Familienrecht

Anhörungsrüge im Eilverfahren gegen Bayerische Coronaschutzverordnung

Aktenzeichen  20 NE 20.1360

Datum:
15.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12886
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 6

 

Leitsatz

1. Die Anhörungsrüge ist ungeachtet § 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren statthaft (Anschluss an BVerfG BeckRS 2017, 130730 u.a.). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der Beanstandung, das Gericht habe sich die von einem Beteiligten vertretene Auffassung zum (Nicht-)Vorliegen einer wissenschaftlich begründbaren Rechtfertigung für einen „Lockdown“ einschließlich der konkret angegriffenen Regelungen nicht zu Eigen gemacht, wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge.

Gründe

Die Anhörungsrüge, mit der die Antragstellerin die Fortführung des Verfahrens über ihren mit Beschluss vom 26. Mai 2020 (Az. 20 NE 20.1069) abgelehnten Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO auf einstweilige Außervollzugsetzung mehrerer Bestimmungen der „Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“ (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 begehrt, bleibt ohne Erfolg. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO).
1. Die Anhörungsrüge ist ungeachtet § 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren statthaft (vgl. BVerfG, B.v. 26.6.2017 – 2 BvR 1353/17 – juris Rn. 1; B.v. 27.9.2017 – 1 BvR 1979/17 – juris Rn. 2 zu § 321a ZPO; vgl. auch Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 152a Rn. 9). Dies gilt auch für das Eilrechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO.
2. Die Anhörungsrüge erweist sich aber als unbegründet.
a) Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) verpflichtet das Gericht, seine Entscheidung nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse zu stützen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), sowie ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. BayVerfGH, E.v. 25.8.2016 – Vf. 2-VI-15 – juris Rn. 34 f.; BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238 – juris Rn. 45).
Bei der Anhörungsrüge handelt es sich um ein formelles Recht, das dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerfG, B.v. 10.2.2020 – 2 BvR 336/19 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 15.8.2019 – 5 B 11.19 u.a. – juris Rn. 1).
Das Gericht ist ebenso wenig verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Zulassungsvorbringens in den Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Besondere Umstände in diesem Sinne liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist (BVerfG, B.v. 31.1.2020 – 2 BvR 2592/18 – juris Rn. 11; B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 = juris Rn. 39; BVerwG, B.v. 28.3.2014 – 1 WB 10.14 u.a. – juris Rn. 11).
b) Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat die Antragstellerin nicht dargelegt, inwiefern der ablehnende Eilbeschluss vom 26. Mai 2020 ihr rechtliches Gehör verletzt hat (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO).
Die Anhörungsrüge beanstandet im Wesentlichen, dass sich der Senat die von ihr vertretene Auffassung zum (Nicht-)Vorliegen einer wissenschaftlich begründbaren Rechtfertigung für einen „Lockdown“ einschließlich der konkret angegriffenen Regelungen nicht zu Eigen gemacht hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wird damit nicht dargelegt. Der Senat hat sich mit diesem Vortrag insbesondere in Rn. 31 f. seines Beschlusses vom 26. Mai 2020 auseinandergesetzt. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. oben Rn. 5).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht; nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anl. zu § 3 Abs. 2 GKG) fällt eine streitwertunabhängige Festgebühr an.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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