Familienrecht

Keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei rechtsunwirksamer Abtretung

Aktenzeichen  L 17 U 54/15 B PKH

Datum:
15.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 67849
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB I SGB I § 53 Abs. 1
ZPO ZPO § 114, § 850c
SGG SGG § 73 a, § 173

 

Leitsatz

Die bloße Bezugnahme auf das Unfallereignis kann keinesfalls genügen, um die abgetretene Forderung bestimmbar zu bezeichnen, wenn sich auch aus Umständen außerhalb der Vertragsurkunde nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen lässt, welche Ansprüche abgetreten sein sollen und vom Wortlaut auch solche Ansprüche umfasst sind, die nach § 53 Abs. 1 SGB I nicht abgetreten werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 22. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg (SG), mit dem das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt hat.
Die Bf begehrt PKH für eine zu erhebende Klage, mit der sie Ansprüche aus abgetretenem Recht des Versicherten C. (Y) wegen eines Arbeitsunfalls vom 05.07.2002 gegen die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (BG) geltend macht. Für die Hauptsache hat die Bf den Antrag angekündigt, die BG zu verurteilen, an die Bf 125.596,31 EUR zu zahlen.
Mit Bescheid vom 10.07.2003 bewilligte die Rechtsvorgängerin der BG (im Weiteren: BG) dem Y wegen des Arbeitsunfalls vom 05.07.2002 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung. Im Laufe der Abwicklung des Versicherungsfalls teilte Y der BG mehrfach Änderungen seiner Kontoverbindung mit. Unter anderem bat er mit Schreiben vom 07.10.2004, die Leistungen auf das Konto 220572218, BLZ 76450000, Kontoinhaber: A. für Y, zu überweisen. Im nachfolgenden Zeitraum bezog Y wechselnd Verletztengeld bzw. Verletztenrente. Mit Bescheid vom 24.05.2005 bewilligte die BG dem Y Rente nach einer MdE von 20% auf unbestimmte Zeit. Mit Telefax vom 02.06.2005 teilte Y der BG eine neue eigene Kontoverbindung mit. Am 15.02.2006 erkundigte sich Y erstmals nach der Möglichkeit einer Abfindung seiner Rente. Mit Bescheid vom 06.09.2006 bewilligte die BG dem Y ab 01.06.2006 Verletztenrente nach einer MdE von 30%.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11.01.2007, bei der BG eingegangen am 09.03.2007, teilte die Bf der BG mit, Y habe mit einer in anwaltlich beglaubigter Abschrift beigefügten Abtretungserklärung seine Ansprüche auf Auszahlung einer Berufsunfähigkeitsrente aus dem Unfallereignis vom 05.07.2002 in Höhe von 127.000,00 EUR an die Bf abgetreten. Es könne nicht mehr mit befreiender Wirkung an Y gezahlt werden. Beigefügt war ein auf den 12.01.2007 datiertes Schriftstück mit der Überschrift: Schuldanerkenntnis, das als Beteiligte die Bf und Y benennt. Nach Ziffer 1 des Schriftstücks erkennt Y an, der Bf 127.000,00 EUR zu schulden. Mit Ziffer 2 wird erklärt, dass dieser Betrag bis spätestens 01.03.2007 auf ein bezeichnetes Konto der Bf erstattet werde. Nach Ziffer 3 tritt Y zur Sicherung dieses Anspruchs der Bf seine Ansprüche gegen die BG aus der Unfallsache vom 05.07.2002 bis zu der oben genannten Höhe ab. Ziffer 4 regelt, dass das vorstehende Schuldanerkenntnis in der Weise erfolgt, das es die Verpflichtung des Y gegenüber der Bf selbstständig begründen solle. Alle bekannten wie unbekannten Einwendungen, die sich nicht aus dieser Vereinbarung selbst ergäben, seien ausgeschlossen.
Gemäß Telefonvermerk der BG vom 08.03.2007 teilte der Bevollmächtigte der Bf fernmündlich der BG mit, die Bf sei die ehemalige Lebensgefährtin des Y und habe ihm insgesamt eine Summe von 127.000,00 EUR geliehen.
Mit Schreiben vom 13.03.2007 teilte die BG den Bevollmächtigten der Bf mit, die BG könne der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen, da die beigefügte Abtretungserklärung nicht ausreichend bestimmt sei. Weitere erbetene Mitteilungen verweigerte die BG unter Berufung auf ihre Verpflichtung zum Schutz der Sozialdaten.
Mit Bescheid vom 26.04.2007 fand die BG gegenüber Y die Rente mit einem Betrag von 126.064,31 EUR ab und zahlte die Summe am 07.05.2007 an den Y aus. Ab dem 02.01.2008 bewilligte die BG dem Y erneut Verletztengeld.
Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.03.2008 pfändete das Amtsgericht C-Stadt zugunsten der Bf die Ansprüche des Y gegenüber der BG als Drittschuldnerin auf alle nach dem Sozialgesetzbuch pfändbaren Geldleistungen und Renten wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit bzw. aller zum Bezug der Geldleistungen berechtigenden Gründen, soweit die Bezüge pfändbar seien. Die Pfändung wurde nach § 850c ZPO beschränkt. Die BG erkannte die Pfändung mit an die Bevollmächtigten der Bf gerichtetem Schreiben vom 28.03.2008 an und erklärte, da derzeit keine Leistungen erbracht würden, könnten auch keine Zahlungen erfolgen.
Aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Ansbach vom 22.02.2010 teilte die BG der Bf die an Y bezahlten Beträge mit.
Daraufhin hat die Bf beim Sozialgericht Nürnberg (SG) PKH für eine noch zu erhebende Zahlungsklage gegen die BG beantragt.
Mit Beschluss vom 22.12.2014 hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Formulierung im Schuldanerkenntnis vom 12.01.2007 sei nicht hinreichend bestimmt bzw. aus objektiver Sicht bestimmbar. Im Übrigen habe die Abtretung der Ansprüche nicht im wohlverstandenen Interesse des Y gelegen.
Hiergegen hat die Bf Beschwerde eingelegt. Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.12.2014 aufzuheben und der Klägerin für die mit Schriftsatz vom 16.12.2011 angekündigte Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr Rechtsanwalt C. S., B-Stadt, beizuordnen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb eines Monats ab Zustellung des angegriffenen Beschlusses erhoben worden (§ 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Ein Ausschlussgrund gem. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG liegt nicht vor.
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Zu Recht hat das SG den Antrag der Bf auf PKH abgelehnt.
Nach § 73 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige Prüfung. Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz) zu beachten. Deshalb dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000,1936). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 11. Aufl. 2014, Rn. 7, 7a zu § 73a) bzw. wenn die Erfolgsaussicht nicht nur eine entfernte ist (vgl. z. B. BVerfG vom 13.07.2005, 1 BvR 175/05; BVerfGE 81,347,7 f.; st.Rspr.). Denn der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten weitgehend gleichen Zugang zum Gericht wie dem Bemittelten zu gewähren, gebietet, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko mitberücksichtigt (BVerfGE 81, 347, 356 ff = NJW 1991, 413 f; BVerfG FamRZ 1993, 664, 665).
Auch unter Zugrundelegung dieser weiten Auslegung des § 114 ZPO war eine hinreichende Aussicht auf Erfolg zu verneinen. Die Bf kann sich offensichtlich nicht darauf berufen, Y habe ihr seine Ansprüche gegen die BG, insbesondere auf den Abfindungsbetrag für die Verletztenrente, durch Ziffer 3 der Vertragsurkunde vom 12.01.2007 wirksam abgetreten. Zwar ist eine Übertragung eines Anspruchs auf Geldleistungen nach § 53 Abs. 2 und 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) unter den dort genannten Voraussetzungen dem Grunde nach möglich. Aus der Vertragsurkunde vom 12.01.2007 lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, welche Ansprüche des Y gegen die BG an die Bf abgetreten werden sollen. Eine Abtretung ist nur dann hinreichend bestimmt und damit wirksam, wenn die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, auf welche Ansprüche sie sich bezieht. Das kann entweder durch konkrete Bezeichnungen oder auch einen Sammelbegriff geschehen. Tritt der Zedent z. B. seine „Rentenansprüche“ ab, so fallen darunter seine Ansprüche auf eigene Rente wie etwaige Hinterbliebenenrentenansprüche, nicht aber z. B. auf Witwenrentenabfindung oder Beitragserstattungsansprüche aus der Rentenversicherung. Der bloße Verweis auf § 53 SGB I oder pauschale Formulierungen wie „alle Ansprüche gegen Sozialversicherungsträger“, „alle Ansprüche gegen die Bundesagentur für Arbeit“ oder „alle Ansprüche nach dem SGB VI“ sind nicht ausreichend.
(Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 53 SGB I, Rn. 25; vg. BSG, Urteil vom 19.03.1992 – 7 RAr 26/91; so auch Häusler in: Hauck/Noftz, SGB, 12/05, § 53 SGB I, Rn. 14; Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Rn. 8 zu § 53 SGB I m. w. N.).
Vorliegend wurden ausweislich der Vertragsurkunde sämtliche Ansprüche des Y gegen die BG aus der Unfallsache vom 05.07.2002 abgetreten. Diese Formulierung erfasst nach ihrem klaren Wortlaut alle Ansprüche auf Geldleistungen aus den unterschiedlichsten Gründen, wobei seitens der BG wegen des Unfalls vom 05.07.2002 Geldleistungen für Fahrtkosten zu Untersuchungen und Behandlungen, Verletztengeld und Verletztenrente ausbezahlt worden sind und die Verletztenrente abgefunden worden ist. Des Weiteren umfasst die Formulierung auch Ansprüche, die nach § 53 Abs. 1 SGB I nicht abgetreten werden können, nämlich Ansprüche auf Dienstleistungen und Sachleistungen. Schon hieraus folgt, dass die bloße Bezugnahme auf das Unfallereignis keinesfalls genügen kann, um die abgetretene Forderung bestimmbar zu bezeichnen. Auch aus Umständen außerhalb der Vertragsurkunde lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, welche Ansprüche abgetreten sein sollten. Insbesondere lässt sich entgegen dem Vorbringen der Bf aus der Tatsache, dass vorübergehend Verletztengeld und Verletztenrente auf ein Konto der Bf geflossen sind, nicht entnehmen, dass nur der Anspruch auf Verletztenrente mit den in der Vertragsurkunde bezeichneten Ansprüchen gemeint gewesen sein könnte. Denn zum einen waren die Geldleistungen gemäß dem Verwendungszweck nur für den Y bestimmt, zum anderen sind im damaligen Zeitpunkt auch Geldleistungen aus unterschiedlichen Rechtsgründen, nämlich Verletztengeld und Verletztenrente, dem Konto zugeflossen. Eine Wirksamkeit von Ziffer 3 des Vertrages vom 12.01.2007 kann deshalb nicht einmal im Sinne einer entfernten Möglichkeit angenommen werden.
Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die Annahme des SG zutrifft, die Abtretung sei nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I unwirksam, da sie nicht im wohlverstandenen Interesse des Bf gelegen habe und auch die Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I ersichtlich nicht vorgelegen haben. Beides ist jedoch zur Überzeugung des Senats der Fall, so dass auch diesen Gründen ein Erfolg der Hauptsacheklage nicht einmal im Sinne einer entfernten Möglichkeit wahrscheinlich ist.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 22.12.2014 war daher zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei, § 183 SGG. Er ist unanfechtbar, § 177 SGG.


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