Familienrecht

Zurückgewiesenes Ablehnungsgesuch gegen Sachverständigen

Aktenzeichen  13 W 1095/18

Datum:
21.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38402
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 42 Abs. 2, § 406

 

Leitsatz

1 Der Umstand, dass ein Sachverständiger in seinem Gutachten rechtliche Ausführungen macht, genügt alleine für die Annahme von Befangenheit eines Sachverständigen nicht.  (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nicht jede scharfe Reaktion des Sachverständigen auf einen scharfen Angriff einer Partei löst Befangenheit aus, weil ein Ablehnungsgrund nicht provoziert werden darf. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die beanstandeten Reaktionen des Sachverständigen auf das Ablehnungsgesuch der Beklagten stellen (noch) keine sprachliche Entgleisung des Sachverständigen dar. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 O 3920/13 2018-04-23 Bes LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. April 2018, Az.: 17 O 3920/13, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Beschwerde.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerde erweist sich aber in der Sache als unbegründet. Die Ablehnungsgesuche der Beklagten vom 12. Dezember 2017 und 26. Januar 2018 gegen den Sachverständigen … sind unbegründet. Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (§ 406 Abs. 1, § 42 Abs. 2 ZPO). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe im angefochtenen Beschluss Bezug. Auch die hiergegen in der Beschwerde erhobenen Einwände überzeugen nicht:
a) Zutreffend ist die Ansicht der Beklagten, dass das schriftliche Gutachten des Sachverständigen … vom 13. September 2017 an zahlreichen Stellen rechtliche Ausführungen zur HOAI und den Anspruchsvoraussetzungen für einen Vergütungsanspruch des Architekten enthält. Der Umstand, dass ein Sachverständiger in seinem Gutachten rechtliche Ausführungen macht, genügt allerdings nach ganz überwiegend vertretener Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, die auch der Senat für überzeugend hält, alleine für die Annahme von Befangenheit eines Sachverständigen nicht (OLG Nürnberg, NJOZ 2002, 1666, 1667; OLG Karlsruhe, MDR 1994, 725; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 2. Teil Rdnr. 121; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 406 Rdnr. 5; Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 406 Rdnr. 11; Motzke/Bauer/Seewald, Prozess in Bausachen, 2. Aufl., § 4 Rdnr. 412). Die Annahme der Befangenheit wegen der im Gutachten enthaltenen Rechtsausführungen liegt im vorliegenden Fall umso ferner, als bei der Feststellung einer Mindestsatzunterschreitung nach der HOAI Rechts- und Tatsachenfragen besonders eng miteinander verbunden sind und die Übergänge zwischen diesen mitunter fließend sind. Der Sachverständige … hat deshalb auch auf Seite 18 seines Gutachtens für alle im Gutachten enthaltenen Ausführungen deutlich gemacht, dass sämtliche Feststellungen unter dem „generellen Vorbehalt“ stünden, dass rechtliche Würdigungen dem Gericht vorbehalten blieben. In seiner Schlussbemerkung hat der Sachverständige nochmals klargestellt, dass „alle hier berührten Rechtsfragen“ aus Sicht des Sachverständigen „selbstverständlich“ zur Disposition des erkennenden Gerichts stünden. Der Sachverständige hat sich damit gerade nicht angemaßt, dass im Gutachten enthaltene Rechtsausführungen Teil der zu treffenden Sachverständigenfeststellungen seien. Überdies sind viele der beanstandeten Rechtsausführungen allgemeiner, lehrbuchartiger Natur (vgl. beispielsweise unter Nr. 3: „Allgemeine Feststellungen/Grundsätzliches zu den Honorarermittlungsgrundsätzen der HOAI“) und sind so gestaltet, dass sie im heute weit verbreiteten „copy & paste“-Verfahren in einer Vielzahl von Gutachten Verwendung finden können.
Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus dem Vorbringen der Beklagten, dass der abgelehnte Sachverständige entgegen seiner ausdrücklichen Zusicherung auf Seite 18 seines schriftlichen Gutachten, er habe sich aufwerfende Rechtsfragen mit dem Randvermerk „Rechtsfrage“ kenntlich gemacht, dies weit überwiegend unterlassen habe. Das Fehlen dieses Vermerks mag eine Unzulänglichkeit des Gutachtens darstellen, die aber für die Annahme der Befangenheit grundsätzlich nicht ausreicht. Überdies hat der Sachverständige an zahlreichen Stellen seines Gutachtens durch die Hinzufügung von „sachlich“ oder „aus sachverständiger Sicht“ auf andere Weise klar zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich lediglich um seine rechtliche Wertung handelt, die entsprechend seinen allgemeinen Ausführungen auf Seite 18 des Gutachtens der Würdigung des Gerichts vorbehalten sein sollten.
b) Zu Recht hat das Erstgericht auch angenommen, dass sich auch keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen … aus dessen Stellungnahme vom 19. Dezember 2017 zum Befangenheitsantrag der Beklagten vom 12. Dezember 2017 ergeben.
aa) Sprachliche Entgleisungen des Sachverständigen gegenüber einer Partei können die Befangenheit begründen (Kniffka/Koeble, a.a.O., 2. Teil Rdnr. 121). Allerdings löst nicht jede scharfe Reaktion des Sachverständigen auf einen scharfen Angriff einer Partei Befangenheit aus, weil ein Ablehnungsgrund nicht provoziert werden darf (OLG Zweibrücken, MDR 2013, 1425; Kniffka/Koeble, a.a.O.).
bb) Die mit dem zweiten Ablehnungsgesuch vom 26. Januar 2018 beanstandeten Reaktionen des Sachverständigen auf das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 12. Dezember 2017 stellen (noch) keine sprachliche Entgleisung des Sachverständigen dar:
(1) Die Beklagte hat dem Sachverständigen im Ablehnungsantrag vom 19. Dezember 2017 (vgl. a.a.O., S. 2 unter 2. und S. 10 unter 19, Bl. 565, 573 d.A.) vorgeworfen, er habe sich „quasi als Aufsichtsorgan“ über das Gericht aufgespielt, als „übergeordnete Instanz“ die Rechtsmeinung des Gerichts bestätigt und sich „zum Richter“ aufgespielt. Es handelt sich hierbei um eine über eine sachliche begründete Kritik am Inhalt des Gutachtens hinausgehende persönliche Vorhaltung, die der Sachverständige aus seiner Sicht als provozierend auffassen konnte. Die Reaktion des Sachverständigen, es handle sich um eine „polemischen Bemerkung“ mag dessen Verärgerung hierüber ausdrücken. Es wäre sicherlich wünschenswert gewesen, dass der Sachverständige, der stets neutral und sachlich auf Nachfragen und Kritik reagieren sollte, auf eine solche Bemerkung verzichtet hätte. Eine unangemessene Überreaktion des Sachverständigen kann angesichts der an ihm geübten schweren Kritik darin jedoch (noch) nicht gesehen werden.
(2) Die Beklagte rügt weiter, dass der Sachverständige auf Seite 6 seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2017 zu Nr. 14 und 15 des ersten Ablehnungsgesuchs ausgeführt habe, die Vorhaltung des Beklagtenvertreters sei zudem „abstrakt und sachlich inhaltslos und völlig unkorrekt“. Die Beklagte zitiert den Sachverständigen schon nicht vollständig zutreffend. Tatsächlich hat der Sachverständige die Ausführung der Beklagten als „völlig unkonkret“ bezeichnet (vgl. Stellungnahme, a.a.O., S. 6, Bl. 568 d.A.), was wesentlich vortrags- und sachbezogener ist, als wenn der Sachverständige das Vorbringen der Beklagten als „völlig unkorrekt“ bezeichnet hätte. Diese sowie die weiteren Wertungen des Sachverständigen bewegen sich noch im Rahmen adäquater Reaktion auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Der Sachverständige … hätte überdies ein etwaiges Misstrauen der Beklagten dadurch wieder ausgeräumt (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. November 2016, BeckRS 2016, 20685), dass er in seiner weiteren Stellungnahme vom 5. Februar 2018 (Bl. 618 d.A.) nachvollziehbar klargestellt hat, dass sich das Wort „unkonkret“ darauf bezogen habe, dass der Beklagtenvertreter in seinem ersten Befangenheitsantrag nicht konkret ausgeführt habe, was seiner Ansicht nach anders oder mehr geschuldet gewesen sei, er sei allgemein geblieben.
(3) Die angegriffene Äußerung des Sachverständigen auf Seite 7 seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2017 zu Nr. 20 des (ersten) Ablehnungsantrags, die Einlassung des Beklagtenvertreters erscheine „befremdlich“ und gebe Anlass zur Vermutung, dass dieser den kritisierten Abschnitt 4.1.3 nicht gelesen oder verstanden habe, ist die Reaktion darauf, dass die Beklagte dem Sachverständigen vorgeworfen hat, er habe „ungefragt“ die Auslegung einer Rechtsnorm vorgenommen. Zwar sollte der Sachverständige auf Kritik und Kommentare stets neutral und sachlich reagieren, auch wenn dies nicht immer leicht sein mag. Obwohl die beanstandete Reaktion in unnötiger Weise polemisch und ironisch ist, beinhaltet sie keine sprachliche Entgleisung, welche die Besorgnis der Befangenheit begründen würde. Überdies hat der Sachverständige seine Äußerung in der weiteren Stellungnahme vom 5. Februar 2018 abgeschwächt und erwidert, er habe sich möglicherweise auch missverständlich ausgedrückt, so dass es auch nicht „verstanden“ worden sei (vgl. Stellungnahme, a.a.O., S. 3, Bl. 618 d.A.). Hierdurch hätte er ein unterstelltes Misstrauen der Beklagten aufgrund seiner vorherigen Äußerungen wieder ausgeräumt.
(4) Soweit der Sachverständige auf Seite 9 seiner Stellungnahme zu Nrn. 25 ff. des Ablehnungsgesuchs ausführt hat, das könne eigentlich nur „mutwillig missverstanden“ werden und dass die Einlassung des Beklagtenvertreters, es sei nicht Sache des Sachverständigen eine entsprechende Rechtsbewertung vorzunehmen, als „Stimmungsmache“ gegen das Gutachten anmute, ist sicherlich eine ebenfalls überflüssige und scharfe Reaktion auf die gegen den Sachverständigen erhobenen Vorwürfe. Sie kann aber (noch) nicht als herabwürdigend angesehen werden.
(5) Soweit die Beklagte weitere Äußerungen des Sachverständigen gegen ihren Prozessbevollmächtigten, wie „Der Beklagtenvertreter möge dazu Abschnitt 3.1.5 des Gutachtens lesen.“, „Gemeint ist mit Umfang – was aus dem Sinnzusammenhang leicht erkennbar ist (…)“ oder „Zudem hätte der Verordnungsgeber – wie dem Beklagtenvertreter bekannt und nachvollziehbar sein wird (…)“ beanstandet, mögen diese als despektierlich gegenüber dem Beklagtenvertreter angesehen werden, sie beinhalten aber ebenfalls keine sprachliche Entgleisung.
c) Zu Recht hat das Erstgericht angenommen, dass auch das Verhalten und die Ausführungen des Sachverständigen in ihrer Gesamtheit – noch – nicht geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu erregen. Zu berücksichtigen ist, dass der zunächst gegen den Sachverständigen erhobene zentrale Vorwurf, er habe sich zum Richter aufgeschwungen, über eine sachlich berechtigte Kritik hinausging und vom Sachverständigen als provokant empfunden werden durfte. Zwar durfte sich der Sachverständige hiergegen zur Wehr setzen. Es wäre aber wünschenswert gewesen, wenn er hierauf nicht seinerseits polemisch und ironisch reagiert hätte. Seine Reaktion ist allerdings (noch) als adäquat und nicht als herabwürdigend anzusehen. Auch insgesamt betrachtet bieten daher weder das schriftliche Gutachten des Sachverständige … noch dessen schriftliche Stellungnahmen zu den Ablehnungsgesuchen vernünftigerweise Anlass, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Die Beschwerde der Beklagten ist mithin als unbegründet zurückzuweisen.
II.
1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, § 574 Abs. 1 Nr. 2. Abs. 2 ZPO liegen erkennbar nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.


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