Familienrecht

Einwendungsausschluss nach Vaterschaftsfeststellung

Aktenzeichen  26 UF 59/18

Datum:
11.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 796
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 179 Abs. 1 S. 2, § 237 Abs. 3 S. 3
BGB § 1612a Abs. 1

 

Leitsatz

Um die schnelle Durchsetzung desUnterhaltsanspruchs zu gewährleisten, muss der Einwendungsausschluss des § 237Abs. 3 S. 3 FamFG auch dann bestehen bleiben, wenn im Verlauf des Verfahrensdie Vaterschaft rechtskräftig feststeht oder anerkannt wird. (Rn. 19) (red. LS Axel Burghart)

Verfahrensgang

527 F 3766/17 2017-11-16 Endbeschluss AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Der Endbeschluss des Amtsgerichts München vom 16.11.2017 wird aufgehoben.
2. Der Antragsgegner zahlt an die Antragstellerin zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters einen monatlichen im Voraus fälligen Kindesunterhalt,
a)ab dem 01.07.2016 bis 31.08.2017 den jeweiligen Mindestunterhalt der 1. Altersstufe gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB, abzgl. des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind
b)ab dem 01.09.2017 bis 31.08.2023 den jeweiligen Mindestunterhalt der 2. Altersstufe gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB abzgl. des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind und
c)ab 01.09.2023 den jeweiligen Mindestunterhalt der 3. Altersstufe gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB abzgl. des hälftigen Kindergeldes.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten der ersten und zweiten Instanz.
4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.956,00 Euro festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Zur Begründung der Entscheidung ist auszuführen (§ 117 Abs. 4 FamFG):
I.
Die Sache betrifft ein Verfahren auf Festsetzung von Kindesunterhalt und Vaterschaftsfeststellung, §§ 237, 179 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
Mit (getrennten) Anträgen vom 10.04.2017 begehrt die Antragstellerin, vertreten durch das Stadtjugendamt München als Beistand, die Festsetzung von Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts nach § 237 FamFG, sowie die Feststellung, dass der Antragsgegner der Vater der Antragstellerin ist. Die Verfahren wurden beim Amtsgericht – Familiengericht – München unter den Az.: 527 F 3765/17 und Az.: 527 F 3766/17 geführt. Das Amtsgericht hat die Verfahren nicht verbunden.
Im Termin zur Anhörung der Beteiligten am 24.05.2017 im Verfahren Az.: 527 F 3765/17 auf Feststellung der Vaterschaft, hat der Antragsgegner ein außergerichtlich in Auftrag gegebenes Abstammungsgutachten … vom 30.01.2017 vorgelegt. Das Abstammungsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner der Vater der Antragstellerin ist.
Das Amtsgericht München hat das Abstammungsgutachten … vom 30.01.2017 mit Zustimmung der Beteiligten als Beweis für die Vaterschaft des Antragsgegners zugelassen.
Ebenfalls im Termin vom 24.05.2017 hat das Amtsgericht mit deren Zustimmung die Beteiligten im Unterhaltsverfahren im Rahmen des vom Antragsgegner gestellten Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe angehört. Der Antragsgegner hat sich auf eingeschränkte, bzw. Leistungsunfähigkeit berufen.
Mit Beschluss vom 29.05.2017 hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Antragsgegner … der Vater der Antragstellerin … ist.
Die mündliche Verhandlung im Unterhaltsfestsetzungsverfahren fand am 24.10.2017 statt.
Mit Beschluss vom 16.11.2017 hat das Amtsgericht München den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab 01.12.2017 einen monatlichen laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 152,- € zu bezahlen und rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 30.11.2017 in Höhe von 2.986,- €.
Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, dass die Vaterschaft des Antragsgegners nunmehr seit Juli 2017 rechtskräftig festgestellt ist und die Beschränkung des § 237 Abs. 3 Satz 3 FamFG nicht mehr anwendbar sei. Diese Beschränkung verfolge den Zweck, das Abstammungsverfahren nicht mit langwierigen Auseinandersetzungen im Unterhaltsbereich zu verzögern und dem Kind einen schnellen Titel zu verschaffen. Wenn jedoch, wie im Fall aufgrund einer rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung kein Bedürfnis mehr für diesen besonderen Schutz bestehe, sei es nicht mehr gerechtfertigt und prozessökonomisch nicht mehr sinnvoll, die Verteidigungsmöglichkeiten des bereits rechtskräftig festgestellten Vaters einzuschränken und ihn auf ein Abänderungsverfahren zu verweisen.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 16.11.2017 richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 30.04.2018.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass es in einem Verfahren nach § 237 FamFG, in dem lediglich der Mindestunterhalt geltend gemacht wird, dem Antragsgegner nicht gestattet sei eine Herabsetzung des Unterhalts zu verlangen. Es sei entgegen der Ansicht des Amtsgerichts gerade nicht zu prüfen, ob dem Kind ein höherer oder niedriger Unterhaltsanspruch zustehe. Der Antragsgegner könne sich daher weder auf eine beschränkte Leistungsfähigkeit noch auf eine vollständige Leistungsunfähigkeit berufen.
Der Antragsgegner wendet gegen die Beschwerde ein, dass aufgrund der rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung die Beschränkung des § 237 Abs. 3, S. 3 FamFG nicht mehr greife. Er sei bereits … Jahre alt. Bei diesem Alter und wegen seiner langjährigen Erwerbslosigkeit sei nicht zu erwarten, dass er einen höher dotierten Arbeitsplatz finde. Eine Nebentätigkeit sei ihm nicht zumutbar, da er als … angestellt gewesen sei und völlig unterschiedliche Arbeitszeiten und Einsatzorte habe. Er sei von seinem bisherigen Arbeitgeber am 31.08.2018 gekündigt worden und sei in sein Heimatland … zurückgekehrt. Seine … Mutter sei krank und pflegebedürftig, sie benötige seine Hilfe.
II.
Die Beschwerde ist nach §§ 113 Abs. 1, 58 ff, 117 FamFG zulässig und begründet.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Kindesunterhalt nach §§ 1601, 1610, 1612, 1612 a Abs. 1 BGB in Höhe des jeweils geforderten Mindestunterhalts. Die Vaterschaft des Antragsgegners steht rechtskräftig fest.
Die Antragstellerin hat im vereinfachten Unterhaltsverfahren Mindestunterhalt gemäß §§ 237 Abs. 3 FamFG, 1612 a Abs. 1 BGB geltend gemacht und gleichzeitig die Feststellung der Vaterschaft beantragt. Im Laufe des Verfahrens wurde die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt. Das Amtsgericht hat daraufhin im vereinfachten Unterhaltsverfahren den Einwand des Antragsgegners, nicht bzw. nur eingeschränkt leistungsfähig zu sein, als zulässig angesehen und die Einschränkungen des § 237 Abs. 3, S. 3 FamFG nicht berücksichtigt.
In der Rechtsprechung und Literatur ist strittig, ob der Einwand eingeschränkter Leistungsfähigkeit weiter besteht, wenn im Verlauf des Verfahrens die Vaterschaft wirksam anerkannt worden ist, bzw. rechtskräftig feststeht. Einerseits wird die Meinung vertreten, der Einwendungsausschluss sei nur im Kontext mit der Klärung der Abstammung zu sehen und greife nicht mehr, wenn die Vaterschaft geklärt ist. Nach dieser Ansicht wird der Antrag nach § 237 FamFG unzulässig mit der Folge, dass der Antrag zurückgenommen, bzw. für erledigt erklärt werden oder in einen Antrag nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG geändert werden muss (vgl. Wendl/Schmitz, Unterhaltsrecht, 9. Aufl. § 10 Rn 120; Zöller/Lorenz, ZPO, 32. Auflage § 237 Rn 2 a; OLG Hamm Beschluss vom 11.05.2008 – 8 UF 257/10).
Andererseits wird die Meinung vertreten, dass der Ausschluss von Einwendungen auch dann gilt, wenn die Vaterschaft im Laufe des Verfahrens rechtskräftig feststeht, z.B. für den Fall eines Anerkenntnisses (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 39. Aufl. § 237 FamFG Rn 8; OLG Hamm Beschluss vom 30.04.2015 – 12 UF 33/15; BGH Urteil vom 07.05.2003 – XII ZR 140/01 zu den vor Inkrafttreten des FamFG geltenden Vorschriften §§ 653, 654 ZPO a.F.).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Die Regelung des § 237 Abs. 3 FamFG soll gewährleisten, dass das bedürftige Kind schnell einen vollstreckbaren Titel zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält. Ebenso, wie das Kind keine Erhöhung des Unterhalts verlangen kann, kann der potentielle Vater keine Herabsetzung verlangen. Um die schnelle Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs zu gewährleisten muss der Einwendungsausschluss des § 237 Abs. 3 Satz 3 FamFG auch dann bestehen bleiben, wenn im Verlauf des Verfahrens die Vaterschaft rechtskräftig feststeht oder anerkannt wird.
Ferner hat der Gesetzgeber in § 237 Abs. 4 FamFG zum Ausdruck gebracht, dass er die Möglichkeit einer Vaterschaftsanerkennung während des Verfahrens bedacht hat und dies nicht zum Anlass genommen hat, hieran Folgen für das weitere Verfahren, wie ein Entfallen der Einschränkung nach § 237 Abs. 3 FamFG, zu knüpfen (vgl. Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. § 237 FamFG Rn. 8 c).
Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf § 653 Abs. 1 ZPO a.F., der dem jetzt geltenden § 237 Abs. 3 FamFG entspricht, bestätigt, dass der unterhaltspflichtige Vater mit dem Einwand eingeschränkter Leistungsfähigkeit ausgeschlossen ist, um einem minderjährigen Kind ohne weitere Berechnung einen schnellen Unterhaltstitel zu verschaffen (BGH FamRZ 2003, 1095). Der Gesetzeszweck, unkompliziert und schnell den Mindestunterhalt zu titulieren, besteht jedoch unabhängig davon, ob bei Erlass des Titels die Vaterschaft bereits anerkannt ist.
Ein unterhaltspflichtiger Vater ist nicht rechtlos gestellt. Damit im Einzelfall ein materiell gerechtes Ergebnis gefunden werden kann, sieht das Gesetz in § 240 FamFG die Möglichkeit vor, eine Abänderung des titulierten Unterhalts durch ein sog. Korrekturverfahren zu beantragen.
Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 16.11.2017 ist auf die Beschwerde der Antragstellerin hin aufzuheben und der Antragsgegner ist antragsgemäß zur Leistung von Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle nach der jeweiligen Altersstufe, abzgl. des hälftigen Kindergeldes zu verurteilen.
III.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz gemäß § 243 FamFG zu tragen
IV.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 51 Abs. 1, 2 FamGKG.
Sie berechnet sich aus der Differenz des mit der Beschwerde verlangten, rückständigen und laufenden Unterhalts in Höhe von 5.702,00 Euro, zu dem vom Amtsgericht München ausgeurteilten Unterhalt in Höhe von 3.746,00 Euro.
Mit Antrag vom 10.04.2017 verlangt die Antragstellerin Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe, abzgl. des jeweils gültigen, hälftigen Kindergeldes.
In den Rückstand fällt der Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.04.2017, folglich 2.424,00 Euro (6 × 240,00 + 4 × 246,00).
Der laufende Unterhalt umfasst den Zeitraum vom 01.05.2017 bis zum 30.04.2018, folglich 3.278,00 Euro (4 × 246,00 + 4 × 297,00 + 4 × 302,00). Ergibt insgesamt 5.702,00 Euro.
Ausgeurteilt wurden vom Amtsgericht für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.04.2018 3.746,00 Euro (5 × 240,00 + 1 × 114,00 + 16 × 152,00 Euro).
Die Differenz beträgt folglich 1.956,00 Euro.
V.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Die Frage, ob nach rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft, das Verfahren nach § 237 Abs. 3 FamFG weiterhin zulässig ist oder nicht, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur unterschiedlich beurteilt und ist, soweit ersichtlich, nicht höchstrichterlich geklärt.


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