Familienrecht

Übernahme der Ergänzungspflegschaft

Aktenzeichen  51 F 1490/10 (2)

Datum:
12.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50372
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Erlangen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII § 27, § 87c Abs. 3
BGB § 1791b, § 1887, § 1915
FamFG § 38 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

Die Übernehme der Pflegschaft durch ein anderes Jugendamt ist erforderlich, wenn dies dem Wohl des Kindes dient, weil ein ortsnahes Jugendamt seine Interessen künftig besser wahrnehmen kann.     (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Landratsamt Erlangen-Höchstadt – Amt für Kinder, Jugend und Familie – wird auf eigenen Antrag als Pfleger mit dem Aufgabenkreis: „Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vertretung gegenüber Schulen, Kindergärten und therapeutischen Einrichtungen sowie Recht zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen nach SGB VIII“ entlassen.
2. Zum neuen Pfleger wird das Stadtjugendamt Nürnberg bestellt.
3. Der Antrag der früheren Pflegeeltern … vom 02.09.2015 bzw. 07.09.2017/18.01.2018 auf Übertragung der Pflegschaft wird zurückgewiesen.

Gründe

Mit Beschluss vom 14.04.2009 entzog das Amtsgericht Fürth – Familiengericht – der Mutter des Kindes … vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, zur Regelung der ärztlichen Versorgung, zur Zuführung zu medizinischen Behandlungen sowie das Recht zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen nach §§ 27 ff SGB VIII. Diesbezüglich wurde Pflegschaft angeordnet und das Kreisjugendamt Fürth als Pfleger bestellt.
Am 15.05.2009 wurde Deniz vom Kreisjugendamt Fürth in Obhut genommen und in eine Bereitschaftspflegestelle gebracht.
Durch Beschluss vom 16.09.2009 des Amtsgerichtes Fürth – Familiengericht – wurde der Kindsmutter dauerhaft das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, der Gesundheitsfürsorge, der Vertretung gegenüber Schulen, Kindergärten und therapeutischen Einrichtungen sowie das Recht zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen nach SGB III für das Kind Deniz entzogen. Soweit der Kindesmutter Rechte entzogen wurden, wurde Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Kreisjugendamt Fürth zum Ergänzungspfleger bestellt.
Deniz wechselte zum 30.10.2009 von der Bereitschaftspflegestelle zu den Eheleuten … nach Herzogenaurach in Vollzeitpflege.
Das Amtsgericht Fürth – Familiengericht hat mit Beschluss vom 07.09.2010 das Kreisjugendamt Fürth als bisherigen Ergänzungspfleger entlassen und bestellte das Kreisjugendamt Erlangen-Höchstadt zum Ergänzungspfleger. Desweiteren wurde das Pflegschaftsverfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Weiterführung an das zur Übernahme bereite Amtsgericht Erlangen – Familiengericht abgegeben, da Deniz seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei der Familie … in Herzogenaurach hatte.
Mit Schreiben vom 19.09.2016 teilte der bestellte Ergänzungspfleger, das Kreisjugendamt Erlangen-Höchstadt mit, dass das Pflegeverhältnis von … bei der Familie … in Herzogenaurach am 15.01.2016 beendet wurde. Deniz wurde zunächst in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht und hat seit 17.05.2016 seinen Aufenthalt im ….
Im Verfahren 4 F 293/16 wurde durch Beschluss des Amtsgerichtes Erlangen – Familiengericht vom 10.02.2017 der Antrag der früheren Pflegeeltern … auf Rückführung von Deniz in den Haushalt der Eheleute … zurückgewiesen. Im darauf folgenden Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Nürnberg 11 UF 303/17 wurde am 11.07.2017 eine Vereinbarung, getroffen, in welcher u.a. festgehalten wurde, dass sich die Beteiligten darüber einig sind, dass das betroffene Kind seinen Aufenthalt weiter im Martin – Luther – Haus behält und nicht zu den Eheleuten … zurückgeführt wird.
Der anwaltliche Vertreter der Eheleute … führt mit Schreiben vom 18.01.2018 aus, dass diese Vereinbarung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg unter „Druck“ geschlossen wurde und für die „Folgegerichte“ nicht bindend sei.
Der Antrag der Eheleute … auf Übertragung der Pflegschaft vom 02.09.2015 wurde zunächst im Einverständnis aller Beteiligten ruhend gestellt und nach der vor dem Oberlandesgericht Nürnberg im Beschwerdeverfahren getroffenen Vereinbarung durch die anwaltlichen Vertreter der Eheleute Hertel wieder aufgenommen.
Das Kreisjugendamt Erlangen-Höchstadt hat mit Schreiben vom 20.12.2017 einen Antrag auf Entlassung als Pfleger und Bestellung des Stadtjugendamtes Nürnberg zum Pfleger gestellt. Am 08.03.2018 erklärte das Stadtjugendamt Nürnberg gegenüber dem Kreisjugendamt Erlangen-Höchstadt die Bereitschaft zur Übernahme der Pflegschaft für Deniz.
Der eingesetzte Verfahrensbeistand Frau Rechtsanwältin … hat mit Schreiben vom 06.03.2018 angeregt, dem Antrag des Kreisjugendamtes Erlangen-Höchstadt auf Entlassung und Bestellung des Stadtjugendamtes Nürnberg zum neuen Ergänzungspfleger zu entsprechen.
Gem. §§ 1915, 1887 BGB war das Kreisjugendamt Erlangen-Höchstadt als Pfleger zu entlassen und das Stadtjugendamt Nürnberg zum neuen Pfleger zu bestellen, da dies dem Wohl des, Kindes Deniz dient. Zum einen befindet sich Deniz seit 17.05.2016 im Martin-Luther-Haus in Nürnberg, so dass grundsätzlich nun davon auszugehen ist, dass ein ortsnahes Jugendamt seine Interessen künftig besser wahrnehmen kann. Diesem Umstand trägt auch die Vorschrift des § 87 c Absatz III SGB VIII Rechnung. Desweiteren ist das Verhältnis zwischen den früheren Pflegeeltern, die regelmäßigen Umgang mit Deniz haben, und den Sachbearbeitern des Kreisjugendamtes Erlangen-Höchstadt tiefgreifend gestört und belastet. Es entspricht dem Wohle von Deniz, wenn künftig das Stadtjugendamt Nürnberg und hiermit neue neutrale Sachbearbeiter die Aufgabenkreise der Ergänzungspflegschaft wahrnehmen.
Die Übertragung der Ergänzungspflegschaft auf die früheren Pflegeeltern, die Eheleute … kam nicht in Betracht. Zwar ist gem. §§ 1915, 1791 b BGB grundsätzlich vom Vorrang ehrenamtlicher Einzelpersonen auszugehen, aufgrund der in den Gründen bereits chronologisch geschilderten Vorgänge, entspricht eine Übertragung der Pflegschaft auf die Eheleute … jedoch nicht dem Wohle von Deniz. Der dauerhafte Aufenthalt des Kindes seit dessen Herausnahme aus der Pflegefamilie am 15.01.2016 war äußerst strittig und wurde durch die getroffene Vereinbarung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg am 11.07.2017 abschließend geregelt. Wie aus den Schriftsätzen des anwaltlichen Vertreters der Eheleute … ersichtlich, wird diese Vereinbarung trotzdem nunmehr angezweifelt und es wurde eine forensische Stellungnahme vom 15.12.2017 zum Gutachten des in den familiengerichtlichen Verfahren zur Verbleibensanordnung verwendeten Gutachtens von Fr. Diplom-Psychologin … vorgelegt. Diese forensische Stellungnahme kommt zum Ergebnis, dass das Gutachten von Fr. … nicht verwertbar sein soll.
Bei dieser Sachlage war die Bestellung des Stadtjugendamtes Nürnberg als neutrale, sachkundige Behörde zur Wahrnehmung der Aufgabenkreise der Ergänzungspflegschaft erforderlich.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben