Handels- und Gesellschaftsrecht

Aktiengesellschaft: Wirksamkeit des von einem Mitglied des Aufsichtsrats im Namen einer von ihm als Allein-Gesellschafter und -Geschäftsführer geführten GmbH abgeschlossenen Beratungsvertrags mit einem die Aktiengesellschaft beratenden Drittunternehmen

Aktenzeichen  II ZR 225/20

Datum:
22.6.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:220621UIIZR225.20.0
Normen:
§ 113 AktG
§ 114 Abs 2 S 1 AktG
Spruchkörper:
2. Zivilsenat

Leitsatz

Die §§ 113, 114 AktG betreffen auch den Fall, dass ein Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ist, einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nicht unmittelbar mit dieser, sondern mit einem Drittunternehmen schließt, welches seinerseits die Aktiengesellschaft berät.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 30. Juni 2020, Az: 3 U 193/19vorgehend LG Frankfurt, 18. Juli 2019, Az: 2-19 O 235/18

Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2019 über die Abweisung des Klageantrags zu 5 hinaus zurückgewiesen wurde.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 11.900 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2017 zu zahlen.
2. Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin 3.369,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2017 zu zahlen.
3. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 35.700 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2017 zu zahlen.
4. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 13.387,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. November 2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 1 95 % und der Beklagte zu 2 5 % zu tragen.
III. Streitwert: bis zu 65.000 €
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Vermögensverwalterin der P.               AG (im Folgenden: P.      ) und betreut diese bei Kapitalmaßnahmen. Die Beklagte zu 1 ist eine GmbH, die auf die Beratung bei Kapitalmarkttransaktionen spezialisiert ist. Der Beklagte zu 2 ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Beklagten zu 1 und Mitglied des Aufsichtsrats der P.     .
2
Am 22. Dezember 2014 schloss die Klägerin mit der Beklagten zu 1 eine als Beratungs-/Vermittlungsvertrag über die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen überschriebene Vereinbarung (im Folgenden: Beratungsvertrag 2014). Darin ist unter anderem ausgeführt:
“(…) Zentrales Ziel des Beratungsvertrages ist es, dass D.     [Beklagte zu 1] P.     , als Subunternehmer von B.  [Klägerin], eine breitere Kapitalbasis, sei es über die öffentlichen Kapitalmärkte oder über Privatplatzierungen verschafft.
Vor diesem Hintergrund schließen die Parteien den folgenden Beratungsvertrag:
1. Vertragsgegenstand
D.    berät und begleitet B.   aktiv bei allen kapitalmarktrelevanten Aktivitäten für P.     , insbesondere bei der derzeit beabsichtigten Kapitalerhöhung im Rahmen der Listings der P.    -Aktien.
Insbesondere umfasst das Mandat folgende Bereiche:
1. Listing und Kapitalerhöhung bei P.
a) Positionierung von P.        als attraktiver Emittent im deutschsprachigen Kapitalmarkt
b) Beratung, Koordination und Durchführung von IR-PR Aktivitäten
c) Suche und Ansprache geeigneter Investoren/Finanzierungspartner sowie Vorstellung derselben
d) Begleitung der Investorengespräche nebst Pflege der Investorenkontakte
e) Koordination des angestrebten Listings/IPOs
f) Begleitung des Secondary-Markts
2. Projektfinanzierung
a) Beratung bei der Strukturierung des Beteiligungsmodells, insbesondere für die Investitionsprojekte “Erweiterung Werk S.             – Pi.     “,”Werk 11, Ö.     ” und “Werk Sl.      “
b) Suche und Ansprache geeigneter Investoren/Finanzierungspartner sowie Vorstellung derselben
c) Begleitung der Investorengespräche nebst Pflege der Investorenkontakte (…)
3. Vertragshonorar
D.   erhält ein pauschales monatliches Honorar i.H.v. EUR 2.500,00 zzgl. ges. UST. (…).
Für die unmittelbare Platzierung von Aktien, Anleihen und sonstigen Finanzierungsinstrumenten erhält D.    ein Erfolgshonorar i.H.v. 5 % des von ihr nachgewiesenen und eingeworbenen Kapitals zzgl. ges. UST.”
3
In der Folge vermittelte die Beklagte zu 1 Beratungstermine mit fünf Unternehmen. Für das Jahr 2015 zahlte die Klägerin an die Beklagte zu 1 ein Honorar in Höhe von insgesamt 35.700 € und für die Monate Januar bis Mai 2016 in Höhe von insgesamt 13.387,50 €. Mit Schreiben vom 24. Mai 2016 kündigte die Klägerin den Vertrag mit der Beklagten zu 1 fristlos.
4
Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 unterbreitete der Vorstand der Klägerin dem Beklagten zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 folgendes Angebot:
“(…) um der P.     (…) die dringend erforderliche Einladung zur Hauptversammlung in Verbindung mit verschiedenen Kapitalmaßnahmen zur Übernahme von Unternehmen und Aktiva aus der Pelletsbranche zu ermöglichen, sind wir bereit, die von Ihnen geforderten EUR 14.300,00 (…) zu überweisen.
Im Gegenzuge verpflichten Sie sich mit Eingang des Betrages von EUR 11.900,- bei der D.   [Beklagte zu 1] sowie EUR 2.400,00 bei Ihnen persönlich (…) hiermit einschränkungslos und unwiderruflich
(i) auf erste Anforderung eines der beiden bei P.     ergänzten Mitglieder des Aufsichtsrats (…) an einer konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrats (…) teilzunehmen und
(ii) an einer in derselben Sitzung durchzuführenden Bestellung des (…) zum Mitglied des Vorstands mitzuwirken und
(iii) an einer in derselben Sitzung durchzuführenden Einladung zur Hauptversammlung mitzuwirken, die wenigstens die in der Anlage dargestellten Tagesordnungspunkte enthalten soll sowie
(iv) nach erfolgten Beschlussfassungen zum Ende der Sitzung ihren Rücktritt als Aufsichtsrat der Gesellschaft mit sofortiger Wirkung zu erklären.
Mit der Durchführung der vorstehenden gegenseitigen Verpflichtungen erteilen sich die Parteien hiermit Generalquittung. Die Generalquittung ist aufschiebend bedingt durch den Nachweis von mindestens zehn ernsthaft interessierten Investoren seitens der D.    zu konkreten Beteiligungsverhandlungen mit P.      , die konkret daran interessiert sind, sich mit einem Gesamtbetrag von mind. EUR 2.000.000,00 an den bevorstehenden Kapitalerhöhungsmaßnahmen der P.      (…) zu beteiligen. (…)”
5
Der Beklagte zu 2 nahm das Angebot an. Die Klägerin überwies am 21. Juli 2016 die insgesamt 14.300 € an die Beklagten. Der Beklagte zu 2 wirkte in der Folge an den in der Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung 2016) bezeichneten Aufsichtsratsbeschlüssen mit und trat dann als Aufsichtsrat zurück.
6
Im Dezember 2018 trat die P.    die ihr gegen die Beklagten aus dem Beratungsverhältnis erwachsenen Rückforderungsansprüche sowie die ihr aus unzulässig abgerechneten Spesen und Auslagen gegenüber dem Beklagten zu 2 erwachsenen Rückforderungsansprüche an die Klägerin ab. Das Landgericht hat der Klage auf Rückzahlung von 969,90 € an den Beklagten zu 2 gezahlter Spesen stattgegeben. Die weitergehende Klage gegen die Beklagte zu 1 auf Rückzahlung der Beratungshonorare in Höhe von 49.087,50 € und auf Grundlage der Vereinbarung 2016 an die Beklagte zu 1 geleisteter 11.900 € und an den Beklagten zu 2 geleisteter 2.400 € sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit der Streitgegenstand durch die Organstellung des Beklagten zu 2 als Aufsichtsratsmitglied der P.               AG bestimmt wird. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch in voller Höhe weiter.


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