Familienrecht

Kindergeld für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer

Aktenzeichen  III R 4/09

Datum:
21.10.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 25 Abs 5 AufenthG
§ 104a AufenthG
§ 1 Abs 6 BErzGG
Art 8 MRK
§ 62 Abs 2 EStG 2002
Art 3 Abs 1 GG
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

NV: Die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern in § 62 Abs. 2 EStG begegnet trotz der Vorlagebeschlüsse des BSG vom 3.12.2009 B 10 EG 5/08 R, B 10 EG 6/08 R sowie B 10 EG 7/08 R, die zur wortgleichen Regelung der Berechtigung von Ausländern zur Inanspruchnahme von Erziehungsgeld nach § 1 Abs. 6 BErzGG ergangen sind, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken .

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 1. Dezember 2008, Az: 5 K 3420/06 Kg, Urteil

Tatbestand

1
I. Der aus Armenien stammende Kläger und Revisionskläger (Kläger) reiste im Jahr 2000 in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein. Zunächst war er faktisch geduldet. Seit April 2006 ist er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Im Mai 2006 beantragte er Kindergeld für seine beiden Kinder. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag durch Bescheid vom 23. Mai 2006 ab, der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Später gewährte die Familienkasse durch Bescheid vom 27. August 2007 Kindergeld für die Monate November 2006 bis Juni 2007, da der Kläger in diesem Zeitraum erwerbstätig war.
2
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, mit welcher der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für die Tochter X ab Februar 2002 bis Oktober 2006 und für den Sohn Y ab Juni 2002 bis Oktober 2006 begehrte (Urteil vom 1. Dezember 2008  5 K 3420/06 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 763). Es führte aus, bis einschließlich März 2006 habe der Kläger bereits deshalb keinen Anspruch auf Kindergeld, weil er erst seit April 2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei. Die vorherige Duldung sei nicht ausreichend. Im Zeitraum April 2006 bis Oktober 2006 sei der Kläger nicht erwerbstätig gewesen, so dass die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht erfüllt seien.
3
Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Nr. 3 EStG sei verfassungswidrig. Die Regelung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Erwägungen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 6. Juli 2004  1 BvL 4/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) angestellt habe, träfen auch auf § 62 Abs. 2 EStG zu. Die Einschätzung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom 15. März 2007 III R 93/03 (BFHE 217, 443, BStBl II 2009, 905) und vom 22. November 2007 III R 54/02 (BFHE 220, 45, BStBl II 2009, 913), wonach keine langfristige Integration geduldeter Ausländer und ihrer Familien in der Bundesrepublik beabsichtigt sei, sei unrichtig. Dies ergebe sich bereits aus § 104a AufenthG. Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG erhielten Kindergeld, obgleich dieser Aufenthaltstitel der direkten Verfestigung nach § 26 Abs. 4 AufenthG nicht zugänglich sei, anders als z.B. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die einen Kindergeldanspruch nur unter zusätzlichen Voraussetzungen begründe. Die Differenzierung sei willkürlich. Auch übersehe der BFH die zunehmende Bedeutung des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).
4
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 23. Mai 2006 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2006 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für das Kind X ab Februar 2002 und für das Kind Y ab Juni 2002 bis Oktober 2006 festzusetzen.
5
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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