Familienrecht

Wirkungen der fehlenden Anerkennung einer internationalen Adoption

Aktenzeichen  9 UF 642/20

Datum:
3.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2020, 1378
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AdWirkG § 2
BGB § 1773
FamFG § 108, § 109
HAdoptÜ Art. 23, Art. 24

 

Leitsatz

1. Der Feststellungsbeschluss nach § 2 AdWirkG hat deklaratorische Wirkung. (Rn. 13)
2. Die fehlende Anerkennung einer internationalen Adoption nach dem Adoptionswirkungsgesetz stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Anordnung von Vormundschaft für ein minderjähriges Kind dar. (Rn. 13)

Verfahrensgang

205 F 598/20 2020-06-04 Bes AGFUERTH AG Fürth

Tenor

I.Auf die Beschwerde der Beteiligten … D. und … K. wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Fürth vom 04.06.2020 (Vormundschaft) aufgehoben.
II.Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 € festgesetzt.  

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 04.06.2020 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Fürth für die Kinder D geboren am 2009, D geboren am 2010, und D geboren am 2013, Vormundschaft angeordnet und das Stadtjugendamt Fürth als Vormund ausgewählt.
Gegen diese ihrer Verfahrensbevollmächtigen am 10.06.2020 zugestellte Entscheidung haben die Beteiligten D und K mit Anwaltsschriftsatz vom 06.07.2020 Beschwerde eingelegt. Sie halten die Anordnung von Vormundschaft für die von ihnen in Brasilien adoptierten Kinder nicht für erforderlich.
II.
Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff., 63 ff. FamFG zulässig und in der Sache begründet.
Die drei minderjährigen Kinder sind brasilianische Staatsangehörige. Sie wurden von den in Deutschland lebenden Eheleuten D (geb. 1974) und K (geb. 1969) am 02.09.2019 in Brasilien nach dortigem Recht adoptiert (Urteil des 2. Zivilgerichts Sidrolandia/Brasilien). Die Entscheidung ist seit 10.09.2019 rechtskräftig. Am 06.12.2019 übersiedelten die Beteiligten mit den Kindern nach Deutschland. Seitdem leben alle Beteiligten in Fürth und sind dort gemeldet.
Die Beteiligten K und D haben am 26.02.2020 beim hierfür zuständigen Amtsgericht Nürnberg gem. § 2 AdWirkG einen Antrag auf Anerkennung der in Brasilien ausgesprochenen Adoption gestellt. Das Verfahren (121 F 724/20) ist noch nicht beendet.
Das Amtsgericht ist bei der Entscheidung vom 04.06.2020 davon ausgegangen, dass die Kinder bis zu einer positiven Entscheidung über die Anerkennung der Adoption keinen gesetzlichen Vertreter haben und es daher zwingend der Anordnung der Vormundschaft bedürfe, § 1773 BGB. Diese Annahme setzt voraus, dass der beantragten Anerkennung der Kindesannahme nach § 2 AdWirkG konstitutive Wirkung zukommt und somit die Adoption in Brasilien vor dem Ausspruch der Anerkennung keine Rechtswirkung entfaltet. Wenn jedoch eine Anerkennungsentscheidung nach § 2 AdWirkG lediglich deklaratorische Wirkung hätte, müsste davon ausgegangen werden, dass die ausländische Adoption auch im Inland Wirkung entfaltet, und zwar sowohl im Fall des Fehlens eines Anerkennungsverfahrens als auch während des Laufs eines Anerkennungsverfahrens. In diesem Fall wären die Adoptiveltern sorgeberechtigte gesetzliche Vertreter der Kinder. Diese Vorfrage hat das Familiengericht Fürth nicht geprüft.
In Rechtsprechung und Literatur existieren unterschiedliche Meinungen zur Qualität einer Anerkennungsentscheidung. Im Zusammenhang damit steht die Problematik, in welchem Verhältnis die Vorschriften §§ 108, 109 FamFG einerseits und Art. 23, 24 HAÜ (Haager Übereinkommen vom 29.05.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption) andererseits zueinander stehen. § 108 Abs. 1 FamFG besagt, dass ausländische Entscheidungen, mit Ausnahme von Ehesachen, in Deutschland kraft Gesetzes anerkannt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. § 109 FamFG regelt Anerkennungshindernisse. Nach § 108 Abs. 2 FamFG können Beteiligten bei rechtlichem Interesse eine Anerkennungsentscheidung beantragen, wobei bei Adoptionen die §§ 2, 4, 5 AdWirkG vorrangig gelten. Hierbei handelt es sich um ein nur fakultatives Anerkennungsverfahren, dessen Ergebnis aber inter omnes wirkt. Das Adoptionswirkungsgesetz gilt für Adoptionen, die auf einer ausländischen Entscheidung oder auf ausländischen Sachvorschriften beruhen, § 1 AdWirkG. Nach § 2 AdWirkG stellt das Familiengericht auf Antrag fest, ob eine Annahme als Kind anzuerkennen oder wirksam und ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist.
Eine Adoption aus einem Vertragsstaat des HAÜ ist ohne weitere Prüfung, also ex lege, dann anzuerkennen, wenn die zuständige Behörde des Staates, in dem die Adoption durchgeführt wurde, bescheinigt hat, dass sie nach den Regeln des Haager Übereinkommens zustande gekommen ist, Art. 23 HAÜ. In diesen Fällen ist die Anerkennung nur zu versagen bei einem Verstoß gegen den inländischen ordre public, Art. 24 HAÜ.
Die Anwendung des Haager Übereinkommens kommt vorliegend in Betracht. Sowohl die Bundesrepublik als auch Brasilien gehören zu seinen Vertragsstaaten. Die Voraussetzungen des Art. 2 HAÜ, nämlich dass die Kinder und die Adoptionsbewerber ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Vertragsstaaten hatten und die Annahme für die Kinder mit einem Aufenthaltswechsel verbunden war, können vorliegen. Es steht nach derzeitigem Kenntnisstand des Senats, auch nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführer, zudem fest, dass das im HAÜ vorgeschrieben Verfahren nicht eingehalten wurde, weder die Adoptionsvermittlungsstellen noch die Zentralen Behörden der beiden Staaten beteiligt wurden und insbesondere die zur Anerkennung ex lege zwingend erforderliche Konformitätsbescheinigung nach Art. 23 HAÜ nicht vorliegt. Die Rechtsfolge ist, dass die Adoption nicht nach Art. 23 HAÜ kraft Gesetzes anerkannt werden kann.
Ob die Kindesannahme stattdessen, soweit ein Verstoß gegen den ordre public nicht festgestellt werden kann (Art. 24 HAÜ), dennoch anerkannt werden kann, hängt zunächst davon ab, ob die nationalen Anerkennungsregeln subsidiär Anwendung finden können oder nicht. Die – soweit ersichtlich – herrschende Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung folgt grundsätzlich dem Günstigkeitsprinzip, indem sie bei Nichtbeachtung der Bestimmungen des HAÜ den Rückgriff auf die allgemeine nationale Regel des § 108 FamFG erlaubt (OLG Celle FamRZ 2017, 1503; OLG Stuttgart FamRZ 2018, 362; 1503; OLG Düsseldorf FamRZ 2019, 611; jew. m.w.N.). Nach der Gegenmeinung sind die Vorschriften des HAÜ abschließend (OLG Schleswig FamRZ 2014, 498) und lassen nach dem Vorrangprinzip den Rückgriff auf §§ 108 f. FamFG nicht zu.
Die Frage nach der Zulässigkeit des Rückgriffs auf § 108 FamFG wird im Rahmen des Anerkennungsverfahrens durch das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg (Az: 121 F 724/20) beantwortet werden. Das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht hat darüber im vorliegenden Verfahren, in dem es allein um die Frage geht, ob die Anordnung der Vormundschaft erforderlich oder entbehrlich bzw. unzulässig ist, nicht zu befinden. Es hat aber als Vorfrage zu prüfen, ob eine Anerkennung der in Brasilien durchgeführten Adoption von vornherein scheitert oder ob sie jedenfalls in Betracht kommt und welche Auswirkungen dies jeweils auf die Erforderlichkeit der Vormundschaft hat. Stünde nämlich bereits fest, dass die Kindesannahme im Inland mangels Einhaltung der Anforderungen nach dem HAÜ keine Anerkennung erfahren könnte, wären die Kinder Knott in Deutschland vertretungslos und müssten einen Vormund erhalten. Ist die Frage der Anerkennungsfähigkeit hingegen offen, kommt in Betracht, die Adoptiveltern gleichsam „vorläufig“ als Sorgerechtsinhaber und gesetzliche Vertreter zu betrachten. Dies hängt davon ab, ob die Anerkennung einer Auslandsadoption deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat.
Es wird vertreten, dass eine ausländische Adoption schon dann Rechtswirkung entfaltet, wenn ihre Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind und ein Feststellungsverfahren (noch) nicht durchgeführt worden ist. Der Anerkennungsbeschluss des Familiengerichts wirkt danach lediglich deklaratorisch (beck-online, Großkommentar, Adoptionswirkungsgesetz, 1.8.2020, Rn. 33; Weitzel, Adoptionswirkungsgesetz, 2. Online-Auflage 2013, Rn. 4; Maurer, FamRZ 2003, 1337, B V 10). Davon ist auch der Gesetzgeber bei Schaffung des Adoptionswirkungsgesetzes ausgegangen. In den Gesetzesmaterialien zu § 2 AdWirkG (BT-Drucks. 14/6011 S. 47) heißt es: „Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung oder Wirksamkeit des ausländischen Adoptionsakts erfüllt, so entfaltet dieser seine Rechtswirkungen von Anfang an auch im Inland, ohne dass dies von einer gerichtlichen Feststellung nach Absatz 1 abhängig gemacht werden könnte.“
Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat an. Demnach wirkt ein positiver Anerkennungsbeschluss nach § 2 AdWirkG lediglich deklaratorisch. Zwar sind die gesetzlichen Voraussetzungen des HAÜ für die Anerkennung hier nicht erfüllt. Es steht aber nicht fest, ob nicht die Anwendung des § 108 FamFG möglich ist. Würde dies bejaht, könnten dessen gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Jedenfalls steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest, dass der Adoption die Anerkennung zu versagen sein wird. Deshalb sind die Beschwerdeführer ab Rechtskraft der in Brasilien ausgesprochenen Adoption gegenüber ihren Kindern sorge- und vertretungsberechtigt, solange nicht die Anerkennung der Adoption versagt ist. Eine Vormundschaftsanordnung ist daher derzeit nicht zulässig.
III.
Eine Kostenentscheidung ergeht nicht.
IV.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.


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