Familienrecht

Ordnungsmittel wegen Umgangsverweigerung aufgrund der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  02 F 851/19

Datum:
3.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29171
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Hersbruck
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 89 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie sind keine Rechtfertigung, den Umgang eines Kindes, welches bei einem Elternteil lebt, mit dem anderen Elternteil zu verweigern. Hierbei handelt es sich um Kontakte im engsten familiären Rahmen, die im Interesse des Kindeswohls zu gewährleisten sind.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Antragsgegner wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 800 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von 5 Tagen verhängt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Ordnungsmittelverfahren wird auf 800 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten sind getrennt lebende Eltern des Kindes …, geb. … 2013. Das Kind lebt beim Vater. Zum Umgang des Kindes mit der Mutter haben die Eltern im Verfahren Az. 4 F 1323/18 am 25.01.2019 eine gerichtlich protokollierte Vereinbarung getroffen. Danach findet Wochenendumgang ab dem Wochenende 07./09.06.2019 14-tägig unbegleitet jeweils von Freitag 15.30 Uhr bis Sonntag 18 Uhr statt. Im vorliegenden Verfahren haben die Eltern am 06.11.2019 eine gerichtlich protokollierte Vereinbarung zum Ferienumgang geschlossen. Danach sollte in den Osterferien Umgang vom 04.04.2020 bis 12.04.2020 und in den Pfingstferien von 30.05.2020 bis 06.06.2020 stattfinden. Der Wochenendumgang sollte ab einem verlängerten Umgang 30.04./03.05.2020 dann an den geraden Wochenenden fortgesetzt werden.
In beiden Verfahren hat das Gericht die Vereinbarung durch Beschluss gebilligt und als gerichtliche Regelung übernommen. Auf die Folgen einer Zuwiderhandlung wurde hingewiesen. Die Sitzungsprotokolle wurden den Beteiligtenvertretern zugestellt.
Der Antragsgegner verweigerte am 06.03. und 20.03.2020 die Herausgabe des Kindes an die Mutter für Wochenendumgang, ebenso verweigerte er den vereinbarten Ferienumgang in den Osterferien. Auf einstweilige Anordnung des Gerichts vom 09.04.2020 wurde dieser Umgang dann vom 13. bis 18.04.2020 nachgeholt.
Im Verfahren Az. 2 F 415/20 hatte die Mutter Abänderung der bisherigen Modalitäten zu Abholung und Zurückbringen des Kindes beantragt. Die Mutter erwartet ein zweites Kind und wollte A. deshalb mit einer Begleitperson bzw. durch eine dritte Person abholen und bringen lassen. Ein gerichtlich vorgeschlagener Vergleich kam nicht zustande; die Antragstellerin nahm ihren Antrag zurück.
Die Mutter teilt mit E-Mail vom 02.06.2020 mit, dass der Vater auch die Herausgabe des Kindes für den Umgang in den Pfingstferien verweigert habe.
Mit Anträgen vom 12.03.2020, 25.03.2020 und 07.04.2020 beantragt die Antragstellerin jeweils, gegen den Antragsgegner Ordnungsmittel zu verhängen.
Der Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Corona-Infektionsgefahr. Die Mutter halte die Schutzmaßnahmen nicht zuverlässig ein, insbesondere habe sie eine weitere Person bei der Abholung im Auto gehabt; dieser Mann habe gehustet. Aufgrund des bevorstehenden Geburtstermins sei nicht sicher, dass die Antragsgegnerin das Kind zuverlässig betreuen könne.
Wegen des weiteren Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und Schreiben verwiesen.
II.
Die zulässigen Anträge haben in der Sache Erfolg. Die Verhängung eines Ordnungsmittels beruht auf § 89 Abs. 1 FamFG. Hierbei konnte für mehrere zurückliegende Verstöße ein einheitliches Ordnungsmittel festgesetzt werden, wobei der mehrfache Verstoß erhöhend wirkt (Zimmermann, Münchener Kommentar, § 89 FamFG, RN 27).
Es liegen mehrfache Zuwiderhandlungen des Antragsgegners gegen die vollstreckbaren Umgangsvereinbarungen vor. Er hat jeweils zu den vereinbarten Umgangsterminen das Kind nicht an die Mutter zur Abholung herausgegeben.
Der Antragsgegner hat schuldhaft gehandelt; es liegen keine Gründe für die Annahme vor, er habe die Zuwiderhandlungen nicht zu vertreten. Insbesondere rechtfertigen die Begründungen des Antragsgegners die Verweigerungen des Umgangs nicht.
Hierbei sei angemerkt, dass die Antragstellerin sich bereits soweit wie möglich den Forderungen des Antragsgegners angepasst hat. Da er Zugfahrten aufgrund der Corona-Krise nicht mehr erlauben wollte, hat sie die Abholung des Kindes mit dem Pkw organisiert. Ebenso hat sie ihm den voraussichtlichen Geburtstermin mitgeteilt und ihm hierfür auch den Eintrag im Mutterpass als Beleg übersandt. Ebenso klargestellt sei, dass es dem Antragsgegner nicht zusteht, immer weitere Forderungen bezüglich der Umgangsausübung zu stellen und von der Mutter Belege zu ihrer Betreuungsfähigkeit zu verlangen; es liegt eine Vereinbarung vor, welche auch er einzuhalten hat.
Die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie sind keine Rechtfertigung, den Umgang eines Kindes, welches bei einem Elternteil lebt, mit dem anderen Elternteil zu verweigern. Hierbei handelt es sich um Kontakte im engsten familiären Rahmen, die im Interesse des Kindeswohls zu gewährleisten waren. Hierauf hat das Gericht bereits mit Verfügung vom 31.03.2020 hingewiesen. Das Gericht hat nach wie vor keine Zweifel, dass die Antragstellerin bereit und in der Lage ist, die zum Schutz des Kindes vor Ansteckungsgefahr notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Soweit eine weitere Person bei Abholung des Kindes im Pkw der Antragstellerin saß, handelte es sich hierbei um deren Lebenspartner, den sie als Begleitperson zur Abholung hinzuziehen konnte; etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Antragsgegner vorgelegten Mitteilung des Landratsamts vom 14.04.2020. Dies diente der Sicherheit von Mutter und Kind, da die Antragstellerin erst seit kurzem den Führerschein hat und vernünftigerweise in hochschwangerem Zustand die doch recht weite Strecke nicht alleine gefahren ist.
Hinsichtlich des Ferienumgangs ist es richtig, dass der gerichtliche Vergleichsvorschlag ebenso wie der Bericht des Jugendamts vorsahen, den Umgang in den Pfingstferien aufgrund der bevorstehenden Geburt zu verschieben; beides beruht aber auf einer Fehlinformation bezüglich des voraussichtlichen Geburtstermins, der ursprünglich mit 01.06.20 mitgeteilt war, tatsächlich aber erst am 13.06.2020 ist. Da eine Abänderung der Vereinbarung nicht zustande gekommen ist, war für alle Beteiligten klar, dass es bei der ursprünglichen Vereinbarung, nämlich dem Umgang zu Beginn der Pfingstferien, bleibt.
Letztlich hindert auch der bevorstehende Geburtstermin den Umgang nicht. Es ist Sache der Mutter, die Betreuung des Kindes zu gewährleisten, sollte sie selbst aufgrund einer evtl. früheren Geburt hierzu nicht in der Lage sein. Der Antragsgegner scheint der Ansicht zu sein, dass während des Umgangs alleine die Mutter Kontakt zu dem Kind haben dürfe. Dies ist nicht zutreffend, die Mutter kann durchaus auf dritte Personen für die Betreuung zurückgreifen, auch wenn die persönliche Betreuung vorzuziehen ist. Ein Anlass, den Umgang über einen so langen Zeitraum ganz zu versagen, besteht nicht, zumal dies auch das Interesse des Kindes am Kontakt mit der Mutter verletzt. Sollte die Mutter nicht in der Lage sein, einen Umgangstermin aufgrund Schwangerschaft und Geburt einzuhalten, wird sie dies dem Antragsgegner mitteilen. Ansonsten haben die folgenden Wochenendumgänge stattzufinden.


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