Familienrecht

Beschwerde, Vergleich, FamFG, Ablehnung, Vollstreckungstitel, Genehmigungsverfahren, Genehmigung, Befristung, Vollstreckbarkeit, Gewaltschutz, Antragsgegner, Verfahren, Voraussetzungen, Statthaftigkeit, von Amts wegen, einstweiligen Rechtsschutz, einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  11 UF 148/22

Datum:
15.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5385
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 58
FamFG § 214a

 

Leitsatz

Die Ablehnung der Bestätigung eines Vergleichs in einer Gewaltschutzsache nach § 214a FamFG ist nicht anfechtbar.

Verfahrensgang

114 F 3894/21 2021-12-23 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.12.2021 wird verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Versagung der Bestätigung eines Vergleichs in einer Gewaltschutzsache.
Mit der am 08.12.2021 eingegangenen Antragsschrift vom 07.12.2021 hat die Antragstellerin Gewaltschutz im einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2021 haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
1. Der Antragsgegner verpflichtet sich, das Anwesen J^, N^, nicht mehr zu betreten und sich nicht mehr im Umkreis von 60 m um das Anwesen aufzuhalten.
2. Der Antragsgegner verpflichtet sich, nicht mehr mit der Antragstellerin in irgendeiner Form, sei es durch ihn selbst oder durch Dritte, Kontakt aufzunehmen auch unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln, insbesondere sie anzusprechen, anzurufen, SMS oder E-Mail zu senden oder über soziale Medien.
3. Der Antragsgegner verpflichtet sich, keine Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen, indem er sich ihr nicht mehr bis auf 30 m nähert und sich bei zufälligen Zusammentreffen unmittelbar zu entfernen.
4. Der Antragsgegner verpflichtet sich, bereits zur Vermeidung eines Zusammentreffens, sich zu entfernen, wenn er die Antragstellerin erblickt.
Die Entscheidung über die Bestätigung des Vergleichs sollte im Bürowege ergehen.
Mit Beschluss vom 23.12.2021 hat das Amtsgericht den Vergleich vom 21.12.2021 nicht gerichtlich bestätigt, über die Kosten entschieden sowie den Verfahrenswert auf 1.000 € und den überschießenden Vergleichswert auf 2.000 € festgesetzt. Zur Versagung der Genehmigung hat das Amtsgericht darauf verwiesen, dass die Bestätigung allein darüber entscheide, ob strafrechtliche Folgen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GewSchG erwüchsen. Diese Prüfung habe von Amts wegen zu erfolgen. Auf die Wirksamkeit des Vergleichs sowie für die Frage der Verhängung von Ordnungsmitteln durch das Gericht bei Zuwiderhandlungen habe die Bestätigung hingegen keinen Einfluss. Die Billigung sei zu versagen, da die vergleichsweise Regelung nicht befristet sei. Die vorgesehene Befristung sei zwar nur eine Sollvorschrift, andererseits könne von ihr aber nur bei schwersten Rechtsgutsverletzungen abgesehen werden. Solche Verletzungshandlungen lägen diesem Verfahren aber nicht zugrunde. Nach der Rechtsbehelfsbelehrungdes Amtsgerichts findet gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der Beschwerde statt, welche binnen einer Frist von einem Monat beim Amtsgericht einzulegen sei.
Gegen diesen ihr am 07.01.2022 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 04.02.2022 eingegangenen Beschwerde. Sie moniert, angesichts der Vorfälle in der Vergangenheit sei es erforderlich, dass gegebenenfalls auch strafrechtliche Sanktionen aus dem Vergleich folgten. Die Bestätigung sei von Amts wegen zu erteilen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 214a FamFG vorlägen. Dies sei der Fall, wenn das Gericht eine dem Vergleich inhaltlich entsprechende Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG hätte erlassen können. Bei § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG handele es sich um eine Sollvorschrift, die auch unbefristete Maßnahmen zulasse. Gerade für derartige Vereinbarungen habe der Gesetzgeber die Strafbewehrung des § 4 GewSchG erweitert und damit eine Lücke im effektiven Opferschutz geschlossen (BT-Drs. 18/9946 Seite 15 f.).
Der Senat hat auf die fragliche Statthaftigkeit der Beschwerde hingewiesen.
II.
Unabhängig von der Frage ihrer Verfristung ist die nach §§ 58 ff. eingelegte Beschwerde schon nicht statthaft und damit unzulässig.
Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 3 FamFG ohne mündliche Verhandlung. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich insoweit zu äußern. Einwendungen wurden hiergegen nicht erhoben.
Entgegen der Rechtsbehelfsbelehrungdes Amtsgerichts ist die vorliegende, eine Bestätigung des Vergleichs im Gewaltschutzverfahren ablehnende Entscheidung, nicht anfechtbar. Vielmehr liegt schon kein anfechtbarer Beschluss vor. Allein die Form des Beschlusses führt nicht auch zu seiner Anfechtbarkeit (OLG Düsseldorf FamRZ 2018, 49), auch wenn die Entscheidung vorliegend mit der – im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach streitloser Erledigung allerdings ebenfalls nicht anfechtbaren (OLG Koblenz FamRZ 2018, 1766; OLG Nürnberg FF 2016, 42; Dürbeck, in Prütting/Helms, FamFG, 4 Aufl., § 57 Rn. 22) – Kostenentscheidung verbunden wurde.
Nach § 58 Abs. 1 FamFG findet die Beschwerde gegen „Endentscheidungen“ statt. Dies ist gemäß der Legaldefinition in § 38 FamFG die Entscheidung, die über den Verfahrensgegenstand in der Instanz ganz oder teilweise abschließend entscheidet. Zwischen- und Nebenentscheidungen sind dagegen grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar.
Um eine solche über den Verfahrensgegenstand abschließende Entscheidung handelt es sich bei der Bestätigung nach § 214a FamFG nicht.
Nach der Begründung des dem § 214a FamFG zugrundeliegenden Regierungsentwurfs (BT-Drs. 18/9946 S. 16) bedarf es vielmehr keiner förmlichen, die Bestätigung des Vergleichs ablehnenden Entscheidung. Daher sei mit § 214a Satz 2 FamFG gesetzlich vorgesehen, dass nur die gerichtliche Bestätigung nicht anfechtbar ist. Mit dieser Neuregelung im Gewaltschutzverfahren solle – auch terminologisch – nicht an den in § 156 Abs. 2 FamFG geregelten gerichtlich gebilligten Vergleich in Kindschaftssachen angeknüpft werden. Denn die gerichtliche Billigung eines solchen Vergleichs sei die Voraussetzung für seine Vollstreckbarkeit. Hingegen solle der Vergleich in einer Gewaltschutzsache auch weiterhin ohne gerichtliche Bestätigung Vollstreckungstitel nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG bleiben. Die Bestätigung des Vergleichs in einer Gewaltschutzsache solle aber notwendige Voraussetzung für die Strafbewehrung eines Verstoßes gegen eine in dem Vergleich übernommene Verpflichtung sein. Noch deutlicher wird diese Auffassung in der Gegenäußerung der Bundesregierung zu einem Vorschlag des Bundesrats, in der ausgeführt wird (BT-Drs. 18/9946 S. 19), eine Teilniederlage des Opfers bei Nichterteilung der Bestätigung sei nicht zu erkennen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sehe bei Fehlen der Voraussetzungen für eine familiengerichtliche Bestätigung des Vergleichs keine förmliche, die Bestätigung des Vergleichs ablehnende Entscheidung vor. Auch im Rechtsausschussbericht des Bundestages (BT-Drs. 18/10654 S. 5) wird zwar auf die Frage der Befristung eingegangen, die Funktion der Bestätigung aber nicht in Frage gestellt.
Rechtsprechung und Literatur folgen der zitierten Begründung einhellig in der Auffassung, dass abweichend von der Regelung in Kindschaftssachen in Gewaltschutzsachen der Vergleich – unabhängig von seiner Bestätigung – selbst Vollstreckungstitel ist (OLG Hamburg FamRZ 2019, 1449). Die den Verfahrensgegenstand abschließende Regelung stellt deshalb der Vergleich dar.
Die vom Gesetzgeber in § 214a FamFG vorgesehene Entscheidung wäre deshalb nur dann eine anfechtbare Endentscheidung, wenn mit ihr ein eigenständiges, dem Gewaltschutzverfahren nachfolgendes Genehmigungsverfahren abgeschlossen würde. Für die Annahme eines solchen Verfahrens fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber ist vielmehr davon ausgegangen, dass bei der Entscheidung über die Genehmigung das Gericht nicht gehalten ist, weitere Ermittlungen zur Bestätigung des Vergleichs anzustellen. Die Bestätigung ergehe nur auf der Grundlage des Sach- und Streitstands zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (BT-Drs. 18/9946 S. 15). Es handelt sich deshalb um kein eigenständiges Verfahren, sondern vielmehr um eine dem eigentlichen Verfahren nachfolgende rechtsfürsorgende (BT-Drs. 18/10654 S. 5), allein die Strafbarkeit eines eventuellen Verstoßes begründende Nebenentscheidung, die als solche nicht anfechtbar ist (OLG Schleswig FamRZ 2020, 1835 juris Rn. 45) und keiner besonderen Form bedarf (BT-Drs. 18/9946 S. 16 vgl. oben; Cirullies, in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl., § 214a Rn. 12; Dürbeck, in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 6. Aufl., § 214a FamFG Rn. 6; Neumann, in: Prütting/Helms. FamFG, 5. Aufl., § 214a Rn. 7; Schwamb, in: Bumiller/Harders, FamFG, 12. Aufl., § 214a Rn. 2). Nur diese Auffassung wird zudem der Intention des Gesetzgebers gerecht, dass die Versagung der Bestätigung nicht zu einer Teilniederlage des Opfers werden soll (vgl. oben BT-Drs. 18/9946 S. 19).
Soweit einzelne Autoren in der Literatur gleichwohl von einer Anfechtbarkeit ausgehen, weil sich die fehlende Notwendigkeit einer förmlichen Entscheidung nicht hinreichend deutlich aus dem Gesetz ergebe (so Giers, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 214a Rn. 10; im Ergebnis ebenso Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl., § 214a Rn. 5), wird dabei übersehen, dass sich die Statthaftigkeit einer Beschwerde aus dem Gesetz ergeben muss und nicht ihr Fehlen. Auch die Feststellung einer Beschwer (Lorenz, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 214a FamFG Rn. 9) rechtfertigt für sich die Annahme einer Beschwerdemöglichkeit nicht.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG, weil das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.
Den Verfahrenswert hat der Senat ermäßigt nach § 49 Abs. 2 FamGKG.
Verfahrensgegenständlich ist nur ein Teilbereich des Gewaltschutzes, nämlich die Strafbewehrung eines im Verfahren der einstweiligen Anordnung geschlossenen, eine Hauptsacheregelung ersetzenden Vergleiches, sodass der Wert von sonst 2.000 € mit 1.000 € ausreichend bemessen ist.
Eine Rechtsbeschwerde findet gemäß § 70 Abs. 4 FamFG im Verfahren über die Anordnung einer einstweiligen Anordnung nicht statt. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Beteiligten in diesem Verfahren auf eine dauerhafte Regelung geeinigt haben und deren Bestätigung streitig ist.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 15.03.2022.


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