Familienrecht

Einkommensanrechnung des Ehegatten des VKH-Antragstellers im VKH-Überprüfungsverfahren

Aktenzeichen  2 WF 140/17

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
JurBüro – 2017, 374
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGZPO EGZPO § 40 Satz 1
FamFG FamFG §§ 113 Abs. 1
SGB XII SGB XII § 82 Abs. 2
DVO § 3 Abs. 6
ZPO ZPO § 115 Abs.  1 S. 3 u. Abs. 3
BGB BGB § 1360, § 1360 a Abs. 4, § 1577 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Das Einkommen des Ehegatten ist bei der Anrechnung auf den für ihn geltenden Freibetrag um die gleichen Belastungspositionen zu korrigieren, wie beim Antragsteller selbst.
2. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO stellen für die Frage der Berücksichtigung des Freibetrages explizit nur auf das eigene Einkommen der unterhaltsberechtigten Person ab. Das Vermögen des Ehegatten spielt -zumindest im Aufhebungsverfahren – keine Rolle.
3. Im Bewilligungsverfahren mag dies anders sein, weil insoweit gem. § 1360 a Abs. 4 BGB ein Verfahrenskostenvorschussanspruch in Betracht kommen kann, der unter Umständen zum Vermögenseinsatz beim Antragsteller führt. Ein späterer Vermögenserwerb des Ehegatten spielt insoweit jedoch keine Rolle, weil er nicht verpflichtet ist, entstandene Kosten eines Rechtsstreits im Nachhinein auszugleichen.

Verfahrensgang

0211 F 1588/12 2017-02-21 Bes AGBAMBERG AG Bamberg

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bamberg vom 21.02.2017 aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Dem Antragsgegner ist durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bamberg vom 27.03.2013 zahlungsfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens wurden durch Beschluss vom 21.02.2017 für die Zeit ab 03.04.2017 monatliche Raten in Höhe von 95,00 Euro und für die Zeit ab 03.04.2018 monatliche Raten in Höhe von 115,00 Euro festgesetzt. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Entscheidung verwiesen.
Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 27.02.2017 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 16.03.2017 beim Amtsgericht in Bamberg eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er verweist darauf, dass seine Ehefrau nur über einen Gewinn in Höhe von monatlich 1.056,00 Euro verfüge, von dem Abzüge vorzunehmen seien, wie bei einem VKH-Antragsteller. Damit verbleibe kein einzusetzendes Einkommen, so dass bei ihr der Freibetrag als unterhaltsberechtigte Person anzusetzen sei.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 05.05.2017 die Abhilfe abgelehnt und darauf verwiesen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers über Bankguthaben in Höhe von rund 20.000,00 Euro verfüge und damit nicht unterhaltsberechtigt sei.
Das Verfahren wurde dem Senat vom Einzelrichter wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Nachdem der VKH-Antrag vor dem 01.01.2014 gestellt wurde, sind auf das Überprüfungsverfahren auch die §§ 114 ff. ZPO in der vor dem 01.01.2014 maßgeblichen Fassung anzuwenden (§ 40 Satz 1 EGZPO; OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.08.2016, 13 WF 205/16).
Gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO ist die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zulässig und in der Sache auch begründet.
Das Amtsgericht ist ohne den Freibetrag für die Ehefrau von einem einzusetzenden Einkommen von monatlich 291,00 Euro bzw. 344,00 Euro ausgegangen.
Dabei kann wegen der geringfügigen Differenz offen bleiben, ob der Ansatz der Fahrtkosten mit 49,20 Euro der Rechtsprechung des Senats entspricht (5,20 Euro pro Entfernungskilometer gem. §§ 82 Abs. 2 SGB XII, § 3 Abs. 6 DVO), weil die Differenz nur relativ gering ist und sich nicht auswirkt.
Die sofortige Beschwerde führt nämlich zutreffend aus, dass für die Ehefrau des Beschwerdeführers der Freibetrag zu berücksichtigen ist, so dass bei einem Abzug von mindestens 468,00 Euro gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 2 a ZPO kein einzusetzendes Einkommen mehr verbleibt.
Auch wenn die Ehefrau des Beschwerdeführers nach ihrer Darstellung aus der selbständigen Tätigkeit als Lehrerin über einen monatlichen Gewinn im Durchschnitt von 1.056,00 Euro verfügt, ist der Freibetrag anzusetzen. Das Einkommen der Ehefrau ist nämlich nach einhelliger Auffassung um die gleichen Belastungspositionen zu korrigieren, wie beim Antragsteller selbst (Zöller-Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 115 Rn. 29).
Nach Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags (213,00 Euro), der hälftigen Miete (305,00 Euro) und der Krankenversicherungsbeiträge (278,79 Euro) verbleibt nur noch ein Restbetrag von 259,21 Euro, der in dieser Höhe im Hinblick auf die tatsächlich getätigten Altersvorsorgeaufwendungen von 505,00 Euro angemessen ist. Selbst wenn man eine Beschränkung auf 23% des Bruttoeinkommens vornimmt (= 243 Euro), wären für die Ehefrau immer noch 468 Euro – 16 Euro (259 Euro – 243 Euro), also 452 Euro abzuziehen, womit auch dann kein einzusetzendes Einkommen des Beschwerdeführers verbliebe.
Dies hat offensichtlich auch das Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung so gesehen und ersatzweise zur Begründung darauf verwiesen, dass die Ehefrau über Bankguthaben in der Größenordnung von 20.000,00 Euro verfügt. Dieser Umstand ist jedoch ohne Relevanz. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO stellen für die Frage der Berücksichtigung des Freibetrages explizit nur auf das eigene Einkommen der unterhaltsberechtigten Person ab. Von Vermögen ist im Gesetzt insoweit keine Rede. § 115 Abs. 3 ZPO bezieht sich nur auf das Vermögen des beteiligten Antragstellers selbst. Damit spielt das Vermögen des Ehegatten – zumindest im Aufhebungsverfahren – nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Rolle. Im Bewilligungsverfahren mag dies anders sein, weil insoweit gem. § 1360 a Abs. 4 BGB ein Verfahrenskostenvorschussanspruch in Betracht kommen kann, der unter Umständen zum Vermögenseinsatz beim Antragsteller führt. Ein späterer Vermögenserwerb des Ehegatten spielt insoweit jedoch keine Rolle, weil er nicht verpflichtet ist, entstandene Kosten eines Rechtsstreits im Nachhinein auszugleichen.
Die gesetzgeberische Lösung ist auch in sich stimmig. Das Gesetz stellt in den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 1 Nr. 2 b ZPO schon aus Vereinfachungsgründen nicht auf die materielle Unterhaltsberechtigung des Ehegatten, sondern auf den Status des Ehegatten sowie sein eigenes Einkommen ab. Eine Prüfung der materiellen Unterhaltsberechtigung würde das VKH-Verfahren zu einem Unterhaltsprozess aufblähen, so dass der Gesetzgeber zu Recht ein pauschaliertes Verfahren gewählt hat, um die Berücksichtigungsfähigkeit des Ehegatten zu überprüfen. Im Falle der Berücksichtigung von Vermögensbestandteilen des Ehegatten wäre das nicht mehr gewährleistet, weil das Vermögen für die Bedürftigkeit des Ehegatten in der Regel ohne Relevanz ist und ein Einsatz nur in Ausnahmefällen (vgl. § 1577 Abs. 3 BGB, der auf den Trennungsunterhalt analog angewendet wird, sowie § 1360 BGB für den Familienunterhalt) in Betracht kommt. Eine Überprüfung dieser Voraussetzung ist im VKH-Prüfungsverfahren nicht vorgesehen.
Gerichtsgebühren fallen nicht an.
Es besteht auch kein Anlass gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 543 Abs. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die gesetzliche Regelung eindeutig ist.


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