Familienrecht

Ablehnung einer Adoption im Kosovo

Aktenzeichen  7 UF 78/20

Datum:
30.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12615
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AdWirkG § 2, § 5 Abs. 3, Abs. 4
EGBGB Art. 21
FamFG § 58, § 159
BGB § 1741

 

Leitsatz

1. Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die Bestellung eines Verfahrensbeistandes im Anerkennungsverfahren. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von zentraler Bedeutung für die Prüfung ausländischer Adoptionsentscheidungen am Maßstab des deutschen ordre public ist im Hinblick auf § 1741 BGB die Ausrichtung der ausländischen Adoptionsentscheidung am Wohl des angenommenen Kindes. Diese Prüfung hat sich nach deutschem Rechtsverständnis insbesondere auf das Bestehen eines Adoptionsbedürfnisses, die Eignung der Adoptiveltern und das Bestehen bzw. die begründete Erwartung eines dauerhaften Eltern-Kind-Verhältnisses zu erstrecken.  (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. An einer ausreichenden Kindeswohlprüfung fehlt es auch dann, wenn das ausländische Gericht den internationalen Charakter der Adoption nicht erkannt hat oder jedenfalls die Auswirkungen eines Umzugs des Kindes in den Aufnahmestaat im Rahmen der Kindeswohlprüfung nicht berücksichtigt hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

122 F 1347/17 2018-12-11 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Abteilung für Familiensachen – vom 11.12.2018, Az. 122 F 1347/17 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 1) tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Abteilung für Familiensachen, in dem die Anerkennung einer in der Republik Kosovo durchgeführten Adoption ablehnt wurde.
Das Amtsgericht Peja, Republik Kosovo, hat mit Bescheid vom 29.11.2016, Az. …, die Adoption des minderjährigen Madchens kosovarischer Staatsangehörigkeit F… M…, geb. …, durch die Adoptiveltern – die Beteiligten 1) und 3) – erlaubt. Die Beteiligten 1) und 3) sind seit dem 23.12.2009 verheiratet und haben zwei leibliche Kinder T… und E… im Alter von 8 und 4 Jahren Der Beteiligte zu 1), der neben der kosovarischen Staatsangehörigkeit auch die serbische Staatsangehörigkeit besitzt, ist seit dem 23.08.2008 in N… gemeldet Zusammen mit seiner Frau lebt er seit April 2010 an der im Rubrum angegebenen Adresse in N… Sowohl der Beteiligte zu 1) als auch die Beteiligte zu 3) sind in N… berufstätig und haben ein geregeltes Einkommen. Die leiblichen Eltern des Madchens F… M… sind Herr K… M… und Frau K… M…, geb S…. Der Beteiligte zu 1) und der leibliche Vater des Madchens sind Bruder ….
Mit Antrag vom 16.02.2017 beantragten die Beteiligten zu 1) und zu 3) beim Amtsgericht N… die Annahme des minderjährigen Kindes F… M…, geb am durch die Beteiligten zu 1) und zu 3) aufgrund des Bescheides des Amtsgerichts Peja, Republik Kosovo, vom 29.11.2016, Az. anzuerkennen Weiter beantragten sie festzustellen, dass das Eltern-Kind-Verhaltnis des minderjährigen Kindes zu den bisherigen Eltern erloschen ist und die Annahme der F… M… als Kind der Eheleute B… und A… M… auszusprechen Auf Antrag des Verfahrensbevollmachtigten der Beteiligten zu 1) und zu 3) wurde das Verfahren am 21.03.2017 an das Amtsgericht Nürnberg abgegeben, wo es unter dem Aktenzeichen 122 F 1347/17 gefuhrt wird Dem Antrag lag bei der Bescheid des Amtsgerichts Peja vom 29.11.2016 (Kopie und beglaubigte Übersetzung), die Heiratsurkunde der Beteiligten 1) und 3) (Kopie und beglaubigte Übersetzung), die Geburtsurkunden der Beteiligten 1), 2) und 3) (Kopie und beglaubigte Übersetzung), die Geburtsurkunden der Kinder T… und E… M…, eine Meldebestatigung und eine Kopie eines Aufenthaltstitels des Beteiligten 1), Kopien der Reisepasse der Beteiligten zu 2) und zu 3), kosovansche Staatsangehorigkeitsnachweise der Beteiligten 1) bis 3) (Kopie und beglaubigte Übersetzung), ein deutsches Führungszeugnis der Beteiligten 1) und 3) sowie eine Bescheinigung aus dem Kosovo, dass die Beteiligten 1) und 3) keine kriminelle Vergangenheit haben (Kopie und beglaubigte Übersetzung) sowie ein ärztliches Attest des Arztes Dr. M… A… aus N… für die Beteiligten 1) und 3) Das Bundesamt für Justiz legte unter dem 05.02.2018 eine Stellungnahme gem. §§ 2, 5 Abs. 3 S. 4 AdWirkG vor, in der es die Anerkennung der kosovanschen Adoptionsentscheidung nicht befürwortet. Dem Gericht im Kosovo sei der internationale Aspekt der Adoption offenbar nicht bekannt gewesen Zudem bestunden Bedenken bezüglich der defizitären Kindeswohlprufung und des nicht erkennbaren Adoptionsbedurfnisses Mit Schreiben vom 04.04.2018 ergänzten die Beteiligten zu 1) und 3) den Sachverhaltsvortrag und legten weiter das Protokoll der Verhandlung vom 29.11.2016 vor dem Gericht in Peja (Kopie und beglaubigte Übersetzung) vor sowie den verfahrenseinleitenden Antrag der Beteiligten 1) und 3) an das Bezirksgericht Peja vom 28.10.2016 (Kopie und beglaubigte Übersetzung), sowie eine Kopie der kosovarischen Geburtsurkunde der Beteiligten zu 2), auf der ihre leiblichen Eltern ausgewiesen sind.
Die Beteiligten zu 1) und 3) wurden durch das Amtsgericht Nürnberg am 18.06.2018 angehört Die ebenfalls geladenen Beteiligte zu 2) ist nicht erschienen, da sich diese immer noch im Kosovo aufhalt und ihr ein Visum noch nicht erteilt wurde. Mit Schreiben vom 08.10.2018 forderte das Amtsgericht beim Jugendamt N… einen Bericht zur Elterneignung und zum Adoptionsbedurfnis des Kindes, da eine Kindeswohlprufung im Adoptionsverfahren nach hiesigem Verständnis allenfalls unzureichend erfolgt sei Die Beteiligten zu 1) und zu 3) reichten am 26.11.2018 ein Schreiben der Direktion für Gesundheit und Soziales, Zentrum für soziale Arbeit – Istog vom 15.10.2018 (Original und beglaubigte Übersetzung) ein, in dem diese ausdrücklich ihre Zustimmung zu der durchgeführten Adoption erteilt. Soweit dies aus der unzureichenden Übersetzung des Dokuments nachvollzogen werden kann, hat die Behörde aufgrund der Erklärungen der Beteiligten 1) und 3) und den von diesen vorgelegten Dokumenten die Lage von F… im Kosovo und deren Beziehung zu ihren Adoptiveltern nochmals dargelegt und bewertet Mit Schreiben vom 16.01.2019 teilte das Landratsamt N… – Kreisjugendamt – mit, dass es eine Überprüfung der Adoptionsbedurftigkeit im Kosovo nicht durchführen könne. Mit Schreiben vom 07.08.2019 zeigte sich für den Beteiligten 1) der aktuelle Verfahrensbevollmachtigte an, nachdem der vorherige Bevollmächtigte der Beteiligten 1) und 3) am 26.03.2019 sein Mandat niedergelegt hatte. In diesem Schriftsatz wird erstmals geschildert, dass es sich bei F… um die Nichte des Beteiligten zu 1) handelt, deren Eltern sich getrennt hatten, als diese 6 Monate alt gewesen sei Bereits zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Beteiligten zu 1) und 3) bereit erklart, sich aus familiärer Verbundenheit um F… zu kummern, da die leiblichen Eltern damals in eine andere Stadt verzogen seien und sich kaum mehr um das Kind gekümmert hatten. Derzeit lebe F… bei dem 71jährigen Vater des Antragstellers und dessen zweiter Ehefrau, die sich nicht dauerhaft um F… kummern konnten. Da das Dorf O…, in dem F… derzeit wohnen wurde, so abseits gelegen sei, sei weder eine medizinische Versorgung noch der Besuch von Kindergarten oder Schule von F… gesichert. Da im Kosovo nach der Adoption die Beteiligten 1) und 3) als Eltern gelten, hatten dort weder die leiblichen Eltern noch der Großvater die elterliche Sorge Die Adoptiveltern hatten sich seit dem 6 Lebensmonat um F… gekümmert, wurden mehrfach wöchentlich Telefonate fuhren und F… zwei bis drei mal im Jahr besuchen. Das Gericht Peja habe diese emotionale Bindung zwischen den Beteiligten berücksichtigt. Dem Schriftsatz lag eine Stellungnahme (Original und beglaubigte Übersetzung) vom 28.01.2019 des Richters bei, der die Adoptionsentscheidung 2016 getroffen hatte. Er stellt darin klar, dass er aufgrund der Ursprungsadresse der Beteiligten 1) und 3) in O…/I… der Adoption gem. Art. 179 Gesetz Nr. 2004/32 über die Familie vom 20.1.2006 zugestimmt habe Auch eine Bestätigung, in der derselbe Richter den Adoptiveltern das Recht zuspricht, mit dem adoptierten Kind aus dem Kosovo nach Deutschland zu reisen, vom 10.05.2019 (Original und beglaubigte Übersetzung) wurde vorgelegt.
Mit Beschluss vom 11.12.2018 wies das Amtsgericht Nürnberg – Abteilung für Familiensachen den Antrag auf Anerkennung der durch Entscheidung des Amtsgerichts Peja – Niederlassung I…, Republik Kosovo vom 29.11.2016 ausgesprochenen Annahme des Kindes F… M…, geb. … am 04.05.2012, durch die Eheleute B… und A… M… zurück. Die Anerkennung der Entscheidung sei gem. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ausgeschlossen, da dies zu einem Ergebnis führe, der mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei Zwar sei eine Kindeswohlprufung im Kosovo unter Einschaltung des Zentrums für Sozialarbeit in I… vorgenommen worden, diese sei mit deutschen Standards aber nicht vereinbar. So setze sich die Entscheidung erkennbar nicht mit dem Umzug des Kindes nach Deutschland auseinander Eine Nachholung der Kindeswohlprufung im Rahmen der Anerkennungsentscheidung sei zwar möglich, konnte durch das Amtsgericht aber nicht erreicht werden.
Gegen diesen, ihm am 16.12.2019 zugestellten Beschluss legte der Beteiligte 1) am 13. Januar 2020 Beschwerde ein. Das Amtsgericht half dieser nicht ab und legte sie dem Oberlandesgericht Nürnberg vor. Der Beteiligte zu 1) begründete seine Beschwerde in seinem Schriftsatz vom 04.05.2020 damit, dass es sich bei der kosovarischen Gerichtsentscheidung um eine rechtswirksame ausländische Adoptionsentscheidung in Sinne des § 1 AdWirkG handele, bei der sämtliche wesentlichen Grundsatze des deutschen Adoptionsrechts eingehalten worden seien und insbesondere eine Kindeswohlprufung stattgefunden habe. Das kosovarische Gericht habe die beiden Antragsteller ausführlich angehört, eine Vertreterin des Zentrums für Soziales sei ebenfalls anwesend gewesen Auch habe dem Gericht eine Stellungnahme des Zentrums für Sozialarbeit vorgelegen, in der sich dieses für eine Adoption ausgesprochen habe Aus dem Antrag zur Adoption vom 28.10.2016 gehe auch hervor, dass die Beteiligten 1) und 3) nach Deutschland ausgewandert seien. Der deutsche Mietvertrag habe dem Gericht vorgelegen Außerdem habe der Richter am 28.01.2019 bestätigt, dass es bekannt gewesen sei, dass es sich um eine Adoption mit Auslandsbezug gehandelt habe. Da das kosovarische Gericht auch das Adoptionsbedurfnis und die Elterneignung ausreichend geprüft habe, habe eine vollständige Kindeswohlprufung bereits im Kosovo stattgefunden Bei F… stoße die Entscheidung des deutschen Gerichts auf völliges Unverständnis. Die durch die Nichtanerkennung der Adoption herbeigeführte Situation sei kindeswohlgefahrdend, da die leiblichen Eltern sich nicht kummern wurden, der Großvater bereits 72 Jahre und die Infrastruktur in dem bewohnten Dorf völlig unzureichend sei. Das Bundesamt für Justiz erklarte auch in seiner Stellungnahme im Beschwerdeverfahren vom 21.02.2020, dass erhebliche Zweifel an der angemessenen Auseinandersetzung des kosovarischen Gerichts mit dem Vorliegen einer Auslandsadoption und dem Adoptionsbedurfnis bestunden Aus der Entscheidung des Gerichts gehe nicht hervor, aufgrund welcher Erkenntnisse das Gericht zu der Überzeugung gelangt sei, dass die Adoption dem Kindeswohl diene Allein die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation vermöge eine Adoption nicht zu rechtfertigen.
II.
Auf das vorliegende Verfahren ist das Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz – AdWirkG) anzuwenden, da Gegenstand des Verfahrens die Anerkennung einer auf einer ausländischen Entscheidung beruhenden Annahme als Kind ist.
Gemäß § 5 Abs. 4 S. 2, Abs. 3 S. 1 AdWirkG, §§ 58 ff FamFG ist gegen erstinstanzliche Entscheidungen über die Ablehnung der Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben Die von dem Beteiligten zu 1) gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 11.12.2019 eingelegte Beschwerde ist somit statthaft Sie ist auch im Übrigen zulassig, da die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist und der Beteiligte 1) beschwerdeberechtigt ist (§ 5 Abs. 4 S. 2 AdWirkG, § 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG, § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 AdWirkG, § 63 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 65 Abs. 1 FamFG).
Das Kind F…, das Beteiligter des Anerkennungsverfahren ist (§ 5 Abs. 3 S. 1 AdWirkG, § 7 Abs. 2 FamFG), ist durch die Beteiligten 1) und 3) im Anerkennungsverfahren hinreichend vertreten (OLG Dusseldorf, FamRZ 2012, 1229, Weitzel, AdWirkG 2 Aufl., § 5, Rn. 5). Die Adoption von F… ist, wie insbesondere der Bestätigung des Richters vom 28.01.2019 entnommen werden kann, im Kosovo wirksam. Das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern unterliegt dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewohnlichen Aufenthalt hat (Art. 21 EGBGB), im vorliegenden Fall also dem kosovarischen Recht Gemäß Art. 167 Kosovarisches Familiengesetz Nr. 2004/32 haben die Annehmenden dieselben Rechte und Pflichten, wie sie zwischen Eltern und Kindern bestehen, also auch das Vertretungsrecht nach Art. 133 Kosovarisches Familiengesetz Nr. 2004/32.
Die Bestellung eines Verfahrensbeistandes für das Kind kommt nicht in Betracht bzw ist nicht erforderlich § 5 Abs. 3 S. 1 AdWirkG unterstellt das Anerkennungsverfahren dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Nach diesem Gesetz kommt die Bestellung eines Verfahrensbeistandes in Kindschaftssachen (§ 158 FamFG), Abstammungssachen (§ 174 FamFG), Unterhaltssachen (§ 234 FamFG) und Adoptionssachen (§ 191 FamFG) in Betracht. Da das vorliegende Verfahren keine Unterhaltssache und keine Abstammungssache ist und nach Ansicht des Senats mangels Nennung in § 186 FamFG auch nicht zu den Adoptionssachen zahlt, und § 5 Abs. 3 S. 2 AdWirkG nur § 159 FamFG und § 160 FamFG für anwendbar erklart, nicht aber § 158 FamFG, fehlt es bereits an einer Rechtsgrundlage für die Bestellung eines Verfahrensbeistandes Darüber hinaus liegen jedoch auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das Kind im vorliegenden Fall nicht hinreichend durch die Beteiligten 1) und 3) vertreten ist und es zur Wahrnehmung ihrer Interessen erforderlich ist, einen Verfahrensbeistand zu bestellen (§ 158 FamFG).
III.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg, da die erstinstanzliche Entscheidung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden ist.
1. Wie das Amtsgericht und das Bundesamt für Justiz dargelegt haben, richtet sich die Anerkennungsfahigkeit der Adoptionsentscheidung des Amtsgerichts Peja, Republik Kosovo, mit Bescheid vom 29.11.2016, Az. …, nicht nach dem Haager Übereinkommen vom 29.05.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (abgekürzt HAU), da die Republik Kosovo kein Vertragsstaat des HAU ist, sondern nach §§ 108, 109 FamFG.
2. Die Entscheidung vom 29.11.2016 kann nicht gemäß §§ 108, 109 FamFG anerkannt werden, da dieser das Anerkennungshindernis des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG entgegensteht.
Nach standiger Rechtsprechung des BGH ist zwar § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG im Interesse eines internationalen Entscheidungseinklangs restriktiv auszulegen (BGH, FamRZ 2015, 240 Rn 29), so dass die Versagung der Anerkennung wegen Verstoßes gegen den ordre public auf Ausnahmefalle beschrankt bleibt Ein solcher ist vorliegend jedoch gegeben.
a) Von zentraler Bedeutung für die Prüfung ausländischer Adoptionsentscheidungen am Maßstab des deutschen ordre public ist im Hinblick auf § 1741 BGB die Ausrichtung der ausländischen Adoptionsentscheidung am Wohl des angenommenen Kindes (BGH FamRZ 15, 1479). Diese Prüfung hat sich nach deutschem Rechtsverstandnis insbesondere auf das Bestehen eines Adoptionsbedurfnisses, die Eignung der Adoptiveltern und das Bestehen bzw. die begründete Erwartung eines dauerhaften Eltern-Kind-Verhaltnisses zu erstrecken (BGH FamRZ 89, 378/381) Auf keinen dieser Aspekte geht die kosovansche Adoptionsentscheidung in angemessener Weise ein.
So wird weder aus der Entscheidung selbst, noch aus dem vorgelegten Protokoll deutlich, woraus sich das Adoptionsbedurfnis des Kindes F… M… ergibt Lediglich im Adoptionsantrag vom 28.1.2016 findet sich die Angabe, dass die biologischen Eltern der Minderjährigen „nicht die besten Möglichkeiten für eine gute Erziehung und Bildung“ hatten. Die im Anerkennungsverfahren dargelegten Grunde – nämlich die Trennung der biologischen Eltern als F… erst sechs Monate alt war und das Aufwachsen in einem entlegenen Dorf bei ihrem über 70jahrigen Großvater -, die tatsächlich ein nachvollziehbares Adoptionsbedurfnis begründen konnten, wurden nach den Unterlagen im damaligen Verfahren weder durch die Sozialbehorde noch durch das Gericht verifiziert und gewichtet Vielmehr geht aus der Stellungnahme der Sozialarbeiterin in der Sitzung hervor, dass diese ein Adoptionsbedurfnis auch nicht gesehen hat, da sie primär der Meinung war, dass das Kind besser bei seinen leiblichen Eltern leben solle Auch die familiären Zusammenhange – vorliegend soll die Nichte durch Onkel und Tante adoptiert werden – ergeben sich aus den prozessualen Unterlagen des Verfahrens im Kosovo nicht. So setzte sich das Gericht erkennbar nicht damit auseinander, welche Folgen die Aufnahme einer Cousine für diese haben kann, wenn in der aufnehmenden Familie eine fast gleich alte leibliche Tochter vorhanden ist, und ob die Adoption eventuell zu familiären Spannungen fuhrt. In diesem Zusammenhang ergeben sich bei der Überprüfung der vorgelegten Dokumente auch Zweifel daran, ob der leibliche Vater der Adoption überhaupt wirksam zugestimmt hat (Art. 169, 172 Kosovarisches Familiengesetz Nr. 2004/32) Aus dem Protokoll vom 29.11.2016 ergibt sich dies jedenfalls nicht eindeutig. Dort war er offenbar nicht persönlich anwesend, sondern lediglich durch eine Generalvollmacht durch Herrn Z… M… vertreten Auch die Ausübung des Zustimmungsrechts der leiblichen Eltern ist ein wesentlicher Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts, dessen Missachtung einen Verstoß gegen den ordre public begründen kann (Keidel, FamFG, 20 Auflage 2020, § 109 Rn 23, beck-online).
b) An einer ausreichenden Kindeswohlprufung fehlt es ferner auch dann, wenn das ausländische Gericht den internationalen Charakter der Adoption nicht erkannt hat (OLG Celle FamRZ 14, 1134) oder jedenfalls die Auswirkungen eines Umzugs des Kindes in den Aufnahmestaat im Rahmen der Kindeswohlprufung nicht berücksichtigt hat (OLG Nürnberg FamRZ 15, 1640/1641, Hausmann, Internationales und Europaisches Familienrecht, 2 Auflage 2018, Rn 131, beck-online). Zwar ist zutreffend, dass sich der Richter laut vorgelegtem Protokoll vom 29.11.2016 protokollarisch festgestellt hat, dass die Adoptiveltern in Deutschland leben und arbeiten Welche Auswirkungen diese Tatsache allerdings auf das Kindeswohl von F… hat, ob diese einen Umzug in ein anderes Land mit einer anderen Sprache und einer anderen Kultur ohne weiteres verkraften wurde, wird weder seitens des Gerichts noch seitens der Sozialbehorde erörtert. Der Senat teilt daher die Auffassung des Bundesamtes für Justiz, dass sich der erkennende Richter im Kosovo nicht ausreichend mit dem zu erwartenden Lebensmittelpunkt des Kindes auseinandergesetzt hat.
c) Maßgebend für die Feststellung eines ordre public-Verstoßes ist nicht der Zeitpunkt, zu dem im Ausland über die Adoption entschieden worden ist, sondern der Zeitpunkt, zu dem im Inland über die Anerkennung entschieden wird (BGH FamRZ 89, 378/381) Daher sind sämtliche eingereichten Dokumente der Beteiligten zu würdigen Aber auch die nachgereichte Zustimmung der Direktion für Gesundheit und Soziales vom 15.10.2018 vermochte jedoch die Zweifel an der Kindeswohlorientierung der Adoptionsentscheidung nicht auszuräumen Offenbar stutzt diese Institution ihre Erkenntnisse auf die Erklärungen der Beteiligten 1) und 3) Zweifelhaft ist, ob bezüglich des Lebensumfeldes von F… und deren Entwicklung überhaupt eigene Untersuchungen angestellt wurden Ähnlich verhalt es sich mit den gerichtlichen Dokumenten vom 28.01.2019 und 10.05.2019. Der Inhalt dieser Dokumente lasst nicht darauf schließen, dass der Richter sich im Nachgang zu seiner Adoptionsentscheidung eingehend mit der Prüfung des Kindeswohls von F… auseinandergesetzt hat Auch der seitens des Amtsgerichts initiierte Versuch, eine umfassende Kindeswohlprufung durch das Kreisjugendamt N… im Anerkennungsverfahren nachzuholen, war nicht erfolgreich Weitere Erkenntnisquellen stehen auch dem Senat nicht zur Verfugung.
Da der Adoptionsentscheidung vom 29.11.2016 nur eine unzureichende, lückenhafte, wesentliche Teile der Auslandsadoption nicht beachtende Kindeswohlprufung zugrunde liegt, ist von einem Verstoß gegen den deutschen ordre public auszugehen.
2. § 5 Abs. 3 S. 2 AdWirkG bestimmt, dass § 159 FamFG entsprechend anzuwenden ist § 159 Abs. 2 FamFG besagt, dass auch ein Kind, das das 14 Lebensjahr noch nicht vollendet hat, personlich anzuhören ist, wenn Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind Auch wenn danach eine Anhörung des Kindes grundsatzlich angezeigt wäre, sieht der Senat von einer persönlichen Anhörung ab Sie Versagung der Anerkennung beruht letztlich auf rechtlichen Erwägungen zu Mangeln des in der Republik Kosovo durchgeführten Adoptionsverfahrens Diese hatten durch einen persönlichen Eindruck des Kindes nicht ausgeräumt werden können (OLG Celle, FamRZ 2012, 1226). Aus dem gleichen Grund ist auch eine persönliche Anhörung der Annehmenden nicht erforderlich (§ 5 Abs. 3 S. 2 AdWirkG, § 160 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 bis 4 FamFG) Diese hatten hinreichend Gelegenheit selbst oder über Verfahrensbevollmachtigte schriftlich Stellung zu nehmen.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 5 Abs. 3 S. 1 AdWirkG, § 84 FamFG und die über den Verfahrenswert auf § 40 Abs. 1 S. 1, § 42 Abs. 2, Abs. 3 FamGKG.
Die Rechtsbeschwerde gegen die vorliegende Entscheidung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind Gegen die vorliegende Entscheidung ist somit ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)
Übergabe an die Geschäftsstelle am 31.03.2020


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