Europarecht

Untersagung zur Durchführung von Trophektodermbiopsien

Aktenzeichen  20 B 18.290

Datum:
30.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 1288
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ESchG § 3a Abs. 1, § 8 Abs. 1
PIDV § 1, § 3

 

Leitsatz

1. „Zellen eines Embryos” im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG ist jede Art von Zellen, die zum Embryo in seiner im Zeitpunkt der Entnahme (Biopsie) der untersuchten Zellen von der Umgebung des Embryos abgrenzbaren Form gehören. Ob diese Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind, ist im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung. (Rn. 51)
2. Welcher Zweck mit einer Präimplantationsdiagnostik verfolgt wird, ist im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung. (Rn. 49)

Verfahrensgang

18 K 15.2602, 18 K 16.1370 2016-09-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Verfahren wird, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, eingestellt.
II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, aufgrund der Konkretisierung des Zulassungsantrags in der Antragsbegründung, die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 (M 18 K 15.2602) und die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Bescheid vom 10. Februar 2016 (M 18 K 16.1370). Die erstinstanzlich noch unter dem letztgenannten Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts München erhobene Feststellungsklage auf Feststellung, dass das im Bescheid vom 2. Juni 2015 unter Ziffer III angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden sei, wurde bereits im Zulassungsverfahren ausweislich der Begründung des Zulassungsantrags nicht weiter verfolgt und war damit nicht mehr Gegenstand des Zulassungswie des Berufungsverfahrens.
In der Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 hat die Klägerin zudem ausgeführt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit nicht angegriffen werde, als dieses die Klage für unzulässig erklärt habe. Dies betraf die Anfechtungsklage gegen die Ziffer I.2 des Bescheids vom 2. Juni 2015. Nachdem in der Begründung des Zulassungsantrags die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 noch vollständig zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war, stellt diese Einschränkung eine Rücknahme der Berufung dar. Diese war nach § 126 VwGO ohne die Zustimmung der Beklagten möglich, da die Anträge noch nicht gestellt waren. Insoweit war das Verfahren daher nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen und nach § 126 Abs. 3 Satz 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Im Übrigen, also soweit sich die Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Anfechtungsklage gegen Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 und gegen die Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Februar 2016 (Androhung eines weiteren Zwangsgelds) richtet, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
1. Ziffer I.1 des Bescheids der Beklagten vom 2. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Darin wurde der Klägerin untersagt, in ihrer Münchner Zweigniederlassung Trophektodermbiopsien durchzuführen und dieses Verbot wurde unter die auflösende Bedingung gestellt, dass die bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat.
Dabei versteht der Bescheid den Begriff „Trophektodermbiopsie” über den eigentlichen Wortsinn von „Biopsie” (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Biopsie) hinaus dahin, dass damit nicht nur die Entnahme einer Zelle des Trophektoderms, sondern auch deren genetische Untersuchung gemeint ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Bescheid nebeneinander und ohne erkennbare Differenzierung von „Trophektodermbiopsie” und „Trophektoderm Diagnostik” spricht und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Die Untersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in Verbindung mit § 3a Abs. 4 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu unterbinden. Die Landeshauptstadt München ist nach Art. 6 LStVG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde. Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG entgegen § 3a Abs. 3 Satz 1 ESchG ist nach § 3a Abs. 4 ESchG eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 € geahndet werden kann. Verstöße gegen formelle Rechtmäßigkeitsbestimmungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Entgegen der Argumentation der Klägerin ist die Anordnung auch materiell rechtmäßig. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung muraler Trophektodermzellen ist unabhängig vom mit der Untersuchung verfolgten Zweck eine Untersuchung der Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG erfüllt. Da die Klägerin diese Untersuchungen ohne vorherige zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik durchführen will, liegt auch ein Verstoß gegen § 3a Abs. 3 Satz 1 (konkret Nr. 2) ESchG vor, sodass der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit des § 3a Abs. 4 ESchG erfüllt wird.
a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Blastozysten, denen die zu untersuchenden Zellen entnommen werden, bereits Embryonen im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG darstellen. Was unter einem Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes zu verstehen ist, regelt § 8 Abs. 1 ESchG. Danach gilt als Embryo einerseits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an (1. Alt.), andererseits aber auch jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle (2. Alt.). Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Legaldefinition für einen sehr früh einsetzenden strafrechtlichen Schutz des Embryos entschieden (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 8 ESchG Rn. 1), der bereits mit dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung beginnt. Dieses Stadium haben die von der Klägerin ins Auge gefassten Blastozysten offensichtlich bereits überschritten. Ob die jeweilige Blastozyste fähig ist, sich in die Gebärmutter einzunisten, ist insoweit unerheblich. Denn, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 12, unter Verweis auf den Beschluss des Senats vom 27.10.2015 – 20 CS 15.1904 – juris Rn. 20) überzeugend ausgeführt hat, ist Entwicklungsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG (nur) die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (vgl. auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 21). Hat die befruchtete Eizelle ihre Fähigkeit zur Zellteilung bereits dadurch eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie das Blastozystenstadium (vgl. Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4) erreicht hat, so ist sie unabhängig von ihrer Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter oder zur Herbeiführung einer Schwangerschaft jedenfalls Embryo im Sinne von § 8 ESchG.
b) Entgegen der Argumentation der Klägerin sind „Zellen eines Embryo” im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG nicht nur pluripotente Zellen (ebenso Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 17). Vielmehr umfasst § 3a Abs. 1 ESchG jede Art von Zellen, die zum Embryo in seiner im Zeitpunkt der Entnahme (Biopsie) der untersuchten Zellen von der Umgebung des Embryos abgrenzbaren Form gehören. Bei einer Biopsie im Blastozystenstadium, wie sie die Klägerin beabsichtigt, gehören daher zu den „Zellen eines Embryos” im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG alle Zellen dieser Blastozyste. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 12/13 seines Urteils) sind auch murale Trophektodermzellen – unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung – im Zeitpunkt der von der Klägerin vorgesehenen Biopsie noch Teil des Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch Teil der von der Zona pellicuda begrenzten Einheit sind. Zum Embryo in diesem Sinn gehören im hier interessierenden Zustand vor dem intrauterinen Transfer auch die Zellen des Trophektoderms, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant sind und später zu einem Teil der Plazenta oder zu den Eihäuten werden. Ob diese Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind, ist im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.
Dies ergibt die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG. Die Auslegung hat grundsätzlich nach den anerkannten Auslegungsmethoden (Wortlaut, Historie, Systematik, Telos) zu erfolgen, wobei der Wortlaut der Norm Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung markiert (allgemeine Meinung, vgl. BVerwG, U.v. 29.06.1992 – 6 C 11/92 – NVwZ 1993, 270, 271; U.v. 28.6.2018 – 2 C 14/17 – juris Rn. 20 m.w.N.).
aa) Die Klägerin will aus dem Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG, der von der Untersuchung der „Zellen eines Embryos” spricht, schließen, dass damit eine Einschränkung auf bestimmte Zellen verbunden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Denn, da ein Embryo im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG aus Zellen besteht, ist eine genetische Untersuchung im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG immer die Untersuchung der „Zellen eines Embryos”. Der Senat kann daher aus der Verwendung des Begriffs „Zellen eines Embryos” in § 3a Abs. 1 ESchG entgegen der Argumentation der Klägerin schon keine einschränkende Absicht des Gesetzgebers hin auf bestimmte Zellen erkennen.
Der Zusatz „Zellen eines Embryos” dient in § 3a Abs. 1 ESchG tatsächlich allein der Umschreibung des Objekts der genetischen Untersuchung, die vom Gesetzgeber in § 3a Abs. 1 ESchG als Präimplantationsdiagnostik definiert wird. Gegenstand dieser genetischen Untersuchung sind eben die Zellen eines Embryos und nicht der gesamte Embryo, denn bei der genetischen Untersuchung werden die untersuchten Zellen zerstört (vgl. auch Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Berufungsbegründung gezogenen Parallele mit § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG. Zwar ist dort ähnlich wie in § 3a Abs. 1 ESchG, wo der Terminus „Zellen eines Embryos” verwendet wird, von den „Zellen des Embryos” die Rede. Diese Formulierung dient dort aber allein der sprachlichen Klarstellung, dass es sich bei der in der mit dem menschlichen Embryo verbundenen Zelle enthaltenen Erbinformation um eine andere handelt, als in den Zellen dieses Embryos vorhanden ist. Inwiefern dies für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG von Bedeutung sein kann, leuchtet nicht ein und wird in der Berufungsbegründung auch nicht näher dargelegt.
Eine andere Wortlautauslegung lässt sich entgegen der Berufungsbegründung auch nicht damit begründen, dass die Formulierung „Zellen eines Embryo” deshalb gewählt worden sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen „nach fast einhelliger Ansicht” gemäß § 2 und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und diese daher bei § 3a Abs. 1 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dessen sei, bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch auszuschließen. Zu diesem Zweck werde der Normtext des § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziert. Diese Argumentation lässt einerseits außer Acht, dass der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG keinen Ansatzpunkt für eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos” gibt. Aus ihm lassen sich keine Hinweise dafür ableiten, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos” sind. Daneben ergibt sich das Ergebnis, dass die Untersuchung von totipotenten Zellen ungeachtet des Rechtfertigungsgrunds des § 3a Abs. 2 ESchG strafbar ist, auch ohne eine solche teleologische Reduktion. Denn schon aufgrund seiner systematischen Stellung in dem allein die Strafbarkeit der PID regelnden § 3a ESchG verbietet sich eine Anwendung des Rechtfertigungsgrundes nach § 3a Abs. 2 ESchG auf die bei einer Entnahme bzw. Untersuchung totipotenter Zellen einschlägigen §§ 2 und 6 ESchG. Eine teleologische Reduktion des § 3a Abs. 1 ESchG ist dafür nicht notwendig. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn die Frage, ob die Entnahme und/oder Untersuchung totipotenter Zellen nach anderen Bestimmungen des ESchG strafbar ist, kann keine Bedeutung für die Auslegung des Begriffs „Zellen eines Embryos” in § 3a Abs. 1 ESchG haben. Auch die Frage, ob § 3a Abs. 2 ESchG auch bei anderen Straftatbeständen des ESchG auf der Rechtfertigungsebene Berücksichtigung finden kann, ist für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.
Da die Wortlautauslegung keinen Anhaltspunkt für den Ausschluss von totipotenten Zellen aus dem Begriff der „Zellen eines Embryos” i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG gibt, geht die weitergehende Argumentation der Klägerin, dass aus dem Ausschluss der totipotenten Zellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG geschlossen werden müsse, dass nicht mehr pluripotente Zellen nicht „Zellen eines Embryos” seien, ins Leere. Daneben ist eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar, da dieser (wie bereits ausgeführt) keinerlei Ansatzpunkt dafür enthält, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos” sind. Es ist vielmehr eindeutig, dass auch die hier in Frage stehenden muralen Trophektodermzellen – ungeachtet der Frage, ob sie tatsächlich, wie von der Klägerin vertreten, nicht mehr pluripotent sind, was von der Beklagten und der Landesanwaltschaft Bayern bezweifelt wird (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung v. 29. November 2018) – jedenfalls „Zellen eines Embryos” sind.
Die Wortlautauslegung hat damit zum Ergebnis, dass nach ihr die Untersuchung einer Zelle des Embryos, egal welcher Art, für das Vorliegen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG ausreichend ist. Pluripotente Zellen werden weder in § 3a Abs. 1 noch in § 8 Abs. 1 ESchG erwähnt. Für die Wortlautauslegung sind diese daher in keiner Weise relevant.
bb) Aber auch die historische Gesetzesauslegung gibt für die von der Klägerin behauptete Begrenzung des Begriffs der „Zellen eines Embryos” auf pluripotente Zellen nichts her. Insbesondere lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass mit dem mit Wirkung vom 8. Dezember 2011 in das Embryonenschutzgesetz eingefügten § 3a ESchG allein der im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 (5 StR 386/09) entschiedene und für nicht strafbar erkannte Sachverhalt einer Regelung zugeführt werden sollte. Im Gegenteil lässt sich aus der Gesetzesbegründung klar ableiten, dass es dem Gesetzgeber darum ging, eine über den vom BGH entschiedenen Fall hinausgehende grundsätzliche Regelung der PID zu treffen.
Einerseits führt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 2, unter „A. Problem”) aus, dass der BGH mit seinem Urteil vom 6.7.2010 festgestellt habe, dass die PID „unter bestimmten Voraussetzungen” straffrei sei. Damit stehe fest, dass die PID in der vom BGH zu entscheidenden Konstellation nicht strafbar sei. Eine eindeutige gesetzgeberische Grundentscheidung, ob und inwieweit die PID in Deutschland Anwendung finden solle, stehe jedoch aus. Der Gesetzentwurf weist also bereits eingangs darauf hin, dass eine Grundsatzentscheidung „ausstehe”. Auch in den weiteren Ausführungen (A Allgemeiner Teil, I., BT-Drs. 17/5451, S. 7) wird zwar auf das BGH-Urteil verwiesen, es findet sich aber wiederum keine Aussage, dass gerade dieser Fall geregelt werden sollte. Im Gegenteil wird unter II. ausgeführt, dass es nur in bestimmten Fällen medizinisch vertretbar sei, künstlich gezeugte Embryonen (…) zu untersuchen. Der Gesetzgeber sei gehalten, Rechtssicherheit zu schaffen. Weiter unten führt die Gesetzesbegründung unter III. aus, dass der Entwurf dem Ziel diene, durch eine ausdrückliche Bestimmung im Embryonenschutzgesetz die gesetzliche Grundlage für eine eng begrenzte Anwendung der PID zu schaffen (BT-Drs. 17/5451, S. 7).
Zielrichtung des Gesetzentwurfs war also die Schaffung von Rechtssicherheit im Sinne einer Grundsatzentscheidung; eine Begrenzung auf den vom BGH entschiedenen Fall lässt sich nicht erkennen. Das Urteil des BGH hat, auch wenn es letztlich der Auslöser für das Tätigwerden des Gesetzgebers war, über den Wortlaut der Gesetzesbegründung hinaus keine Bedeutung.
Die nach der Auffassung der Klägerin allein von § 3a Abs. 1 ESchG erfassten pluripotenten Zellen werden zudem (ebenso wie in der Bestimmung selbst) in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass die Frage, ob die im Rahmen einer PID untersuchten Zellen pluripotent oder nicht (mehr) sind, für den historischen Gesetzgeber nicht von Bedeutung war. Dementsprechend ist es auch für die historische Auslegung der Bestimmung nicht relevant, ob der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf daran gedacht hat, dass präimplantationsdiagnostische Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt oder künftig auch an nicht mehr pluripotenten Zellen vorgenommen werden könnten.
Nicht nachvollziehbar ist insbesondere das Argument der Klägerin, eine Erwähnung der pluripotenten Zellen sei nur unterblieben, weil deren Definition, wie § 2 PIDV zeige, zu lang für ein Parlamentsgesetz gewesen wäre. Tatsächlich zeigt der Blick auf § 2 Nr. 3 PIDV, dass die dort formulierte (im Übrigen für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG schon aus Gründen der Normhierarchie nicht relevante) Definition der Zellen i. S. d. § 2 Nr. 1 und 2 PIDV keine besondere Länge hat. Insbesondere im Vergleich zu anderen Legaldefinitionen ist nicht erkennbar, dass eine derartige Definition, wäre sie denn vom Gesetzgeber gewollt gewesen, nicht auch im Gesetz hätte erfolgen können.
cc) Aus der Systematik des Embryonenschutzgesetzes lässt sich nichts für die Position der Klägerin, dass nur pluripotente Zellen Gegenstand einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG sein können, ableiten. Insbesondere kann die Klägerin, wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil überzeugend ausgeführt hat (vgl. VG München, U.v. 7.9.2016 – M 18 K 15.2602 und M 18 K 16.1370 – juris Rn. 46), sich nicht auf § 2 Nr. 3 PIDV berufen. Dieser definiert die Zellen im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV als Stammzellen, die (a) einem in vitro erzeugten Embryo entnommen worden sind und die die Fähigkeit besitzen, sich in entsprechender Umgebung selbst durch Zellteilung zu vermehren und die (b) sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen. Die Formulierung entspricht (bis auf die Untergliederung in (a) und (b)) wörtlich der Definition der pluripotenten Stammzellen in § 3 Nr. 1 StZG, wiederholt aber diesen Begriff nicht.
(1) Die Bestimmung nimmt durch die Formulierung im 2. HS von Nr. 3 lit. b), dass die Zellen sich nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen, einerseits (insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig) eine Abgrenzung von den totipotenten Zellen vor und stellt für die PIDV klar, dass totipotente Zellen keine Zellen eines Embryos im Sinne von § 2 Nr. 1 PIDV sind (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182; BR-Drs. 717/12, 16). Aus der Wortlautidentität mit § 3 Nr. 1 StZG leitet ein Teil der Literatur daneben eine Begrenzung auf die dort legaldefinierten pluripotenten (Stamm-)Zellen ab (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Frommel, JZ 2013, 488, 489f; Frommel et al., JRE 2013, 6, 12ff.), womit nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen (geht man mit der Klägerin davon aus, dass diese bereits ihre Pluripotenz verloren haben) von der Begriffsbestimmung ausgenommen wären. Gegen diese Auffassung spricht schon, dass in § 2 Nr. 3 PIDV – anders als in § 3 Nr. 1 StZG – von pluripotenten Zellen nicht die Rede ist. Für sich genommen stellt § 2 Nr. 3 lit. b), 2. HS PIDV nur klar, dass totipotente Zellen nicht von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV erfasst sind. Im Übrigen verlangt § 2 Nr. 3 PIDV nur, dass die Fähigkeit, sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung zu entwickeln, bestehen muss. Dass damit murale Trophektodermzellen, die sich ausgehend vom Blastozystenstadium, in dem sie entnommen werden, wohl auch noch weiter ausdifferenzieren, wenn auch vielleicht nicht mehr in so unterschiedlicher Weise wie pluripotente Zellen, ausgeschlossen wären, erscheint jedenfalls fraglich. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass auch die Begründung der PIDV nur davon spricht, § 2 PIDV „in Anlehnung” an § 3 Nr. 1 StZG zu formulieren. Insbesondere bei fehlender Wortlautidentität bedeutet eine „Anlehnung” an eine andere Norm aber nicht, dass beide Bestimmungen den gleichen Inhalt haben.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Begründung einer Verordnung für die Auslegung der ihr zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm schon aus systematischen Gründen keine Bedeutung haben kann, ergibt sich aber entgegen der Klägerin aus dieser nicht, dass eine Einschränkung des Begriffs der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG überhaupt vom Verordnungsgeber beabsichtigt war. Denn die Verordnungsbegründung spricht nur davon, dass mit der Formulierung sichergestellt sei, dass die Untersuchung an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werde (BR-Drs. 717/12, 16). Sie dient daher nach der Vorstellung des Verordnungsgebers der Abgrenzung gegenüber der Untersuchung totipotenter Zellen. Eine Einschränkung bezüglich nicht mehr pluripotenter Zellen war vom Verordnungsgeber hingegen nicht vorgesehen (ebenso BayVGH, B.v. 27.10.2015 – 20 CS 15.1904 – juris, Rn. 21).
(2) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Verordnungsgeber der PIDV zu einer so verstandenen Definition der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG durch das ESchG gar nicht ermächtigt war. § 2 Nr. 3 lit. b) PIDV geht, sieht man darin eine Einschränkung des Begriffs „Zellen eines Embryos” nach § 3a Abs. 1 ESchG, über die in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG erteilte Ermächtigung hinaus und wäre daher insoweit unwirksam. Er kann daher für die Auslegung des § 3a ESchG keine Bedeutung haben. Denn § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG ermächtigt den Verordnungsgeber nur zur Regelung des Näheren bzgl. der Zulassung der PID-Zentren (Nr. 1), der verfahrensmäßigen Anforderungen an das Verfahren vor den Ethikkommissionen (Nr. 2), hinsichtlich der Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle (Nr. 3) und zu den Anforderungen an die Meldung der im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen (Nr. 4). Über diese abschließend genannten und klar abgrenzbaren Bereiche hinaus erlaubt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber eine Regelung nicht. Eine Ermächtigung zu einer Definition des Begriffs der Präimplantationsdiagnostik oder der „Zellen eines Embryos” im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG ist damit nicht verbunden.
Weiter lässt sich eine Verordnungsermächtigung zur Definition des Begriffs „Zellen eines Embryos” entgegen der Argumentation der Klägerin im Berufungsverfahren nicht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG (Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen) ableiten. Denn nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss eine Verordnungsermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein (vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80, Rn. 23 ff; Uhle in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 80, Rn. 19). Dass mit den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen auch eine Definition der Zellen eines Embryos, die überhaupt Gegenstand einer PID sein können, verbunden ist, geht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG nicht, geschweige denn hinreichend klar hervor. Die Argumentation der Klägerin berücksichtigt den Wortlaut der Ermächtigungsnorm nicht und missachtet dessen Inhalt.
Soweit die Klägerin argumentiert, aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Verordnung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG der § 3a ESchG allgemein konkretisiert werden sollte, übersieht sie, dass die von ihr zitierte Begründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8) nicht die Fassung des § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG betrifft, die Gesetz geworden ist, sondern die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Fassung, die nur lautete: „Das Nähere wird durch Verordnung der Bundesregierung geregelt.” Erst in der Ausschussberatung erhielt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG die dann Gesetz gewordene Fassung (vgl. BT-Drs. 17/6400), dies insbesondere deshalb, um dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen (a.a.O. S. 14). Von einem Auftrag zur allgemeinen Konkretisierung des § 3a ESchG an den Verordnungsgeber kann daher auch nach der Gesetzesbegründung nicht die Rede sein.
(3) Dessen ungeachtet würde eine Verordnungsermächtigung, die dem Verordnungsgeber überließe zu definieren, was unter den „Zellen eines Embryos” im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG zu verstehen ist, gegen die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130, 142 [juris Rn. 39 m.w.N.], vgl. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 83, Rn. 33ff; Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 21 f m.w.N.) verstoßen. Danach verpflichten Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Bei der Präimplantationsdiagnostik treffen das Lebensrecht und der Menschenwürdeschutz des in vitro erzeugten Embryos und die allgemeine Handlungsfreiheit der Mutter bzw. der Eltern sowie die Berufsfreiheit der Präimplantationsdiagnostiken durchführenden Ärzte bzw. Labors aufeinander (vgl. hierzu weiter unten). Die Regelung der PID erfolgt daher in einem Bereich, in dem konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen. Die Frage, welcher Art die im Rahmen der PID zu untersuchenden Zellen sein können, stellt eine für deren Anwendungsbereich und für die Reichweite des strafrechtlichen Verbotes des § 3a Abs. 1 ESchG grundlegende Frage dar, sodass sie im Sinne der dargestellten Rechtsprechung als „wesentlich” anzusehen ist (ebenso Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182). Eine weitergehende Vertiefung erübrigt sich, da es hierauf für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ankommt, da § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber, wie oben dargestellt, bereits eine solche Ermächtigung nicht erteilt.
dd) Schließlich widersprechen auch Sinn und Zweck der Regelung einer Auslegung von „Zellen eines Embryos” dahingehend, dass nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausgenommen wären.
Die Klägerin will die Untersuchung nicht mehr pluripotenter Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausnehmen, da diese sich von den dem Gesetzgeber vorschwebenden pluripotenten Zellen fundamental unterschieden, sodass eine Anwendung des § 3a ESchG nach dem Zweck der Regelung nicht gerechtfertigt sei. Dies trifft aber nicht zu.
Denn Zweck des durch § 3a ESchG geschaffenen Verbots der PID mit „eng begrenzten Ausnahmen” (BT-Drs. 17/5451, S. 8, linke Spalte) ist der Schutz des Embryos in vitro vor einer Nichtimplantation aufgrund einer genetischen Untersuchung und dem darauffolgenden Absterben lassen (Verwerfung) (BT-Drs. 17/5451, S. 7 und 8). Dafür spielt es aber keine Rolle, ob die Verwerfung aufgrund der Untersuchung einer totipotenten, pluripotenten oder nicht mehr pluripotenten Zelle erfolgt. Denn in allen diesen Fällen ist das Ergebnis für das betroffene Schutzgut gleich, nämlich dass der Embryo nicht eingepflanzt wird und abstirbt (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 17). Dementsprechend weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die grundlegende ethische Frage, ob der jeweilige Embryo nach der Untersuchung wegen deren Ergebnis implantiert wird oder nicht, sich unabhängig von der Art der untersuchten Zellen stellt.
Dass es bei den von der Klägerin geplanten/durchgeführten Untersuchungen, die diese nach ihrem Vortrag sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren allein auf den Zweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos aufgrund des ovariellen Alterns bzw. des Alters der Frau, von der die Eizelle stammt, beschränken will, zu derartigen Selektionsentscheidungen kommen kann, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die Klägerin versucht zwar, dies mit der Argumentation, sie suche nach einer entwicklungsfähigen, euploiden Zelle, und die nicht ausgewählten Embryonen wären ja ohnehin nicht entwicklungsfähig bzw. würden zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen, zu widerlegen. Jedoch kann es auch nach ihrem eigenen Vortrag zu Selektionsentscheidungen kommen.
Denn die von der Klägerin geplanten genetischen Untersuchungen des Chromosomenmaterials der entnommenen muralen Trophektodermzellen zielen auf die Feststellung von bei ihnen vorhandenen Chromosomenaberrationen, von Aneuploidien. Diese führen neben der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit vorliegenden fehlenden Entwicklungsfähigkeit in Einzelfällen aber auch zu einer grundsätzlich, wenn auch mit einer geringen statistischen Wahrscheinlichkeit positiv verlaufenden Schwangerschaft, die jedoch zu einem behinderten Kind führt. Das wird von der Klägerin ausdrücklich zugestanden für den Fall einer isolierten, „freien” Trisomie 21 (vgl. die Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2018). Ähnliches gilt (wenn auch zum Teil mit einer noch geringeren Wahrscheinlichkeit) für die ebenfalls mit der von der Klägerin durchzuführenden Methode feststellbaren Trisomien 8, 13 und 18 und für Veränderungen für Geschlechtschromosomen wie dem Klinefelter-Syndrom oder der Monosomie X (Grüber/de Gruisbourne/Pömsl, Präimplantationsdiagnostik in Deutschland, Handreichung des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH, verfügbar unter: www.imew.de, zuletzt recherchiert am 10.1.2019, S. 9 und 32/33), die jedoch regelmäßig mit vergleichsweise schweren Behinderungen einhergehen. Alle diese Fehlverteilungen von Chromosomen können mit der Untersuchungsmethode der Klägerin festgestellt werden. Wird eine derartige Fehlverteilung festgestellt, kann diese Anlass zu einer Verwerfung des Embryos aus diesem Grunde geben. Ob diese von dem durchführenden Labor wie der Klägerin oder von dem Labor auf ausdrückliche Anweisung der Mutter bzw. der Eltern des in vitro erzeugten Embryos durchgeführt wird, ist insoweit unerheblich. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung angab, die Entscheidung über die Einpflanzung bzw. Nichteinpflanzung eines Embryos, bei dem eine Aneuploidie festgestellt worden ist, der Mutter überlässt. Mit dem Anlass für eine Selektion wird gerade die in der Begründung des Gesetzentwurfs unter Ziffer A III. genannte Konstellation relevant (BT-Drs. 17/5451, S. 7, rechte Spalte): „Bei der Abwägung zwischen den Ängsten und Nöten der Betroffenen und ethischen Bedenken gegen die Nichtimplantation eines schwer geschädigten Embryos trifft dieser Gesetzentwurf eine Entscheidung zugunsten der betroffenen Frau. (…) Über die Durchführung der PID ist jedoch in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden.” Die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit, in der es bei den von der Klägerin geplanten Untersuchungen zu einer solchen möglichen Selektionsentscheidung kommt, ist dabei unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass diese Möglichkeit aufgrund der Untersuchung besteht. Gerade diese Selektionsentscheidung wollte der Gesetzgeber aber von einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung der Ethikkommission abhängig machen.
Dass die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG zu mit dem Gesetzeszweck keinesfalls vereinbaren Ergebnissen führen würde, zeigt auch die folgende Überlegung: Würden nämlich nicht mehr pluripotente Zellen, die einer Blastozyste entnommen werden, schon keine „Zellen eines Embryos” i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG sein, dann wäre die genetische Untersuchung dieser Zellen nicht nach dieser Bestimmung verboten und müsste auch nicht erst durch eine Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik erlaubt werden. Damit wären genetische Untersuchungen dieser Zellen auch über die eng begrenzten Rechtfertigungsgründe des § 3 Abs. 2 ESchG hinaus erlaubt. Die Klägerin könnte an diesen Zellen alle möglichen genetischen Untersuchungen und nicht nur die nach ihrem Vortrag bezweckten bzgl. des ovariellen Alterns vornehmen, ohne dabei an die Rechtfertigungsgründe des § 3a Abs. 2 ESchG oder eine Entscheidung einer Ethikkommission gebunden zu sein. Auch die nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG zu befolgenden Meldeund Dokumentationspflichten würden hierfür dann nicht anwendbar sein. Einer Selektion von Embryonen, die der Gesetzgeber auf wenige Fälle begrenzen wollte, wäre damit Tür und Tor geöffnet.
c) Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin die von ihr entnommenen muralen Trophektodermzellen allein mit dem Ziel untersuchen will festzustellen, ob die jeweiligen Embryonen die Fähigkeit haben, sich in der Gebärmutter einzunisten und eine Schwangerschaft herbeizuführen. Denn die Legaldefinition der PID in § 3a Abs. 1 ESchG differenziert nicht nach den mit ihr verfolgten Zwecken. Vielmehr definiert sie die PID allein nach ihrem Objekt (Zellen eines Embryos vor seinem intrauterinen Transfer) und der Methode der Untersuchung (genetische Untersuchung). Damit besteht auch kein Einfallstor für eine Auslegung nach dem Zweck der Untersuchung mit der Folge, dass auch für eine verfassungskonforme Auslegung kein Raum ist. Denn das Gebot der verfassungskonformen Auslegung verlangt (nur), dass von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Diese muss jedoch durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein (BVerwG, U.v. 28.6.2018 – 2 C 14/17 – juris Rn. 20 m.w.N.), was hier bei der von der Klägerin vertretenen Auslegung gerade nicht der Fall ist.
Daneben sprechen aber auch Sinn und Zweck des § 3a ESchG dagegen, die Untersuchung von Zellen eines Embryos mit dem Ziel, die Fähigkeit dieser Embryonen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus der Regelung auszunehmen. Denn würde man § 3a Abs. 1 ESchG abhängig vom Zweck der jeweiligen Untersuchung unterschiedlich auslegen, würden die „freigestellten” Untersuchungen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG unterfielen, keinerlei rechtlichen Anforderungen unterliegen. Damit wären auch die vom Gesetzgeber vorgesehenen „flankierenden” Maßnahmen, wie insbesondere die Melde- und Dokumentationspflichten nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG nicht anwendbar. Diese Untersuchungen wären dann in keiner Weise im Embryonenschutzgesetz geregelt. Insbesondere würde auch nicht bundesweit dokumentiert, wie viele derartige Untersuchungen stattfänden. Eine Kontrolle, ob diese Vorgaben eingehalten werden oder ob die Untersuchungen auf andere Zwecke ausgedehnt wurden, wäre nicht möglich. Hinzu käme, dass auch „Zufallsfunde”, die bei der vorgenommenen Untersuchung bekannt würden, nach denen aber gar nicht gesucht worden sei, nicht geregelt wären (vgl. hierzu Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 57 ff.).
d) Die von der Klägerin an den biopsierten muralen Trophektodermzellen geplanten bzw. durchgeführten Untersuchungen sind genetische Untersuchungen im Sinne von
§ 3a Abs. 1 ESchG.
Unter genetischen Untersuchungen werden allgemein sowohl molekulargenetische als auch zytogenetische (chromosomale) Untersuchungen verstanden (vgl. zu den Einzelheiten Deutscher Ethikrat, Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 7f; auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 18, der die Definition in § GenDG für „im wesentlichen” auf § 3a übertragbar hält). Die von der Klägerin angewandten Untersuchungsverfahren „Next Generation Sequencing” bzw. „array Comparative Genomic Hydridisation” (aCGH) (vgl. zu letzterem Deutschen Ethikrat, BT-Drs. 17/5210, S. 7) dienen der Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen, stellen zytogenetische Verfahren dar und sind daher genetische Untersuchungen im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 9). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
e) Die dargestellte Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG widerspricht nicht dem Verfassungsrecht. Sie verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG und ist im Einklang mit den betroffenen Grundrechten.
aa) Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein an den Gesetzgeber gerichtetes Bestimmtheitsgebot. Dieser ist gehalten, Strafgesetze so genau zu formulieren, dass sich für den Bürger die Grenze des straffreien Raums möglichst schon aus dem Gesetz ergibt (BVerfG, U.v. 5.2.2004 – 2 BvR 2029/01 – NJW 2004, 739). Er hat die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Tatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfG, B.v. 2.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a. – BVerfGE 126, 170, 196).
Ein Verstoß gegen dieses Gebot durch § 3a Abs. 1 ESchG ist nicht erkennbar. Was „Zellen eines Embryos” in diesem Sinne sind, ergibt sich nach einer Auslegung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden eindeutig aus dem Gesetz (s.o.). Entgegen der Argumentation in der Berufungsbegründung kann auch keine Rede davon sein, dass die von der Beklagten vorgenommene (zutreffende) Auslegung des Gesetzes zu einer Ausweitung der Strafbarkeit führt.
bb) Die Entscheidung eines Paares, von den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin Gebrauch zu machen und neben einer invitro-Fertilisation auch eine Präimplantationsdiagnostik an den in vitro erzeugten Embryonen durchführen zu lassen, stellt ein grundrechtlich geschütztes Verhalten dar. Es fällt, wie die Klägerin zutreffend anmerkt, in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. zu den verschiedenen dogmatischen Ansätzen, unter welches Grundrecht dieses Handeln zu fassen ist: Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, Art. 6 Rn. 1 m.w.N.), und zwar in ihrer abwehrrechtlichen Komponente. Die Grundrechtsträger haben im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ein grundsätzliches Recht auf Wahrnehmung der nicht verbotenen, medizinisch angebotenen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin.
Durch das Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG wird in das Grundrecht eingegriffen, indem den potentiellen Eltern verboten wird, bei einer in vitro Fertilisation von der medizinischen Möglichkeit einer PID Gebrauch zu machen.
Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit kann nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz gerechtfertigt sein. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, B.v. 25. 1. 2011 – 1 BvR 918/10 – BVerfGE 128, 193, 206).
§ 3a Abs. 1 ESchG gehört zur verfassungsmäßigen Ordnung. Das Verbot der PID ist formell (hierzu (1)) und materiell verfassungsgemäß. Es ist durch das Recht des Embryos auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (hierzu (2)) und den Schutz seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (hierzu (3)) gerechtfertigt. Das Verbot aus diesen Gründen stellt sich auch als verhältnismäßig dar (hierzu (4)).
(1) § 3a Abs. 1 ESchG ist formell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht) und Nr. 26 (medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, Untersuchung von Erbinformationen). Verstöße gegen formelle Bestimmungen des Gesetzgebungsverfahrens sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Bestimmung ist auch materiell verfassungsgemäß. Das strafbewehrte Verbot der PID dient dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit des Embryos in vitro und dem Schutz seiner Menschenwürde und ist auch verhältnismäßig.
(2) Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch eine PID nur berührt, wenn der Schutz dieser Bestimmung sich bereits auf den Embryo in vitro, also vor der Nidation, bezieht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich hierzu – sieht man von den beiden die vorliegende Problematik nicht unmittelbar betreffenden Entscheidungen zum Abtreibungsrecht (U.v. 25.2.1975 – 1 BvF 1/74 u.a. – BVerfGE 39, 1 ff; U.v. 28.9.1993 – 2 BvF 2/90 -BVerfGE 88, 203 ff) ab – bislang nicht geäußert. Im Rahmen der äußerst umfangreichen (vgl. die Nachweise bei Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, B.IV Rn. 42, Fn. 275 und Rn. 50; Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 2 GG Rn. 19 ff.; Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, Tübingen 2002, S. 156 ff.; Rohrer, Menschenwürde am Lebensanfang und am Lebensende und strafrechtlicher Lebensschutz, Berlin 2012, S. 88 ff.; Weschka, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und therapeutisches Klonen: Status und Schutz des menschlichen Embryos vor den Herausforderungen der modernen Biomedizin, Berlin 2010, S. 151 ff., jeweils m.w.N.) Diskussion der Frage, ob sich der Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bereits auf den Embryo in vitro bezieht und dieser mithin bereits als lebend in diesem Sinne zu sehen ist, wird zentral mit den Begriffen der Potentialität, Identität, Kontinuität und dem sogenannten Speziesargument argumentiert (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 13 ff., SKIP-Kriterien, vgl. Bundesärztekammer, Memorandum zur PID, 17.2.2011, S. 6). Dabei bedeutet das Speziesargument, dass dem Embryo bereits deshalb Lebensschutz zukommt, weil er von der genetischen Ausstattung her der menschlichen Spezies zugehörig ist (vgl. die Nachweise bei Weschka, Präimplantationsdiagnostik, S. 191). Unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität wird argumentiert, dass der Entwicklungsprozess hin zum Menschen ein kontinuierlicher Vorgang sei, der keine scharfen Einschnitte aufweise und eine genaue Abgrenzung von verschiedenen Entwicklungsstufen des menschlichen Lebens nicht zulasse. Er sei auch nicht mit der Geburt beendet, da die für die menschliche Persönlichkeit spezifischen Bewusstseinsphänomene zum Teil erst längere Zeit nach der Geburt aufträten (BVerfG, U.v. 25.2.1975 – 1 BvR 1/74 u.a. – BVerfGE 39, 1, 37 [juris Rn. 136]; vgl. dazu die weitergehenden Nachweise bei Weschka, a.a.O., S. 193). Mit dem Identitätsargument wird umschrieben, dass der Embryo bereits im frühesten Stadium identisch mit dem Menschen sei, aus dem er sich entwickle, und daher ebenso wie dieser zu schützen sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 200 m.w.N.). Und schließlich wird unter dem Potentialitätsargument darauf hingewiesen, dass bereits die befruchtete Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung alles enthalte, was für die Entwicklung zum vollständigen Menschen notwendig sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 196 m.w.N.). Zwar wird in der Diskussion hinsichtlich des Embryos in vitro darauf hingewiesen, dass das Kontinuitätsargument scheinbar nicht greife, da für die weitere Entwicklung die Einpflanzung in die Gebärmutter und damit ein Tätigwerden eines Menschen notwendig sei. Ein geringerer Schutz des Embryos in vitro kann jedoch daraus bereits aus dem Grunde nicht abgeleitet werden, da ansonsten der verfassungsrechtliche Lebensschutz zur Disposition des Implantierenden stehen würde (Rohrer, Menschenwürde, S. 110). Im Ergebnis geht daher die wohl überwiegende Meinung in der Literatur davon aus, dass auch der Embryo in vitro von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt ist (vgl. u.a. Müller-Terpitz, a.a.O., Art. 2 GG, Rn. 21 f, insbesondere 22; Hillgruber, Präimplantationsdiagnostik, in Spieker/Hillgruber/Gärditz, Die Würde des Embryos, Paderborn 2012, S. 62; Rohrer, Menschenwürde, S. 105, 110, 126).
Das strafbewehrte Verbot des § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens des Embryos in vitro, da es eine mögliche Verwerfung des Embryos infolge einer PID verhindert.
(3) Auch die Frage, ob der Embryo in vitro bereits Träger des Menschenwürdegrundrechts ist, ist aus den im wesentlichen gleichen Gründen, wie sie zum Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ausgeführt wurden, umstritten. Auch insoweit ist aber richtigerweise davon auszugehen, dass er bereits Grundrechtsträger ist.
Hinzu kommt hier als weiteres Argument, dass, auch wenn man davon ausginge, dass ein Embryo erst ab der Nidation, also ab der erfolgreichen Einpflanzung in der Gebärmutter Grundrechtsträger sein könne, für seinen Schutz die objektivrechtliche Dimension des Menschenwürdegrundrechts nach Art. 1 Abs. 1 GG streiten würde: Denn, wenn die öffentliche Gewalt humanes Leben zu schützen verpflichtet ist, ohne dass dieses Leben eigene, subjektive Lebensrechte besitzt, so kann dies nur über den objektiven Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG erfolgen. Objektivrechtliche Vorfelder und Nachwirkungen des subjektiven Lebensschutzes sind grundsätzlich anerkannt (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 43. Ergänzungslieferung, Februar 2004, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 28; ähnlich Zippelius in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 73. Ergänzungslieferung 1995, Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 29).
Das Verbot des § 3a ESchG dient damit auch dem Schutz der Menschenwürde der nach Durchführung einer PID von einer Verwerfung bedrohten Embryonen in vitro.
(4) § 3a Abs. 1 ESchG stellt verwaltungsrechtlich ein repressives Verbot mit einem in Absatz 2 geregelten Befreiungsvorbehalt dar. Bei einem solchen verbietet der Gesetzgeber generell ein bestimmtes Verhalten als unerwünscht, gestattet aber, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Befreiung von diesem Verbot erteilt wird. Abzugrenzen ist es von der präventiven Kontrollerlaubnis. Dort verbietet der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten nicht, weil es generell unterbleiben soll, sondern um vorweg prüfen zu können, ob die einzelnen materiellen Anforderungen eingehalten werden (vgl. zum Ganzen: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9 Rn. 51 ff, insb. 55).
Aus der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG lässt sich ablesen, dass die PID vom Gesetzgeber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden sollte (BT-Drs. 17/5451, S. 3, 7 und 8). Daneben wird darin ausgeführt, dass ein absolutes Verbot gegen die Verhältnismäßigkeit verstoßen würde. Weiterhin wird auf den Eingriff in Grundrechtspositionen verwiesen (BT-Drs. 17/5451, S. 7). Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er grundsätzlich die PID verbieten und nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen wollte. Das Verständnis als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt entspricht auch der gesetzlichen Regelungssystematik. § 3a ESchG spricht in seinem Absatz 1 zunächst die Strafbarkeit der PID aus. Im Anschluss daran werden in Absatz 2 zwei eng begrenzte Möglichkeiten genannt, in denen diese Strafbarkeit wieder entfällt. Allerdings wird nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Straftat ausgeschlossen, sondern nur die nachrangige Rechtswidrigkeit beseitigt. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG vorliegen, stellt die durchgeführte PID eine tatbestandsmäßige Straftat dar.
Dieses Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist verhältnismäßig. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu den insoweit zu beachtenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit ausgeführt, dass, während bei einer an sich erlaubten Tätigkeit die Voraussetzungen für Vorbehalte ganz allgemein enger zu ziehen sind, der Gesetzgeber bei Gefahr bringenden Betätigungen freier gestellt sei. Gemessen an Art und Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und dem Grad seiner Gefährdung müsse der Eingriff in die Betätigungsfreiheit geeignet und erforderlich sein, das in Betracht stehende öffentliche Interesse zu fördern oder zu schützen und dürfe als Mittel zum Zweck nicht schlechthin außer Verhältnis stehen (BVerwG, U.v. 3.10.1972 – I C 36.68 BVerwGE 41, 1 [juris Rn. 28]).
Das grundsätzliche Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens und der Menschenwürde des in vitro befruchteten Embryos. Dabei handelt es sich wie bei Leben und Menschenwürde immer um ein sehr hochrangiges Schutzgut. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin, der Gesetzgeber habe mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG deutlich gemacht, dass er die Lebensfähigkeit von Blastozysten für nicht irrelevant halte und nicht lebensfähige Blastozysten in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, nichts. Denn vorliegend geht es allein um die Frage, ob vor der Durchführung einer PID die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik beteiligt werden muss. § 3a Abs. 2 ESchG ist allein im Rahmen dieser Entscheidung von Bedeutung. Dementsprechend kann aus dieser Bestimmung auch kein Argument dafür abgeleitet werden, die Entscheidung über die genetische Untersuchung bestimmter Embryonen unabhängig von der Entscheidung der Ethikkommission zuzulassen und die Entscheidung über die Durchführung der PID gerade nicht mehr vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 oder 2 ESchG abhängig zu machen. Das Verbot zielt darauf ab, den in vitro erzeugten Embryo nicht der Gefahr, aufgrund einer durchgeführten PID verworfen zu werden, auszusetzen. Hierzu ist es auch grundsätzlich geeignet. Ein milderes, ebenso effektives Mittel als das Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist nicht ersichtlich. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin nichts, dass mit der Untersuchung ja nur festgestellt werden solle, ob die jeweilige in vitro befruchtete Eizelle die Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter und zur Herbeiführung einer Schwangerschaft hat; bei den aufgrund dieser Untersuchung zu verwerfenden Eizellen würde ja gerade keine Schwangerschaft entstehen bzw. eine Fehlgeburt erfolgen. Denn die Untersuchung zielt primär auf die Feststellung von Chromosomenaberrationen ab. Festgestellt werden können auch solche Chromosomenaberrationen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft und nachfolgend ein lebensfähiges Kind mit einer Trisomie auslösen, wie die Klägerin selbst für den (von ihr allerdings als selten eingestuften) Fall einer freien Trisomie 21 zugesteht. Aus ihrem eigenen Vortrag ergibt sich zudem, dass eine solche Möglichkeit (wenn auch in erheblich geringerem Maße) auch für den Fall einer Trisomie 13 oder 18 besteht. In diesen mehr oder weniger häufigen Fällen bestünde die Gefahr einer Verwerfung aufgrund des Untersuchungsergebnisses. Ein milderes Mittel als das grundsätzliche Verbot mit Befreiungsvorbehalt für diese Gruppe ist nicht ersichtlich. Eine nachträgliche Antragstellung im Fall eines derartigen Untersuchungsergebnisses, wie sie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2018 anreißt, wäre dagegen nicht praktikabel. Schließlich ist der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der potentiellen Eltern auch angemessen. Denn in § 3a Abs. 2 ESchG ist eine Befreiungsmöglichkeit in den dort geregelten Fällen nach einer im Einzelfall erfolgenden positiven Bewertung der Ethikkommission gerade vorgesehen.
cc) § 3a Abs. 1 ESchG verletzt auch nicht die Berufsfreiheit der auf dem Gebiet der PID tätigen Ärzte oder von Laboren wie der Klägerin (zur Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen des Privatrechts vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 37ff.). Zwar führt das Verbot der PID zu einem Eingriff in den einheitlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, da die Durchführung von Präimplantationsdiagnostiken nicht bzw. nicht in dem Umfang, wie es ohne § 3a Abs. 1 ESchG möglich wäre, zum Gegenstand einer beruflichen Tätigkeit gemacht werden kann. Dieser Eingriff ist aber jedenfalls gerechtfertigt. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst das gesamte Grundrecht der Berufsfreiheit (Ruffert in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 12 Rn. 73 m.w.N.). Die gesetzliche Regelung des Art. 3a Abs. 1 GG ist auch verhältnismäßig. Ob sie nach der 3-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 -. BVerfGE 7, 377) als Berufsausübungsregelung oder objektive Berufswahlregelung anzusehen ist, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Betrachtet man sie nämlich als Berufsausübungsregelung, so kommt sie von ihren Auswirkungen her einem Eingriff in die Berufswahlfreiheit nahe (BVerfG, Urteil vom 23. 3. 1960 – 1 BvR 216/51 – BVerfGE 11, 33, 44) und ist daher nur gerechtfertigt, wenn Allgemeininteressen von solchem Gewicht bestehen, dass sie Vorrang vor der beruflichen Beeinträchtigung haben. Dies ist nach den obigen Ausführungen aufgrund der Bedeutung für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie der Würde des Embryos in vitro der Fall.
Ob diese Möglichkeit insbesondere im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte der potentiellen Eltern richtig wahrgenommen wird, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungserheblich, da es hier nur um das Verbot, Präimplantationsdiagnostiken ohne vorherige Beteiligung der Ethikkommission durchzuführen, geht. Dementsprechend kommt es vorliegend auch nicht auf die klägerseits geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Auslegung des § 3a Abs. 2 ESchG an.
Im Ergebnis ist die von der Beklagten ausgesprochene Untersagung in Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in eigenen Rechten. Die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht ist somit nicht zu beanstanden und die Berufung insoweit zurückzuweisen.
2. Auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016, mit dem der Klägerin ein weiteres, höheres Zwangsgeld angedroht wurde ist zulässig, aber unbegründet.
Der Grundverwaltungsakt, die Untersagung vom 2. Juni 2015, war aufgrund des Beschlusses des Senats vom 27. Oktober 2015 (20 CS 15.1904 – juris) sofort vollziehbar und im Übrigen auch rechtmäßig (s. oben). Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsgeldes nur dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist. Hier war die Zuwiderhandlung der Klägerin gegen den Grundverwaltungsakt am 4. November 2015 nachgewiesen. Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Damit war die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich der zurückgenommenen Berufung aus § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob eine Präimplantationsdiagnostik zu dem Zweck, die Fähigkeit eines Embryos zur Einnistung in die Gebärmutter aufgrund des ovariellen Alterns der Eizelle festzustellen, von § 3a Abs. 1 ESchG erfasst ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

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