Aktenzeichen III R 4/12
Leitsatz
NV: Der Kindergeldanspruch eines in Deutschland wohnhaften polnischen Staatsangehörigen für sein in Polen im Haushalt des geschiedenen Elternteils lebenden Kindes kann nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 durch den vorrangigen Kindergeldanspruch des anderen Elternteils verdrängt werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 28. April 2016 III R 68/13) .
Verfahrensgang
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 8. Dezember 2011, Az: 16 K 291/11, Urteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 8. Dezember 2011 16 K 291/11 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger, wohnt seit 2005 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und übt hier eine unselbständige, sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aus. Er ist der Vater eines im Juni 1995 geborenen Sohnes (S).
2
Die nicht erwerbstätige Kindsmutter, von der der Kläger seit 2006 geschieden ist, wohnt mit S in Polen. Ein Anspruch auf polnisches Kindergeld bestand nicht.
3
Mit Bescheid vom 9. März 2011 hob die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Mai 2010 auf. Zur Begründung machte sie geltend, dass die Kindsmutter das Kind in ihren Haushalt aufgenommen und deshalb einen vorrangigen Anspruch auf Kindergeld (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG) habe. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 12. August 2011).
4
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 849 veröffentlichten Urteil statt und hob den Aufhebungsbescheid vom 9. März 2011 auf.
5
Mit der Revision rügt die Familienkasse die sich aus einer unzutreffenden Auslegung des § 64 EStG ergebende Verletzung materiellen Rechts.
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Die Familienkasse beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
8
Mit Beschluss vom 26. November 2014 hat der Senat das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das bei ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen C-378/14 zum Ruhen gebracht. Der EuGH hat mit Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2015, 1190) über die Vorlagefragen entschieden.