Aktenzeichen 002 F 351/21
Leitsatz
Tenor
1. Die elterliche Sorge für das gemeinsame minderjährige Kinder L. S3., geb. … 2017, wird gemeinsam auf den Antragsteller und die Antragsgegnerin übertragen.
2. Der Antragsteller ist zum Umgang mit dem gemeinsamen minderjährigen Kind L. S3., geb. … 2017, an jedem ersten Wochenende im Monat in der Zeit von Samstag, 9 Uhr, bis Sonntag, 15 Uhr, berechtigt und verpflichtet.
Das Kind wird zu Umgangsbeginn an der Wohnung der Kindsmutter abgeholt und zum Ende des Umgangs pünktlich dorthin zurückgebracht. Die Kindsmutter hat das Kind zum Umgang pünktlich bereitzuhalten, ausgestattet mit den für den Umgang erforderlichen Sachen und persönlichen Gegenständen.
3. Der Antragsteller ist weiterhin berechtigt, an Sonntagen, an denen nicht bereits entsprechend Ziffer 2 ein persönlicher Kontakt stattfindet, berechtigt, Umgangskontakte über Skype von 17 bis 18 Uhr und zusätzlich jeden Mittwoch im Zeitraum von 18 bis 19 Uhr vornehmen zu dürfen.
4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
5. Der Verfahrenswert wird auf 8.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die gemeinsamen Eltern des minderjährigen Kindes L. S., geb. … 2017. Die elterliche Sorge steht bislang der Kindsmutter alleine zu. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat das Kind im Haushalt der Kindsmutter.
Bei Geburt des Kindes hatten die Beteiligten noch einen gemeinsamen Hausstand am heutigen Wohnort des Antragstellers in Österreich. Erst in Folge der Trennung der Eltern ist die Antragsgegnerin mit dem minderjährigen Kind in den Bezirk des hiesigen Amtsgerichts verzogen. Entsprechend der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragsgegnerin als auch der österreichischen Staatsangehörigkeit des Antragstellers verfügt das minderjährige Kind über die doppelte Staatsbürgerschaft von Deutschland und Österreich.
Auch nach der Trennung hat es Umgangskontakte des Antragstellers mit dem Kind gegeben, welche mal besser und mal schlechter funktioniert haben, bevor diese dann vor dem Verfahren zum Erliegen gekommen sind.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit Bezug genommen auf das schriftsätzliche Vorbringen der Verfahrensbevollmächtigten.
Der Antragsteller hatte nunmehr beantragt, ihm die elterliche Sorge gemeinsam mit der Mutter zu übertragen und eine Umgangsregelung gerichtlich festzusetzen.
Die Antragsgegnerin wendet sich entschieden gegen die gemeinsame elterliche Sorge und hat entsprechend Antragsabweisung beantragt. Hinsichtlich der Frage nach der Umgangsregelung wurde zwar wiederholt Einverständnis signalisiert, nachdem eine gütliche Einigung jedoch gescheitert ist, wurde auch diesbezüglich Antragsabweisung beantragt.
Das Gericht hat dem Kind einen Verfahrensbeistand bestellt, auf den Bericht des Verfahrensbeistandes sowie dessen Ausführungen im Termin wird insoweit Bezug genommen.
Auch das Jugendamt B. K. hat im Termin vor Gericht Stellung genommen, auf diese Stellungnahme wird ebenso Bezug genommen.
Sowohl Verfahrensbeistand als auch Jugendamt haben jedoch insoweit der Übertragung der elterlichen Sorge gemeinsam auf beide Elternteile zugestimmt bzw. hiergegen keine Einwände gesehen, auch eine Umgangsregelung wird grundsätzlich von den Fachkräften befürwortet, auch wenn hier jeweils unterschiedliche Meinungen im Detail noch dargelegt wurden.
Das Gericht hat weiterhin auch das minderjährige Kind persönlich angehört. Aufgrund des Entwicklungsstandes des Kindes konnte ein Kindeswille dabei nicht festgestellt werden. Auf den Vermerk über die Kindesanhörung wird insoweit Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Anträge sind begründet, das Amtsgericht Bad Kissingen ist örtlich, sachlich wie auch international zuständig.
Nach § 1626 a Abs. 2 BGB ist auf Antrag des bislang nicht sorgeberechtigten Elternteils die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu übertragen, soweit diese Übertragung nicht dem Kindeswohl widerspricht. Das Gericht hatte entsprechend dieses Maßstabes zu prüfen, ob hier Anhaltspunkte ersichtlich sind, welche gegen eine Übertragung der elterlichen Sorge aus Sicht des Kindeswohls sprechen. Dabei musste festgestellt werden, dass annähernd überzeugende Gründe hierfür für das Gericht letztlich nicht ersichtlich waren. Allein der Umstand, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, mit einer daraus resultierenden auch nicht ganz unerheblichen Entfernung zum Wohnsitz des Kindes, begründet keine Umstände im Kindeswohl, welche einen Ausschluss des Kindsvaters von der elterlichen Sorge rechtfertigen würde. Die entsprechende Argumentation der Kindsmutter, dass entsprechende Unterschriften durch den Kindsvater ggf. nicht oder nicht zeitnah in ausreichender Art und Weise beigebracht werden könnten, rechtfertigen ein Vorenthalten der elterlichen Sorge zum Nachteil des Kindsvaters im vorliegenden Fall in keinster Weise.
Gründe im Kindeswohl, die einer gemeinsamen elterlichen Sorge widersprechen, müssen mehr darstellen als lediglich ein gesteigertes Maß an Kommunikation und Kooperation zwischen den Eltern, wobei das Gericht hier durchaus sieht, dass die Eltern nach gerichtlichem Dafürhalten durchaus in der Lage sind, die erforderliche Kommunikation zu betreiben und auch entsprechend erforderliche Entscheidungen für das Kind gemeinsam und in abgestimmter Weise zu treffen. Allein der Umstand, dass zur Dokumentation bestimmter Einwilligungen Postläufe zu berücksichtigen sind, rechtfertigt es gerade nicht, anzunehmen, dass eine Kooperation zwischen den Eltern nicht möglich ist. Dabei ist auch gesondert zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um den Postlauf in ein EU-Nachbarland handelt, insoweit ist auch gerichtsbekannt, dass der postalische Verkehr mit der Republik Österreich durchaus sehr gut, zuverlässig und auch zeitnah erfolgt.
Soweit durch die Kindsmutter noch in den Raum gestellt wurde, dass sie Angst hätte, der Kindsvater könnte die gemeinsame elterliche Sorge ausnutzen, um das Kind dauerhaft zu sich nach Österreich zu nehmen und somit zu entführen, muss das Gericht feststellen, dass diese Befürchtung bereits sehr theoretischer Natur ist und der Antragsteller hierfür bislang überhaupt keinen Anlass gegeben hat, dies zu befürchten. Der Antragsteller hat im Rahmen der Anhörung klar und auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass dies überhaupt nicht sein Anliegen ist, dass der natürlich sich wünsche für die Zukunft, sein Kind auch mal mit zu sich nach Hause nehmen zu können, allerdings nicht dauerhaft, sondern lediglich besuchsweise, da dort letztlich auch seine Familie ansässig ist.
Darüber hinaus ist das Argument auch aus rechtlicher Sicht nicht tragfähig, da letztlich unabhängig von der Frage der alleinigen elterlichen Sorge der Kindsmutter bzw. der gemeinsamen elterlichen Sorge, dies letztlich eine erhebliche Lebensentscheidung des Kindes wäre, welche im Falle der gemeinsamen elterlichen Sorge gerade die Zustimmung beider Elternteile erforderlich machen würde. Eine einseitige Veränderung des gewöhnlichen Aufenthaltes durch einen der beiden Elternteile bei gemeinsamer elterlicher Sorge gerade rechtlich nicht möglich ist. Vielmehr muss das Gericht insoweit feststellen, dass in Anbetracht der aktuellen Regelungslage der elterlichen Sorge alleinig durch die Kindsmutter vielmehr diese das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben könnte und entsprechend ihres familiären Hintergrundes hier problemlos den gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlagern könnte, auf Grund der wohl insoweit noch bestehenden Beziehungen und Bindungen zu deren Herkunftsfamilie.
Gem. § 1626 Abs. 3 BGB besteht zudem auch ein Recht auf Umgang mit dem nicht betreuenden Elternteil, hier dem Antragsteller. Auch dieses Umgangsrecht ist grundsätzlich zunächst am Wohl des Kindes zu orientieren. Dabei wäre ggf. ein etwaiger Kindeswille möglicherweise zu berücksichtigen, wobei dieser im vorliegenden Fall gerade nicht festgestellt werden konnte. Es konnte jedoch auch unter Berücksichtigung der Einschätzungen durch Verfahrensbeistand und Jugendamt sowie auch des kurzen persönlichen Eindrucks durch das Gericht festgestellt werden, dass durchaus eine Bindung und Beziehung des Kindes zum Antragsteller besteht. Vor diesem Hintergrund erachtet das Gericht ein Umgangsrecht wie vom Antragsteller beantragt, dem Grunde nach als mit dem Kindeswohl vereinbar.
Weiterhin erachtet das Gericht auch unter Würdigung des Umstandes der erheblichen räumlichen Entfernung zwischen Vater und Kind und der damit einhergehenden Belastungen, aber auch Möglichkeiten für die Wahrnehmung von Umgangskontakten, ein einmonatliches persönliches Umgangsrecht als mindestens erforderlich zur Wahrung und Pflege der Beziehungen zwischen Vater und Kind.
Unter Abweichung der Einschätzung durch den Verfahrensbeistand geht das Gericht aber durchaus davon aus, dass es dem Kind auch entsprechend seines Entwicklungsstandes durchaus zumutbar ist, bereits zum jetzigen Zeitpunkt auch Umgangskontakte mit einer Übernachtung wahrzunehmen, so dass auch hier gesehen wird, dass dies mit dem Kindeswohl durchaus in Übereinstimmung zu bringen ist. Zugleich bedeutet dieser Umstand auch eine weitere Stärkung der Bindung und Beziehung zwischen Vater und Kind, ohne dass umgekehrt unnötig belastend in die Rechte der Kindsmutter eingegriffen wird. Entsprechend war hier insoweit dem Antrag stattzugeben.
Aufgrund der im Übrigen eher reduzierten Umgangskontakte im Zusammenhang mit der räumlichen Entfernung sieht auch das Gericht, dass zur weiteren Stärkung und Pflege der Bindungen Videotelefonie bzw. Videochats, z.B. wie beantragt über Skype, durchaus ein probates Mittel sind, insbesondere da dies in der Vergangenheit bereits erfolgreich umgesetzt wurde. Entsprechend sieht auch hier das Gericht keine Gründe im Kindeswohl, dem Antrag nicht entsprechend stattzugeben.
Grundsätzlich gilt, dass die Umgänge pünktlich und zuverlässig durch die Beteiligten umgesetzt werden. Hierzu gehört einerseits die pünktliche Abholung als auch Rückbringung des Kindes zu Beginn und Ende der Umgänge, als auch umgekehrt eine zuverlässige Ermöglichung dieser Umgänge, erforderlich ist hier insbesondere die Ausstattung des Kindes mit Kleidung und anderen persönlichen Dingen und Gegenständen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG, wobei für den Verfahrensgegenstand elterliche Sorge ein Betrag von 4.000 € anzusetzen war und für den Verfahrensgegenstand Umgangsrecht ein Betrag von weiteren 4.000 €.