Familienrecht

Einschränkung freier Willensbestimmung durch Wahn

Aktenzeichen  24 T 1772/18

Datum:
28.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19317
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 104 Nr. 2, § 1696 Abs. 1a

 

Leitsatz

1. Für die freie Willensbestimmung kommt es auf die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit an, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser Elemente, so liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor. (Rn. 9) (red. LS Axel Burghart)
2. Bei Vorliegen eines Wahns ist die Fähigkeit zur freien Willensbildung nur insoweit ausgeschlossen, wie die Wahnsymptomatik reicht. (Rn. 12) (red. LS Axel Burghart)

Verfahrensgang

2 XVII 129/18 2018-09-13 Bes AGNEUBURGADD AG Neuburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuburg a. d. Donau vom 13.09,2018, Az. 2 XVII 129/18, wird zurückgewiesen.
II. Der Betroffene trägt die Kosten des Besch werde Verfahrens,
III. Der Besch werde wert wird festgesetzt auf € 5.000,00.

Gründe

I.
Für den Betroffenen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Neuburg a. d Donau vom 13.09.2018 Betreuung angeordnet Zur Betreuerin wurde … als Berufsbetreuerin bestellt. Die Anordnung der Betreuung wurde auf den Aufgabenkreis der Vertretung des Betroffenen in der Zivilsache … gegen … (Amtsgericht Neuburg, Az 4 C 376/17), einschließlich eines evtl. Zwangsvollstreckungsverfahrens begrenzt. Die Anordnung wurde zeitlich begrenzt bis 13.09.2019.
Initial für die Einleitung des Verfahrens war ein zwischen dem Betroffenen und seinem Vater laufendes Zivilverfahren, in dem eine ausreichende Vertretung durch den Betroffenen selber nicht gewährleistet war. Das Amtsgericht Neuburg a. d. Donau hatte den Betroffenen zu dieser Frage am 20.06.2018 persönlich angehört. Es stützte seine Entscheidung ferner auf das erholte ärztliche Gutachten des Sachverständigen Herrn … vom 16.01.2016 sowie dem Bericht der Betreuungsbehörde Betreuungsstelle LRA Neuburg/Schrobenhausen vom 18.05.2018.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Betroffenen vom 17.10.2018, der eine umfassende Begründung angefügt war. Im Wesentlichen wandle sich der Betroffene gegen die Glaubwürdigkeit des ärztlichen Gutachtens und der erholten Vorgutachten. Er äußerte Misstrauen. Ablehnung und zum Teil bezüglich der Betreuerin … die Aussprache eines lebenslangen Haus- und Kontakt Verbotes.
Mit Beschluss vom 30.10.2018 half das Amtsgericht Neuburg a. d. Donau der Beschwerde nicht ab und legte die Akte dem Landgericht Ingolstadt als zuständigem Beschwerdegericht vor. Dieses bestimmte Anhörungstermin auf den 27.11.2016 Mit Schreiben vom 16.11.2018 teilte der Betroffene mit, dass er zur Anhörung am 27.11.2018 nicht kommen werde, da er ein Zusammentreffen mit der Betreuerin … sowie Mitarbeitern des LRA Neuburg-Schrobenhausen kategorisch ablehne. Er betonte weiterhin, dass er alle Verwandten sowie alle in Neuburg-Schrobenhausen befindlichen Personen aus seinem Leben ausgeschlossen habe. Der Anhörungstermin wurde daraufhin abgesetzt Mit Beschluss vom 12.12.2018 erholte das Beschwerdegerieht ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten zur Betreuungsbedürftigkeit und hier insbesondere zu der Frage, ob die Betreuung vorliegend auch gegen den Willen des Betroffenen angeordnet werden müsse, weil der Betroffene im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Betreuung zur freien Willensbildung nicht in der Lage ist.
Unter dem 12.02.2019 erstattete der gerichtlich bestellte Sachverständige, Herr … ein entsprechendes psychiatrisches Gutachten nach Aktenlage. Der Betroffene war auch zum vom Sachverständigen angesetzten Begutachtungstermin nicht erschienen. Das Einladungsschreiben konnte laut Postvermerk nicht zugestellt werden und der Betroffene hatte das hinterlegte Schreiben trotz entsprechender Benachrichtigung auch nicht bei der Post abgeholt.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde ist in der Sache ohne Erfolg.
Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (Müko. BGB/Schwab, 7. Auflage 2017, BGB, § 1896). Diese Voraussetzungen sind nach den Ermittlungen des Gerichts, zusammengesetzt aus der schriftlichen Beschwerdebegründung vom 17.10.2013, der Stellungnahme der Betreuerin, der Stellungnahme der Betreuungsbehörde sowie der erholten ärztlichen Sachverständigengutachtens erfüllt.
Im Betreuungsbeschluss ist die Betreuung für den Aufgabenkreis der Vertretung des Betroffenen in der Zivilsache … gegen … Amtsgericht Neuburg, Az. 4 C 376/17, einschließlich eines eventuellen ZwangsvollstreckungsVerfahrens geregelt. Wie sich sowohl aus der schriftlichen Einlassung des Betroffenen vom 17.10.2018 sowie der Terminsabsage vom 16.11.2018 ergibt, auf die auch das erholte psychiatrische Sachverständigengutachten Bezug nimmt, ist der Betroffene unfähig, im Hinblick auf den laufenden Zivilprozess einen freien Willen zu bilden. Eine Krankheitseinsicht besteht beim Betroffenen nicht, wie sich aus den beiden von ihm stammenden Schreiben sowie aus dem erholten Sachverständigengutachten ergibt.
Für das Beschwerdegericht ergibt sich, dass die hierfür maßgebliche natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim Betroffenen gerade nicht besteht. Es geht um das Verstehen des Grundes, der Erforderlichkeit, der Bedeutung und der Tragweite einer mit gesetzlicher Vertretung verbundenen Fürsorge. Der BGH sieht den Begriff der freien Willensbestimmung in § 1696 Abs. 1 a und § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich; es kommt aber auch nach BGH auf die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, an. Fehlt es an einem dieser Elemente, so liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor (Müko BGB/Schwab, 7. Auflage 2017, BGB, § 1896 Rn. 29).
Zusammenschauend und insbesondere gestützt auf die nachvollziehbaren und gründlichen Feststellungen des Sachverständigen ist in diesem Sinne festzustellen, dass der Betroffene derzeit nicht im Stande ist. seine prozessualen Angelegen heilen eigenverantwortlich zu erledigen. Aufgrund der vom Sachverständigen bereits im Gutachten vom 13.11.2016 diagnostizierten kombinierten Persönlichkeitsstörung (F 61), bei der u.a. paranoide, dissoziale und emotional instabile Züge vorliegen, kommt der Sachverständige nunmehr zum Ergebnis, dass darüberhinaus eine wahnhafte Störung gemäß ICD 10 F 22.0 gegeben ist. Der Sachverständige verweist dabei auf eindeutige Dissimulierungstendenzen des Betroffenen. Dies zeigen u.a. die Ergebnisse des Persönlichkeitstests MMP I II, den der Betroffene im Rahmen der Begutachtung zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit im Rahmen der Gutachtenserstellung vom 13.11.2016 ausgefüllt hat. Der Sachverständige stellte insbesondere fest, dass sein Hass gegenüber dem Landkreis, dessen Amtspersonen und allen Einwohnern gegenüber auf einer paranoiden Denkstörung beruht. Insbesondere kann der Betroffene daher den Grund einer Betreuung intellektuell nicht erfassen. Der Betroffene ist nicht fähig, seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einzuschätzen. Nur dann nämlich ist es ihm möglich, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Der Betroffene hält zur Überzeugung des Beschwerdegerichts unkorrigierbar daran fest, dass ihn sein Vater provozieren will und dass der Vater mit dem Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen kollaboriert, um ihm zu schaden. Die Unkorrigierbarkeit mit fehlender Einsicht ist gerade das Merkmal eines beim Betroffenen vorliegenden Wahns.
Das Beschwerdegericht schließt sich den Ausführungen des gerichtsbekannt zuverlässigen Sachverständigen an, der auch im konkreten Gutachten die Gutachtenserstattung auf sämtliche erholten Vorgutachten, die einmal stattgefundene persönliche Exploration des Betroffenen sowie den gesamten Akteninhalt stützt.
Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass gerade bei Vorliegen eines Wahns die Fähigkeit zur freien Willensbildung nur insoweit ausgeschlossen ist, wie die Wahnsymptomatik reicht, umfasst genau diese Wahnsymptomatik des Betroffenen, die Betreuungsanordnung des Amtsgerichts Ingolstadt gemäß Beschluss vom 13.09.2018. Der Betroffene ist zur Regelung seiner Vermögensangelegenheiten nicht in der Lage insofern, als es um die Befriedigung finanzieller Ansprüche Dritter geht, die in einem Gerichtsverfahren festgestellt wurden oder werden, insbesondere solchen Gerichtsverfahren, die im Zusammenhang mit seinem wahnhaften Denken festgestellt wurden. Dies betrifft nach Ansicht des Sachverständigen sowie des Beschwerdegerichts vor allem Rechtsstreitigkeiten mit dem Vater, Rechtsstreitigkeiten mit der übergeordneten Kommune. Der Betreuungsbedarf ist auf diesem Gebiet auch umetzbar, da der Betreuer auf diesem Gebiet auch ohne Kommunikation mit dem Betroffenen rechtlich tätig werden kann.
Die Beschwerde zeigt sich damit als erfolglos.
Ob daneben noch Betreuungsbedürftigkeit bezüglich weiterer Aufgabenkreise besteht, ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.


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