Familienrecht

Beschwerde gegen Ablehnung eines Antrags auf Beiladung

Aktenzeichen  5 C 18.2513

Datum:
8.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 496
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 65 Abs. 1
NamÄndG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Zu den bei einer öffentlich-rechtlichen Änderung des Familiennamens von Kindern zu berücksichtigenden Belangen gehört auch das aus Art. 6 Abs. 2 GG fließende Interesse des nicht sorgeberechtigten Elternteils an der Beibehaltung der namensmäßigen Übereinstimmung und damit der persönlichen Bindung mit dem leiblichen Kind. Dies rechtfertigt es, den Elternteil auf Antrag zum gerichtlichen Verfahren beizuladen. (Rn. 5)

Verfahrensgang

RO 3 K 17.1133 2018-10-30 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. Oktober 2018 wird die Beiladungsbewerberin gemäß § 65 Abs. 1 VwGO zum Verfahren beigeladen, weil ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden.
II. Für das Beschwerdeverfahren wird der Beiladungsbewerberin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten gewährt.

Gründe

I.
Die Beiladungsbewerberin begehrt die Beiladung zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren RO 3 K 17.1133. Sie ist die leibliche Mutter der beiden 16-jährigen Kläger, die eine Änderung ihres Familiennamens von ihrem Geburtsnamen S., dem Familiennamen der Beiladungsbewerberin, in den Namen L., den Familiennamen ihrer Pflegeeltern und Vormünder, begehren. Nach Ablehnung ihrer Anträge auf Namensänderung haben die Kläger Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht Regensburg auf Namensänderung erhoben. Den Antrag der Beiladungsbewerberin auf Beiladung zum Verfahren lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Oktober 2018 ab. Eine Beiladung sei nicht veranlasst, weil sich die Beiladungsbewerberin auf kein eigenes namensrechtliches Interesse am Fortbestand des Kindesnamens berufen könne. Hiergegen hat die Beiladungsbewerberin am 22. November 2018 Beschwerde erhoben und die Bewilligung von „Verfahrenskostenhilfe“ beantragt. Sie trägt vor, sie habe sich zu keiner Zeit ihrer Elternverantwortung entzogen. Der Beklagte befürwortet die Beiladung; die Klägerseite hat sich nicht zum Beiladungsantrag geäußert.
II.
1. Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiladung hat in der Sache Erfolg.
a) Nach § 65 Abs. 1 VwGO kann das Gericht einen Dritten zum Verfahren beiladen, wenn dessen rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden (sog. einfache Beiladung). Dies ist der Fall, wenn der Dritte in einer solchen Beziehung zu einem der Hauptbeteiligten des Verfahrens oder zu dem Streitgegenstand steht, dass das Unterliegen eines der Hauptbeteiligten seine Rechtsposition verbessern oder verschlechtern könnte, wenn also eine in der Sache ergehende Entscheidung für ihn zwar keine Rechtswirkungen (§ 121 Nr. 1 VwGO) hätte, sich aber auf seine Rechtsstellung jedenfalls faktisch auswirken würde (vgl. OVG NW, B.v. 4.2.2013 – 10 E 1265/12 – NVwZ-RR 2013, 295). Das Gericht entscheidet über die Beiladung nach pflichtgemäßem Ermessen. Wird ein Beiladungsantrag abgelehnt, übt das Beschwerdegericht eigenes Ermessen aus, ohne auf die Nachprüfung der Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts beschränkt zu sein (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2015 – 15 C 15.1263 – juris Rn. 9; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 65 Rn. 29).
b) Hieran gemessen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO vor; die Beiladung ist nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs auch ermessensgerecht.
aa) Gegenstand des beim Verwaltungsgericht anhängigen Rechtsstreits ist eine Änderung des Familiennamens von Kindern aus familiären Gründen. Nach § 3 Abs. 1 NamÄndG setzt die Änderung eines Familiennamens das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Über das Namensänderungsbegehren ist unter Abwägung aller von der Namensführung berührten privaten und öffentlichen Belange zu entscheiden, wobei dem Kindeswohl entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 24.4.1987 – 7 C 120.86 – NJW 1988, 85 = juris Rn. 10). Zu den berührten Belangen gehört (potentiell) auch das aus Art. 6 Abs. 2 GG fließende Interesse nicht sorgeberechtigter Eltern bzw. Elternteile an der Beibehaltung der namensmäßigen Übereinstimmung und damit der persönlichen Bindung mit dem leiblichen Kind. Bei Pflegekindern kommt es maßgeblich auf die Förderlichkeit der Namensänderung für das Kindeswohl an (vgl. Nr. 42 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen NamÄndVwV vom 11.8.1980, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 11.2.2014). Dementsprechend sind in Namensänderungsverfahren minderjähriger Kinder deren Eltern, auch wenn sie nicht selbst an der Änderung des Familiennamens teilnehmen oder als gesetzliche Vertreter tätig werden, regelmäßig am Verfahren zu beteiligen (vgl. Nr. 10 NamÄndVwV). Die Beiladungsbewerberin als leibliche Mutter der Kläger kann daher, auch wenn sie nicht sorge- oder umgangsberechtigt ist, ein rechtliches Interesse an der Aufrechterhaltung des „namensrechtlichen Bandes“ zu ihren Kindern haben.
b) Der Senat übt sein Ermessen dahingehend aus, die Beiladungsbewerberin zum Verfahren beizuladen. Zwar kann sich nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die das erstinstanzliche Gericht Bezug nimmt, die nichtsorgeberechtigte Mutter, die ihrer Elternverantwortung nicht gerecht wird oder sich ihrer Elternverantwortung entzieht, auf ein eigenes namensrechtliches Interesse am Fortbestand des Kindesnamens nicht berufen (BVerwG, U.v. 24.4.1987 – 7 C 120.86 – NJW 1988, 85 = juris Rn. 13). Aus dem Entzug des Sorgerechts lässt sich jedoch ein – von der Beiladungsbewerberin hier unter Vorlage entsprechender Unterlagen bestrittenes – Desinteresse am Kindeswohl nicht ohne weiteres ableiten. Ob und welche schutzwürdigen Belange im Einzelfall eines an der Verfahrensbeteiligung interessierten Elternteils vorliegen, kann erst nach einer Gesamtwürdigung der Umstände beurteilt werden, deren Klärung erst im gerichtlichen Namensänderungsverfahren und nicht schon – gleichsam antizipiert – bei der vorgelagerten Frage der Beiladung erfolgen kann. Es ist gerade Sinn und Zweck der durch die Beiladung eröffneten Äußerungsmöglichkeit im gerichtlichen Verfahren, eine Beurteilung des Verhältnisses zwischen Kindern und Kindesmutter zu ermöglichen.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiladung Erfolg hat und die Beschwerdeentscheidung nur eine unselbständige Zwischenentscheidung in dem erstinstanzlich anhängigen Rechtsstreit darstellt (vgl. OVG NW, B.v. 4.2.2013 – 10 E 1265/12 – NVwZ-RR 2013, 295 m.w.N.).
3. Für das Beschwerdeverfahren ist der Beiladungsbewerberin antragsgemäß Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu gewähren. Der Senat legt den Antrag auf „Verfahrenskostenhilfe“ (vgl. Schriftsatz vom 22.11.2018, S. 2 und vom 29.11.2018, S. 5) als Prozesskostenhilfeantrag für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Beiladung aus. Dass der Beigeladene als Beteiligter eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 63 Nr. 3 VwGO) Prozesskostenhilfe erhalten kann, ist allgemein anerkannt (vgl. nur Orth in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 166 Rn. 7 m.w.N.). Dies muss auch für das Beschwerdeverfahren gegen die erstinstanzliche Ablehnung einer Beiladung gelten. Bei der Beiladungsbewerberin sind aus den oben dargelegten Gründen die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs gegeben; ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt. Sollte sich der Antrag (auch) auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe im erstinstanzlichen Verfahren beziehen, weist der Senat zur Klarstellung darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über das dortige Prozesskostenhilfegesuch bislang nicht vorliegt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 65 Abs. 4 Satz 3, § 152 Abs. 1 VwGO).


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