Familienrecht

Zu den Voraussetzungen des § 302 Nr. 1 Hs. 1 Fall 2 InsO

Aktenzeichen  3 F 1291/15

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Kaufbeuren
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO InsO § 302 Nr. 1 Hs. 1 Fall 2

 

Leitsatz

2. Fallen Ansprüche auf Kindesunterhalt in die Insolvenzmasse und bestehen somit nur in Höhe einer evtl. Quote fort oder bleiben sie trotz Insolvenz vollständig bestehen?
1. Das Feststellungsbegehren, dass eine Verbindlichkeit des Schuldners auf pflichtwidrig nicht gewährtem Unterhalt beruht, ist eine Familienstreitsache (Anschluss an BGH BeckRS 2016, 07172). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 25.02.2016, 3 F 1291/15, bleibt aufrecht erhalten.
2. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Der Versäumnisbeschluss war nach den §§ 113 FamFG, 343 ZPO aufrecht zu erhalten.
Die Antragsgegnerseite hat gegen den Versäumnisbeschluss form- und fristgerecht Einspruch eingelegt, §§ 113 FamFG, 338, 339, 340 ZPO.
Der Antrag war und ist zulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist eine Familienstreitsache, so dass das Familiengericht zur Entscheidung berufen ist, §§ 112 Nr. 1, 231 FamFG (vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2016, NJW 2016, S. 1818 zur Rechtslage bis 30.06.2014).
Insbesondere bedurfte es nicht einer Aufteilung der einzelnen Unterhalts- und Kostenbeträge auf die einzelnen Antragsteller. Unstreitig haben die Antragsteller ihre Forderung so, wie sie sie im familiengerichtlichen Verfahren geltend gemacht haben, im Insolvenzverfahren angemeldet. Unstreitig wurde die Forderung in der jetzt geltend gemachten Form in voller Höhe festgestellt. Damit steht den Antragstellern nach § 201 Abs. 2 S. 1 InsO ein Vollstreckungstitel zur Verfügung. Wenn der Antragsgegner hieran etwas hätte ändern wollen, hätte er im Rahmen des Insolvenzverfahrens auch in diesem Aspekt widersprechen müssen, was er nicht getan hat. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels geht das Familiengericht nicht von Unzulässigkeit des Antrags aus.
Der Antrag war und ist begründet.
Bei der von den Antragstellern zum Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung handelt es sich um rückständigen gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, § 302 Nr. 1, 2. Alt. InsO.
Der vom Antragsgegner geschuldete Unterhalt wurde durch den Endbeschluss des AG Kaufbeuren vom 27.07.2010, 3 F 709/09 konkretisiert und festgeschrieben. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner bekanntgegeben. Er wusste somit, dass er gemäß dieses Beschlusses zum Bezahlen von Unterhalt verpflichtet war. Zahlungen erfolgten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens unstreitig nicht in der Höhe, die sich aus dem Beschluss vom 27.07.2010 ergab, sondern es entstanden unstreitig Unterhaltsrückstände in Höhe von 32.746,34 €. Da der Antragsgegner von seiner Zahlungsverpflichtung wusste hatte er insoweit Vorsatz.
Der Antragsgegner handelte auch vorsätzlich, als er nicht den vollen geschuldeten Unterhalt bezahlte sondern nur geringere Beträge. Damit handelte er auch insoweit vorsätzlich.
Soweit die Antragsgegnerseite insoweit vorträgt, dass der Vorsatz des Schuldners auch die Voraussetzungen des § 170 StGB -Unterhaltspflichtverletzung – umfassen müsste, was nicht gegeben sei, teilt das Gericht diese Auffassung nicht.
Die Auffassung stützt sich auf die bis zum 30.06.2014 geltende Rechtslage. Damals wurden nur Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht von der Erteilung der Restschuldbefreiung berührt. Dies führte dazu, dass die Gerichte neben dem Vorliegen einer Unterhaltsverpflichtung gesondert feststellen mussten, ob sich der Unterhaltsschuldner einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, nämlich der Unterhaltspflichtverletzung nach § 170 StGB strafbar gemacht hat (BGH, Beschluss vom 03.03.2016, FamRZ 2016 S. 1818). Diese Voraussetzung ist jedoch durch die Gesetzesänderung weggefallen. Das den Antragsgegner treffende Konkursverfahren ist erst im Jahr 2015 eingeleitet worden und somit nach der neuen Rechtslage zu beurteilen. Soweit die Antragsgegnerseite in diesem Zusammenhang auf das gegen den Antragsgegner geführte Ermittlungs-/Strafverfahren wegen Unterhaltspflichtverletzung verweist, kommt es hierauf aus den dargelegten Gründen nicht an.
Der Antragsgegner hat den von ihm zu zahlenden Unterhalt pflichtwidrig nicht gewährt, § 302 Nr. 1, 2. Alt. InsO.
Die Verwendung des Wortes „gewährt“ im Zusammenhang mit Unterhaltsverpflichtungen erscheint dem Unterzeichner äußerst unangebracht. Dieses Wort wird im allgemeinen Sprachgebrauch dann verwendet, wenn jemand, der eine mächtigere oder hoheitlichere Position inne hat als eine andere Person, dieser anderen Person etwas zuteil werden lässt, worauf die andere Person eigentlich keinen Rechtsanspruch hat. Angesichts des viel zu hohen prozentualen Anteils an Unterhaltsschuldnern, die entweder gar keinen oder nur zu wenig Unterhalt zahlen, sollte alles getan werden um einen derartigen Eindruck zu vermeiden.
Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber im Jahr 2014 neben der unerlaubten Handlung rückständigen gesetzlichen Unterhalt gesondert von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen hat, dass die Voraussetzungen der Unterhaltsverpflichtung nurmehr eingeschränkt überprüft werden können. Dies stellt den entscheidenden Unterschied zur vorherigen Rechtslage dar, in der, wie dargelegt, zunächst Unterhaltsverpflichtung und dann die unerlaubte Handlung gesondert festzustellen waren.
Zudem war der Antragsgegner aufgrund des rechtskräftigen Titels zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Gegenstand des Titels ist Unterhalt für minderjährige Kinder. Eltern minderjähriger Kinder müssen nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB alles in ihrer Macht stehende tun um den Kindesunterhalt sicherzustellen. Im Unterhaltstitel sind nur Unterhaltsbeträge zugesprochen worden, die sich im Rahmen des Mindestunterhalts bewegen und keine darüber hinausgehenden Unterhaltsbeträge, bei denen eine entsprechende Verpflichtung der Eltern möglicherweise in Wegfall kommen könnte. Im Rahmen des Unterhaltsbeschlusses hat das Gericht dem Antragsgegner fiktive Einnahmen zugerechnet, was allgemeiner und ständiger Rechtsprechung entspricht.
Angesichts dieser Umstände ist das Gericht der Auffassung, dass es nicht darauf ankommt, ob der Antragsgegner tatsächlich Einkünfte in der vom Gericht angenommenen Höhe hatte oder nicht. Wenn er unverschuldet, etwa infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, in die Lage gekommen sein sollte, dass ihm weder tatsächliche Einkünfte zur Verfügung standen noch fiktive Einkünfte zugerechnet werden konnten, wäre er gehalten gewesen, ein Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG durchzuführen und damit den Unterhaltstitel zum Wegfall zu bringen. Eine entsprechende Antragstellung war ihm nach der Gesetzeslage jederzeit möglich. Wenn er dies nicht tut stellt sich dies für das Gericht als Pflichtwidrigkeit i. S. des § 302 Nr. 1, 2. Alternative InsO dar.
Der Anspruch der Antragsteller ist nicht verjährt. Er beruht auf einem Vollstreckungstitel nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB, so dass 30-jährige Verjährungsfrist eingreift. Zudem ist die Verjährung gehemmt, da es sich um einen Anspruch zwischen Eltern und Kindern handelt und die Kinder noch nicht 21 Jahre alt sind, § 207 Abs. 1 Nr. 2 a BGB.
Die von der Antragsgegnerseite zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach Verjährung eingetreten sein soll, betrifft die alte Rechtslage. Wie dargelegt, waren die Unterhaltsverpflichtung und die unerlaubte Handlung gesondert festzustellen, wobei es bei beiden Tatbestandsmerkmalen zu unterschiedlichen Verjährungen kommen konnte. Diese Situation ist mit der Gesetzesänderung weggefallen.
Kosten und Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend ist hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen.
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben