgeänderten Urteils entstehen können (§ 717 ZPO), abgedeckt sind. Die Höhe des drohenden Vollstreckungsschadens ist gegebenenfalls zu schätzen, wobei eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen ausreicht. Maßgeblich ist grundsätzlich der mit der Vollstreckung einhergehende Gewinnausfall.
2. Die Beklagte hat zuletzt beantragt, die Vollstreckung von der Leistung einer Sicherheit in Höhe von insgesamt 235,51 Mio. EUR abhängig zu machen. Zur Begründung dieses Betrages hat sie im Schriftsatz vom 29.05.2020 (Seite 66 ff.) konkret vorgetragen.
3. Allerdings sind die von der Beklagten gemachten Annahmen zur Berechnung des Schadens unzutreffend, weswegen stattdessen der tenorierte Wert auszuurteilen ist.
Zur Überzeugung der Kammer ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass der von der Beklagten geltend gemachte Schaden tatsächlich eintreten wird.
a) Sobald die Klägerin eine Sicherheit geleistet hat, entscheidet die Beklagte, ob sie die ausgeurteilte Unterlassungspflicht sowie die Rückrufspflichten treffen oder nicht. Dass die Beklagte im Falle der Sicherheitsleistung durch die Klägerin sich dafür entscheidet, ihre Produkte nicht mehr weiter zu vertreiben bzw. zurückzurufen, ist realistischerweise nicht zu erwarten.
Stattdessen wird sie als wirtschaftlich geführtes Unternehmen das Lizenzangebot der Klägerin (ggf. unter Vorbehalt) annehmen und somit die Vollstreckung des Unterlassungs- und Rückrufstenors mit einem Schlag vermeiden. Das scheint auch die Streithelferin so zu sehen, die auf Seite 95 ihres Schriftsatzes vom 29.05.2020 ausführt, im Falle der Verurteilung der Beklagten zu Unterlassung und Rückruf stehe diese vor der Wahl, entweder den – aus ihrer Sicht ungünstigen – Lizenzvertrag mit der Klägerin zu schließen oder „den noch größeren Schaden durch eine Unterlassungsverfügung zu erleiden“. Die betriebswirtschaftliche Logik gebietet es daher der Beklagten, das Lizenzangebot der Klägerin anzunehmen.
b) Ferner ist die Beklagte gesellschaftsrechtlich gegenüber ihren Anteilseignern verpflichtet, Schaden von der Gesellschaft abzuhalten bzw. eintretenden Schaden so gering wie möglich zu halten. Um etwaige Haftungsrisiken zu vermeiden, wird sie auch aus diesem Grund das Lizenzangebot der Klägerin annehmen, anstatt ihre Produkte vom Markt zu nehmen und ihre bereits verkauften Produkte kostenträchtig zurückzurufen.
c) Schließlich ist die Beklagte nach den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen gehalten, ihren Schaden so gering wie möglich zu halten; § 254 BGB.
Die Beklagte kann einen Vollstreckungsschaden bei der Klägerin liquidieren; § 717 Abs. 2 ZPO. Dieser richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Als möglicher Vollstreckungsschaden sind nicht nur die Kosten anzusehen, die für eine die fehlende Berechtigung ausschließende Lizenzierung an einen Dritten gezahlt werden (vgl. dem Grunde nach OLG Düsseldorf GRUR-RS 2015, 01826), sondern auch die an den Patentinhaber gezahlten Lizenzgebühren.
Gemäß § 254 BGB kann nur der Schaden liquidiert werden, der nicht durch zumutbare eigene Maßnahmen verhindert werden konnte (Lunze, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, 2018, § 717 Rn. 9; Hessel/Schellhorn, GRUR 2017, 672, 673).
Die zu zahlenden Lizenzgebühren werden bis zu einem möglicherweise klageabweisenden Urteil in der Berufungsinstanz aber bei weitem nicht an die von der Beklagten genannten 235,51 Mio. EUR heranreichen. Demnach wird die Beklagten nach § 254 BGB gehalten sein, den Weg zu wählen, der zu einem geringeren Schaden führt, also die Lizenznahme.
d) Somit besteht sowohl eine wirtschaftliche wie gesellschaftsrechtliche als auch allgemeine schadensrechtliche Veranlassung für die Beklagte, den von ihr skizzierten Schaden in Höhe 235,51 Mio. EUR durch Annahme des Lizenzangebots der Klägerin zu vermeiden und unabhängig davon ihre Einwände hinsichtlich der fehlenden Verletzung des H.264-Standards durch das Klagepatent und hinsichtlich dessen Rechtsbestands verfolgen. Die Sicherheitsleistung hat sich daher an dem durch die Annahme des Lizenzangebots entstehenden Kosten für die Beklagte zu orientieren. Diese sind der Maßstab für den möglicherweise eintretenden Vollstreckungsschaden und daher für die Bezifferung der Sicherheitsleistung.
4. Diese Kosten ergeben sich aus der von der Beklagten angegebenen Zahl von 2.700.000 Stück, die sie pro Jahr in Geltungsbereich des Klagepatents verkauft (Schriftsatz vom 29.05.2020, Seite 53), hochgerechnet auf den Zeitraum, der vergeht, bis ein etwaiges klageabweisendes Urteil der Berufungsinstanz ergeht.
Zwar würde der abzuschließende Lizenzvertrag für alle von der Beklagten weltweit zu verkaufenden Geräte gelten. Indes gilt das Urteil nur für die Bundesrepublik Deutschland, so dass zu dessen Abwendung auch nur die auf dieses Gebiet entfallen Lizenzgebühren maßgeblich sein können.
Zugunsten der Beklagten wird angenommen, dass bis dahin 24 Monate vergehen werden. Demnach müsste sie für im Geltungsbereich des Unterlassungsgebots in diesem Zeitraum verkauften 5,4 Mio. Produkte eine Lizenzgebühr bezahlen. Diese wird – auch hier zugunsten der Beklagten – einheitlich mit dem Höchstsatz von 0,60 EUR angesetzt. Daraus ergibt sich die zu leistende Sicherheit in Höhe von 3.240.000,00 EUR.
5. Für die vorläufige Vollstreckung des Auskunftsanspruchs hält die Kammer eine Sicherheitsleistung in Höhe von 855.000,00 EUR für ausreichend (25 Prozent der obigen Sicherheitsleistung). Für die Kosten des Rechtsstreits ist gemäß § 709 Satz 2 ZPO Sicherheit zu leisten.
III. Ein Vollstreckungsschutz im Sinne des § 712 ZPO ist der Beklagten nicht zu gewähren, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
IV. Der Einräumung einer Schriftsatzfrist für die Beklagte auf den letzten Schriftsatz der Klägerin vom 01.09.2020 bzw. 07.09.2020, wie in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2020 beantragt, war nicht zu gewähren. Denn das Urteil stützt sich nicht auf den Tatsachenvortrag betreffend die Anlagen K 52 bis K 55.

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