Europarecht

Veröffentlichung von Hygieneverstößen, Gestaltung der Veröffentlichung, Eignung zur Erfüllung des Gesetzeszwecks, Vereinbarkeit einer Blankettnorm mit dem Bestimmtheitsgebot

Aktenzeichen  AN 14 E 20.01682

Datum:
2.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22498
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LFGB § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3
LFGB § 40 Abs. 3
LFGB § 40 Abs. 4
LFGB Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kap. V Nr. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 852/2004 § 11 Abs. 2 Nr. 1
LMHV § 3 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs.2 i.V.m. Anhang II Kap. IX Nr. 3 VO (EG) Nr. 852/2004
GG Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Verstoß des Lebensmittelunternehmers gegen § 3 Satz 1 LMHV i.V.m. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kap. IX Nr. 3 VO (EG) Nr. 852/2004 berechtigt nicht zu einer Veröffentlichung von „Mängeln bei der Schädlingsbekämpfung“ nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 19. August 2020, ergänzt durch die Antragserwiderung vom 17. September 2020, angekündigte Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB für deren Betrieb in der …, …, um folgende Punkte zu ergänzen:
„Verstoß festgestellt: 5.8.2020“
„Verstoß beseitigt: 10.8.2020“
„Produkt: Lebensmittel der Metzgereiabteilung; Waffeln“
„Kategorie: Lebensmitteleinzelhandel“
2. Die Veröffentlichung eines Verstoßes „Mängel bei der Schädlingsbekämpfung“ wird untersagt.
3. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
4. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
5. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen.
Die Antragstellerin betreibt im Gebiet der Antragsgegnerin einen Lebensmittelmarkt mit Metzgereiabteilung.
Am 4. August 2020 ging bei der Antragsgegnerin eine Verbraucherbeschwerde ein, wonach bei einem im Betrieb der Antragstellerin gekauften Beutel „feiner gefüllter Waffelbruch“ eine tote Maus im Beutel gefunden worden war. Die Antragsgegnerin übersandte die Probe am gleichen Tag an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern (LGL).
Am 5. August 2020 führte die Lebensmittelüberwachung der Antragsgegnerin im Betrieb der Antragstellerin ab 10:30 Uhr eine lebensmittelrechtliche Kontrolle durch. Anlass war die Verbraucherbeschwerde über eine tote Maus in dem Beutel mit Waffelbruch. Dabei wurde ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks vom 13. August 2020 in der Behördenakte festgestellt, dass sich im Verkauf weitere Beutel „gefüllter Waffelbruch“ befanden, die „sichtlich“ durch Schadnager angefressen waren. In den Verkaufsregalen sei kein Hinweis auf Vorhandensein von Schädlingen vorgefunden worden. Bei der Kontrolle der Lager sei Mäusekot in den Randbereichen vorhanden gewesen. Das Lager für Aktionsware sei stark durch Mäusekot verunreinigt, die Wanddämmung sei durch Schädlinge aus der Wand herausgefressen worden. Nachdem auch im Metzgereilager, in dem Verpackungsmittel für leicht verderbliche Lebensmittel gelagert worden seien, Mäusekot vorhanden gewesen sei, sei die Metzgereiabteilung ebenfalls kontrolliert worden. Beim Betreten der Produktion hätten mehrere Säcke Abfall im Zugangsbereich gestanden, obwohl Müll umgehend aus dem Produktionsfirmen entfernt werden müsse. In diesem Bereich sei in der Nähe der Wurstfüllmaschine Mäusekot vorgefunden worden. Des Weiteren sei in den Anlieferungsbereichen, in denen auch Metzgereiausrüstung gelagert habe, Mäusekot in den Randbereichen sowie auf den Kistenrollis vorhanden gewesen. Die Verdampfergitter der Kühlungen seien mit Schimmel und Staubablagerungen verunreinigt gewesen, die Verschmutzungen würden durch die Luftströmungen im Raum verteilt und stellten eine nachteilige Beeinflussung für dort hergestellte Lebensmittel dar. Die Bodenabläufe seien mit Produktresten und braunen Schleimablagerungen altverdreckt gewesen. Die Verpackungsmaschine für leichtverderbliche Lebensmittel in Fertigverpackungen sei durch Produktreste, Verkrustungen und Altablagerungen altverschmutzt gewesen. Die Vakuummaschine sei mit Produktresten und Schimmelablagerungen in einem unhygienischen Zustand gewesen. Die Mischmaschine für Feinkostsalate sei mit Verkrustungen und Eiweißablagerungen altverschmutzt gewesen, der dort produzierte Fleischsalat sei umgehend unschädlich beseitigt worden. Sämtliche Spüleinrichtungen sowie Spülmaschinen seien mit rotschmiere Ablagerungen, Kalkablagerungen sowie einem schleimartigen Biofilm verunreinigt gewesen. Das Fallrohr in der Scherbeneismaschine sei durch schleimige Ablagerungen altverdreckt gewesen, des weiteren habe sich ein Belag am Auswurf des Scherbeneises gelöst. In verschiedenen Kühlräumen seien Schimmelablagerungen an der Decke und im Bereich der Fliesenfugen vorgefunden worden. Die Handwascheinrichtungen seien zum Teil nicht funktionsfähig gewesen, ein hygienisches Arbeiten sei somit nicht gegeben gewesen. Die Einrichtung der Metzgereiverkaufsabteilung sei in allen Bereichen mit Fettablagerungen sowie Produktresten und Kalkablagerungen altverschmutzt gewesen. Der Ofen sei mit Fett und Produktresten altverdreckt gewesen. Die Unterschränke, in denen die Bedarfsgegenstände gelagert gewesen seien, seien mit Ablagerungen altverkrustet gewesen. Die Schalen und Messer seien durch Produktreste verunreinigt gewesen. Die Umkleideräume des Metzgereiverkaufspersonals seien durch Mäusekot in einem unhygienischen Zustand gewesen. Des Weiteren seien dort unhygienische, altverschmutzte Arbeitsschuhe vorrätig gehalten worden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den genannten Aktenvermerk und die bei der Betriebskontrolle gefertigten Fotos Bezug genommen.
Bei einer Nachkontrolle am 6. August 2020 gegen 8:30 Uhr waren (ausweislich des genannten Aktenvermerks) in der Metzgerei die Mängel noch nicht vollständig behoben. Die Wiedereröffnung der Metzgereiabteilung wurde noch nicht zugelassen.
Mit Schreiben vom 6. August 2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass bei der am 5. August 2020 durchgeführten Kontrolle folgende Mängel vor Ort festgestellt worden seien:
– Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren unter Ekel erregenden Umständen
– altverschmutzte Ausrüstungsgegenstände mit Lebensmittelkontakt Fleischsalatmischer, Eismaschine
– durch Mäuse angefressene Lebensmittelverpackungen (Waffeln)
Für die genannten Mängel habe die Antragstellerin mit einem Bußgeld in Höhe von mindestens 350 EUR (Prognose) zu rechnen. Wegen der festgestellten Mängel und des zu erwartenden Bußgeldes sei die Antragsgegnerin nach § 40 Abs. 1a LFGB verpflichtet, folgende Daten zu veröffentlichen:
„- ihren Namen als Lebensmittelunternehmer
– die Gründe der behördlichen Beanstandung
– das Datum der Betriebskontrolle
– das Datum der erfolgten Mängelbeseitigung
– das Datum für den Zeitraum der Veröffentlichung auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LG L) unter www.lgl.bayern.de“. Als angewandte Vorschriften waren genannt § 3 LMHV, § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. 5 Nr. 1 Buchst.a) VO (EG) 852/04. Die Antragstellerin könne sich hierzu innerhalb von 7 Werktagen äußern, im konkreten Fall bis zum 18. August 2020. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.
Bei einer Nachkontrolle am 10. August 2020 waren die Mängel ausweislich des Aktenvermerks vom 13. August 2020 abgestellt. Der Betrieb wurde wieder geöffnet.
Mit Schreiben vom 19. August 2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie nach Prüfung der Sachlage zu dem Ergebnis gekommen sei, dass eine Veröffentlichung der Information gemäß § 40 Abs. 1a LFGB erforderlich sei. Dieser Entscheidung lägen folgende Erwägungen zugrunde:
Rechtsgrundlagen: § 3 LMHV, § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II, Kap. V Nr. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 852/2004. Die Veröffentlichung erfolge auf den Internetseiten des LGL nach einer Wartefrist von 7 Werktagen ab Zustellung dieses Schreibens, wenn bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 3. September 2020, auf das hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde der Bezirksleiter der Antragstellerin zum Erlass eines Bußgeldbescheids angehört. Gegenstand der Anhörung war einerseits der Vorwurf, aufgrund der Feststellungen bei der Betriebskontrolle am 5. August 2020 Lebensmittel mit mangelnder Sorgfalt hergestellt, behandelt bzw. in den Verkehr gebracht zu haben, so dass die Lebensmittel der Gefahr nachteiliger Beeinflussung ausgesetzt waren, Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen nicht oder zumindest nicht richtig gereinigt zu haben sowie Lebensmittel, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, in den Verkehr gebracht zu haben. Andererseits wurde der Vorwurf erhoben, mit der in der Tüte „Feiner gefüllter Waffelbruch“ enthaltenen toten Maus ein zum Verzehr durch den Menschen ungeeignetes und somit nicht sicheres Lebensmittel in den Verkehr gebracht zu haben.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 27. August 2020, das am gleichen Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach einging, hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie beantragt,
der Antragsgegnerin einstweilen zu untersagen, die mit Schreiben vom 19. August 2020 angekündigte Veröffentlichung von Kontrollergebnissen bezüglich des Betriebs der Antragstellerin in der …, …, vorzunehmen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin schon keine ordnungsgemäße Anhörung durchgeführt habe. Insoweit verweist sie auf die Vollzugshinweise zu Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 24. April 2019 und die Rechtsprechung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. vom 28.11.2019 – 20 C 19.1995). Diese Anforderung habe die Antragsgegnerin nicht erfüllt. Zwar habe sie die in den Vollzugshinweisen abgedruckten Mustervorlagen verwendet, diese aber nicht mit den erforderlichen einzelfallbezogenen Informationen ergänzt und insbesondere nicht den genauen Inhalt und Wortlaut der beabsichtigten Veröffentlichung mitgeteilt. Diese Angaben seien in dem Anhörungsschreiben lediglich abstrakt formuliert. Unabhängig vom konkreten Wortlaut der beabsichtigten Veröffentlichung sei § 40 Abs. 1a LFGB auf Grundlage des Kontrollergebnisses nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin führe als Rechtsgrundlage in ihrem Schreiben vom 19. August 2020 lediglich die Vorschriften der § 3 LMHV, § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB sowie Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 a der VO (EG) Nr. 852/2004 auf. Aufgrund der bei der Kontrolle am 5. August 2020 getroffenen Feststellungen sei aber unklar, ob und inwieweit gegen die genannten Rechtsnormen verstoßen sein solle. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 21. März 2018 zu § 40 Abs. 1a LFGB klargestellt, dass nur die Verbreitung richtiger Informationen zur Erreichung des Informationszwecks geeignet sei. Ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht der Behörde genüge nicht. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass die Antragsgegnerin diesen Erfordernissen der Tatsachenfeststellung gerecht geworden sei. Laut Anhörungsschreiben vom 6. August 2020 sollen „durch Mäuse angefressene Lebensmittelverpackungen (Waffeln)“ festgestellt worden sein. Diese Feststellung finde sich aber nicht in dem Kontrollbericht. Gleiches gelte auch für den im Anhörungsschreiben genannten Mangel „altverschmutzte Ausrüstungsgegenstände mit Lebensmittelkontakt Fleischsalatmischer, Eismaschine“. Auch diese Feststellung ergebe sich nicht aus dem Kontrollbericht, der vielmehr lediglich pauschale Feststellungen über „starke Verunreinigungen“ enthalte.
§ 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB sei vorliegend nicht anwendbar, da mit dem VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 21.05.2019 – 9 S 584/19) von der Europarechtswidrigkeit dieser Vorschrift auszugehen sei. Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Regelungen in Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. a und b der VO (EG) Nr. 178/2002 und in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der VO (EU) Nr. 1169/2011 sei davon auszugehen, dass dem nationalen Gesetzgeber keine Regelungskompetenz für den Fall der verzehrungeeigneten Lebensmittel mehr verbleibe. Auf die Ausführungen im Beschluss des VGH Baden-Württemberg wurde verwiesen.
Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 3 LMHV könne nicht gegeben sein, da diese Vorschrift auf den Betrieb der Antragstellerin nicht anwendbar sei. Bei der Antragstellerin handele es sich um einen Lebensmitteleinzelhandel, der den hygienerechtlichen Anforderungen der VO (EG) Nr. 852/2004 unterliege. Nach der Rechtsprechung des VG München (U.v. 26.9.2012 – M 18 K 11.5139) führe dies zur Nichtanwendbarkeit des § 3 LMHV (wird ausgeführt). Ungeachtet dessen, dass § 3 LMHV schon gar nicht auf dem Betrieb der Antragstellerin anwendbar sei, seien auch die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Verstoß hiergegen von der Antragsgegnerin nicht festgestellt worden. Die Feststellungen im Kontrollbericht und im Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin enthielten keine nachvollziehbaren Feststellungen zu einer konkreten Kontaminationsgefahr für Lebensmittel. § 3 Satz 1 LMHV verlange eine konkrete Gefahr einer lebensmittelbezogenen Kontamination. Zwar werde im Anhörungsschreiben Bezug genommen auf angeblich verschmutzte Ausrüstungsgegenstände mit Lebensmittelkontakt wie Fleischsalatmischer und Eismaschine. Diese Feststellungen fänden sich jedoch in dem zugrundeliegenden Kontrollbericht gerade nicht.
Schließlich liege auch kein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. mit Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vor. Diese Vorschrift erfasse nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen. Insoweit reichten, wie bereits ausgeführt, die pauschalen Feststellungen der Antragsgegnerin im Kontrollbericht nicht aus, um sicher auf einen Verstoß gegen diese Vorschrift schließen zu können. Die im Anhörungsschreiben angeblich festgestellten Mängel fänden keine Tatsachengrundlage im Kontrollbericht.
Unabhängig davon sei nicht ersichtlich, dass ein Bußgeld in Höhe von mindestens 350 EUR zu erwarten sei. Für alle Verstöße gegen die Verordnung (EG) Nr. 852/2004, die über die entsprechenden Bußgeldtatbestände in der nationalen Lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung (LMStV) sanktioniert werden sollten, als auch für die Sanktionierung von Verstößen gegen § 3 Satz 1 LMHV über § 10 LMHV i.V.m § 60 Abs. 2 Nr. 26a LFGB gelte Folgendes: Mit der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 21. Mai 2019 sei davon auszugehen, dass die sogenannten Blankettvorschriften des § 60 Abs. 2 Nr. 26a LFGB und des § 60 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a LFGB wegen Verstoßes gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig seien. Auf die Begründung des Beschlusses des VGH Baden-Württemberg wurde Bezug genommen.
Im Übrigen werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. März 2020 (AN 14 E 19.02561) verwiesen. Die Antragsgegnerin habe vorliegend wie in dem der genannten Entscheidung des VG Ansbach zugrundeliegenden Fall nicht ansatzweise begründet, warum im konkreten Fall ein Bußgeld von über 350 EUR zu erwarten sei. Daneben habe das Verwaltungsgericht Ansbach in dem dem genannten Beschluss vorangehenden Verfahren auch darauf hingewiesen, dass seit dem 14. Dezember 2019 auch im Zusammenhang mit Veröffentlichungen gemäß § 40 Abs. 1a LFGB die Vorgaben der neuen Kontrollverordnung (EU) Nr. 2017/625, konkret deren Art. 8 Abs. 5, zu beachten seien. Auf einen vom Verwaltungsgericht in diesem Verfahren gemachten richterlichen Hinweis wurde Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Bezüglich des Sachverhalts werde auf die beigefügte Behördenakte im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Veröffentlichung der Mängel verwiesen. Die festgestellten Mängel seien mit Lichtbildern in der Akte dokumentiert worden und mit Bescheid vom 11. August 2020 sei die Behebung gefordert worden. Das Vorliegen der dokumentierten und zur Behebung geforderten Mängel werde von der Antragstellerin auch nicht erkennbar bestritten. Ergänzend würden auch in Kopie die Akten des Bußgeldverfahrens vorgelegt. Die Feststellung „durch Mäuse angefressene Lebensmittelverpackungen (Waffeln)“ und „altverschmutzte Ausrüstungsgegenstände mit Lebensmittelkontakt Fleischsalatmischer, Eismaschine“ finde sich zwar in dieser Konkretisierung noch nicht in dem Kontrollbericht vom 5. August 2020, der vor Ort erstellt und übergeben worden sei, aber sehr wohl im Anhörungsschreiben vom 6. August 2020. Die Anhörung werde hier noch hinsichtlich des beabsichtigten Wortlauts der Veröffentlichung wie folgt konkretisiert:
„Die Gründe der behördlichen Beanstandung
– Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel
– Mängel bei der Schädlingsbekämpfung
Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln“.
Ebenso werde hinsichtlich der Prognose, dass ein Bußgeld von mindestens 350 EUR zu erwarten sei, auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 3. September 2020 verwiesen, soweit dort ausgeführt werde, dass sich im Verkauf Beutel gefüllter Waffelbruch befunden hätten, die sichtlich durch Schadnager angefressen gewesen seien. Die Mischmaschine für Feinkostsalate sei mit Verkrustungen und Eiweißablagerungen altverschmutzt gewesen, diese Maschine habe direkten Kontakt mit Lebensmitteln gehabt. Das Fallrohr in der Scherbeneismaschine sei durch schleimige Ablagerungen altverdreckt gewesen, ferner habe sich ein Belag am Auswurf des Scherbeneises gelöst. Aufgrund dieser konkreten Sachverhalte sei auch im Vergleich zu anderen von der Antragsgegnerin verfolgten Fällen ein Bußgeld von mindestens 350 EUR zu erwarten.
Der Antrag sei abzulehnen, da weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch ersichtlich seien. Würde dem Antrag in der vorliegenden Form stattgegeben, würde er die Hauptsache im vollen Umfang vorwegnehmen. Da die Antragstellerin nicht dazu vortrage, ob bzw. wann sie ein Hauptsacheverfahren anstrengen wolle, würde ein Erfolg im Verfahren nach § 123 VwGO dazu führen, dass eine Veröffentlichung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen wäre. Dies würde die Wertung des § 40 Abs. 1a Nr. 1 (gemeint offenbar: Satz 1 Nr. 3) LFGB ins Gegenteil verkehren. Auch ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB seien im vorliegenden Fall erfüllt. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. November 2019 enthalte in Rn. 59 lediglich einen allgemeinen Hinweis auf Art. 8 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 2017/625. Ob diese Vorschrift auf Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB anwendbar sei, sei nicht entscheidungserheblich gewesen und ausdrücklich offengelassen worden. Dass dies tatsächlich nach den Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz nicht notwendig sei, habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Beschluss vom 4. August 2020 (20 CE 20.719 – juris Rn. 9) eindeutig klargestellt. Die der Veröffentlichung zugrundeliegenden Hygieneverstöße gemäß § 3 LMHV, § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1a VO (EG) Nr. 852/2004 erwiesen sich als nicht unerheblich und rechtfertigten prognostisch ein Bußgeld von mehr als 350 EUR. Wegen der Hygienemängel in Verbrauchernähe bei von Mäusen angefressenen Verpackungen von Waffeln, der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren unter Ekel erregenden Umständen und altverschmutzten Ausrüstungsgegenständen mit Lebensmittelkontakt sowie den durch Mäusekot ausgehenden Gesundheitsgefahren hätten die Verstöße eine Schwere, die eine Veröffentlichung aufgrund der Bußgeldprognose von über 350 EUR rechtfertigten. § 40 Abs. 1a LFGB lasse sich entnehmen, dass der Gesetzgeber dann Verstöße als erheblich ansehe, wenn sie die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirkten (BayVGH, B. v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995). Dies sei hier der Fall.
Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2020 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin Akteneinsicht in die Behördenakte, um umfassend zum Vortrag der Antragsgegnerin Stellung nehmen zu können. Diese wurde ihm mit gerichtlichem Schreiben vom 12. Oktober 2020 gewährt. Eine weitergehende Stellungnahme erfolgte nicht.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 123 Abs. 5 VwGO, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage statthaft wäre. Bei dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. August 2020, mit dem die geplante Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB angekündigt wurde, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 4).
Der Antrag ist in dem aus dem Tenor des vorliegenden Beschlusses ersichtlichen Umfang der Stattgabe auch begründet. Insoweit hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist er unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung), oder zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin abzuwenden (Regelungsanordnung). Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 929 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den die Antragstellerin vorläufig Rechtsschutz ersucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung.
Der Anordnungsgrund (Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung) liegt aufgrund der Absicht der Antragsgegnerin, eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB auf den Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vorzunehmen, vor. Soweit die Antragsgegnerin hiergegen einwendet, dass die einseitige Anordnung auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt, trifft dies zwar zu. Wegen der Irreversibilität der Auswirkungen einer einmal erfolgten Bekanntmachung spricht dies im konkreten Fall jedoch nicht grundsätzlich gegen die Annahme eines Anordnungsgrundes (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 20 CE 19.1634 – juris; VG Würzburg, B.v. 20.1.2020 – W 8 E 19.1661 – juris Rn. 16). Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass bei einer Stattgabe des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Veröffentlichung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen sei, was der Wertung des § 40 Abs. 1a LFGB widerspräche, übersieht die Antragsgegnerin die Möglichkeiten, die die Verwaltungsgerichtsordnung dem unterlegenen Beteiligten im Verfahren nach § 123 VwGO bietet: Einerseits hat die Antragsgegnerin die Möglichkeit, einen Antrag zur Änderung einer einmal erlassenen einstweiligen Anordnung insbesondere bei veränderten Umständen zu stellen (vgl. nur Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 77ff.). Andererseits kann der Antragsgegner durch einen Antrag nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 926 ZPO auf Anordnung der Klageerhebung sicherstellen, dass nicht allein im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit einer in der Regel eingeschränkten Prüfungsdichte entschieden wird (vgl. VG Würzburg, B.v. 20.1.2020 – W 8 19.1661 – juris Rn. 16).
Die Antragstellerin hat, soweit ihrem Antrag stattgegeben wurde, auch einen Anordnungsanspruch, also einen Anspruch auf die begehrte Anordnung, glaubhaft gemacht. Dies ist vorliegend der nicht gesetzlich geregelte, jedoch in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch (NdS OVG, B.v. 30.9.2020 – 13 ME 377/19 – juris Rn. 19). Voraussetzung für diesen ist, dass das beabsichtigte Handeln der Antragsgegnerin rechtswidrig ist. Dies ist vorliegend im tenorierten Umfang der Fall, da insoweit die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB nicht vorliegen. Denn die geplante Veröffentlichung würde, da sie insoweit rechtswidrig wäre, auf nicht gerechtfertigte Weise in die Grundrechte der Antragstellerin eingreifen, vor allem in deren Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 25ff.; VGH BW, B.v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12 – juris Rn. 10; Hess VGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 20 CE 19.1634 – juris Rn. 22).
Der Wortlaut der von der Antragsgegnerin geplanten Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB ergibt sich in Zusammenschau aus dem Anhörungsschreiben vom 6. August 2020, der Ankündigung der Veröffentlichung vom 19. August 2020 und der Konkretisierung laut der Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 17. September 2020. Danach beabsichtigt die Antragsgegnerin die folgende Veröffentlichung unter dem Namen der Antragstellerin:
Gründe der behördlichen Beanstandung:
– Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel
– Mängel bei der Schädlingsbekämpfung
Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln.
Diese Veröffentlichung ist teilweise rechtswidrig (hierzu 1.), im Übrigen aber rechtmäßig (hierzu 2.)
Im vorliegenden Fall beabsichtigt die Antragsgegnerin die Veröffentlichung mehrerer Verstöße gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Sie stützt sich dabei nach den vorgelegten Behördenakten auf verschiedene Feststellungen im Betrieb der Antragstellerin. Für die Frage, ob die beabsichtigte Veröffentlichung von den tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen gedeckt ist, ist daher zunächst herauszuarbeiten, aufgrund welcher tatsächlicher Feststellungen die Antragsgegnerin welche Veröffentlichung beabsichtigt.
Im bei der Kontrolle am 5. August 2020 erstellten Kontrollbericht und dem zur Kontrolle und den Nachkontrollen erstellten Aktenvermerk vom 13. August 2020 werden mehrere tatsächliche Beanstandungen genannt. Im Anhörungsschreiben nach § 40 Abs. 3 LFGB vom 6. August 2020 beschränkt die Antragstellerin die zu einer Veröffentlichung führenden Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften auf die unter den dort aufgeführten drei Spiegelstrichen genannten Sachverhalte. Die übrigen Feststellungen laut dem Kontrollbericht vom 5. August 2020 und dem Aktenvermerk vom 13. August 2020 sollen folglich nicht zu einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB führen und sind daher hier nicht streitgegenständlich. Denn die Behörde, die eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB beabsichtigt, legt mit dem Anhörungsschreiben den Sachverhalt fest, aufgrund dessen sie eine Veröffentlichung nach dieser Bestimmung für erforderlich erachtet.
Von den im Anhörungsschreiben vom 6. August 2021 genannten Sachverhalten betreffen die Spiegelstriche 1 („Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren unter Ekelerregenden Umständen“) und 2 („Altverschmutzte Ausrüstungsgegenstände mit Lebensmittelkontakt Fleischsalatmischer, Eismaschine“) Ausrüstungsgegenstände und Lebensmittel aus der Metzgereiabteilung. Der Spiegelstrich 3 („durch Mäuse angefressene Lebensmittelverpackungen (Waffeln)“) betrifft die bei der Betriebskontrolle am 5. August 2020 im Verkaufsbereich festgestellten, von Schadnagern angefressenen Beutel mit Waffelbruch (vgl. den AV v. 13.8.2020).
Der geplante Veröffentlichungstext wurde von der Antragstellerin erst mit der Antragserwiderung konkretisiert, ohne dass dabei erläutert wurde, welcher der im Anhörungsschreiben genannten Sachverhalte nach Auffassung der Antragsgegnerin welche Veröffentlichung rechtfertigt. Eine derartige Darlegung ist grundsätzlich sinnvoll und wünschenswert, insbesondere wenn mehrere tatsächliche Feststellungen Grundlage einer Veröffentlichung sein sollen. Schließlich dient eine solche Darlegung auch der Rechtmäßigkeit der Anhörung gemäß § 40 Abs. 3 LFGB, da diese jedenfalls so erfolgen muss, dass der Lebensmittelunternehmer sich inhaltlich sinnvoll zur beabsichtigten Veröffentlichung äußern kann (Holle in Streinz/Meisterernst, BasisVO/LFGB, 1. Aufl. 2021, Rn. 164). Daher ist vorliegend eine Auslegung der Erklärungen der Antragsgegnerin notwendig.
Soweit die Antragsgegnerin als Verstoß „Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel“ veröffentlichen will, bezieht sie sich offenbar auf den im Anhörungsschreiben vom 6. August 2020 genannten Sachverhalt „Altverschmutzte Ausrüstungsgegenstände mit Lebensmittelkontakt Fleischsalatmischer, Eismaschine“. Die Veröffentlichung des Verstoßes „Mängel bei der Schädlingsbekämpfung“ bezieht sich dagegen auf den im Anhörungsschreiben genannten Sachverhalt „durch Mäuse angefressene Lebensmittelverpackungen“. Der weitere Verstoß „Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln“ bezieht sich einerseits auf die in der Metzgereiabteilung der Antragstellerin hergestellten Lebensmittel, die aufgrund der dort festgestellten Hygienemängel unter unhygienischen Bedingungen hergestellt bzw. behandelt wurden. Daneben bezieht der Verstoß sich auch auf den Fund von Beuteln mit Waffelbruch, die von Nagern angefressen waren, in den Verkaufsregalen des Betriebs der Antragstellerin bei der Betriebskontrolle am 5. August 2020 (lt. AV vom 13.8.2020). Denn „Behandeln“ ist nach § 3 Nr. 3 LFGB unter anderem auch das Lagern sowie jede sonstige Tätigkeit, die nicht als Herstellen oder Inverkehrbringen anzusehen ist.
1. a) Die Veröffentlichung des Verstoßes „Mängel bei der Schädlingsbekämpfung“ ist im vorliegenden Fall rechtswidrig. Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB greifen in die Berufsfreiheit der betroffenen Lebensmittelunternehmer ein (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 25ff.). Die Information der Öffentlichkeit über lebensmittel- und futtermittelrechtliche Missstände dient zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts legitimen Zwecken. Diese liegen darin begründet, dass die Regelung vor allem eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen soll (BVerfG a.a.O. Rn. 32 unter Verweis auf BT-Drs. 17/7374, S. 2). Daneben soll § 40 Abs. 1a LFGB zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beitragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Vorschriften zu betreiben (BVerfG a.a.O. unter Verweis auf BT-Drs. 17/12299, S. 7). Dies sind grundsätzlich legitime Zwecke, wobei das Bundesverfassungsgericht darauf hinweist, dass die Förderung der Einhaltung von Vorschriften, die dem Schutz vor Gesundheitsgefahren dienen, größeres Gewicht habe als etwa die bloße Verbraucherinformation über (behobene) Hygienemängel. Aber auch das Ziel, deren Wissensgrundlage für eigenverantwortliche Entscheidungen zu verbessern, hat nach dem genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtliche Bedeutung, als sie jedenfalls deren Vertragsfreiheit stärkt (BVerfG a.a.O. Rn. 33), und stellt daher ein legitimes Ziel für einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Lebensmittelunternehmers dar.
Inwiefern eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB praktisch zu einer gehaltvollen Information der Öffentlichkeit taugt, hängt jedoch maßgeblich von der Aufbereitung und Gestaltung der Information ab (BVerfG a.a.O., Rn. 46). Das Bundesverfassungsgericht hat dabei darauf hingewiesen, dass § 40 Abs. 1a LFGB für eine geeignete Gestaltung der Information hinreichend Spielraum lasse. Es hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die zuständigen Behörden mangels ins Einzelne gehender gesetzlicher Vorgaben bei der Formulierung der Verbraucherinformation den Gesetzeszweck zu berücksichtigen haben. Vereinfachungen und Generalisierungen des Veröffentlichungstextes sind unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks nicht per se unzulässig (kritisch zu Zusammenfassungen OVG Niedersachsen, B.v. 30.9.2020 – 13 ME 377/19 – juris Rn. 32; VG Regensburg, B.v. 19.11.2019 – RN 5 E 19.1890 – juris Rn. 40, letztlich offen gelassen), dürfen aber beim Verbraucher jedenfalls keine Fehlvorstellung über den konkreten Verstoß gegen die in § 40 Abs. 1a LFGB genannten lebens- und futtermittelrechtlichen Vorschriften hervorrufen. Um eine wahrheitsgemäße und zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Zwecke geeignete Information der Verbraucher zu erreichen, muss die Veröffentlichung, wenn auch möglicherweise verkürzt und für Laien verständlich umschrieben, die im konkreten Fall verletzte lebensmittelrechtliche Vorschrift widerspiegeln. Der Verbraucher muss, damit der Eingriff in die Berufsfreiheit des Lebensmittelunternehmers durch die Veröffentlichung zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet ist, aufgrund der Veröffentlichung eine richtige Vorstellung davon bekommen, gegen welche, der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienende Vorschrift verstoßen wurde, aufgrund derer die Verhängung einer Geldbuße von mindestens 350 EUR zu erwarten ist. Denn nur so wird der Verbraucher in die Lage versetzt, aufgrund der veröffentlichten Information eine bewusste Konsumentscheidung zu treffen.
Vor diesem Hintergrund hält auch die Kammer es für sinnvoll, aber nicht zwingend notwendig, die Rechtsnorm im Sinne von § 40 Abs. 1a LFGB, gegen die verstoßen wurde, in der Veröffentlichung zu nennen (ausführlich hierzu OVG Niedersachsen, B.v. 30.9.2020 – 13 ME 377/19 – juris LS 2 und Rn. 33ff). Eine Nennung dieser Bestimmungen in der Veröffentlichung wäre aber geeignet, der Gefahr einer Fehlvorstellung beim Verbraucher zu begegnen und diente daher der Sicherstellung, dass der mit dem Gesetz verfolgte Zwecke erreicht wird (vgl. VGH BW, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/19 – juris Rn. 19). Denn der interessierte Verbraucher (und nur dieser wirft überhaupt einen Blick auf die einschlägigen Internetseiten wie https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/ueberwachung/informationen_40_1a/verstoss.php) erhält dadurch die Möglichkeit, sich über die ggf. schlagwortartige Mitteilung des Verstoßes hinaus zu informieren, gegen welchen gesetzlichen Tatbestand verstoßen wurde.
Im vorliegenden Fall ist jedenfalls hinsichtlich der beabsichtigten Veröffentlichung von „Mängeln bei der Schädlingsbekämpfung“ der genannte Zusammenhang nicht mehr gegeben und diese daher geeignet, eine Fehlvorstellung beim Verbraucher hervorzurufen. Die Antragsgegnerin hat insoweit weder in der Anhörung der Antragstellerin vor der Veröffentlichung vom 6. August 2020 noch in dem Schreiben vom 19. August 2020, in dem die Veröffentlichung unmittelbar angekündigt wurde, insoweit eine konkret verletzte lebensmittelrechtliche Vorschrift genannt. Angegeben wurde jeweils nur § 3 LMHV. Nach dessen Satz 1 dürfen Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei der Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. B.v. 13.3.2020 – AN 14 E 19.02400 – juris Rn. 71ff.) europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass ein Verstoß dagegen nur vorliegt, wenn auch gegen eine Bestimmung des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, der nicht selbstständig nach der Lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung (LMRStV) ordnungswidrig ist, verstoßen wurde. Als eine derartige Bestimmung des Anhangs II der genannten Verordnung unter dem Gesichtspunkt der Schädlingsbekämpfung kommt vorliegend grundsätzlich Kap. IX Nr. 3 des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 in Frage. Danach sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten ist. Dieser Vorwurf wird in Ziffer 2 des Kontrollberichts vom 5. August 2020, der der Antragstellerin vorliegt, auch erhoben.
Denkbar wäre daneben auch ein Verstoß gegen (§ 3 Satz 1 LMHV i.V.m. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II) Kap. IX Nr. 4 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004. Dieser lautet: „Es sind geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen vorzusehen.“. Dieser Vorwurf wird aber weder im Kontrollbericht noch sonst an einer anderen Stelle der Behördenakten erhoben. Damit spricht nichts dafür, dass er hier streitgegenständlich ist.
Der Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 3 der VO (EG) Nr. 852/2004 ist auch nur über § 3 Satz 1 LMHV bußgeldbewehrt. Allerdings ist diese Bestimmung so formuliert, dass daraus nicht der Vorwurf, dass „Mängel bei der Schädlingsbekämpfung“ bestehen, abgeleitet werden kann. Denn wenn eine Kontamination (Art. 2 Abs. 1 Buchst. f VO (EG) Nr. 852/2004) auch durch Schädlinge erfolgen kann (Meisterernst/Sosnitza in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 178. Erg.Lfg. November 2020, Art. 2 EG-LebensmittelhygieneVO, Rn. 21), regelt die Bestimmung keine spezifischen Anforderungen an die Schädlingsbekämpfung. Dies wäre allenfalls bei Anhang II Kapitel IX Nr. 4 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 der Fall; dieser Vorwurf wird aber, wie gezeigt, von der Antragsgegnerin nicht erhoben. Aus dem Verstoß gegen Anhang II Kapitel IX Nr. 3 könnte allenfalls abgeleitet werden, dass „Mängel bei der Betriebshygiene“ bestehen oder das „Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen hergestellten Lebensmitteln“ vorliegt.
Der Veröffentlichungstext ist daher insoweit irreführend und nicht zu einer sachgerechten Verbraucherinformation geeignet.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Antragsgegnerin, da sie nicht Betreiberin des für Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB in Bayern vorgesehenen Portals ist, sondern der Freistaat Bayern, auf die Genauigkeit des Veröffentlichungstextes keinen Einfluss hat. Dies ändert aber nichts daran, dass der konkret vorgesehene Veröffentlichungstext insoweit zur Erreichung des mit § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB verbundenen Gesetzeszwecks nicht geeignet ist und damit insoweit ungerechtfertigterweise in die Berufsfreiheit der Antragstellerin eingegriffen wird. Insbesondere ein Vergleich mit der weitaus detaillierteren Veröffentlichungspraxis in anderen Bundesländern zeigt, dass (bei allem Verständnis für die offensichtlich im bayerischen Veröffentlichungsportal verfolgten Zwecke der Vereinheitlichung und Systematisierung) eine konkretere Bezeichnung möglich ist.
b) Die geplante Veröffentlichung ist auch rechtswidrig, soweit darin kein Hinweis auf die Beseitigung der Verstöße enthalten ist. Nach § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB ist, sobald der der Veröffentlichung zugrundeliegende Mangel beseitigt worden ist, in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Laut dem in den Behördenakten befindlichen Aktenvermerk vom 13. August 2020 ergab die Nachkontrolle im Betrieb der Antragstellerin vom 10. August 2020, dass die Betriebshygiene wiederhergestellt ist. Daher ist die Veröffentlichung um dieses Datum zu ergänzen.
Dass die Antragsgegnerin bereits beabsichtigt hatte, dies ebenfalls zu veröffentlichen, lässt sich den Unterlagen des behördlichen Verfahrens und den im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätzen nicht entnehmen. Zwar ist im Anhörungsschreiben vom 6. August 2020 als zu veröffentlichende Information unter anderem „das Datum der erfolgten Mängelbeseitigung“ genannt. Dieses ist jedoch in diesem Schreiben nicht auf ein bestimmtes Datum konkretisiert. Auch in der Folgezeit erfolgte keine Konkretisierung dieses Datums, insbesondere auch nicht in der Antragserwiderung, in der der Veröffentlichungstext im Übrigen genauer dargestellt wurde. Hätte die Antragsgegnerin beabsichtigt, das aktenkundige Datum der Mängelbeseitigung zu veröffentlichen, so wäre zu erwarten gewesen, dass es anlässlich des Schriftsatzes, mit dem der Text im Übrigen konkretisiert wurde, auch darauf hingewiesen hätte.
Daher war dies im Wege der einstweiligen Anordnung anzuordnen.
c) Schließlich ist die Veröffentlichung auch rechtswidrig, soweit eine Angabe des betroffenen Produkts bzw. der betroffenen Produkte unterbleibt.
Informationen über Hygienemängel können grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar in hygienisch mangelhafter Weise bearbeitet werden, jedoch im Umfeld des Umgangs mit ihnen generelle Hygienemängel festgestellt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80 – juris Rn. 20). Daher setzt eine Information über solche Hygienemängel nicht voraus, dass eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel nachgewiesen worden ist und nur diese in der Veröffentlichung benannt werden (VGH BW, B.v. 21.3.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 18; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 29 ff.; so auch Boch, in: LFGB 8. Online-Auflage 2019, § 40 Rn. 37). Auch Sammelbezeichnungen können den Anforderungen an einen konkreten Lebensmittelbezug genügen, wenn eine konkretere Bezeichnung der betroffenen Produkte nur eingeschränkt möglich und sinnvoll erscheint. Die Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels richtet sich nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen. Dementsprechend muss die Veröffentlichung keine vollständige Aufzählung aller betroffenen Lebensmittel beinhalten, sondern vor allem aus Sicht des Normzwecks – Gesundheits- und Verbraucherschutz – hinsichtlich der genannten Lebensmittel zutreffend sein. Dabei hat die Bezeichnung aufgrund der erheblichen Wirkungen einer Veröffentlichung schonend für den Betroffenen und damit so genau wie möglich zu erfolgen, um den Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, bei denen das gar nicht der Fall ist. Eine Spezifizierung hat gegebenenfalls inhaltlich (Produktart), räumlich oder auch zeitlich zu erfolgen (vgl. VGH BW, B.v. 21.3.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 15). Die Anforderungen an den Produktbezug des Veröffentlichungstextes sind vom Einzelfall abhängig und können je nach Betriebsart hinsichtlich der an ihn zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen voneinander abweichen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Rn. 47).
Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Betrieb der Antragstellerin um einen Supermarkt, der naturgemäß verschiedenste Lebensmittel führt. Die festgestellten und zur Veröffentlichung vorgesehenen Verstöße „Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel“ und das „Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln“ beziehen sich jedoch nur auf einen sehr eingeschränkten, kleinen Teil dieser Produktpalette, und zwar auf die in der Metzgereiabteilung hergestellten bzw. angebotenen Lebensmittel und die von Nagetieren angefressenen Beutel mit Waffeln (s.o.). Der Bezug zu diesen Lebensmitteln ist durch eine Kennzeichnung in der Veröffentlichung klarzustellen, da andernfalls bei Verbrauchern die Fehlvorstellung entstehen könnte, dass alle Lebensmittel von diesen Verstößen betroffen sind. Eine entsprechende Klarstellung ist der Antragsgegnerin auch ohne weiteres möglich und zumutbar.
d) Daneben ist die geplante Veröffentlichung auch unvollständig und daher rechtswidrig, soweit das Datum der Feststellung des Verstoßes (5. August 2020) und die „Kategorie“ des Lebensmittelunternehmens nicht genannt wurden. Bei beiden Informationen handelt es sich um solche, die auf der Veröffentlichungsplattform des LGL anzugeben sind. Nachdem die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung zwar den Veröffentlichungstext, aber nicht die diesbezüglichen Angaben konkretisiert hat, ist davon auszugehen, dass eine diesbezügliche Veröffentlichung bislang nicht beabsichtigt war. Daher war dies wie tenoriert anzuordnen.
2. Im Übrigen ist die geplante Veröffentlichung durch die Antragstellerin rechtmäßig nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ist insoweit nicht glaubhaft gemacht.
a) (1) Die Anhörung der Antragstellerin nach § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB war zwar zunächst wegen der unkonkret gehaltenen Angaben zum Veröffentlichungstext unzureichend, dieser Mangel wurde jedoch durch die Konkretisierung im Lauf des gerichtlichen Verfahrens geheilt.
Eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB setzt voraus, dass der Hersteller oder Inverkehrbringer eines Lebensmittels Gelegenheit erhält, zu der Beanstandung Stellung zu nehmen und die eigenen Maßnahmen einschließlich einer eigenen Information der Öffentlichkeit darzulegen (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 178. Erg.Lfg. November 2020, § 40 LFGB, Rn. 62). Dieses Anhörungsrecht der Betroffenen ist als einfachgesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör und Verfahrensteilhabe einzuordnen und stellt die angemessene Verfahrensbeteiligung des betroffenen Unternehmens sicher (Pache/Meyer in Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 40 Rn. 53). Da die Anhörung der Gewährung rechtlichen Gehörs dient, verlangt eine ordnungsgemäße Anhörung, dass der Betroffene die Gelegenheit hat, zu allen rechtlich und tatsächlich relevanten Aspekten vorzutragen und dass die Behörde diese zur Kenntnis nimmt und in ihre Überlegungen einbezieht (vgl. für das verwaltungsgerichtliche Verfahren Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 138 Rn. 31/32; ähnlich Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 178. Erg.Lfg. November 2020, § 40 LFGB, Rn. 62/63). Die Anhörung muss so erfolgen, dass der Lebensmittelunternehmer sich inhaltlich sinnvoll zur beabsichtigten Veröffentlichung äußern kann (Holle in Streinz/Meisterernst, BasisVO/LFGB, 1. Aufl. 2021, § 40 LFGB Rn. 164). Dies setzt voraus, dass der Betroffene Kenntnis davon hat, welche Informationen die Behörde bekannt geben will. Die Anhörung muss nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs insbesondere auch den geplanten Text der Veröffentlichung enthalten (BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Leitsatz 1 und Rn. 44 unter Verweis auch auf die Vollzugshinweise zu Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 24. April 2019 (Az.42-G8900-2018/10-88), BayMBl. 2019 Nr. 161).
Vorliegend wurde im Anhörungsschreiben vom 6. August 2020 der der Bekanntmachung zugrundeliegende Sachverhalt knapp dargestellt. Da die Antragstellerin Kenntnis von der Betriebskontrolle vom 5. August hatte war dies insoweit noch ausreichend. Im Zeitpunkt des Anhörungsschreibens fehlte zu einer ordnungsgemäßen Anhörung aber der geplante Veröffentlichungstext. Im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 17. September 2020 wurde der Veröffentlichungstext jedoch weitgehend konkretisiert, womit der zunächst bestehende Mangel als geheilt anzusehen ist (BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Rn. 44).
(2) Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin kann keine Rede davon sein, dass keine ausreichende Sachverhaltsermittlung erfolgt wäre. Es kann hinsichtlich keines der erhobenen Vorwürfe von einem lediglich vagen Verdacht gesprochen werden.
Dass im Betrieb der Antragstellerin, konkret in der Metzgereiabteilung „altverschmutzte Ausrüstungsgegenstände mit Lebensmittelkontakt“ vorgefunden wurden, geht aus den bei der Kontrolle am 5. August 2020 gemachten Bildern, die sich in der Behördenakte befinden, eindrucksvoll hervor. Gleiches gilt für die Feststellung „durch Mäuse angefressene Lebensmittelverpackungen“. Auch wenn diese Feststellung in dem vor Ort am 5. August 2020 erstellten Kontrollbericht, auf den sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin wiederholt bezieht, nicht enthalten ist, sind ausreichende Feststellungen eindeutig getroffen worden. Einerseits unterlag eine derartige Verpackung der Begutachtung durch das LGL. Andererseits wurde auch bei der Kontrolle, wie sich aus den dabei gemachten Bildern 15 und 18 in der Behördenakte und dem Aktenvermerk vom 13. August 2020 ergibt, festgestellt, dass weitere angefressene Waffelbeutel im Verkauf waren.
(3) Eine Stellungnahme des Lebensmittelunternehmers war der Veröffentlichung nicht beizufügen. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 4. August 2020 (20 CE 20.719 – juris Rn. 9) inzwischen klargestellt (ebenso BayVGH, B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – juris Rn. 32). Es entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung der Kammer (B.v. 13.3.2020 – AN 14 K 19.02400 – juris Rn. 86).
b) Soweit die Veröffentlichung von „Mängeln bei der Betriebshygiene/Reinigungsmittel“ und „Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln“ beabsichtigt ist, liegt jeweils ein hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB vor.
(1) Was die „Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel“ angeht wurde gegen den im Anhörungsschreiben bereits genannten Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kap. V Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 verstoßen. Danach müssen Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden. Die Reinigung und Desinfektion muss so häufig erfolgen, dass kein Kontaminationsrisiko besteht. Hiergegen wurde nach den aus der Verwaltungsakte vorgehenden Feststellungen in der Metzgereiabteilung eindeutig verstoßen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich auch eindeutig um eine Vorschrift, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dient.
(2) Hinsichtlich des Verstoßes „Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln“ kann als Vorschrift, gegen die verstoßen wurde auf den im Anhörungsschreiben genannten § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB abgestellt werden. Die Antragsgegnerin hat diesen Vorwurf wiederholt erhoben, zuletzt in der Antragserwiderung vom 17. September 2020. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass ihrer Auffassung nach diese Bestimmung die geplante Veröffentlichung trägt. Somit ist sie hier auch zu berücksichtigen.
Dem steht im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass, wie ein Blick auf die Internetseite des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, auf dem die Antragstellerin Veröffentlichungen nach § 40 LFGB vornimmt, zeigt, dass sowohl die Antragstellerin als auch andere Behörden daneben auch den (offenbar) standardisierten Text „Inverkehrbringen von nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln“ verwenden, der noch genauer auf den Wortlaut des § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB zugeschnitten ist. Allerdings deckt § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB auch die den Lebensmittelunternehmer weniger belastende Formulierung „Inverkehrbringen von unter unhygienischen Zuständen/Bedingungen hergestellten/behandelten Lebensmitteln“ ab: Denn bei § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB geht es gerade darum, dass Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, die (ohne eine direkte Einwirkung im Sinne von Art. 14 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, s.u.) unter unhygienischen Umständen hergestellt oder behandelt wurden. Die Verwendung der hier vorgesehenen Formulierung ist daher nicht im obigen Sinne geeignet, eine irrige Vorstellung über den Verstoß im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFBG beim Verbraucher hervorzurufen. Zudem handelt es sich dabei um den weniger in die Rechtsposition der Antragstellerin eingreifenden Veröffentlichungstext.
Entgegen der Argumentation der Antragstellerin (und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in dessen Beschluss vom 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 21ff, auf den sich die Antragstellerin bezieht) ist die Vorschrift nach Auffassung der Kammer nicht europarechtswidrig.
§ 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB erfasst den Fall der Lebensmittel, die ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfinden Verbraucher auslösen würden, wenn er von bestimmten Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte (Meyer in Meier/Streinz, LFGB, Basis-VO, 2. Aufl. 2012, § 11 Rn. 124; Meisterernst in Streinz/Meisterernst, Basis-VO/LFGB, 1. Aufl. 2021, § 11 LFGB, Rn. 50). Ein Verstoß gegen das europarechtliche Normwiederholungsverbot liegt entgegen der Argumentation der Antragstellerin schon deshalb nicht vor, da die Bestimmung eine Normwiederholung nicht vornimmt, sondern ausdrücklich nur für den Fall Geltung beansprucht, dass Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht eingreift (so Meisterernst in Streinz/Meisterernst, Basis-VO/LFGB, 1. Aufl. 2021, § 11 LFGB Rn. 53).
Daneben geht aus Art. 14 Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 hervor, dass Art. 14 Abs. 2 Buchst. b eine stoffliche Beeinträchtigung des Lebensmittels voraussetzt. Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der VO (EG) Nr. 178/2002 bieten Anhaltspunkte dafür, dass der Fall, in dem eine stoffliche Beeinträchtigung nicht erfolgt ist, bereits von der Verordnung erfasst ist. Vielmehr wird aus Art. 14 Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002, der die bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, zu berücksichtigenden Faktoren aufführt, deutlich, dass die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. b der VO (EG) Nr. 178/2002 eine stoffliche Beeinträchtigung voraussetzt. Art. 14 Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 spricht ausdrücklich von einer „in Folge von Fremdstoffen oder auf andere Weise bewirkten Kontamination“ sowie von „Fäulnis, Verderb oder Zersetzung“. Erforderlich ist daher eine stoffliche Veränderung (vgl. ausführlich Boch, in: LFGB 8. Online-Auflage 2019 § 11 Rn. 42 f; Boch, ZLR 2014, 236).
Im Ergebnis kann dies wohl aber auch dahingestellt bleiben, da nach der Argumentation der Antragstellerin und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der genannten Entscheidung anstatt von § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB dann Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 einschlägig wäre, der ebenfalls bußgeldbewehrt ist, und zwar nach § 59 Abs. 2 Nr. 1a Buchst. a, § 60 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. Das Verwaltungsgericht prüft die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Maßnahme grundsätzlich unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten. Die Kammer vermag der Argumentation des VGH Baden-Württemberg (a.a.O., Rn. 28), dass gegen einen Austausch der Rechtsgrundlagen spreche, dass der Wechsel der Rechtsgrundlage im Ordnungswidrigkeitenverfahren nur nach einem Hinweis nach § 46 OWiG möglich wäre, nicht folgen. Zwar stimmt es, dass im bußgeldrechtlichen Verfahren ein entsprechender Hinweis zu erteilen ist. Dies ändert aber für das vorliegende Verfahren nichts daran, dass auch dann, wenn man nicht § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB, sondern Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 als einschlägig erachten würde, ein hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes gegen Lebensmittelvorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB vorliegt.
(3) Betrachtet man die im vorliegenden Fall gemachten Feststellungen, so besteht ein hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB (bzw. Art. 14 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 178/2002) in zweierlei Hinsicht:
Aufgrund der dokumentierten unhygienischen Bedingungen in der Metzgereiabteilung der Antragstellerin besteht der hinreichend begründete Verdacht dafür, dass die dort hergestellten und behandelten Lebensmittel nicht zum Verzehr durch den Menschen geeignet waren. Diese Ungeeignetheit zum Verzehr beruht auch auf anderen Gründen, als sie in Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 178/2002 genannt sind. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte für eine stoffliche Einwirkung auf diese Lebensmittel im Sinne von Art. 14 Abs. 5 VO (EG) Nr. 178/2002. Vielmehr ergibt sich die Ungeeignetheit zum Verzehr durch den Menschen daraus, dass bei Kenntnis der Herstellungsbedingungen bei einem durchschnittlichen Verbraucher Ekel vor diesen Lebensmitteln hervorgerufen würde.
Daneben besteht auch der hinreichend begründete Verdacht eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB durch die Feststellung bei der Betriebskontrolle am 5. August 2020, dass sich im Verkaufsbereich durch Mäuse angefressene Waffelbeutel befanden. Auch insoweit wurden keine stofflichen Einwirkungen auf die Waffeln festgestellt, so dass Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 178/2002 nicht einschlägig ist. Bei einem durchschnittlichen Verbraucher würde in Kenntnis dieses Umstands jedoch Ekel vor den in den Tüten verpackten Waffeln ausgelöst, so dass sie ungeeignet zum Verzehr durch Menschen im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB waren.
Nur zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass es trotz wiederholter Nennung dieser Bestimmung in den Schreiben der Antragsgegnerin auf § 3 LMHV nicht ankommt. Auf die diesbezügliche Argumentation der Antragstellerin war daher nicht einzugehen.
c) Angesichts der Feststellungen in der Behördenakte besteht auch kein Zweifel daran, dass es sich sowohl bei dem Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 und Anhang II Kap. V Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 als auch bei den Verstößen gegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB (bzw. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b der VO (EG) Nr. 178/2002) um Verstöße in nicht unerheblichen Ausmaß im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB handelt. Sowohl bei den Verschmutzungen in der Metzgereiabteilung, der Herstellung und Behandlung von Lebensmitteln in dieser Umgebung als auch dem Verkauf von von Mäusen angefressenen Waffelverpackungen kann keine Rede davon sein, dass es sich um unerhebliche Verstöße handelt.
d) Aufgrund dieser Verstöße ist auch ein Bußgeld in Höhe von mindestens 350 EUR zu erwarten.
(1) Beide der Veröffentlichung zugrundeliegenden Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften sind bußgeldbewehrt.
Der Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kap. V Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist nach der aufgrund von §§ 62 Abs. 1, 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a LFGB erlassenen Verordnung zur Durchsetzung lebensmittelrechtlicher Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (Lebensmittelrechtliche Straf und Bußgeldverordnung – LMRStV) in der Neufassung vom 9.5.2017 (BGBl I 1170), konkret deren § 2 Nr. 5, bußgeldbewehrt. Der Bußgeldrahmen beläuft sich nach § 60 Abs. 5 Nr. 2 LFGB von 5 EUR (§ 17 Abs. 1 OWiG) bis 50.000 EUR.
Der Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB ist ordnungswidrig nach § 59 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. Der Bußgeldrahmen erstreckt sich insoweit nach § 60 Abs. 5 Nr. 1 LFGB zwischen 5 und 100.000 EUR.
(2) Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin verstößt § 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a und Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a LFGB nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Die Antragstellerin bezieht sich insoweit zur Begründung auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 21. Mai 2019 (9 S 584/19 – juris) und gibt diesen inhaltsgleich wieder.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11. März 2020 (2 BvL 5/17 – juris) die Blankettstrafnorm des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB als dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz genügend angesehen. Die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft zwar nicht die gleichen Vorschriften des LFGB wie sie im vorliegenden Fall einschlägig sind: § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB enthält jedoch wie auch der hier streitgegenständliche § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a LFGB eine „Entsprechungsklausel“, die sich auf im einzelnen genannte Verordnungsermächtigungen nach dem LFGB bezieht. Das Bundesverfassungsgericht bewertete die Regelung in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB als den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügend (BVerfG a.a.O., Rn. 84ff.).
Diese Argumentation lässt sich auch auf den ordnungswidrigkeitenrechtlichen § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a LFGB übertragen. Zunächst ist festzuhalten, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG auch für ordnungswidrigkeitenrechtliche Tatbestände nach allgemeiner Meinung gelten (vgl. nur Degenhart in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 59 m.w.N.). Auch § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a LFGB beschreibt das verbotene Verhalten im Kern als Zuwiderhandlung gegen bestimmte Vorschriften des Europarechts (vgl. BVerfG a.a.O., Rn. 85). Das geschützte Rechtsgut und die Tathandlung werden im vorliegenden Fall im Wege des Verweises auf die Vorschriften laut § 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a LFGB und die dort genannten Verordnungsermächtigungen umschrieben (BVerfG a.a.O., Rn. 88). Dem Verordnungsgeber wird mit § 60 Abs. 4 LFGB kein vorbehaltloses „Bezeichnungsrecht“ eröffnet: in § 62 Abs. 1 Nr. 1 (Straftat, vgl. die Entscheidung des BVerfG) wie in Nr. 2 (Ordnungswidrigkeiten) können nur die Tatbestände bezeichnet werden, deren Ahndung für die Durchsetzung Europarechts „erforderlich“ ist. Aufgabe des Verordnungsgebers ist es daher „im Sinne einer (hypothetischen) Konkretisierung durch eine entsprechende Bezeichnung zu bestimmen, welche Regelungen er selbst hätte erlassen können, gäbe es die entsprechenden Bestimmungen des Unionsrechts nicht“ (so ausdrücklich BVerfG a.a.O., Rn. 91). Letztlich obliegt dem Verordnungsgeber die Dokumentation seines durch die Entsprechungsklausel vorgezeichneten Prüfungsergebnisses (BVerfG a.a.O., Rn. 92ff.).
Auch die Anforderungen der freiheitssichernden Komponente des Bestimmtheitsgebots sind gewahrt (vgl. hinsichtlich der Einzelheiten BVerfG a.a.O., Rn 95ff.). Der gesetzliche Regelungsgehalt erschließt sich durch Zusammenlesen der Paragraphen der oben unter (1) genannten Kette. Diese Bestimmungen enthalten keine Begriffe, deren Bedeutungsgehalt nur durch umfangreiche Auslegung erschließbar wäre. Daneben müssen die Normen in einem Gesamtzusammenhang gestellt werden. Der Aufwand zur Bestimmung des Regelungsgehalts ist daher deutlich erhöht, aber nicht derart, dass der Regelungsgehalt nicht mehr erkennbar wäre (BVerfG a.a.O., Rn. 96). Insbesondere ist dabei auf einen sach- und fachkundigen Normadressaten abzustellen, konkret auf einen Lebensmittelunternehmer, bei dem von besonderen diesbezüglichen Sach und Fachkenntnissen auszugehen ist.
(3) Anders als im Verfahren AN 14 E 19.02561 (Beschluss der erkennenden Kammer vom 19.3.2020 – nicht veröffentlicht) sieht die Kammer im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit für eine Begründung der im konkreten Fall erwarteten Bußgeldhöhe durch die Verwaltung.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Rn. 56) unterliegt die Tatbestandsvoraussetzung der erwarteten Bußgeldhöhe von über 350 EUR der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit, einer behördlichen Einschätzung zur voraussichtlichen Bußgeldhöhe kommt aber eine gewisse Indizwirkung zu. Die Kammer hat in der genannten Entscheidung in einem speziell gelagerten Einzelfall begründet, warum es ihr in diesem Fall angesichts einer fehlenden konkreten Begründung für die 350 EUR übersteigende Bußgelderwartung nicht möglich war, vom Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals auszugehen. Der vorliegende Sachverhalt ist mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt aber nicht vergleichbar:
Gegenstand der geplanten Veröffentlichung war in jenem Verfahren nur ein Verstoß gegen § 3 Satz 1 LMHV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 und Anhang II Kap. IX Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004. Im vorliegenden Fall steht zur Veröffentlichung jedoch ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II, Kap. V Nr. 1.a) VO (EG) Nr. 852/2004 und ein (zweifacher) Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB (bzw. Art. 14 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 178/2002) an. Daher sind beide Fälle schon aufgrund der verletzten lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht vergleichbar. Auch die übrigen Aspekte jenes Verfahrens unterscheiden sich von dem vorliegenden Fall. Weiterhin hat die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben im Bußgeldverfahren nachvollziehbar ausgeführt, dass angesichts der im Einzelnen genannten Feststellungen ein Bußgeld von über 350 EUR zu erwarten sei. Vor allem aber hat die Kammer angesichts der in der Verwaltungsakte dokumentierten Verschmutzungen und Feststellungen keine Zweifel daran, dass dieses Tatbestandsmerkmal vorliegend erfüllt ist.
Insgesamt ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung daher im tenorierten Umfang begründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Der Anteil, in dem die Antragstellerin mit ihrem Antrag Erfolg, hat entspricht nach Auffassung der Kammer in etwa dem Anteil, in dem sie keinen Erfolg hat. Daher waren die Kosten zwischen den Beteiligten hälftig aufzuteilen.
Gemäß §§ 53 Abs. 2 Nummer 1,52 Abs. 2 GKG ist der Streitwert in Höhe des Auffangwertes festzusetzen. Anhaltspunkte für die Höhe der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen im Falle der Veröffentlichung bestehen nicht und wurden auch nicht vorgetragen (25.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Eine Reduktion des Regelstreitwertes auf die Hälfte des Auffangwertes kommt vorliegend nicht in Betracht, weil eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache vorwegnimmt (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs; vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2020 – 20 CE 20.719 – juris Rn. 13).


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