Familienrecht

SGB VIII, Kindertagespflege, Kindgerechte Räumlichkeiten, Widerspruchsverfahren, Erteilung der Pflegeerlaubnis, Tagespflegeperson, Widerspruchsbescheid, Verwaltungsgerichte, Maßgeblicher Zeitpunkt, Pflegeverhältnis, Beschränkung der Erlaubnis, Verpflichtungsklage, Tagespflegestelle, mündlich Verhandlung, Kostenentscheidung, Betreuungsverhältnis, VG Freiburg, Betreuungsplatz, Betreuungsgesetz, Betreuungsperson

Aktenzeichen  M 18 K 17.5694

Datum:
4.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43892
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII § 43 Abs. 2
SGB VIII § 43 Abs. 3 S. 1
SGB VIII § 43 Abs. 3 S. 2
SGB VIII § 43 Abs. 5
BayKiBiG Art. 9 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 28. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2017 in Nummer 4 insoweit zu ändern, dass der Klägerin erlaubt wird, insgesamt höchstens acht Betreuungsverhältnisse einzugehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
II. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens hat die Klägerin ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.
III. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hat lediglich einen Anspruch gegen die Beklagte, dass die mit Bescheid vom 28. April 2017 bereits erteilte Erlaubnis zur Kindertagespflege dahingehend erweitert wird, dass sie höchstens acht – und nicht nur vier – Betreuungsverhältnisse eingehen darf. Die Beklagte war daher zu verpflichten, Nummer 4 des Bescheids vom 28. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2017 entsprechend zu ändern (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch auf Erweiterung ihrer Erlaubnis auf die Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern. Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
Die Klage, mit der die Klägerin die Erweiterung der bereits bestehenden, bis zum 30. April 2022 befristeten Erlaubnis zur Kindertagespflege begehrt, ist zulässig, insbesondere als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft. Der geltend gemachte Anspruch auf inhaltliche Änderung und Erweiterung des Bescheids vom 28. April 2017 kann im Wege einer Verpflichtungsklage durchgesetzt werden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 4). Im Übrigen dürfte die reine Anfechtung der streitgegenständlichen Regelungen in Nummer 3 (Anzahl der gleichzeitig anwesenden, fremden Kinder) und Nummer 4 (Anzahl der Betreuungsverhältnisse) nicht möglich sein, da es sich insoweit nicht um isoliert anfechtbare Nebenbestimmungen, sondern Inhaltsbestimmungen handeln dürfte (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 40 ff.).
Der Klage fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat die Klägerin – zunächst mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2020 und erneut in der mündlichen Verhandlung – eine Änderung ihres Konzepts hinsichtlich der Gestaltung des Mittagessens angekündigt, so dass fraglich erscheint, ob diese zukünftige Planung überhaupt noch von der mit Bescheid vom 28. April 2017 erteilten Erlaubnis gedeckt ist, folglich an der streitgegenständlichen bestehenden Erlaubnis noch Interesse besteht. Die Anforderungen an das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vorbemerkung § 40 Rn. 11) dürfen aber nicht überspannt werden. Zudem erscheint zweifelhaft, inwieweit der streitgegenständlichen Erlaubnis das bisherige Konzept der Klägerin bindend zu Grunde liegt, da es jedenfalls nicht ausdrücklich zum Gegenstand der Erlaubnis gemacht wurde.
Die Klage ist aber nur teilweise begründet.
Nach § 43 Abs. 1 SGB VIII bedarf eine Person, die – wie hier – ein Kind oder mehrere Kinder außerhalb des Haushalts des Erziehungsberechtigten während eines Teils des Tages und mehr als 15 Stunden wöchentlich gegen Entgelt länger als drei Monate betreuen will, der Erlaubnis. Die Erlaubniserteilung ist nicht in das Ermessen der zuständigen Behörde, also des örtlichen Jugendamts, gestellt. Vielmehr handelt es sich um einen gebundenen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, auf dessen Erteilung ein Rechtsanspruch besteht, wenn die Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII erfüllt sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2015 – 12 C 14.2846 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 25.2.2013 – 12 A 56/13 – juris Rn. 11; Nonninger in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 43 Rn. 12; Mörsberger in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 43 Rn. 21).
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist die Erlaubnis zur Kindertagespflege zu erteilen, wenn die Person für die Kindertagespflege geeignet ist. Geeignet sind Personen, die sich durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit Erziehungsberechtigten und anderen Tagespflegepersonen auszeichnen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII) und über kindgerechte Räumlichkeiten verfügen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII). Sie sollen über vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderungen der Kindertagespflege verfügen, die sie in qualifizierten Lehrgängen erworben oder in anderer Weise nachgewiesen haben (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII). Der Begriff der Eignung der Tagespflegeperson ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt (BayVGH, B.v. 16.1.2015 – 12 C 14.2846 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 21.7.2015 – 12 B 606/15 – juris Rn. 12f.; B.v. 25.2.2013 – 12 A 56/13 – juris Rn. 13; OVG RhPf, B.v. 15.10.2014 – 7 D 10243/14 – juris Rn. 6; Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 43 Rn. 12).
Ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum – wie von der Regierung von Oberbayern für das Widerspruchsverfahren offenbar angenommen – steht dem Jugendamt der Beklagten also bei der Beurteilung der Eignung nicht zu. Die Entscheidung der Widerspruchsbehörde bzw. des Gerichts durfte bzw. darf sich mithin nicht auf die Prüfung beschränken, ob die Entscheidung der Beklagten hinsichtlich der Eignung der Klägerin „nachvollziehbar und fachlich und rechtlich vertretbar“ ist (so aber die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2017 auf Seite 3 unten). Vielmehr haben die Widerspruchsbehörde bzw. hier das Gericht eigenständig zu prüfen, ob die Klägerin geeignet im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VIII ist, insbesondere ob sie über kindgerechte Räumlichkeiten (für die geplante Zahl der zu betreuenden Kinder, vgl. dazu sogleich) und damit über die sachlichen Eignungsvoraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII verfügt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, hier insbesondere der Eignung der Klägerin gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII, ist bei der vorliegenden Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier also der mündlichen Verhandlung am 4. November 2020. Zu diesem Zeitpunkt erst geplante, aber noch nicht näher konkretisierte, geschweige denn umgesetzte, bauliche Änderungen oder Änderungen des Betreuungskonzepts können daher im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung finden. Weder die zunächst mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2020 in Aussicht gestellte Entfernung der Arbeitsplatte vor dem Fenster in der Küche – ohne dass genaue Maße und Vorstellungen angegeben worden wären, wie die Arbeitsabläufe in der Küche ohne die Arbeitsplatte erfolgen sollen – noch die in der mündlichen Verhandlung angekündigte Verlagerung des Mittagessens aus der Küche in den Hauptbetreuungsraum – ohne dass konkret dargelegt worden wäre, wie der täglich anfallende Umbau des Hauptbetreuungsraums vom Spielzum Esszimmer und anschließend zum Schlafraum von statten gehen soll – konnten daher im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden. Auszugehen war vielmehr von der Situation, wie sie sich zum Zeitpunkt der Einnahme des Augenscheins am 21. Oktober 2020 und auch noch in der mündlichen Verhandlung am 4. November 2020 dargestellt hat.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erweiterung ihrer Erlaubnis zur Kindertagespflege auf die Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern. Die Beschränkung der Erlaubnis zur Kindertagespflege auf vier gleichzeitig anwesende, fremde Kinder und Ablehnung des Antrags im Übrigen in Nummer 3 Satz 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 28. April 2017 ist gemäß § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII rechtmäßig.
Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII befugt die Erlaubnis zur Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern. Im Einzelfall kann die Erlaubnis für eine geringere Zahl von Kindern erteilt werden (§ 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII). § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII formuliert insoweit ein Regel-Ausnahmeverhältnis in der Weise, dass – im Hinblick auf eine Einschränkung der sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Berufsfreiheit der Betreuungsperson und auch zur Sicherung eines hinreichenden Angebots an Betreuungsplätzen – eine Beschränkung auf weniger als fünf Kindern nur im besonderen Einzelfall möglich ist, wenn ein sachlicher Grund dafür vorliegt und die Einschränkung verhältnismäßig ist (VG Freiburg, U.v. 16.12.2016 – 4 K 2807/15 – juris Rn. 19 unter Hinweis auf OVG NW, B.v. 25.2.2013 – 12 A 56/13 – juris Rn. 23 ff.; VG Ansbach, U.v. 5.5.2011 – AN 14 K 10.02588 – juris Rn. 28; VG München, U.v. 27.10.2010 – M 18 K 10.446 – juris Rn. 19; Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 43 Rn. 23), also die räumlichen Verhältnisse als sachliches Eignungskriterium (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII) oder die persönlichen Eignungsvoraussetzungen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII) die Einschränkung der Erlaubnis fordern, um den Schutz der Kinder gewährleisten zu können (OVG NW, B.v. 25.2.2013 – 12 A 56/13 – juris Rn. 27; so wohl auch Nonninger in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 43 Rn. 20; Mörsberger in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 43 Rn. 22).
Die Entscheidung der Behörde unterliegt dabei voller verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Denn ebenso wie bei der grundsätzlichen Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege handelt es sich auch bei der Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis, die (nur) zur Kindertagespflege von weniger als fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern befugt, um eine gebundene Maßnahme, die nicht in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt ist (VG Freiburg, U.v. 16.12.2016 – 4 K 2807/15 – juris Rn. 20 unter Hinweis auf OVG NW, B.v. 25.2.2013 – 12 A 56/13 juris Rn. 2, 11, 29; Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 43 Rn. 23; a.A. Busse in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 43 Rn. 52 ohne nähere Begründung; wohl auch Janda in BeckOGK, Stand 1.9.2020, SGB VIII, § 43 Rn. 79, allerdings fälschlicherweise unter Hinweis – vgl. Fußnote 166 – auf Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek a.a.O. und OVG NW, B.v. 25.2.2013 a.a.O., die von einer gebundenen Entscheidung ausgehen).
Das Gericht ist im Rahmen dieser Beurteilung nicht an fachliche Empfehlungen oder darauf fußende interne Qualitätsstandards des Jugendamts – wie sie hier von der Beklagten in ihrer Stellungnahme zum Widerspruch der Klägerin und auch in ihrer Klageerwiderung ins Feld geführt werden – gebunden. Zwar können fachliche Empfehlungen grundsätzlich nicht nur von der Behörde, sondern auch vom Gericht herangezogen bzw. von diesem zu eigen gemacht werden, um unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen und anzuwenden. Bindungswirkung für die Gerichte kommt ihnen aber – abgesehen davon, dass jedenfalls den von der Beklagten angeführten Dienstanweisungen bzw. Forschungsbefunden, soweit ersichtlich, ohnehin keine eindeutigen Vorgaben zu Raumgröße bzw. Kinderzahl zu entnehmen sind, sondern sich naturgemäß auf eher allgemein gehaltenen Empfehlungen und Erfahrungswerte beschränken – nicht zu (vgl. Janda, BeckOGK, Stand 1.9.2020, SGB VIII, § 43 Rn. 61; VG Freiburg, U.v. 16.12.2016 – 4 K 2807/15 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 27.10.2010 – M 18 K 10.466 – juris Rn. 19).
Die Beklagte hat die Eignung der Klägerin für die Kindertagespflege, insbesondere das Vorhandensein kindgerechter Räumlichkeiten im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII, grundsätzlich bejaht und ihr dementsprechend mit Bescheid vom 28. April 2017 die Erlaubnis zur Kindertagespflege in ihrer Nebenwohnung in der L.-Straße 19 erteilt (Nr. 1 des Bescheids). Die Beklagte ist dabei davon ausgegangen, dass die Räumlichkeiten in der 1-Zimmer-Wohnung jedenfalls für die Betreuung von vier gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern geeignet sind (vgl. Nr. 3 Satz 1 des Bescheids). Ob die Erlaubnis insoweit zu Recht erteilt wurde, ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens und daher vom Gericht auch nicht zu prüfen.
Gleichwohl erlaubt sich das Gericht darauf hinzuweisen, dass jedenfalls die Erteilung der Erlaubnis für vier gleichzeitig anwesende, fremde Kinder „im Alter von 9 Wochen bis 14 Jahren“ wohl auf einem Versehen beruht, da die Räumlichkeiten offensichtlich nicht für diese weite Altersspanne, insbesondere nicht für bereits schulpflichtige Kinder, geeignet sind.
Zu Recht hat die Beklagte angenommen, dass die 1-Zimmer-Wohnung in der L.-Straße 19 nicht zur Betreuung eines weiteren, also von insgesamt bis zu fünf gleichzeitig anwesenden Kindern geeignet ist. Die Klägerin verfügt zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in dieser Wohnung nicht über für die Betreuung eines weiteren – fünften – Kindes erforderlichen kindgerechten Räumlichkeiten im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII.
Entscheidend sind dabei allein die Verhältnisse in der Wohnung in der L.-Straße 19. Auf die Frage, ob sich die räumlichen Verhältnisse in dieser Wohnung besser oder schlechter als in der bisher für die Betreuung genutzten 2-Zimmer-Wohnung in der L.-Straße 21 darstellen, kommt es hingegen nicht an. Liegen die Voraussetzungen für die beantragte Erteilung der Erlaubnis zur Kindertagespflege in der neuen Wohnung vor – sind also die Räumlichkeiten in der neuen Wohnung für die Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern geeignet – besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung bzw. – im vorliegenden Fall – auf die Erweiterung der Erlaubnis. Die Erlaubnis zur Kindertagespflege wird nicht nur bezogen auf die jeweilige Tagespflegeperson, sondern auch bezogen auf die jeweilige Wohnung erteilt. Denn kindgerechte Räumlichkeiten sind eine der im Gesetz ausdrücklich benannten wesentlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis (§ 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII). Mit der Verlegung der Kindertagespflegestelle in die Wohnung in der L.-Straße 19 ist daher die mit Bescheid vom 1. August 2016 für die Wohnung in der L.-Straße 21 erteilte bisherige Erlaubnis – wie von der Beklagten in Nummer 2 des Bescheids vom 28. April 2017 klargestellt – gegenstandslos geworden (vgl. Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 43 Rn. 18). Die von den Beteiligten angestellten Erwägungen zur Verbesserung bzw. Verschlechterung der Situation im Vergleich zu der bisherigen Wohnung vermögen den Anspruch für sich genommen daher weder zu begründen noch stehen sie diesem entgegen. Der zunächst erteilten Erlaubnis zur Kindertagespflege in der bisherigen Wohnung in der L.-Straße 21 kommt insoweit keine Bindungswirkung zu. Da der Beklagten bei der Erteilung der Erlaubnis kein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zusteht (s.o.), kann sie sich auch nicht durch eine frühere Entscheidung – sofern diese überhaupt eine (ständige) Verwaltungspraxis zu begründen vermag – selbst gebunden haben.
Die Räumlichkeiten in der neuen Wohnung in der L.-Straße 19 sind unter Zugrundelegung des für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Betreuungskonzepts für die Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern nicht kindgerecht und daher ungeeignet. Dies steht für das Gericht insbesondere aufgrund des bei der Inaugenscheinnahme durch die beauftragte Richterin gewonnenen Eindrucks und der dabei angefertigten Lichtbilder fest.
Der Begriff „kindgerechte Räumlichkeiten“ erfordert neben einem ausreichenden Raumangebot mit Rückzugsmöglichkeiten und Schlafgelegenheiten Platz für Spielmöglichkeiten, eine anregungsreiche Ausgestaltung, das Vorhandensein geeigneter Spiel- und Beschäftigungsmaterialien, gute hygienische Verhältnisse und die Einhaltung von unfallverhütenden Standards (OVG RhPf, B.v. 15.10.2014 – 7 D 10243/14 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 21.7.2015 – 12 B 606/15 – juris Rn. 18; VG Freiburg, 2.7.2018 – 4 K 5368/17 – juris Rn. 30; Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 43 Rn. 18). Die Größe der Räumlichkeiten allein ist nicht entscheidend; zu berücksichtigen ist vielmehr die konkrete Ausgestaltung. Die Räumlichkeiten müssen keinesfalls einer Wohnung vergleichbar sein, sollten aber gleichwohl über verschiedene, auch in Wohnungen vorhandene Räume – Küche, Bad, Aufenthaltsraum bzw. Spielzimmer, Ruheraum – verfügen (Janda in BeckOGK, Stand 1.9.2020, SGB VIII, § 43 Rn. 62). Zwingend ist dies jedoch nicht. Dementsprechend kann auch eine 1-Zimmer-Wohnung ohne separaten Schlaf- bzw. Rückzugsraum im Einzelfall für die Kindertagespflege geeignet sein, etwa wenn es sich – wie hier – um eine nur mit vergleichsweise wenigen Möbeln ausgestattete Wohnung der Tagespflegeperson handelt. Davon ist auch die Beklagte ausgegangen, die die Wohnung der Klägerin grundsätzlich – nämlich für die Betreuung von bis zu vier gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern – für geeignet hält.
Welche Anforderungen an kindgerechte Räumlichkeiten im Einzelnen und in Bezug auf die Zahl der zu betreuenden Kinder zu stellen sind, ist dabei unter Beachtung des Zwecks der Vorschrift des § 43 SGB VIII zu bestimmen (vgl. VG Freiburg, U.v. 2.7.2018 – 4 K 5368/17 – juris Rn. 30).
§ 43 SGB VIII regelt zur Sicherung von Mindeststandards einen präventiven Erlaubnisvorbehalt für die Tagespflege von Kindern außerhalb des elterlichen Haushalts. Zweck der Regelung des § 43 SGB VIII ist entsprechend der Überschrift des 2. Abschnitts des 3. Kapitels des SGB VIII – ohne dass es insoweit einer ausdrücklichen Erwähnung im Normtext bedarf – der Schutz der Kinder in Tagespflege, also die Gewährleistung des Kindeswohls, die ihrerseits aus dem staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 GG, § 1 Abs. 2 SGB VIII) ihre Legitimation herleitet. Wenn die Erlaubniserteilung aber auf die Einhaltung von Mindeststandards zur Abwehr von Gefährdungen des Kindeswohls ausgerichtet ist und zur Wahrnehmung des staatlichen Wächteramts gehört, zielt sie nicht darauf, die Qualität eines Leistungsangebotes auszubauen. Die Erlaubnis ist Teil der Schutzaufgabe, nicht aber Steuerungsinstrument im Rahmen der Planungsverantwortung (§ 79 SGB VIII) des Jugendamts (OVG NW, B.v. 25.2.2013 – 12 A 56/13 – juris Rn. 3; 7 ff.; BayVGH, B.v. 18.10.2012 – 12 B 12.1048 – juris Rn. 32; Busse in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 43 Rn. 13, 30; wohl auch Nonninger in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 43 Rn. 3). Zweck des § 43 SGB VIII ist es also nicht, eine denkbar optimale Betreuung und Versorgung von Kindern zu gewährleisten; Ziel der Regelung ist vielmehr – und kann es gerade mit Blick auf die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Tagesmütter- und -väter auch nur sein -, eine gefahrenabwehrrechtlich geprägte Mindeststandardsicherung der Kindertagespflege zur Gewährleistung des Kindeswohls sicherzustellen (VG Freiburg, U.v. 2.7.2018 – 4 K 5368/17 – juris Rn. 32 u.a. unter Hinweis auf OVG NW B.v. 25.2.2103 a.a.O. und BayVGH, B.v. 18.10.2012 a.a.O.; Mörsberger in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 43 Rn. 26; Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 43 Rn. 14).
Andererseits wird in der Rechtsprechung auch die Auffassung vertreten, Zielrichtung des § 43 SGB VIII sei es, nicht nur ein Mindestmaß an Schutz zu gewährleisten, sondern darüber hinausgehend qualitative Maßstäbe zu setzen: Mit Blick auf die in § 43 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VIII deutlich erkennbare Zielrichtung des § 43 Abs. 2 SGB VIII, über das Merkmal der Eignung der Tagespflegeperson Qualitätsstandards zu setzen und eine kindgerechte Pflege der zu betreuenden Kinder sicherzustellen, könne sich eine Tagespflegeperson unter anderem nur dann durch ihre Persönlichkeit und Sachkompetenz im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII „auszeichnen“, wenn sie den zu betreuenden Kindern ein in jeder Beziehung kindgerechtes Umfeld zur Verfügung stellt und die Kinder bei der Tagespflege nicht Risiken oder Gefährdungen ausgesetzt werden, die ihrer Entwicklung schaden können (OVG NW, B.v. 2.9.2008 – 12 B 1224/08 – juris Rn. 15; B.v. 21.7.2015 – 12 B 606/15 – juris Rn. 14, dem folgend BayVGH, B.v. 16.1.2015 – 12 C 14.2846 – juris Rn. 16). Dementsprechend könne die Eignung einer Tagespflegeperson auch unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung zu verneinen sein (OVG NW, B.v. 21.7.2015 – 12 B 606/15 – juris Rn. 27; B.v. 11.9.2018 – 12 B 503/18 – juris Rn. 3).
Das erkennende Gericht schließt sich dem insoweit an, als es sich um die Eignung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII handelt. Etliche der genannten Gerichtsentscheidungen haben ohnehin allein bzw. primär die persönliche bzw. charakterliche und nicht die objektbezogene Eignung im Sinne des Vorhandenseins kindgerechter Räumlichkeiten zum Gegenstand (vgl. etwa OVG NW, B.v. 2.9.2008 – 12 B 1224/08 – juris; B.v. 11.9.2018 – 12 B 503/18 – juris; BayVGH, B.v. 16.1.2015 – 12 C 14.2846 – juris). Auch die Begründung für die gegenüber bloßen Mindeststandards bzw. Mindestvoraussetzungen erhöhten Anforderungen an die Eignung, nämlich die aus § 43 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VIII erkennbare Zielrichtung des § 43 Abs. 2 SGB VIII sowie die ausdrückliche Bezugnahme auf die Eignung im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII sprechen dafür, dass im Fokus der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht das Vorhandensein kindgerechter Räumlichkeiten, also die Eignung im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII, sondern die Eignung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII stand. Aus Sicht des erkennenden Gerichts lässt sich der abgestufte Maßstab für die Prüfung der Eignung – strengere Anforderungen an die Feststellung der Eignung im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII und niedrigere Anforderungen im Sinne einer bloßen Mindeststandardsicherung für die Feststellung der Eignung im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII – auch damit begründen, dass sich das Vorhandensein kindgerechter Räumlichkeiten – anders als die persönliche Eignung der Tagespflegeperson – vergleichsweise einfach und ohne vertiefte Fachkenntnisse durch die Eltern der zu betreuenden Kinder selbst feststellen lässt. Anders als die persönliche, insbesondere charakterliche Eignung der Tagespflegeperson tritt die Eignung der Wohnung offen zu Tage und lässt sich schon nach einem ersten Besuch der Eltern in der Tagespflegestelle beurteilen. Bezogen auf die Eignung im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII kann und muss also – grundrechtlich betrachtet – das Wächteramt des Staates (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) – jedenfalls jenseits der Schwelle der Kindswohlgefährdung – hinter dem grundrechtlich geschützten Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), also dem Recht der Eltern, selbst zu entscheiden, ob und in welcher Form das eigene Kind fremdbetreut werden soll, zurücktreten. Dies gilt umso mehr, als die Frage der kindgerechten Räumlichkeiten vielfach von den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Kindes abhängig sein wird. Ob etwa ein Kind in der Lage ist, auch auf relativ engem Raum in Anwesenheit mehrerer – bis zu fünf – anderer Kinder zur Ruhe zu kommen und in den Schlaf zu finden, hängt stark vom individuellen, in der Regel von den Eltern des betroffenen Kindes ohne weiteres feststellbaren Ruhebedürfnis ab. Entsprechendes gilt für die Fähigkeit des Kindes, sich auch auf engem Raum umgeben von anderen Kindern im Spiel entfalten und mit der Anwesenheit anderer Kinder – und dem damit einhergehenden Lärmpegel und auftretenden Konfliktsituationen – umgehen zu können, ohne in seiner Entwicklung beeinträchtigt zu werden.
Anders als die Beklagte meint, kann daher das Vorhandensein kindgerechter Räumlichkeiten für die Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern nicht allein unter Hinweis auf ihre internen Qualitätsstandards verneint werden. Zwar mag das Vorhandensein großzügig bemessener Räume, die den Kindern auf der einen Seite Rückzug und Ruhe ermöglichen und damit dem Auftreten von Stresssituationen vorbeugen, und auf der anderen Seite ungestörtes Spiel erlauben, pädagogisch sinnvoll und wünschenswert sein. Die von der Beklagten angeführten entsprechenden Forschungsbefunde und entsprechenden frühpädagogischen Erfahrungen sollen daher keinesfalls in Zweifel gezogen werden. Wie bereits dargestellt, geht es bei der Erlaubnis nach § 43 Abs. 2 SGB VIII aber gerade nicht um optimale Bedingungen. Solange die Mindestanforderungen an kindgerechte Räumlichkeiten im Verhältnis zu der beantragten Zahl der zu betreuenden Kinder eingehalten sind und keine Anhaltspunkte für eine Kindswohlgefährdung bestehen, ist aus Sicht des Gerichts kein hinreichender sachlicher Grund gegeben, das Vorhandensein kindgerechter Räumlichkeiten im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zu verneinen und die Erlaubnis für die beantragte Kinderzahl zu versagen.
An der Einhaltung dieser Mindestanforderungen fehlt es hier jedoch. Denn die Küche der Klägerin bzw. deren konkrete Ausstattung erfüllt zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht die für die Betreuung von fünf gleichzeitig anwesenden Kindern erforderlichen Sicherheitsanforderungen. An dem in der Küche befindlichen klappbaren Konstruktion aus Tisch und zwei Bänken finden vier Kinder (noch) ausreichend Platz. Das von der Klägerin beantragte fünfte Kind müsste – so die eigenen Angaben der Klägerin – am Kopfende auf einem eigenen Kinderstuhl oder, falls es noch nicht frei sitzen kann, in einem K. Platz nehmen. Für die Klägerin selbst bliebe dann nur noch auf einem weiteren Stuhl oder Hocker gleichsam in „zweiter Reihe“ Platz. Steht aber am Kopfende des Tisches für das fünfte Kind ein Kinderstuhl, verbleibt nur noch ein knapp 30 cm breiter Durchgang zwischen Stuhl und Arbeitsfläche an der Fensterseite. Aus Sicht des Gerichts ist daher nicht ausreichend sichergestellt, dass die Klägerin jederzeit und ohne Umstände jedes der fünf Kinder erreichen kann, wenn es Hilfe benötigt, etwa, weil es sich verschluckt hat oder ins Fallen gerät. Dies ist jedoch bei Kindern im Alter zwischen ein und drei Jahren – wie sie von der Klägerin betreut werden – zwingend erforderlich.
Ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme, weist das Gericht angesichts der hierzu vertretenen unterschiedlichen Auffassung der Beteiligten darauf hin, dass der Hauptbetreuungsraum – isoliert betrachtet – jedenfalls im Hinblick auf dessen Eignung als Ruhe- und Rückzugsraum gerade noch als kindgerecht für die Betreuung von bis zu fünf fremden Kindern anzusehen sein dürfte, jedenfalls sofern das dort aufgestellte Schrankbett dauerhaft entfernt und die für den Mittagsschlaf der Kinder vorgesehenen fünf Matratzen auf dem Boden des Hauptbetreuungsraums und nicht – wie von der Klägerin offenbar für eines der Kinder beabsichtigt – auf der Couch ausgelegt werden. Aufgrund der Augenscheinnahme steht fest, dass auf dem Boden des Hauptbetreuungsraums grundsätzlich fünf Kindermatratzen nebeneinander Platz finden, wenn sie quer zu der ca. 4m langen Wand zwischen Couch und Fenster aufgereiht werden. Zwar wird dann nicht mehr zwischen jeder Matratze ein kleines Möbelstück als Raumteiler aufgestellt werden können, um den Kindern das Einschlafen zu erleichtern. Aus Sicht des Gerichts folgt daraus jedoch noch keine Gefährdung des Kindeswohls, die die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen würde. Vielmehr kann und muss es insoweit den Eltern der zu betreuenden Kindern überlassen werden, zu entscheiden, ob eine solche Situation dem Schlafbedürfnis ihrer Kinder gerecht wird oder nicht. Die von der Beklagten ins Feld geführten Situationen der Eingewöhnung oder Erkrankung eines Kindes stehen dem nicht entgegen. Denn sowohl bei der Eingewöhnung eines neuen Kinders und der damit einhergehenden vorübergehenden Anwesenheit eines weiteren Erwachsenen als auch der Erkrankung eines Kindes handelt es sich um Ausnahmesituationen, die nicht zum Maßstab der Eignungsprüfung gemacht werden dürfen. Zudem hat die Klägerin insoweit überzeugend dargelegt, dass sich insbesondere dem Ruhebedürfnis eines einzelnen Kindes, sei es aufgrund einer plötzlich auftretenden Erkrankung, sei es im Rahmen der üblichen Schwankungen des Schlafbedarfs auch dadurch begegnen lässt, dass dem Kind unter Aufsicht der Klägerin auf der im Hauptbetreuungsraum stehenden Schlafcouch ein Ruhe- und Rückzugsbereich geschaffen wird. Daneben besteht die – unter dem Aspekt der Schaffung eines sicheren Schlaf- bzw. Ruheplatzes wohl vorzugswürdige – Möglichkeit, für das betroffene Kind auf dem Boden eine einzelne Kindermatratze auszulegen und mit einem kleinen Möbelstück vom Spielbereich der übrigen Kinder so abzuschirmen, dass dem Kind die nötige Ruhe ermöglicht wird.
Das Gericht lässt aber ausdrücklich offen, ob es hinsichtlich der Eignung des Hauptbetreuungsraums als Ruheraum auch dann noch zu der gleichen Einschätzung käme, wenn das Mittagessen künftig nicht mehr in der Küche, sondern – wie in der mündlichen Verhandlung angekündigt – ebenfalls in dem Hauptbetreuungsraum stattfinden sollte. Ohne Konkretisierung dieses neuen Konzepts, insbesondere einer detaillierten Darlegung, wie der täglich vorzunehmende Umbau vom Spielzum Esszimmer und anschließend zum Schlafraum von statten gehen soll, lässt sich die Eignung nicht beurteilen.
2. Die Klägerin hat hingegen einen Anspruch darauf, dass die bereits erteilte Erlaubnis zur Kindertagespflege dahingehend erweitert wird, dass sie insgesamt (höchstens) acht – und nicht nur vier – Pflegeverhältnisse eingehen darf. Sie hat mithin einen Anspruch darauf, alle vier Tagesplätze als sog. Sharing-Plätze auszugestalten.
Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VIIII regelt das Nähere Landesrecht. Von dieser Ermächtigung hat der Bayerische Landesgesetzgeber insoweit Gebrauch gemacht, als er in Art. 9 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzes – BayKiBiG – bestimmt hat, dass eine Tagespflegeperson im Rahmen der Pflegeerlaubnis nach § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII insgesamt höchstens acht Pflegeverhältnisse eingehen darf.
Bei mehr als acht Pflegeerlaubnissen ist davon auszugehen, dass eine hinreichend individuelle Bildungs- und Erziehungsarbeit in aller Regel nicht mehr möglich ist. Die übliche Arbeitszeit reicht nicht für Vor- und Nachbereitung, Protokollierung der Beobachtung, Auswertung der Beobachtungsbögen, Erstellung eines individuellen Förderplans, Elternarbeit, Fortbildung (Dunkl/Eirich, BayKiBiG, Kommentar, 4. Aufl. 2015, Art. 9 Anm. 3.3.2).
Eine Beschränkung der Erlaubnis auf eine geringe Zahl von Pflegeverhältnissen ist – anders als in § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII für die Zahl der zu betreuenden Kinder – im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Unabhängig von der Frage, ob für die Beschränkung der Anzahl der Pflegeverhältnisse überhaupt eine Rechtsgrundlage besteht, kann eine derartige Beschränkung der Erlaubnis zur Kindertagespflege im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit der Tagespflegeperson allenfalls dann zulässig sein, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht, wenn also schon bei acht Pflegeverhältnissen die Qualität der Bildung und Erziehung leiden würde (Dunkl/Eirich a.a.O. Art. 9 Anm. 3.3.4). Insoweit kann letztlich nichts anderes gelten als für die Begrenzung der Zahl der gleichzeitig anwesenden, fremden Kinder in § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII. Dementsprechend handelt es sich – ebenso wie bei der Begrenzung der Zahl der zu betreuenden Kinder gemäß § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII – um eine gebundene Entscheidung. Ein Ermessensspielraum – wie von der Regierung von Oberbayern im Widerspruchsbescheid vom 3. November 2017 auch insoweit angenommen – kommt dem Jugendamt nicht zu.
Die Beschränkung der Erlaubnis auf vier Pflegeverhältnisse in Nummer 4 des Bescheids vom 28. April 2017 ist zwar nicht schon deshalb (formell) rechtswidrig, weil sie von der Beklagten zunächst nicht begründet wurde. Denn die gemäß § 35 SGB X erforderliche Begründung ist im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X nachgeholt worden.
Allerdings ist die Beschränkung der Erlaubnis auf vier Pflegeverhältnisse – mithin die Versagung jeglicher Sharing-Plätze – sachlich nicht gerechtfertigt und daher materiell rechtswidrig. Es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass die Qualität der Bildung und Erziehung mit der Zulassung von bis zu vier Sharing-Plätzen leiden würde. Es ist weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin nicht imstande wäre, den mit den Sharing-Plätzen verbundenen Mehraufwand an Verwaltungsarbeit – insbesondere die Vor- und Nachbereitung der eigentlichen Tagespflege – zu leisten. Die von der Beklagten im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Gründe beschränken sich auf die Problematik des auch ohne Sharing-Plätze schon knappen Raumangebots in der 1-Zimmer-Wohnung, das sich aus ihrer Sicht noch verschärfen würde, wenn Stauraum für die Unterbringung der persönlichen Gegenstände für (drei) weitere Tageskinder benötigt würde. Im Ergebnis bestreitet die Beklagte damit wiederum das Vorhandensein kindgerechter Räumlichkeiten für die beantragte Kinderzahl und nicht die persönliche Eignung der Klägerin zur Handhabung von Sharing-Plätzen. Der durchgeführte Augenschein hat jedoch ergeben, dass sich nicht nur im Flur noch Stauraum befindet, sondern auch im Hauptbetreuungsraum noch Stauflächen geschaffen werden können, indem bisher dort aufbewahrte, für die Kinderbetreuung nicht benötigte Gegenstände im Keller oder der Hauptwohnung der Klägerin gelagert werden. Diese Stauflächen dürften ausreichen, um den durch die Sharing-Plätze entstehenden Platzbedarf insbesondere für zusätzliche (Wechsel-)Wäsche, Windeln und sonstige persönliche Gegenstände der Kinder zu decken. Zusätzliches Essgeschirr wird problemlos in der Küche gelagert werden können. Mehr als vier Matratzen müssen in der Wohnung nicht untergebracht werden können, da ohnehin nur vier Kinder gleichzeitig in der Wohnung anwesend sein dürfen und nicht jedes der – theoretisch – insgesamt acht Kinder eine eigene Matratze benötigt. Die Nutzung einer Matratze durch mehrere Kinder ist – jedenfalls bei Verwendung eigener Bettwäsche – unter hygienischen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden und auch in anderen Bereichen – etwa Ferienwohnungen und Hotels – üblich. Gegen die vom Gesetzgeber grundsätzlich als zulässig erachtete Aufnahme von bis zu acht (nicht gleichzeitig anwesenden) Tageskindern bestehen daher im vorliegenden Fall keine durchgreifenden Bedenken, zumal die Klägerin in der Vergangenheit ohnehin erst einmal einen S2. Platz vergeben und daran auch kein primäres Interesse hat. Es bleibt damit beim Anspruch der Klägerin aus § 43 Abs. 5 SGB VIII i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayKiBiG auf Erteilung einer Erlaubnis, die sie berechtigt, insgesamt (höchstens) acht Pflegeverhältnisse einzugehen.
Die Beklagte war daher zu verpflichten, den Bescheid vom 28. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2017 im tenorierten Umfang zu ändern. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin für notwendig zu erklären.
Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts ist anhand des Einzelfalls unter der Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Notwendig ist die Zuziehung dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (Schübel-Pfister, Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 29). Dies ist für den vorliegenden Fall zu bejahen, da er – wie die Urteilsgründe zeigen – durchaus umfangreiche und komplexe Sach- und Rechtsfragen aufwirft und für die nicht rechtskundige Klägerin angesichts der Einschränkung ihrer Berufsfreiheit von großer Bedeutung ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils und die Abwendungsbefugnis haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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