Familienrecht

Kindergeld für einen polnischen Saisonarbeitnehmer

Aktenzeichen  III R 50/11

Datum:
18.12.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 Abs 3 EStG 2002
§ 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2002
§ 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002
EStG VZ 2005
Art 1 Buchst a EWGV 1408/71
Art 13 Abs 1 EWGV 1408/71
Art 14a Nr 1 Buchst a EWGV 1408/71
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

NV: Die freiwillige Mitgliedschaft eines Selbständigen in der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung Polens kann ausreichen, um den persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 zu eröffnen und –bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen– einen Anspruch auf deutsches Differenzkindergeld zu begründen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 13. Juli 2011, Az: 15 K 1821/08 Kg, Urteil

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Er arbeitete von Mai bis September 2005 als Saisonarbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Er lebt mit seiner –im Streitzeitraum nicht erwerbstätigen– Ehefrau und seinem minderjährigen Sohn K in Polen. Dort bezog seine Frau auch polnische Familienleistungen.
2
Auf seinen Antrag hin setzte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) für den Zeitraum Mai bis September 2005 Kindergeld in Höhe von monatlich 77 € fest. Seine auf die Gewährung des vollen monatlichen Kindergelds gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es ging davon aus, dass dem Kläger kein höheres als das von der Familienkasse bereits festgesetzte Kindergeld zustehe. Der dem Grunde nach gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestehende Kindergeldanspruch werde zwar nicht durch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften ausgeschlossen. Doch greife wegen des Bezugs polnischer Familienleistungen der Ausschlusstatbestand des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein.
3
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Ziel, das volle deutsche Kindergeld zu erhalten, weiter. Er rügt, dass die vom FG zur Begründung des Anspruchsausschlusses herangezogene Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
4
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Familienkasse unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. Februar 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. April 2008 sowie in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2008 zu verpflichten, gegenüber dem Kläger Kindergeld für das Kind K für die Monate Mai bis September 2005 in gesetzlicher Höhe von insgesamt 770 € festzusetzen und unter Berücksichtigung der bereits erfolgten hälftigen Festsetzung zu gewähren.
5
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
6
Der Kläger sei nach den Feststellungen des FG weder in Deutschland noch in Polen sozialversichert gewesen, so dass der persönliche Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 –VO Nr. 118/97– (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997, Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (VO Nr. 1408/71), im Streitfall nicht eröffnet gewesen sei. Ob das auch im Hinblick auf seine Ehefrau gelte, lasse sich dem angegriffenen Urteil nicht entnehmen. Es müsse daher auf die spezielle gemeinschaftsrechtliche Konkurrenzregelung in Art. 12 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 mit der Folge zurückgegriffen werden, dass hälftiges deutsches Kindergeld festzusetzen sei.

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