Familienrecht

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Ausgestaltung des Elterngeldes als Einkommensersatzleistung – keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG oder Art 6 Abs 1, Abs 2 GG

Aktenzeichen  1 BvR 1853/11

Datum:
9.11.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20111109.1bvr185311
Normen:
Art 3 Abs 1 GG
Art 6 Abs 1 GG
Art 6 Abs 2 GG
§ 2 Abs 1 BEEG
Spruchkörper:
1. Senat 2. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend BSG, 26. Mai 2011, Az: B 10 EG 1/11 B, Beschlussvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 24. Januar 2011, Az: L 5 EG 1/10, Beschlussvorgehend SG Mainz, 30. Oktober 2009, Az: S 4 EG 10/07, Urteil

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin wendet sich mittelbar gegen die Ausgestaltung des Elterngelds als Einkommensersatzleistung.

2
1. In dem am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) wurde das Elterngeld, abgesehen
von dem gegebenenfalls um einen Geschwisterbonus erhöhten Mindestbetrag von 300 €, als Einkommensersatzleistung ausgestaltet.
Das Elterngeld wird nach § 2 Abs. 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes
durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 € monatlich für
volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt.

3
2. Die 1971 geborene Beschwerdeführerin ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern. Sie widmet sich der Kindererziehung.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist erwerbstätig. Der Beschwerdeführerin wurde Elterngeld in Höhe des Mindestbetrags von
300 € monatlich für das im Mai 2007 geborene Kind gewährt. Widerspruch und Klage der Beschwerdeführerin auf die Gewährung
von Elterngeld in Höhe des Maximalbetrags von 1.800 € blieben bis zum Bundessozialgericht erfolglos.

4
3. In ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6
Abs. 1 und 2 GG. Das Elterngeld benachteilige durch seine Ausgestaltung als Entgeltersatzleistung Eltern, die vor der Geburt
kein Erwerbseinkommen erwirtschaftet hätten. Betroffen seien insbesondere Eltern, die in einer Mehrkindfamilie ausschließlich
die Erziehungsverantwortung übernommen hätten, aber auch Studenten und Arbeitslose. Als steuerfinanzierte Entgeltersatzleistung
bilde das Elterngeld einen Fremdkörper im Sozialrecht. Keine andere Sozialleistung gewähre bei einem höheren Einkommen höhere
Leistungen ohne einen rechtfertigenden Grund. Die Ziele, die der Gesetzgeber mit der Einführung des Elterngelds verfolgt habe,
wie die Schaffung eines finanziellen Schonraums für junge Familien, wögen für Eltern mit geringem Einkommen in keinem Fall
geringer als für solche mit höherem Einkommen.

5
Darüber hinaus sei Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verletzt. Die Gestaltung des Elterngelds diskriminiere Mehrkindfamilien, in denen
realistisch nur ein Elternteil berufstätig sein könne, gegenüber Familien, in denen die Eltern ihre Berufstätigkeit nur kurzfristig
zugunsten der Familienarbeit unterbrächen. Gegenüber dem Bundeserziehungsgeld, das durch das Elterngeld abgelöst wurde, hätten
solche Familien eine Leistungshalbierung hinnehmen müssen. Erhalte ein Elternteil heute bei Inanspruchnahme des Mindestbetrags
von 300 € monatlich insgesamt 3.600 €, so konnte ein bezugsberechtigtes Elternteil bei zweijährigem Bezug 7.200 € Bundeserziehungsgeld
erhalten. Demgegenüber erhielten Eltern bei Bezug des Höchstbetrags von 1.800 € monatlich insgesamt 21.600 € Elterngeld (25.200
€ bei Inanspruchnahme der Partnermonate).

II.
6
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs.
1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie unbegründet ist.

7
1. Die Gestaltung des Elterngelds als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

8
a) Die Bemessung der Höhe des Elterngelds auf der Grundlage des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des
Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens (§ 2 Abs. 1 BEEG) führt zwar zu einer unterschiedlichen Behandlung
der Leistungsempfänger je nach der Höhe ihres vor der Geburt erwirtschafteten Erwerbseinkommens, ohne dass der staatlichen
Leistung am Einkommen orientierte Sozialversicherungsleistungen der Empfänger vorausgegangen wären. Dass die einkommensabhängige
Ausgestaltung des Elterngelds im Vergleich zur nicht als Einkommensersatzleistung ausgestalteten Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz
einen Systemwechsel bedeutet und möglicherweise in der einfachgesetzlichen Struktur sozialer Leistungen systematisch eine
gewisse Sonderstellung einnimmt, bedeutet verfassungsrechtlich für sich genommen jedoch keinen Gleichheitsverstoß (vgl. BVerfGE
81, 156 ; 85, 238 ).

9
b) Die mit der einkommensbezogenen Differenzierung der Höhe des Elterngelds einhergehende Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich
gerechtfertigt.

10
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, ohne dass dem Gesetzgeber damit
jede Differenzierung verwehrt wäre. Differenzierungen bedürfen allerdings stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem
Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich
je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten
auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE
117, 1 ; 122, 1 ; 126, 400 m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 -,
juris, Rn. 64 f.). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale
anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen
verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 ) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 124, 199
). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl.
BVerfGE 88, 87 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 -, juris, Rn. 65). Umgekehrt kommt
dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich
ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 99, 165 ; 106, 166 ). Ob er bei der Ausgestaltung dieses Gestaltungsspielraums
die gerechteste und zweckmäßigste Lösung trifft, ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zu überprüfen (BVerfGE 38, 154 ).

11
bb) Die an das bisherige Erwerbseinkommen anknüpfende Differenzierung bei der Höhe des Elterngelds unterliegt danach nicht
den strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Sie knüpft nicht an Persönlichkeitsmerkmale an, die dem Einzelnen nicht verfügbar
wären oder sich den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen annäherten. Auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit
kann sie sich allerdings mittelbar auswirken (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG).

12
(1) Der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie ist allenfalls am Rande in seiner abwehrrechtlichen Dimension betroffen
(verneinend Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Februar 2011 – B 10 EG 17/09 R -, juris, Rn. 63 m.w.N.). Zwar garantiert
Art. 6 Abs. 1 und 2 GG die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst
zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Ehe- und die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im
materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren.
Demgemäß können Ehepaare nach eigenen Vorstellungen zwischen einer Doppelverdiener- und einer Einverdienerehe wählen und dürfen
Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung
entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in
wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 ). Solche Entscheidungen sind
grundsätzlich durch entsprechende Ausge-staltung des Elterngelds oder ähnlicher Leistungen mittelbar beeinflussbar. Die hier
allein zu überprüfende Bemessung des zwölfmonatigen Elterngelds nach dem bisherigen Erwerbseinkommen beeinflusst diese Entscheidungen
jedoch allenfalls am Rande. Insbesondere hat die Regelung des § 2 Abs. 1 BEEG keine intensive Anreizwirkung für Doppelverdienerehen
im Vergleich zu Einverdienerehen. Vielmehr schafft nach der Geburt eines Kindes gerade die Einkommensersatzfunktion des Elterngelds
einen tatsächlichen Anreiz, die Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes vorübergehend zu unterbrechen (vgl. BSG,
Urteil vom 17. Februar 2011 – B 10 EG 17/09 R -, juris, Rn. 63).

13
(2) Hingegen ist Art. 6 Abs. 1 und 2 GG durch die Regelung des § 2 Abs. 1 BEEG in seiner Schutz- und Förderdimension (vgl.
BVerfGE 111, 160 ) berührt. Grenzen zulässiger Ungleichbehandlung, die dem Gesetzgeber durch den allgemeinen Gleichheitssatz
hinsichtlich der Auswirkungen auf die Freiheitsrechte gezogen sind (s.o., aa), ergeben sich auch im Hinblick auf die Verwirklichung
des staatlichen Schutz- und Förderungsauftrags des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG (vgl. BVerfGE 111, 176 ). Das Elterngeld
dient der Familienförderung. Der Gesetzgeber verwirklicht damit den ihm verfassungsrechtlich aufgetragenen Schutz der Familie.
Die durch das BEEG gewährte Familienförderung ist für sich betrachtet stärker, wenn der bezugsberechtigte Elternteil zuvor
ein höheres Einkommen hatte, als wenn er ein niedrigeres Einkommen hatte. Diese Differenzierung ist angesichts des verfassungsrechtlichen
Auftrags zur Familienförderung rechtfertigungsbedürftig. Allerdings ist in Rechnung zu stellen, dass dem Gesetzgeber im Bereich
der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum
zukommt (vgl. BVerfGE 99, 165 ; 106, 166 ). Weit ist der Gestaltungsspielraum auch hinsichtlich der Ausgestaltung
der Familienförderung (vgl. BVerfGE 87, 1 ; 103, 242 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20.
April 2011 – 1 BvR 1811/08 -, juris, Rn. 9).

14
cc) Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngelds an das bisherige Erwerbseinkommen anzuknüpfen, beruht
auf Sachgründen, die hinreichend gewichtig sind, um die Ungleichbehandlung grundrechtlich zu rechtfertigen.

15
(1) Mit der Ausgestaltung als Einkommensersatzleistung wollte der Gesetzgeber insbesondere darauf “reagieren, dass Männer
und Frauen sich immer später und seltener für Kinder entscheiden”. Für viele Männer und Frauen seien “finanzielle Unsicherheit
und Brüche in der Berufsbiographie Gründe, ihren Kinderwunsch nicht zu verwirklichen”. Die Ausrichtung des Elterngelds auf
die Kompensation des Wegfalls individuellen Einkommens soll finanzielle Unsicherheiten verhindern, die eine Hinauszögerung
des Kinderwunschs verursache (BTDrucks 16/1889, S. 15).

16
Zwar kann, worauf die Beschwerdeführerin hinweist, ein Elternteil, der vor der Geburt eines Kindes ein höheres Einkommen erzielt
hat, größere Ansparungen zur Vorbereitung auf die Zeit der Kinderbetreuung tätigen als eine Person mit geringerem Einkommen.
Auch hat ein Elternteil mit höherem Einkommen bessere Aussichten, nach einer Zeit der Kinderbetreuung wiederum ein höheres
Erwerbseinkommen zu erwirtschaften und so Ausgaben für Kinderbetreuung zu finanzieren, die eine weitere Berufstätigkeit und
die angemessene Förderung des Kindes ermöglichen. Schwerpunktmäßig fördert das Elterngeld jedoch Erziehende mit kleinen und
mittleren Einkommen, wie sie meist am Beginn der Berufstätigkeit erwirtschaftet werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Februar
2011 – B 10 EG 17/09 R -, juris, Rn. 40). Eltern mit geringeren Einkommen erhalten gemäß § 2 Abs. 2 BEEG relativ eine höhere
Kompensation des Erwerbsausfalls als Eltern mit hohem Einkommen, weil das Elterngeld auf 1.800 € beschränkt ist. Der Gesetzgeber
will verhindern, dass bei Männern und Frauen die Aussicht, nach Studium und Ausbildung mit der Geburt eines Kindes einen erheblichen
Teil des gerade erwirtschafteten Einkommens wieder zu verlieren, zu einem Aufschieben des Kinderwunschs führt. Das Elterngeld
soll die Entscheidung für eine Verbindung von Beruf und Familie gegenüber einem Verzicht auf Kinder begünstigen und will daher
Einkommensunterschiede zwischen kinderlosen Paaren und Paaren mit Kindern abmildern (vgl. BTDrucks 16/1889, S. 14).

17
Dass der Gesetzgeber bei jüngeren Berufstätigen spezifische Hindernisse für die Familiengründung ausmacht und darum in typisierender
Weise gerade hier Anreize für die Familiengründung setzt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar verzichtet der
Gesetzgeber mit der gewählten Ausgestaltung des Elterngelds darauf, einen sozialen Ausgleich vorzunehmen. Die Behebung von
Notlagen überlässt er anderen Sicherungssystemen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2011 – B 10 EG 17/09 R -, juris, Rn. 90).
Dass bei einer Ausgestaltung des Elterngelds als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede
der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist jedoch verfassungsrechtlich
angesichts der gesetzlichen Zielsetzung noch hinzunehmen, zumal die Regelung auch Eltern ohne vorgeburtliches Einkommen nicht
gänzlich ohne Förderung lässt.

18
(2) Die mittelbar angegriffene Regelung ist zudem im Hinblick auf den Verfassungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt.
Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit
durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden (stRspr; vgl. BVerfGE 92, 91 ). Der Verfassungsauftrag
will nicht nur Rechtsnormen beseitigen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale anknüpfen, sondern für die Zukunft
die Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzen (vgl. BVerfGE 85, 191 m.w.N.). Dies verpflichtet den Gesetzgeber
auch dazu, einer Verfestigung überkommener Rollenverteilung zwischen Mutter und Vater in der Familie zu begegnen, nach der
das Kind einseitig und dauerhaft dem “Zuständigkeitsbereich” der Mutter zugeordnet würde (vgl. BVerfGE 114, 357 ).

19
Nicht nur mit Einführung der sogenannten Partner- oder Vätermonate (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats
vom 19. August 2011 – 1 BvL 15/11 -, juris), sondern auch mit der Gestaltung des Elterngelds als Einkommensersatz beabsichtigte
der Gesetzgeber, die partnerschaftliche Teilhabe beider Eltern an Erziehungs- und Betreuungsaufgaben zu stärken (BTDrucks
16/1889, S. 1, 2, 14, 15, 16, 19 f.). Während der ersten Zeit der Kinderbetreuung gebe in 95 % der Fällen die Mutter ihre
Erwerbstätigkeit auf, während der Vater seine beruflichen Anstrengungen häufig intensiviere, um den entstandenen Einkommensausfall
zumindest teilweise kompensieren zu können. Daher nähmen nur 5 % der Väter Elternzeit in Anspruch (BTDrucks 16/1889, S. 14).
Um Vätern und Müttern gleichermaßen eine aktive Elternrolle zu erlauben, wolle das Elterngeld die Übernahme der Elternzeit
auch durch jenen Elternteil, meist den Vater, ermöglichen, der das höhere Einkommen erziele (BTDrucks 16/1889, S. 20). Daten
des Statistischen Bundesamts zeigen, dass sich die Zahl der Väter, die Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nehmen, seit
der Einführung des Elterngelds zum 3. Quartal 2009 auf 23,9 % erhöht hat. Väter erhalten auch häufig ein höheres Elterngeld
als Mütter. So erhielten von Januar 2007 bis Juni 2008 21,7 % der Väter über 1.500 € Elterngeld, während dies nur auf 4,4
% der Mütter zutraf (vgl. BTDrucks 16/10770, S. 12). Insofern ist die Annahme des Gesetzgebers, die Ausgestaltung des Elterngelds
als Einkommensersatzleistung könne auch Väter zur Wahrnehmung von Erziehungsverantwortung ermutigen, verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden.

20
2. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffene Regelung auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verletzt.
Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngelds an das bisherige Erwerbseinkommen anzuknüpfen, ist von
legitimen Zwecken getragen. Bei der Ausgestaltung der durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gebotenen Familienförderung kommt dem Gesetzgeber
ein weiter Gestaltungsspielraum zu, den er mit der hier mittelbar angegriffenen Regelung nicht überschritten hat.

21
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

22
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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