Familienrecht

Entzug von Teilbereichen der Personensorge wegen Interessengegensatz zwischen Kind und Elternteil (hier: Namensänderung)

Aktenzeichen  7 UF 238/21

Datum:
13.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41681
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1796

 

Leitsatz

Der sorgeberechtigten Mutter eines Pflegekindes kann nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB die Vertretung für den Teilbereich der Personensorge (hier: Namensänderung) entzogen werden, wenn ein erheblicher Interessengegensatz zwischen den Interessen des Kindes und der Mutter besteht, eine umfassende Abwägung der Interessen des Kindes und der Mutter ergibt, dass ohne die Namensänderung des Kindes für dieses schwerwiegende Nachteile zu befürchten sind, und überwiegende Interessen der Mutter der Namensänderung nicht entgegenstehen. (Rn. 29)
1. Die Ersetzung der Einwilligung in die Namensänderung setzt dabei in der Regel (Wertung aus § 1618 BGB) eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten voraus, bei der insbesondere auch die Kontinuität der Namensführung als wichtiger Kindesbelang, welcher weit über das Kindesalter hinausreicht, zu berücksichtigen ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein gewichtiger Grund für die von dem Kind begehrte Namensänderung liegt vor, wenn es seit Jahren in einer Pflegefamilie lebt und durch seinen Nachnamen immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert und hierdurch in seinem Wohl nachhaltig beeinträchtigt wird   (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

003 F 449/21 2021-10-13 Bes AGSCHWEINFURT AG Schweinfurt

Tenor

1. Die Beschwerde der Kindsmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Schweinfurt vom 13.10.2021, Az. 003 F 449/21, wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 16.05.2021 regt das Kind E., geb. am … an, den Nachnamen von „G.“ in „K.“ zu ändern.
E. teilte mit, dass sie seit 9 Jahren in der Pflegefamilie sei und bereits länger den Wunsch hege, den gleichen Namen, wie die ganze Pflegefamilie zu tragen. Sie habe vier Geschwister, zwei seien davon ebenfalls Pflegekinder, welche auch vor Kurzem ihren Nachnamen hätten ändern lassen.
Die Mutter tritt dem Wunsch von E. entgegen.
Der Mutter war im Verfahren vor dem Amtsgericht Schweinfurt unter dem Az. 4 F 654/12 mit Beschluss vom 29.07.2013 zunächst die gesamte elterliche Sorge entzogen und Vormundschaft angeordnet worden. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10.10.2013 zurückgewiesen.
Mit Beschluss vom 10.12.2014 wurde der Kindsmutter die elterliche Sorge zurückübertragen, nachdem diese mit der Fremdunterbringung einverstanden war und mit dem Jugendamt zusammenarbeitete.
Zunächst hatte die Mutter noch Umgang mit E.. Auf Wunsch von E. wurden die Umgangskontakte immer seltener. Die Mutter akzeptierte den Wunsch von E., sodass ab Ende 2016 die Treffen zunächst reduziert und seit Ende 2017 dann vollkommen ausgesetzt wurden. Seit November 2017 hat E. nur noch persönlichen Kontakt zum Großvater und den Geschwistern. Im Vorfeld zum Namensänderungswunsch teilte E. diesen der Mutter schriftlich mit und es kam zu einem persönlichen Treffen.
Das Jugendamt führte in der Stellungnahme vom 08.06.2021 aus, dass E. bereits seit dem Kindergartenalter den Nachnamen nicht benutze. Seit dem Schuleintritt mache es E. immer mehr zu schaffen, wenn sie ihren Nachnamen auf Hefte schreiben müsse. Sie fürchte sich auch davor, bei Klassenarbeiten namentlich aufgerufen zu werden. Im Alltag leide E. unter der Namensungleichheit mit den Pflegeeltern. Sie melde sich nicht mit ihrem Nachnamen am Telefon und, wenn sie mit ihrem Nachnamen konfrontiert werde, sei das sehr unangenehm für sie. Sie werde immer wieder in die Lage versetzt, erklären zu müssen, dass sie ein Pflegekind sei, was E. beeinträchtige. Auch zahlreiche Gespräche der Pflegeeltern und des Pflegedienstes hätten für E. keine Erleichterung gebracht. Es sei E. mehrfach verdeutlicht worden, dass diese unabhängig vom Namen geliebt werde und sie zur Pflegefamilie gehöre. Auch kenne E. unterschiedliche Namen z. B. aus Patchworkfamilien. Die Problembewältigung gestalte sich gleichwohl für E. – auch aufgrund des zunehmenden Alters – nicht einfacher, sondern schwieriger. Sie sei oft verzweifelt und fühle sich der Entscheidung der Mutter abhängig und dieser hilflos ausgesetzt. E. lasse sich trotz der Unterstützung des Jugendamtes und der Pflegeeltern nicht von dem Wunsch abbringen und ihre Verzweiflung nehme erkennbar zu.
Die Kindsmutter nahm dahingehend Stellung, dass eine Namensänderung zwar für E. förderlich, jedoch nicht erforderlich sei. Gerade in der vorliegenden Konstellation hätten die Pflegeeltern mit dem Kind mehr daran arbeiten müssen, dass eine persönliche Identifizierung nicht mit dem Nachnamen zusammenhänge. Auch in der Pflegefamilie sei keine Namensgleichheit gegeben, da der Pflegevater seinen Geburtsnamen noch trage. E. könne in ihrem Alter die endgültige Tragweite der Namensänderung nicht verstehen. Auch könnten sich Änderungen, wie ein Wechsel der Pflegefamilie, ergeben.
Mit Beschluss vom 11.06.2021 wurde Frau Rechtsanwältin F. als Verfahrensbeistand bestellt.
Das Jugendamt nahm mit Schreiben vom 13.07.2021 dahingehend Stellung, dass der Pflegevater einen Doppelnamen trage und E. die Namensungleichheit in Patchworkfamilien vor Augen geführt worden sei. Auch seien Rollenspiele mit E. geübt worden, wie sie sich verhalten könne, gleichwohl wäre E. nicht zu überzeugen. E. empfinde eine wirkliche Not und setze sich deshalb mit dem an das Gericht herangetragenen Wunsch auf Namensänderung der Situation aus, mit fremden Menschen über ihre Probleme zu sprechen, was ihr erkennbar schwerfalle.
Die Verfahrensbeiständin teilte mit Schreiben vom 23.07.2021 mit, dass es E. erkennbar nicht darum gehe, den Namen der Pflegefamilie anzunehmen, um eine Bindung zur Pflegefamilie zu vertiefen, sondern weil sie den Namen der Mutter loswerden wolle. Es bestehe eine große psychische Belastung für E., mit ihrer Mutter weiter verbunden zu sein, welche für sie durch den Nachnamen ausgedrückt werde. Nach dem Eindruck der Verfahrensbeiständin ist E. sehr belastet.
Das Amtsgericht hat am 13.09.2021 E. angehört und im Anschluss an die Anhörung die übrigen Beteiligten.
Bei der gerichtlichen Anhörung erklärte E., dass das größte Problem die Schule sei. Es käme immer wieder die Frage auf, wieso sie anders heiße. Sie wolle das aber nicht jedem erzählen. 7 UF 238/21 – Seite 4 – Gerade beim Austeilen der Schulhefte werde sie mit ihrem Nachnamen konfrontiert. Bei der gerichtlichen Anhörung begann E. zu weinen und teilte mit, dass sie sich schuldig fühle. Manchmal laufe der Film von früher wie in einem inneren Auge bruchstückhaft ab.
Die Verfahrensbeiständin erklärte anlässlich der Anhörung, dass die Namensproblematik wie ein „schwarzer Fleck“ auf E. laste. Durch die Konfrontation mit dem Namen würden viele Erinnerungen, negativer Art, bei E. hervorgerufen.
Mit Beschluss vom 13.11.2021 traf das Amtsgericht folgende Entscheidung:
1. Der allein sorgeberechtigten Mutter wird das Recht zur Beantragung einer Namensänderung gemäß § 2 Namensänderungsgesetz sowie aller damit zusammenhängender Erklärungen gegenüber Behörden, Gerichten und sonstiger Stellen für das Kind G. E., geboren am …, entzogen.
2. Soweit die Rechte der Mutter entzogen wurden, wird die Ergänzungspflegschaft angeordnet und die entzogenen Rechte übertragen auf das Landratsamt Schweinfurt, Amt für Jugend und Familie.
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB der Kindsmutter die Teilbereiche der elterlichen Sorge zu entziehen waren. Es liege ein erheblicher Interessenskonflikt zwischen Mutter und Kind vor, bei welchem das Kind bedroht sei, massiven Schaden zu nehmen. Im Alltag leide E. sehr unter der Namensungleichheit. Auch im Vorfeld stattgefundene zahlreiche Gespräche und Maßnahmen des Jugendamtes hätten keine Erleichterung gebracht. Die Verfahrensbeiständin habe eine große psychische Belastung des Kindes wahrgenommen. Es sei keine Bindung oder ein Vertrauen zur Mutter gegeben. Auch sei die Verzweiflung des Kindes dem Gericht in der Anhörung deutlich geworden. Das Kind habe einen enormen Leidensdruck. Es bestünden daher keine Zweifel, dass der Wunsch von E. auf Namensänderung stabil sei und dessen Nichtbeachtung die Zweifel des Kindes verstärken würde und sie in große seelische Not stürzen würde.
Gegen diese ihr am 15.10.2021 zugestellte Entscheidung legte die Mutter mit Schriftsatz vom 02.11.2021, eingegangen beim Amtsgericht am 03.11.2021, Beschwerde ein und begründete die Beschwerde wie folgt:
„Ein erheblicher Interessenkonflikt zwischen der Kindsmutter und dem Kind bestehe nicht. Das Kind sei auch nicht bedroht, massiven Schaden zu erleiden. E. sei gut in der Schule. Wie E. in der Anhörung erklärt habe, sei die Namensänderung lediglich ein Wunsch. Der Mutter könne aber aufgrund eines Wunsches des Kindes kein Teilbereich der elterlichen Sorge entzogen werden, zumal beim Austeilen der Hefte in der 7. Klasse der Realschule nur die Vornamen aufgerufen werden würden. Die Belastung des Kindes könne – auch angesichts der schulischen Leistungen – nicht derart stark sein, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliege. Hierfür fehlten Anhaltspunkte. Auch müsse ein möglicher Wechsel der Pflegefamilie in Betracht gezogen werden. Dies sei nie ausgeschlossen.“
Die Verfahrensbeiständin nahm mit Schreiben vom 02.12.2021 dahingehend Stellung, dass die Interessen der Mutter und des Kindes im erheblichen Maße auseinandergehen würden. Für die Verfahrensbeiständin sei nicht erkennbar, warum die Mutter an dem Wunsch festhalte, dass E. weiterhin ihren Namen trage. Insbesondere bestehe weder eine Beziehung noch irgendein Kontakt zwischen der Mutter und dem Kind. Allein der zeitliche Moment zeige, dass der Namensänderungswunsch durch E. nicht leichtfertig sei, sondern lange überlegt worden sei. Es handle sich dabei um einen verfestigten Willen. E., welche mittlerweile 13 Jahre alt sei, handle wohlüberlegt. Der gute Notendurchschnitt von E. ergebe sich aus ihrer strikten Art. Das sage aber nicht, dass E. von der Situation unbeeinflusst bleiben würde. Immer wieder würden ihr „Tränen kommen“, wenn sie nach ihrer Mutter gefragt werde, oder mit ihr konfrontiert werde. E. wolle durch den Namen nicht mehr an die Mutter erinnert werden und die Schuldgefühle gegen ihre Mutter loswerden. Eine Nichtbeachtung des Kindeswillens könne hier zu einer Kindeswohlgefährdung führen. Eine Missachtung des Willens des Kindes berge für ihre Entwicklung erhebliche Risiken.
Das Jugendamt nahm mit Schreiben vom 29.11.2021 dahingehend Stellung, dass E. aus einem großen Leidensdruck heraus handele. Sie habe sich aus eigenen Stücken an das Familiengericht gewendet, da sie keinen anderen Weg sah, die Situation für sich auf andere Weise erträglich zu machen. Es handle sich um keinen oberflächlichen Wunsch, sondern E. leide seit vielen Jahren unter dem Nachnamen und könne trotz Unterstützung der Pflegeeltern und Beratung durch den Pflegekinderdienst sich nicht mehr damit arrangieren, den Namen „G.“ zu tragen. Zwar sei es richtig, dass alle Pflegekinder dieser Situation ausgesetzt seien, aber E. bereite dies besondere Probleme. Grundlegend hierfür seien tiefe Erfahrungen, welche das Mädchen in ihrer Herkunftsfamilie gemacht habe. Die Perspektive des Pflegeverhältnisses sei überdies dauerhaft, ein Wechsel nicht geplant und eine Rückführung von E. zur Mutter nicht zu erwarten. Die gerichtliche Anhörung sei für E. schwierig gewesen. Auch der Richter habe die erhebliche Belastung bei der Anhörung protokolliert. E. habe einen hohen Leidensdruck und eine starke Abneigung gegen ihren jetzigen Nachnamen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der gerichtlichen Anhörung wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll vom 13.09.2021 verwiesen.
II.
Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Mutter ist unbegründet.
Der Senat hat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht abgesehen, weil von einer erneuten Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG).
Die Entziehung der Vertretung der sorgeberechtigten Mutter hinsichtlich der Namensänderung von E. ist nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB begründet.
1. Nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB können der Mutter auch andere Aspekte der elterlichen Sorge entzogen werden, insbesondere die Entscheidungsgewalt darüber, ob das Kind bestimmte Handlungen tätigen darf.
Dabei ist § 1796 Abs. 1 BGB dem Entzug der elterlichen Sorge nach §§ 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB vorrangig, da die Eingriffstiefe den geringeren Umfang aufweist und damit das mildere Mittel darstellt. Die Entziehung findet nur für eine bestimmte Angelegenheit oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten statt. Die Entziehung ist zulässig im Rahmen der Personensorge. Voraussetzung ist, dass das Interesse des Kindes in einem erheblichen Gegensatz zum Interesse der Mutter steht (Staudinger/Lettmaier, BGB, 2020, § 1629 Rdnr. 205 ff.).
Ein Verschulden des Sorgerechtsinhabers ist insoweit nicht vorausgesetzt.
Ein erheblicher Interessengegensatz liegt dann vor, wenn die Wahrnehmung des Interesses des einen nur auf Kosten des anderen geschehen kann und die Gefahr besteht, dass der Inhaber der elterlichen Sorge in Folge des Interessenwiderstreits nicht in der Lage ist, eine dem Wohl des Kindes gerecht werdende Entscheidung zu treffen. Eine Gefährdung ist dann zu bejahen, wenn konkrete Umstände darauf hinweisen, dass die Eltern statt des Interesses des Kindes im eigenen Interesse handeln oder handeln werden (vgl. jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1929 BGB, Rdnr. 62).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst vollumfänglich Bezug genommen wird.
2. Ein Interessenskonflikt zwischen E. und ihrer Mutter liegt vor. E. begehrt von sich aus die Namensänderung des Nachnamens. Sie hat ein eigenes Schreiben an das Amtsgericht verfasst und auch bei der Anhörung den andauernden Wunsch der Namensänderung, welcher schon seit geraumer Zeit besteht, bekräftigt. Die Mutter lehnt eine Namensänderung ab, so dass ein Interessengegensatz besteht.
3. Es geht auch um eine einzelne Angelegenheit der Personensorge, nämlich die Frage, welchen Nachnamen E. zukünftig tragen soll, bzw. ob ein Antrag entsprechend gestellt werden kann. Eine Notwendigkeit in die elterliche Sorge im Übrigen einzugreifen besteht nicht.
4. Die Ersetzung der Einwilligung in die Namensänderung setzt dabei in der Regel (Wertung aus § 1618 BGB) eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten voraus, bei der insbesondere auch die Kontinuität der Namensführung als wichtiger Kindesbelang, welcher weit über das Kindesalter hinausreicht, zu berücksichtigen ist. Als erforderlich ist die Namensänderung aber jedenfalls dann anzusehen, wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten sind und die unterbliebene Namensänderung zumindest einen so erheblichen Nachteil für das Kind darstellen wird, dass ein verständiger, sich sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbestandes nicht mehr bestehen würde. Dabei sind allgemeine Belastungen aus der Namensdifferenz, die grundsätzlich jedes Kind betreffen, nicht zu berücksichtigen. Es müssen konkrete Umstände vorliegen, welche eine außergewöhnliche Belastung darlegen.
Vorliegend sprechen aber nicht nur allgemeine Gründe gegen die Kontinuität der Namensführung und dem Wunsch der Mutter, den gleichen Namen weiter wie ihr Kind tragen zu können, sondern E. leidet konkret und nachhaltig unter dem derzeitigen Nachnamen, so dass zu befürchten ist, dass ihr Wohl nachhaltig beeinträchtigt ist, bzw. weiter beeinträchtigt werden wird.
Insbesondere wird E. durch ihren Nachnamen immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert, die bei ihr eine erhebliche Belastung auslöst. Auch die Maßnahmen des Jugendamtes und die Unterstützung der Pflegeeltern brachten insoweit keinen nachhaltigen Erfolg. Nicht notwendig ist, wie die Kindsmutter meint, dass E. zunächst eine Therapie abschließt und erst nach Abschluss dieser Therapie eine Namensänderung möglich ist. Denn die psychische Beeinträchtigung von E. ergibt sich bereits aus dem Anhörungsvermerk des Amtsgerichts und den übrigen durch das Gericht getroffenen Feststellungen.
Auch die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt schildern die dauernde Beeinträchtigung von E. aufgrund der Konfrontation mit ihrer familiären Vergangenheit über ihren Nachnamen. Gerade im Alter, in welchem sich E. befindet, ist es für die vorliegende Beeinträchtigung von E. unverzichtbar, dass diese sich einer weiteren Konfrontation mit ihrer Vergangenheit nicht ständig stellen muss. So schilderte E. nachvollziehbar, dass insbesondere in der Schule oder wenn Dritte nach der Namensungleichheit fragen, sie nicht nur mit der Namensdifferenz konfrontiert würde und in die Verlegenheit komme ihr höchstpersönliche Situation zu erläutern, sondern dass hierdurch auch erhebliche negative Gefühle bei ihr ausgelöst würden, unter welchen sie nachhaltig leide.
5. Die Namensänderung durch die Verwaltungsgerichte ist nicht sicher ausgeschlossen, so dass auch aus diesem Grund keine andere Entscheidung veranlasst ist.
Ein Eingriff in die Rechte der Mutter ist dann nicht angezeigt, wenn bereits erkennbar ist, dass eine Namensänderung durch das Verwaltungsgericht sicher nicht vorgenommen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2020, Az. XII ZB 478/17). Im Zweifel muss die Aufgabe aber den zuständigen Verwaltungsgerichten überlassen werden und eine Genehmigung darf bei Zweifeln nicht verweigert werden. Nach § 3 Abs. 1 NamÄndG kann sich ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens eines Pflegekindes in den Familiennamen seiner Pflegefamilie ergeben, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes erforderlich ist und überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegen stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2002 – 6 C 18/01 -, BVerwGE 116, 28-42). Weiterhin ist erforderlich, dass das Pflegeverhältnis auf Dauer angelegt sein muss und die Annahme des Pflegekindes als Kind durch die Pflegeeltern nicht oder noch nicht in Betracht kommt.
Erkennbar kommt vorliegend auch eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG in Betracht, so dass auch aus diesem Grunde die Entscheidung des Amtsgerichts Bestand haben muss. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Die Namensänderung erfordert das Wohl des Kindes, welches unter der derzeitigen Situation – wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat – erheblich leidet. Das Pflegeverhältnis ist auf Dauer angelegt, eine Adoption kommt derzeit nicht in Betracht und wäre auch der größere Eingriff in die Rechte der Mutter.
6. Überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens stehen nicht entgegen.
Die Kindsmutter hat aktuell und schon seit längerer Zeit keinen persönlichen Kontakt, weil diesen E. verweigert. Es bestand im Vorfeld des Verfahrens schriftlicher Kontakt, da E. der Mutter den Wunsch der Namensänderung mitteilen wollte. Auch kam es in diesem Zusammenhang zu einem persönlichen Treffen. E. lebt seit 06.12.2011 und damit seit 10 Jahren (und damit fast ihr gesamtes bisheriges Leben) nicht mehr bei ihrer Mutter. Seit 06.11.2011 war sie in der Pflegefamilie, zunächst in Bereitschaftspflege und seit 01.02.2021 dort in Dauerpflege. Entgegenstehende weitere Interessen der Mutter sind nicht erkennbar und wurden auch mit der Beschwerde nicht geltend gemacht. Allein die schulischen Leistungen sind kein Grund, die Namensänderung nicht durchzuführen. Auch hat sich durch die gerichtliche Anhörung des Verfahrensbeistandes nicht ergeben, dass es sich lediglich um einen Wunsch handle. Dem Familiengericht war die psychische Belastung von E. erkennbar. E. begann in der Anhörung zu weinen und teilte mit, dass sie sich schuldig fühle für früher.
Auch ist es für die Belastung von E. unerheblich, ob in der Realschule oder im Gymnasium erst ab der 9. Klasse Hefte mit dem Nachnamen verteilt werden. Mit dem Wunsch nach einem Spielzeug, wie die Mutter meint, ist der konkret festgestellte Wunsch von E. an der Namensänderung keinesfalls vergleichbar.
Ein Wechsel der Pflegefamilie von E. ist – nach Mitteilung des Jugendamtes – nicht angedacht. Das Kind ist nun seit 10 Jahren in der Pflegefamilie. Dass sich dies ändern wird, ist nicht absehbar.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 FamFG.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 70 Abs. 2 FamFG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Grundsätzliche Bedeutung hat die Sache nicht, auch weicht der Senat nicht in einer Rechtsfrage von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts ab.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben