Familienrecht

(Kindergeld: Vorrangiger Kindergeldanspruch des im anderen EU-Mitgliedstaat wohnenden Elternteils (im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 28. April 2016 III R 68/13)

Aktenzeichen  III R 40/12

Datum:
28.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2009
§ 63 Abs 1 EStG 2009
§ 64 Abs 2 S 1 EStG 2009
Art 1 Buchst z EGV 883/2004
Art 2 Abs 1 EGV 883/2004
Art 3 Abs 1 Buchst j EGV 883/2004
Art 11 Abs 1 EGV 883/2004
Art 11 Abs 3 Buchst a EGV 883/2004
Art 67 EGV 883/2004
Art 60 Abs 1 EGV 987/2009
EStG VZ 2010
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

1. NV: Der Kindergeldanspruch eines in Deutschland wohnhaften Elternteils für sein in Spanien im Haushalt des anderen Elternteils lebendes Kind wird nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 durch den vorrangigen Kindergeldanspruch des anderen Elternteils verdrängt .
2. NV:  Der Begriff der “beteiligten Personen” i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist im Hinblick auf das Kindergeld nach dem EStG nach Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i und nicht nach Art. 1 Buchst. i Nr. 2 der VO Nr. 883/2004 zu bestimmen. Zu den “beteiligten Personen” gehören daher die nach dem nationalen Recht Anspruchsberechtigten und damit auch der jeweils andere Elternteil, unabhängig davon, ob er mit dem im Inland lebenden Elternteil verheiratet ist oder war .

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 24. Juli 2012, Az: 11 K 489/11 Kg, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 24. Juli 2012  11 K 489/11 Kg aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist deutscher Staatsangehöriger und Vater der im März 1992 geborenen Tochter … sowie des im Oktober 1994 geborenen Sohnes …. Von der Kindsmutter ist er seit Juni 2010 geschieden. Er lebte zunächst mit seiner damaligen Ehefrau und den Kindern in Spanien. Seit Juli 2008 lebt er wieder in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Hier war er zunächst nichtselbständig tätig (bis Oktober 2008), danach war er inhaftiert. Ab Juni 2010 bezog er Arbeitslosengeld gemäß § 117 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch.
2
Die nicht erwerbstätige Kindsmutter war zunächst mit den Kindern in Spanien geblieben. Sie lebte dort von Zuwendungen dritter Personen. Die Kinder besuchten in Spanien die Schule. Seit Oktober 2010 lebt die Kindsmutter in Deutschland. Die Kinder lebten zunächst bei ihr, seit Juli 2011 leben sie beim Kläger. Die Kindsmutter hat in Spanien keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt und auch keine Zahlungen erhalten.
3
Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte mit Bescheid vom 22. September 2010 den Antrag des Klägers auf Kindergeld ab Mai 2010 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger zwar grundsätzlich einen Anspruch auf deutsches Kindergeld habe, seine Ehefrau habe jedoch den vorrangigen Anspruch auf Familienleistungen. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2011).
4
Die Kindsmutter erklärte sich im laufenden Verfahren damit einverstanden, dass das Kindergeld für den Streitzeitraum an den Kläger gezahlt wird.
5
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage, mit welcher der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für seine beiden Kinder für den Zeitraum Mai 2010 bis September 2010 begehrte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2130 veröffentlichten Urteil statt. Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für die beiden Kinder für den Zeitraum Mai 2010 bis September 2010 festzusetzen.
6
Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung des § 64 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
7
Die Familienkasse beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
9
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 hatte der Senat das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das bei ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen C-378/14 zum Ruhen gebracht. Der EuGH entschied mit Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2015, 1190) über die Vorlagefragen.


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