Familienrecht

unerlaubter Auftritt eines Kindes in einer kommerziellen Bühnenshow

Aktenzeichen  3 OWi 2306 Js 8551/20

Datum:
12.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1702
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Haßfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
JArbSchG § 2 Abs. 1, Abs. 3, § 5 Abs.1, Abs. 2, § 58 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

Lässt ein Vater als Leiter einer Familienshow (Angelo Kelly) im Rahmen eines kommerziellen Bühnenauftritts seinen vier Jahre alten Sohn nach 19.00 bzw. 20.00 Uhr etwa eine  halbe Stunde lang als Protagonisten mit einer Kindergitarre auftreten und singen,handelt er als Arbeitgeber i. S. des Jugendarbeitsschutz-gesetzes, der das Kind unerlaubt beschäftigt und somit eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. (Rn. 1 und 14 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Von der Zuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wurde gem. § 226 Abs. 2 StPO abgesehen.
1. Der Betroffene ist schuldig als Arbeitgeber vorsätzlich in verbotener Weise ein Kind beschäftigt zu haben,
2. Er wird deswegen zu einer Geldbuße von 3.000 € verurteilt.
3. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 58 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Jugendarbeitsschutzgesetz

Gründe

A.

B.
Im Rahmen der kommerziellen „…-Tour 2019“ trat der Betroffene mit seiner Interpretengruppe am 26.07.2019 in Eb. auf Schloss Ey. vor einem großen Publikum auf. Der Betroffene ist leitende Person der Interpretengruppe. Das Konzert begann gegen 20:00 Uhr, frühestens jedoch um 19:00 Uhr. Hierbei wirkte der damals vierjährige Sohn W… K… (geb. …) des Betroffenen für einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten, der jedenfalls nach Konzertbeginn lag, auf der Bühne mit. Hierbei sang der Bub ein Lied in ein eigens für ihn aufgestelltes Mikrofon und bespielte zumindest phasenweise eine Kindergitarre. Bei dem von dem Sohn W… gesungenen Lied in englischer Sprache war der Sohn W… des Betroffenen der Protagonist. Das Konzert verlief dergestalt, dass bei Konzertbeginn zunächst der Betroffene alleine – mit Ausnahme der angestellten Musiker – die Bühne betrat und zehn bis 15 Minuten sang, bis die ganze Familie des Betroffenen die Bühne betrat; auch der Sohn W… zählte zu diesen Personen. Gegen Ende des Abschnitts vor der Konzertpause kündigte der Betroffene dem Publikum an, der Sohn W… müsse nun gleich zu Bett gehen.
C.
I. Die Feststellung zu seinen persönlichen Verhältnissen beruht auf den Angaben des Verteidigers in der Hauptverhandlung, der sich dabei insbesondere auf den Schriftsatz vom 27.01.2021 (Bl. 127 ff. d.A.) bezog. Überdies sind die Grundzüge der Familienverhältnisse des Betroffenen, insbesondere dass der Betroffene der Vater des Kindes W…, aufgrund diverser Sendungen aus dem Privatfernsehen gerichtsbekannt.
II. Die Feststellung zur Tat beruht auf der mittels Rechtsanwalt A., der in der Hauptverhandlung auch für RA S1. in Untervollmacht auftrat, abgegebenen Einlassung des Betroffenen, auf der uneidlichen Einvernahme des Zeugen … und auf der Inaugenscheinnahme diverser in der Akte befindlichen Lichtbilder, sowie einer kurzen Videosequenz.
1. Der Rechtsanwalt A. teilte mit, der Sohn W… K… des Betroffenen sei am … geboren. Überdies machte der Verteidiger den Schriftsatz vom 27.01.2021 (Bl. 127 ff. d.A.) zum Gegenstand der vermittelten Einlassung des Betroffenen. Darin ließ der Betroffene (Seite 5) einräumen, dass der Sohn W… K… bei der Bühnendarbietung in Ebern mitgewirkt hat, auch wenn der konkrete Zeitraum dabei nicht definiert wird.
Das Gericht hat keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt der vorbezeichneten Angaben zu zweifeln.
2. Der Zeuge … machte auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck und machte glaubhafte Angaben. Der Zeuge war als Journalist beim Konzert zugegen. Er schilderte den von ihm wahrgenommenen Konzertablauf ruhig und sachlich, ohne den Eindruck von Belastungseifer zu erwecken. An einigen Stellen war sich der Zeuge nicht mehr im Detail sicher und legte dies gegenüber dem Gericht offen.
Der Zeuge berichtete, dass der Sohn W… nach ca. zehn bis 15 Minuten zusammen mit seiner Mutter und den anderen Geschwistern die Bühne betreten habe, nachdem der Betroffene zunächst alleine auf der Bühne gewesen sei. Der Bub habe neben seiner Anwesenheit von ca. 45 Minuten auf einer Kindergitarre jedenfalls augenscheinlich mitmusiziert und ein Lied auf Englisch gesungen, bei dem das Kind ersichtlich die Hauptperson gewesen sei. Vor der Pause habe der Betroffene darauf hingewiesen, dass das Kind W… sogleich ins Bett gehen müsse. Das Konzert habe um 20:00 Uhr, ggf. um 21:00 Uhr, keinesfalls aber vor 19:00 Uhr begonnen. Ob sich das Kind zwischenzeitlich kurz von der Bühne entfernt habe, konnte der Zeuge nicht sicher berichten.
Das Gericht ist sich bewusst, dass der Zeuge keine Angaben darüber machte, dass sich der Bub durchgehend auf der Bühne befand, weshalb das Gericht auch nur von einer Anwesenheit von mindestens 30 Minuten ausgeht. Aus dem Umstand, dass der Betroffene das Verlassen des Sohnes von der Bühne ankündigte, schließt das Gericht, dass das Kind jedenfalls für mindestens 30 Minuten durchgehend auf der Bühne war und nicht etwa immer wieder auf die Bühne kam.
3. Das Gericht hat zudem die im Protokoll bezeichneten Lichtbilder und den Videofilm in Augenschein genommen. Das in der Akte befindliche Video zeigt in einem kurzen Ausschnitt den Auftritt des Kindes.
Auf dem Bildmaterial ist in die Umgebung des Schlosses Ey. und das Kind W… des Betroffenen zu sehen. Das Kind W… spielt auf dem Bildmaterial augenscheinlich Gitarre und singt augenscheinlich in ein eigens für ihn aufgestelltes Mikrofon.
4. Deshalb war auch der in der Hauptverhandlung gestellte Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen … gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abzulehnen. Das Gericht hielt den Sachverhalt aufgrund der bis dahin durchgeführten Beweisaufnahme für vollumfänglich geklärt, nachdem es sich eigentlich um einen trivialen Vorgang (Kind spielt Gitarre und singt auf einer Bühne) handelt. Der benannte Zeuge … war ebenfalls als Journalist bei dem Konzert zugegen. Es ist damit äußerst fernliegend, dass der Zeuge … völlig anderslautende Angaben wie der Zeuge … gemacht hätte. Eine weitere Beweisaufnahme durch Einvernahme des Zeugen … war damit zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich.
D.
Damit hat sich der Betroffene der vorsätzlichen verbotenen Beschäftigung eines Kindes schuldig gemacht, §§ 58 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Jugendarbeitsschutzgesetz.
I. Ein Strafklageverbrauch infolge einer (möglichen) gerichtlichen Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG in einem anderen Verfahren bezüglich eines anderen Auftritts der Tour liegt nicht vor, da jeder Auftritt für sich eine eigene prozessuale Tat darstellt.
II.
1. Der Sohn W… war zum Zeitpunkt des Auftritts vier Jahre alt und damit ein Kind i.S.d. § 2 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz.
2. Das Kind ging durch seine Tätigkeit auf der Bühne einer Beschäftigung i.S.d. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Jugendarbeitsschutzgesetz nach.
Beschäftigung ist hierbei die tatsächliche Inanspruchnahme einer Person durch eine andere ohne Rücksicht auf die Rechtsform (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Schlachter, 21. Auflage 2021, § 1 JArbSchG Rn. 4), die für einen anderen in einem Abhängigkeitsverhältnis erbracht wird (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Schlachter, 21. Auflage 2021, § 1 JArbSchG Rn. 5).
a. Indem das Kind für die Interpretengruppe seines Vaters, des Betroffenen, auftrat, wurde er tatsächlich in Anspruch genommen, nämlich als musikalischer Darsteller.
b. Das Kind steht zu dem Betroffenen aufgrund der bestehenden Personensorge des Vaters in einem Abhängigkeitsverhältnis.
c. Dass der Auftritt dem Kind Spaß macht bzw. das Kind nicht auf die Bühne gezwungen wird, spielt insoweit keine Rolle.
d. Eine Bereichsausnahme des § 1 JArbSchG liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere stellt die Mitwirkung bei einem Konzert im Rahmen einer kommerziellen Tour eines Profimusikers keine geringfügige Hilfeleistung dar. Dies mag bei anderen Konzerten der Fall gewesen sein, liegt jedoch bei der Darbietung eines Liedes als Protagonist keinesfalls vor. Im Übrigen wird mit einer Bühnenpräsenz von 30 Minuten der Bereich der Geringfügigkeit deutlich verlassen.
Die Bühne kann auch nicht als Familienhaushalt begriffen werden, zumal die Konzerttour kommerziellen Charakter hat.
Es liegt auch keine nicht ausdrücklich geregelte Bereichsausnahme (vgl. Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Taubert, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 1 JArbSchG Rn. 26 ff.), welche in der Literatur nicht immer klar vom Arbeitgeberbegriff abgegrenzt wird, vor. Hierunter fielen etwa Betätigungen in Spiel und Sport im Rahmen eines Hobbys (etwa: Faschingsaufführung) oder religiöse Betätigungen (etwa: Ministrant). Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben.
3. Der Betroffene ist Arbeitgeber i.S.d. § 3 JArbSchG.
Hierbei ist eine funktionale Betrachtungsweise heranzuziehen (Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Taubert, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 3 JArbSchG Rn. 2 ff.). Als Vater des Kindes und gleichzeitiger Leiter der Interpretengruppe, deren Reise sich das Kind aufgrund des elterlichen Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht entziehen kann, hat der Betroffene gegenüber dem Kind W… eine arbeitgeberähnliche Weisungsbefugnis inne. Der Betroffene übt gegenüber dem Kind … gem. § 1626 BGB die elterliche Sorge aus.
Anders läge es etwa bei einem Chorleiter eines gemeinnützigen Kirchenchors, dem keine solchen Weisungsrechte zukommen.
4. Eine behördliche Ausnahmegenehmigung gem. § 6 JArbSchG liegt für den maßgeblichen Zeitraum nicht vor und kann auch nicht für Kinder unter sieben Jahre für die Zeit nach 17:00 Uhr bewilligt werden.
5. Der Betroffene handelte vorsätzlich, weil er um alle Umstände wusste.
III. Ein strafbares Verhalten gem. § 58 Abs. 5 Satz 2 JuArbSchG wegen beharrlichem Verstoß gegen die vorbezeichnete Ordnungsvorschrift ist in diesem Verfahren noch nicht erfüllt.
Es stand zwar im Raum, dass der Betroffene auch bei anderen Gelegenheiten sein Kind W… auf der Bühne beschäftigte, jedoch kann von einer Beharrlichkeit aus Rechtsgründen erst ausgegangen werden, wenn der Täter mindestens eine einschlägige Gerichtsentscheidung gegen sich kennt, die ihm sein Fehlverhalten vor Augen hält. Eine solche Gerichtsentscheidung ist dem Gericht nicht bekannt. Auch die Staatsanwaltschaft hat den vorliegenden Sachverhalt nicht als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit behandelt. Wie dies im Falle künftiger Verstöße zu beurteilen wäre, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
E.
Das Gericht hält innerhalb des Bußgeldrahmens des § 58 Abs. 4 JArbSchG eine Geldbuße von 3.000 € für tat- und schuldangemessen.
Es handelt sich um einen Verstoß gegen die vorbezeichneten Normen, der nicht mehr im unteren Bereich anzusiedeln ist. Das Gericht berücksichtigt dabei, dass das Kind Mitglied einer Musikerfamilie ist. Es fällt jedoch ins Gewicht, dass es sich um ein größeres Publikum handelte und der Betroffene das Kind als Zugpferd eines kommerziellen Auftritts im Rahmen einer Tour beanspruchte. Gerade die Erwartung der Fans, im Rahmen der Tour eine „Family“ zu sehen, steigert den Erfolg der Veranstaltung. Unbeholfen wirkende kleine Kinder erscheinen auf die Zuschauer „putzig“ und ergreifend. Das Kind fungiert quasi als Zuschauermagnet. Diese Umstände machte sich der Betroffene zu Nutze.
Zugunsten des Betroffenen hat das Gericht zudem die medienpädagogische Einschätzung vom 07.07.2019, die der Betroffene vorlegte, berücksichtigt. Diese spricht sich dafür aus, dass durch die Anwesenheit des Kindes W… auf der Bühne eine „[…] potentielle Überforderung durch W…“ Mitwirkung an musikalischen Auftritten mit seiner Familie […] als sehr gering anzusehen […] ist und eine „[…] potentielle Gefährdung […] faktisch ausgeschlossen […] werden […]“ kann.
F.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 Satz 2 StPO.


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