Europarecht

Vorläufiger Rechtsschutz, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Anspruchsberechtigung nach der Corona-Impfverordnung, Örtliche Zuständigkeit der Impfzentren nach dem Wohnsitz, Kein Anspruch auf Durchführung der Impfung in einem nahegelegenen, wohnsitzfremden Impfzentrum

Aktenzeichen  Au 9 E 21.534

Datum:
17.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9349
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
CoronaImpfV § 1 Abs. 1
CoronaImpfV § 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Durchführung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in einem Impfzentrum im Landkreis *.
Der im Jahr 1936 geborene Antragsteller hat seinen Hauptwohnsitz in, * und hält sich während der Corona-Pandemie in seinem Zweitwohnsitz in * (Österreich) auf.
Mit Schreiben an das Sozialgericht München vom 16. Februar 2021 hat der Antragsteller im Wege einstweiligen Rechtsschutzes sinngemäß beantragt,
ihm einen Impftermin in einem Impfzentrum des Landkreises * zuzuteilen.
Zur Begründung führt der Antragsteller aus, er habe seinen zweiten Wohnsitz in einem an den Landkreis * angrenzenden Ort in, Österreich. Es handele sich dabei um den Ort seines ständigen Aufenthaltes, da er sich dort während der Corona-Pandemie vornehmlich aufhalte. Die ärztliche Versorgung des Antragstellers befinde sich in, wo er zuvor zwölf Jahre seinen Hauptwohnsitz gehabt habe. Das Landratsamt * habe dem Antragsteller die Registrierung für eine Schutzimpfung im Landkreis * verwehrt. Die Impfeinladung in * habe der Antragsteller nicht wahrnehmen können. Es sei unverhältnismäßig, bei vager Impfstoffversorgung von dem Antragsteller eine Rückkehr nach * zu verlangen.
Mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 4. März 2021 (S 36 SV 11/21 ER) wurde der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an des Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg verwiesen.
Mit Schreiben vom 10. März 2021 ist das Landratsamt * für den Antragsgegner dem Antrag entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit des Impfzentrums bestimme sich nach dem Wohnsitzprinzip. Die in den Impfzentren verfügbaren Impfstoffdosen würden nach dem Bewohnerschlüssel an die Landkreise verteilt. Um eine Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Bewohnern aller Landkreise im Freistaat zu gewährleisten, sei eine fixe Zuordnung des örtlich zuständigen Impfzentrums an die Adresse des Wohnsitzes notwendig. Das Prozedere sei technisch auch in der Terminverwaltungssoftware des Freistaates Bayern (BayIMCO) hinterlegt. Der Landkreis habe keine Möglichkeit in diesen Prozess einzugreifen und habe auch keine rechtliche Grundlage anders zu verfahren. Auch die Argumentation des Antragstellers hinsichtlich des „Orts des gewöhnlichen Aufenthaltes“ gehe fehl, da der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes als Alternative zu einem Wohnsitz in Deutschland zu sehen sei. Das (regelmäßige) Aufsuchen von Ärzten auf deutscher Seite begründe keinen gewöhnlichen Aufenthalt, zumal der Antragsteller nach eigenen Angaben zu seinem Zweitwohnsitz in * zurückkehre. Ausnahmen von diesem Vorgehen seien dem Landratsamt aus eigener Kompetenz nicht möglich.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf den in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftverkehr Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Nach verständiger Auslegung des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers (§ 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ist vorliegend ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft. Der Antragsteller begehrt die Durchführung einer Schutzimpfung in einem Impfzentrum des Landkreises, sodass in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage zu erheben wäre. Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes kommt daher im vorliegenden Fall eine Regelung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Betracht.
2. Der Antrag ist nicht begründet. Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Durchführung der Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in einem der Impfzentren des Landkreises *.
a) Dem Antragsteller steht nach den Bestimmungen der Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) vom 8. Februar 2021 (BAnz AT 08.02.2021 V1) in der Fassung der Änderung vom 24. Februar 2021 (BAnz AT 24.02.2021 V1) im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe grundsätzlich ein Anspruch auf Schutzimpfung zu. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 CoronaImpfV sind Personen anspruchsberechtigt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben. Da der Antragsteller über einen Wohnsitz in * verfügt, liegt in seiner Person eine Anspruchsberechtigung nach der Corona-Impfverordnung vor. Auch gehört der Antragsteller wegen seines Alters nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 CoronaImpfV zu dem Personenkreis, der mit höchster Priorität einen Anspruch auf die Schutzimpfung hat.
b) Nach der im Eilverfahren anzustellenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller jedoch kein Anspruch zu, in einem Impfzentrum im Landkreis * geimpft zu werden.
Die örtliche Zuständigkeit des Impfzentrums richtet sich im Falle des Antragstellers nach seinem Wohnsitz (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 CoronaImpfV). Nach eigenen Angaben des Antragstellers befindet sich sein Hauptwohnsitz in der Stadt, sodass das Impfzentrum der Stadt für die Durchführung der Impfung örtlich zuständig ist. Die örtliche Zuständigkeit des Landkreises * kann vorliegend nicht daraus abgeleitet werden, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem Ort hat, der zwar an den Landkreis angrenzt, jedoch nicht im Bundesgebiet, sondern in Österreich liegt. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 CoronaImpfV, der an einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland anknüpft. Die bloße Nähe des gewöhnlichen Aufenthaltsortes im Ausland zu einem Impfzentrum im Bundesgebiet ist nicht geeignet, die örtliche Zuständigkeit dieses Impfzentrums zu begründen. Schließlich begründet auch ein langjähriger – zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr bestehender – Wohnsitz bzw. zeitweiser Aufenthalt im Landkreis * zu medizinischen Zwecken keine Zuständigkeit eines Impfzentrums im Landkreis *. Wie zuvor ausgeführt, ist die örtliche Zuständigkeit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 CoronaImpfV mit dem gegenwärtigen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort des Anspruchsberechtigten im Bundesgebiet verknüpft. Weder ein früherer Wohnsitz noch vorübergehender Aufenthalt zu medizinischen Zwecken können bei der Bestimmung des zuständigen Impfzentrums berücksichtigt werden. Der Antragsteller ist daher nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht berechtigt, den Ort der Leistungserbringung zu wählen (vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, Seite 22).
c) Nach summarischer Prüfung bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zuständigkeitsregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 CoronaImpfV. Es erscheint insbesondere nicht unverhältnismäßig, die Zuständigkeit der Impfzentren mit dem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort der anspruchsberechtigten Personen zu verknüpfen. Die Zuordnung zu den einzelnen Impfzentren dient der geordneten und gleichmäßigen Verteilung des Impfstoffes zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten sowie der effektiven Nutzung der nur begrenzt verfügbaren Impfkapazitäten. Für anspruchsberechtigte Personen mit eingeschränkter Mobilität sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 CoronaImpfV mobile Impfteams vorgesehen, die den Impfzentren angegliedert sind und Impfungen dieser Personengruppe ermöglichen sollen. Der Antragsteller hat insbesondere nicht dargelegt, dass ihm das Aufsuchen des zuständigen Impfzentrums wegen eingeschränkter Mobilität nicht möglich wäre.
3. Nach alldem war der Antrag mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl. Sonderbeilage Januar 2014). Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs wurde der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert.


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