Handels- und Gesellschaftsrecht

Beschädigung von Ladung – Klausel „fios excl. lsd“

Aktenzeichen  1 HK O 1968/18

Datum:
20.9.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40137
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 126 Abs. 2
VVG § 86 Abs. 1 S. 1
HGB § 407, § 450, § 452 S. 1

 

Leitsatz

Aus der Klausel „fios excl. lsd“ in einem Frachtvertrag folgt grundsätzlich, dass der Befrachter selbst für das Laden, Stauen und Sichern der Güter verantwortlich ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird bis zur Widerklage vom 05.03.2019 auf 45.333,94 € und sodann auf 48.120,24 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
I. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen ist kein einheitlicher multimodaler Frachtvertrag, sondern sind zwei unabhängige Transportverträge geschlossen worden und die Beklagte war für die Sicherung der Ladung auf dem Seeschiff nicht verantwortlich.
1. Die internationale, sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts ist gegeben. Die Beklagte hat in ihren Angeboten den Gerichtsstand Würzburg angegeben und die Klägerin zu 2 hat diese Angebote angenommen. Auf den vorliegenden Rechtsstreit ist die Brüssel-IaVerordnung anwendbar. Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. 25 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a) 1. Fall Brüssel-Ia-VO liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn beide Parteien ihren Willen schriftlich kundgetan haben, wobei dies – abweichend von § 126 Abs. 2 BGB – auch in getrennten Schriftstücken erfolgen kann, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, 1731, juris Rn. 8). Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt, vgl. Art. 25 Abs. 2 Brüssel-Ia-VO (BGH RdTW 2019, 100).
2. Die Klägerin zu 1 ist aktivlegitimiert. Soweit der Versicherungsnehmerin (Klägerin zu 2) der Ersatzanspruch gegen die Beklagte zugestanden hat, ist dieser Anspruch nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG in Höhe des von der Klägerin regulierten Schadens auf diese übergegangen. Im Übrigen steht der Klägerin der Anspruch aus abgetretenem Recht zu.
3. Es liegt kein einheitlicher multimodaler Frachtvertrag vor, in dessen Rahmen die Beklagte die Ladungssicherung auf dem Seeschiff geschuldet hat. Auch im Übrigen oblag die Ladungssicherung der Klägerin zu 2.
Im Einzelnen:
a. Wird die Beförderung des Gutes auf Grund eines einheitlichen Frachtvertrags mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln durchgeführt (Multimodaltransport) und wären, wenn über jeden Teil der Beförderung mit jeweils einem Beförderungsmittel (Teilstrecke) zwischen den Vertragsparteien ein gesonderter Vertrag abgeschlossen worden wäre, mindestens zwei dieser Verträge verschiedenen Rechtsvorschriften unterworfen, so sind auf den Vertrag nach § 452 S. 1 HGB die Vorschriften der §§ 407 bis 450 HGB anzuwenden, soweit die folgenden besonderen Vorschriften oder anzuwendende internationale Übereinkommen nichts anderes bestimmen. Dies gilt nach § 452 S. 2 HGB auch dann, wenn – wie im Streitfall – ein Teil der Beförderung über See durchgeführt wird.
b. Die Frage aber, ob ein echter Durchfrachtvertrag oder Multimodalvertrag geschlossen wurde ist durch Auslegung der Vertragserklärungen zu ermitteln. Ein Multimodalvertrag ist gegeben, wenn eine Person die Beförderung des Gutes in der Weise verspricht, dass sie das Gut am Abgangsort übernimmt und an der Ablieferungsstelle an den Empfänger übergibt. Wird hingegen jeder Transportabschnitt durch einen eigenen, selbstständigen Frachtvertrag geregelt, handelt es sich um eine sog. „gebrochene“ oder „segmentierte“ Beförderung. Ebenfalls kein einheitlicher Frachtvertrag liegt vor, wenn sich der Frachtführer nur zur Beförderung über eine Teilstrecke und sich im Übrigen verpflichtet, für die nachfolgenden Teilstrecken durch Einschaltung weiterer Frachtführer die Beförderung des Gutes im Namen des Absenders oder im eigenen Namen auf Rechnung des Absenders zu besorgen (§ 453). Im Fall eines Selbsteintritts (§ 458) findet § 452 nur dann Anwendung, wenn der Spediteur die Beförderung auf mindestens zwei Teilstrecken mit verschiedenartigen eigenen Beförderungsmitteln (echter Selbsteintritt) erbringt oder zu erbringen verspricht. Ausreichend ist daher für die Verweisung des § 458 auf 452, wenn der Selbsteintritt auch die Umschlagstätigkeit auf das nachfolgende Transportmittel miterfasst. Erfasst der Selbsteintritt nicht die Umschlagstätigkeit oder werden diese nicht in den auf Rechnung des Spediteurs über die Sammelladung geschlossenen Frachtvertrag einbezogen, fehlt es an einem einheitlichen durchgehenden Frachtvertrag (vgl. für das Vorstehende: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle, 3. Aufl. 2015, HGB § 452 Rn. 14).
c. Zwar kann aus Sicht der Klägerin zu 2 unterstellt werden, dass sie eine einheitliche Beförderung durch die Beklagte von Novi Sad nach Bremen anstrebte. Jedoch hat die Beklagte schon mit den Auftragsbestätigungen vom 23.08 und 20.08.2017 (Anlagen K2a und K2b) nicht wie von der Klägerin angefragt (Anlage K1) ein einheitliches Angebot für die Gesamtstrecke vorgelegt, sondern eines für die Binnenstrecke und ein weiteres für die Seestrecke. Letzteres enthielt unter Nr. 6 den Vorbehalt „fios excl. lsd“. Diese Angebote der Beklagte hat die Klägerin nicht wie vorgetragen mit Bestellung vom 01.09.2017 (Anlage K3) angenommen, sondern vielmehr mit der als Anlage B3 vorgelegten Bestellung vom 01.09.2017. Nur diese ist von der Klägerin zu 2 unterzeichnet und enthält im Gegensatz zur Anlage K3 gerade keine Abweichungen (vgl. Pos.0030). Damit hat die Klägerin zu 2 am 01.09.2017 (Anlage B3) ohne Abweichungen die Angebote der Beklagten angenommen.
d. Die Sicherung der Ladung an Bord des Seeschiffes war gegenüber der Klägerin zu 2 nicht von der Beklagten geschuldet. Nach der Vereinbarung war die Klausel „fios“, die besagt, dass der Befrachter u. a. auch für das Laden und Stauen der Güter verantwortlich ist, einbezogen. Zudem wurde ausdrücklich vereinbart, dass das „Isd“ – lashing, securing, dunning – gerade nicht durch die Schiffsbesatzung erfolgen sollte, weil „lsd“ gerade ausgenommen worden war („excl.lsd“). Damit wurde die „fios-Klausel“ nicht dahingehend eingeschränkt, dass das Sichern der Ladung nicht durch den Befrachter erfolgen sollte (LG Hamburg RdTW 2016, 422). Die Klausel kann auch nicht nur dahingehend einschränkend verstanden werden, dass damit die Parteien lediglich die Kosten der Lade- und Stautätigkeit regeln wollten, aber nicht die Überbürdung der jeweiligen Verantwortlichkeit. Derartiges ist zwar möglich. Dafür findet sich aber kein Anhaltspunkt in der Vereinbarung. Ob die Beklagte dann im Rahmen des Pauschalpreises intern diese Kosten tatsächlich übernommen hat, ist indiziell ebenfalls nicht ausschlaggebend, um ihr auch die Verantwortung für diese haftungsrelevanten Bereiche zu überantworten. Ein Auswahlverschulden hinsichtlich der tatsächlich handelnden Stauer ist nicht dargetan.
Daher haftet die Beklagte nicht für die durch unzureichende Ladungssicherung verursachten Schäden am Ladungsgut.
4. Da die Sicherung der Ladung an Bord des Seeschiffes gegenüber der Klägerin zu 2 nicht von der Beklagten geschuldet war, sondern die Klägerin zu 2 nach der Vereinbarung (Klausel „fios“) auch für das Laden und Stauen der Güter verantwortlich war, besteht gegenüber der Beklagten auch kein Rückzahlungsanspruch in Höhe der 4.900 €. Vielmehr waren diese Kosten nicht durch die Pauschalfracht gedeckt, sondern die Leistungen entweder selbst zu erbringen oder zu beauftragen bzw. wie hier gesondert zu vergüten.
B: Zur Widerklage:
Die zulässige Widerklage ist unbegründet, weil jedenfalls die seitens der Klägerin zu 2 erhobene Einrede der Verjährung durchgreift. Die Forderung auf Freistellung von bzw. auf Schadensersatz war zum Zeitpunkt der Einreichung der Widerklage bereits verjährt (08.03.2019). Es gilt die einjährige Verjährungsfrist der §§ 452 Abs. 1, 605 Nr.1 HGB. Selbst wenn man zum Beginn der Verjährungsfrist nicht auf die Ablieferung des Ladungsgutes im November 2017 abstellen wollte, so wurde durch die Streithelferin mit Anlage N7 eine Bestätigung vorgelegt, wonach diese der Reederei des Seeschiffes „Wilson Dale“ den Betrag von 2.505 € zur Zahlung angewiesen habe. Damit ist diese Zahlung jedenfalls vor dem 08.03.2018 erfolgt. Dem entgegenstehenden Beweisangebot der Widerklägerin war nicht nachzugehen, weil schon nicht konkret dargetan war, wann die Zahlung nach dem 05.03.2018 erfolgt sein soll.
Daher war auch die Widerklage abzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO. Die Widerklage war für die Berechnung des Unterliegensanteils der Beklagten hinsichtlich des insoweit maßgeblichen Gebührenstreitwerts nicht streitwerterhöhend.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S.1 ZPO.
Verkündet am 20.09.2019


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