Familienrecht

Erkrankung, Arzt, Krankheit, Unterbringung, Bescheid, Verletzung, Betreuung, Schmerzen, Anordnung, Genehmigung, Attest, Gutachten, Ablauf, Wirksamkeit, nicht ausreichend, Anordnung der Unterbringung, sofortige Wirksamkeit

Aktenzeichen  16 XIV 486/20 L

Datum:
17.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49323
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses wird bis zum Ablauf des 15.03.2021 angeordnet.
II.
Die Unterbringung der Betroffenen in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände und Isolierung in einem verschlossenen Zimmer der geschlossenen Abteilung des psychiatrischen Krankenhauses mit lückenloser Kameraüberwachung in Fällen von Erregungszuständen, Unruhezuständen, Verhaltensauffälligkeiten, distanzlosem Verhalten gegenüber Dritten sowie eigen- und fremdgefährlichen Handlungen werden bis zum Ablauf des 15.03.2021 genehmigt. Die Maßnahme ist durch eine Ärztin oder einen Arzt anzuordnen und eine ausreichende ärztliche Überwachung ist sicherzustellen.
Die Beendigung der Maßnahme ist dem Gericht anzuzeigen.
III.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

1. Die zuständige Kreisverwaltungsbehörde hat die Unterbringung der Betroffenen beantragt.
Die Betroffene befindet sich seit dem 18.06.2020 im Klinikum I..
Die Anordnung der Unterbringung beruht auf Art. 5 BayPsychKHG.
Nach dem vorliegenden Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. Z. leidet die Betroffene an einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 BayPsychKHG, nämlich an schizoaffektive Störung gegenwärtig manische Episode.
Sie gefährdet gegenwärtig und in erheblichem Maße die Rechtsgüter anderer und das Allgemeinwohl. Die Betroffene ist krankheitsbedingt nicht durchgehend in der Lage adäquat auf Situationen zu reagieren. Sie kann ihre Handlungen und Entscheidungen nicht nach sachgerechten von der Krankheit unabhängigen Erwägungen ausrichten und gefährdet andere hierdurch erheblich. Die Betroffene ist krankheitsbedingt derzeit nicht in der Lage ihre Affekte ausreichend zu kontrollieren.
Es kam bereits zu mehreren Vorfällen bei denen konkret auch die Gesundheit und die körperliche Integrität Dritter gefährdet und beeinträchtigt wurden. Die Betroffen hat bereits mit Gegenständen nach Dritten geworfen und anderer körperlich bedroht und angegriffen. Dabei bewertet die Betroffene ihre Handlungen nicht adäquat und als gerechtfertigt. Selbst das Zufügen von Schmerzen einer Mitpatientin sieht die Betroffene als nicht verwerflich an. Eine sachgerechte Abwägung der Rechtsgüter Dritter und ihrer eigenen Wünsche und Vorstellungen findet nicht statt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass insbesondere die aktuelle Unterbringungssituation in einer psychiatrischen Klinik für die Betroffene belastend ist. Trotzdem ist aber festzustellen, dass die Betroffene sowohl in der Klinik als auch außerhalb der Einrichtung nicht in der Lage ist Alternativen zu ihren Handlungen zu entwickeln und ausreichend Recht und Unrecht ihrer Handlungen zu bewerten und ihr Verhalten danach auszurichten. Die Betroffene sieht sich in der Regel selbst als Opfer und reagiert teils überzogen und nicht normgerecht auf das Verhalten Dritter. Krankheitsbedingt bewertet die Betroffene die Handlungen Dritter sowohl in als auch außerhalb der Einrichtung regelmäßig als bewusst provozierend und zielgerichtet und als ein Art Mobbing und sogar als Angriff gegen ihre Person.
Nach Ansicht des Gerichts ist das Verhalten der Betroffenen aber, selbst wenn es von der Betroffene als reine Reaktion auf das Verhalten anderer gesehen wird, nicht als hinnehmbar und lediglich lästig zu bewerten. Die Tötungsandrohung gegenüber einem Dritten, die Verletzung der körperlichen Integrität eines Menschen durch Zufügen von Schmerzen, der Angriff mit einer Flasche auf eine Person und auch das Beißen und Schlagen des Pflegepersonals sowie von Mitpatienten stellen eine erhebliche Gefährdung Rechtsgüter Dritter oder des Allgemeinwohls dar.
Es ist derzeit auch davon auszugehen, dass die Betroffene krankheitsbedingt nicht in der Lage ist ihr Verhalten zu ändern oder Vermeidungsstrategien zu entwickeln, die auch durchsetzbar und realisierbar sind. Die von der Betroffenen als Auslöser gesehenen Ereignisse sind allesamt nicht unübliche Geschehnisse und wie zum Beispiel der Besuch eines Supermarktes oder eines Getränkemarktes eher alltäglich. Auch dass die Betroffene aufgrund ihres Auftretens und ihrer Persönlichkeitsstruktur angefeindet wird, wie die Betroffene selbst meint, und sie darauf nur reagieren würde, führt eher dazu, dass mit konkreter hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren vergleichbaren Handlungen der Betroffenen zu rechnen ist.
Die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Abteilung einer zur Unterbringung psychisch Kranker anerkannten Einrichtung ist erforderlich. Denn nur durch die dort sichergestellte ständige Beaufsichtigung und Betreuung kann die Gefährdung abgewendet werden. Weniger einschneidende Mittel, insbesondere die Hinzuziehung eines Krisendienstes oder des gesetzlichen Vertreters sind zurzeit nicht ausreichend. Eine so drastische Änderung der Lebensumstände der Betroffenen, die eine weitere Gefährdung als weniger wahrscheinlich erscheinen lassen sind nicht absehbar. Zumal die Betroffene nach Überzeugung des Gerichts krankheitsbedingt auch weitere Personen und Umstände in ihr Wahngebilde einbauen würde und die Impulskontrollstörung auch hierdurch nicht ausreichend beeinflusst werden könnte.
Die Betroffen verweigert derzeit jede Medikation. Es besteht aber die nicht fernliegende Möglichkeit, dass zumindest die affektive Komponente der Erkrankung sich auch ohne Medikation bessert und dass dann entweder eine Entlassung möglich ist, oder die Betroffene eher in der Lage ist Therapievorschläge oder eine Medikation anzunehmen. Insgesamt hält das Gericht eine Heilbehandlung und einen Klinikaufenthalt für durchaus erfolgsversprechend, zumal in der Vergangenheit die Betroffen nach einem Klinikaufenthalt und eine Behandlung bereits ohne Betreuung und Unterbringung ihr Leben wieder selbstbestimmt führen konnte In Anbetracht der Erheblichkeit der bestehenden Gefährdung, der Häufigkeit der Vorfälle und der hohen Wahrscheinlichkeit von erneuten Aggressionsdurchbrüchen und Gefährdungshandlungen ist die angeordnete Unterbringung angemessen.
Die Betroffene kann aufgrund ihrer Erkrankung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen bzw. nicht einsichtsgemäß handeln. Sie verfügt zurzeit über keine ausreichende Krankheits- und Steuerungseinsicht und ist zu einer freien Willensbildung zumindest hinsichtlich der Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erkrankung nicht in der Lage.
Die Dauer der Unterbringung ist bei Berücksichtigung des Krankheitsbildes und -verlaufs angemessen und erforderlich, wobei die vorzeitige Entlassung aus der geschlossenen Einrichtung möglich ist. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich bei der Betroffenen um eine bereits seit längerem bestehenden Erkrankung handelt, die ohne ausreichende medikamentöse Unterstützung keine gute Prognose hat und dass bisher keine gravierende Besserung eingetreten ist. Das Gericht wertet aber die affektive Komponente der Erkrankung als so entscheidend, dass bei einer deutlichen Besserung der Impulskontrollstörung eine Unterbringungsdauer von 12 Monaten nicht ausreichend sicher erforderlich ist. Insgesamt geht das Gericht davon aus, dass sich innerhalb von den nächsten 6 Monaten die manische Symptomatik soweit bessern könnte, dass die Unterbringung nicht mehr erforderlich ist. Sollte eine frühere oder spätere Besserung eintreten könnte und müsste eine Neubewertung erfolgen.
2. Die behandelnde Einrichtung hat die Genehmigung besonderer Sicherungsmaßnahmen durch das Gericht beantragt. Auf den Inhalt des Antrages wird Bezug genommen.
Wegen Art und Dauer der getroffenen besonderen Sicherungsmaßnahmen besteht gem. Art. 29 Abs. 8 BayPsychKHG ein gerichtliches Genehmigungserfordernis.
Die Genehmigungsvoraussetzungen gem. Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4, Abs. 8 BayPsychKHG liegen vor.
Die Maßnahme ist für die Abwendung einer gegenwärtigen, erheblichen Gefahr von Aggressionsdurchbrüchen und Gewalttätigkeit gegen Personen sowie zur Abwendung der Störung des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung unerlässlich. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Weniger eingreifende Maßnahmen sind nicht geeignet, dieser Gefahr zu begegnen. Insbesondere sind therapeutische Maßnahme erfolglos geblieben bzw. aussichtslos. Insbesondere wird eine Fixierung als deutlich invasiver gesehen als die Isolierung auf einem Zimmer.
Es ist davon auszugehen, dass es auch in der Zukunft immer wieder zu Aggressionsdurchbrüchen der Betroffene kommt, so dass auch die Dauer der Genehmigung erforderlich und angemessen ist.
3. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus dem Antrag des Ordnungsamtes, des glaubhaften und nachvollziehbaren ärztlichen Sachverständigengutachten des dem Gericht als zuverlässiger und kompetenter Sachverständiger bekannten Herr Dr. Z., aus den ärztlichen Zeugnissen des Dr. B. vom 03.08.2020, vom 21.08.2020 und vom 09.09.2020, des Dr. L. vom 02.09.2020 sowie dem ärztlichen Attest vom 19.06.2020 aus dem Verfahren 16 XIV 378/20 und dem Bescheid des Landratsamtes Pfaffenhofen ebenfalls 16 XIV 378/20 vom 18.06.2020. Auf den Inhalt dieser Atteste und Gutachten wird ergänzend Bezug genommen Der Sachverhalt ergibt sich auch aus der Anhörung der Betroffenen vom 15.09.2020 sowie dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts und den Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen.
4. Auf die Bestellung eines Verfahrenspflegers wurde verzichtet, weil die Betroffene anwaltlich vertreten ist
5. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit beruht auf § 324 Abs. 2 FamFG.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben