Aktenzeichen 23 U 4047/16
Leitsatz
Ein Arrestgrund ist nicht schon dann per se gegeben, wenn der Arrestanspruch des Gläubigers aus einer gegen ihn gerichteten strafbaren Handlung des Schuldners resultiert, sondern nur, wenn die Umstände der Straftat im konkreten Einzelfall den Schluss zulassen, dass sich der Arrestschuldner auch künftig nicht rechtstreu verhalten wird, indem er den Versuch unternimmt, zB durch Leugnen oder Beiseiteschaffen des Vermögenszuwachses die Vollstreckung zu vereiteln. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
2 O 3813/15 2015-11-18 Urt LGMUENCHENII LG München II
Tenor
I. Auf die Berufung der Arrestbeklagten werden das Urteil des Landgerichts München II vom 18.11.2015, Az. 2 O 3813/15 und der Arrestbefehl des Landgerichts München II, Az. 2 O 3813/15 vom 18.08.2015 aufgehoben.
II. Der Arrestantrag wird zurückgewiesen.
III. Der Arrestkläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Das soeben verkündete Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt zu Protokoll begründet:
I. Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat den Arrestbefehl aufrechterhalten. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Die Arrestbeklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München, 2 O 3813/15, den Arrestbeschluss aufzuheben und den Arrestantrag zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München, 2 O 3813/15 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurück zu verweisen.
Der Arrestkläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2017 und die gewechselten Schriftsätze der Parteien.
II. 1. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1.1. Die Berufung ist zulässig.
1.1.1. Die Arrestbeklagte hat rechtzeitig Berufung eingelegt mit Schriftsatz vom 09.10.2016, eingegangen am selben Tag.
Die Frist zur Einlegung der Berufung nach § 517 ZPO begann erst mit Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils an die Beklagte am 15.09.2016 und nicht schon nach § 517 2. HS. 2. Alt ZPO mit der angeblichen Verkündung am 18.11.2015. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist unverzichtbar, dass über die Verkündung eines Urteils innerhalb der Fünf-Monats-Frist ein beweiskräftiges Protokoll erstellt wird. Denn allein durch das Protokoll kann bewiesen werden, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist (BGH, NJW 2011, S. 1741, 1742; BGH NJW 2015, S. 2342, 2343 siehe auch ausführlich den Hinweis des Senats vom 14.11.2016, Bl. 102 f d. A.). Die Erstellung eines beweiskräftigen Verkündungsprotokolls nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist ist als rechtlich nicht mehr zulässig zu erachten (so BGH, NJW 2011, S. 1741, 1742; noch offenlassend BGH NJW 2007, S. 3210).
Vorliegend fehlt es an der rechtzeitigen Erstellung des Protokolls. Nach der dienstlichen Stellungnahme des erstinstanzlichen Richters (Bl. 119 d. A.) wurde zwar der Tenor am 18.11.2015 verkündet. Das Protokoll über die Verkündung wurde aber erst zwischen dem 13.07.2016 und dem 25.07.2016, mithin mehr als fünf Monate nach der Verkündung, fertiggestellt und zur Akte gegeben.
Dass die Geschäftsstelle auf telefonische Anfrage des Klägervertreters „schon früher“ den Tenor habe bestätigten können, wie der Klägervertreter behauptet, kann als wahr unterstellt werden, beweist aber nicht, dass das Verkündungsprotokoll schon zu einem früheren Zeitpunkt vorlag. Insbesondere kann die Geschäftsstelle den Tenor auch von dem zuständigen Richter erfragt haben.
Mangels einer nachgewiesenen Verkündung – zumindest – des Tenors am 18.11.2015 läuft die Frist erst ab tatsächlicher Zustellung des Urteils (BGH NJW 2011, S. 1741, 1742 Tz. 23). Soweit der Klägervertreter behauptet, die Zustellung an die Beklagtenvertreterin könne nicht erst am 15.09.2016 erfolgt sein, ist dies unbehelflich. Das in der Akte vorhandene Empfangsbekenntnis bestätigt eine Zustellung erst am 15.09.2016. Ein anderer Zustellungsnachweis liegt nicht vor.
1.1.2. Die Berufungsbeklagte hat die Berufung rechtzeitig und ausreichend begründet, § 520 Abs. 2, 3 ZPO. Die Beklagte rügt, das Urteil sei am 18.11.2015 nicht verkündet worden, das Protokoll ausweislich der Akten erst am 26.07.2016 zur Akte gelangt (Schriftsatz vom 10.11.2016, S. 1, Bl. 100 d.A). Außerdem fehle es an einer Auseinandersetzung im Urteil mit dem Sach- und Streitstand, die vom Landgericht angekündigte Nachprüfung der streitgegenständlichen Zahlungen sei unterblieben (Berufungsbegründung vom 13.12.2016, eingegangen am 14.12.2016, S. 2, Bl. 116 d. A.). Die Frist zur Berufungsbegründung wurde mit Verfügung vom 15.11.2016 (Bl. 105 d. A.) verlängert bis 15.12.2016.
1.2. Die Berufung ist begründet. Das erstinstanzliche Urteil und der Arrestbefehl sind aufzuheben und der Arrestantrag abzuweisen, da der Arrestkläger einen Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht hat, § 917 Abs. 1, § 920 Abs. 2 ZPO.
1.2.1. Der Arrest dient dazu, die drohende Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Es muss zu besorgen sein, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert wäre. Dabei muss die ungünstige Veränderung unmittelbar bevorstehen und darf noch nicht abgeschlossen sein (Seiler in Thomas /Putzo, ZPO, 37. Aufl, § 917 Rz. 1). Selbst eine gegen den Gläubiger gerichtete, arglistige Vertragsverletzung rechtfertigt den Arrest nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schuldner sein Vermögen dem Zugriff des Gläubigers entziehen will (BGH, Beschluss vom 24.03.1983, III ZR 116/82, juris Tz. 18). Ein Arrestgrund ist auch nicht schon dann per se gegeben, wenn der Arrestanspruch des Gläubigers aus einer gegen ihn gerichteten strafbaren Handlung des Schuldners resultiert (BGH, Beschluss vom 03.06.2014, KRB 2/14, juris Tz. 7; OLG Bamberg, Urteil vom 12.11.2012, 4 U 168/12, juris Tz. 52; OLG Hamm, Urteil vom 16.08.2006, 20 U 84/06, juris Tz. 26, jeweils m. w. N.), sondern nur, wenn die Umstände der Straftat im konkreten Einzelfall den Schluss zulassen, dass sich der Arrestschuldner auch künftig nicht rechtstreu verhalten wird, indem er den Versuch unternimmt, z. B. durch Leugnen oder Beiseiteschaffen des Vermögenszuwachses die Vollstreckung zu vereiteln (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22.07.2013, 4 W 26/13, juris Tz. 11). Auch der Bundesgerichtshof hat betont, mit dem allgemeinen Erfahrungssatz, wonach derjenige, der einmal unredlich gewesen ist, das auch in Zukunft sein werde, sei es nicht getan (BGH, Urteil vom 11.03.1975, VI ZR 231/72, juris Tz. 12). Soweit es in dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 24.03.1983 (III ZR 116/82) heißt, es bestehe regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das vorsätzliche vertragswidrige Verhalten des Schuldners mit einer gegen den Gläubiger gerichteten strafbaren Handlung zusammenfalle, ergibt sich aus der Wortwahl “regelmäßig” wie auch aus den dortigen Gründen, dass gleichwohl auf die konkreten Umstände abzustellen ist.
1.2.2. Nach diesen Grundsätzen fehlt es vorliegend an einem glaubhaft gemachten Arrestgrund:
1.2.2.1. Anhaltspunkte dafür, dass die Arrestbeklagte bereits begonnen hätte oder in näherer Zukunft beabsichtigen würde, ihr Privatvermögen zu verbergen, zu verschleudern oder zu verschieben, sind vom Arrestkläger trotz Hinweis des Senats (Verfügung vom 04.01.2017, S. 2, Bl. 123 d. A.) nicht dargetan. Insbesondere sind keine konkrete Indizien dafür vortragen, dass die Arrestbeklagte versuchen würde, ihr Privatgrundstück zu verkaufen, die Lebensversicherungen zu kündigen oder etwa ihr Privatvermögen ins Ausland zu verschaffen. Die pauschale Behauptung des Arrestklägers, die Beklagte werde nach Aufhebung des Arrests das Grundstück belasten und auf Dritte übertragen, hat der Arrestkläger schon nicht glaubhaft gemacht.
1.2.2.2. Soweit der Arrestkläger sich auf die Vorgänge im Jahr 2000 stützt, genügt dies ebenfalls nicht als Arrestgrund. Zwar ist unstreitig, dass der Ehemann der Beklagten das Geschäftsmodell seit 2000 nicht mehr betrieb, sondern die „Das Messeteam GmbH“, die Gemeinschuldnerin, deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin die Beklagte ist. Unstreitig ist zudem, dass Frau Renate K. einen Zahlungsanspruch in Höhe von 51.791,49 Euro gegen den Ehemann der Beklagten geltend machte, sodann Gehaltsansprüche des Ehemanns der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin pfändete und ein Zahlungsurteil gegen die GmbH vor dem OLG München erwirkte (Anlage A 3). Indessen lässt sich daraus nicht ableiten, dass die Beklagte nunmehr im August 2015 bzw. im Jahr 2017 versuchen werde, ihr Privatvermögen vor dem Zugriff der Gläubiger zu verbergen. Zum einen bleibt nach dem Vortrag des Arrestklägers völlig im Unklaren, was genau die Beklagte im Jahr 2000 überhaupt getan haben soll, wodurch es zu einer „Vermögensverschiebung“ in „kollusivem Zusammenwirken“ mit dem Ehemann gekommen sein soll. Allein die Übernahme des Geschäftsmodells des Ehemanns durch die GmbH oder die wirtschaftliche Fortführung des Geschäfts des Ehemanns durch die GmbH ist per se noch keine Benachteiligung von Gläubigern, erst recht nicht von solchen der Beklagten selbst. Zum anderen lässt sich aus einem Verhalten der Beklagten im Jahr 2000 nicht ohne Weiteres ein Arrestgrund im August 2015 oder später herleiten. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass das Urteil in Sachen Kranz gegen die Gemeinschuldnerin unstreitig nicht rechtskräftig ist und ausweislich der Anlage A 6 diese Forderung vom Arrestkläger „endgültig bestritten“ wurde.
1.2.2.3. Ebenso wenig vermag die Tatsache, dass ab Oktober 2010 oder Anfang 2011 das Geschäftsmodell nunmehr statt von der Gemeinschuldnerin vom Sohn der Beklagten betrieben wurde, einen Arrestgrund darzustellen, auch wenn Herr Karsten B. ein seit 22.03.2012 rechskräftiges Urteil gegen die Das Messeteam GmbH erwirkt hatte. Auch insoweit bleibt im Unklaren, inwiefern eine Vermögensverschiebung zulasten der Gläubiger durch die Beklagte erfolgt sein soll. Im Übrigen könnte es sich ohnehin nur um eine Verschiebung von Vermögen der GmbH auf den Sohn, nicht von Privatvermögen der Beklagten handeln. Dass der Sohn der Beklagten zum Kaufpreis von 1.500,00 Euro im März 2012 (Anlage A 18) die Büroausstattung der GmbH erwarb, begründet noch keine Benachteiligung von Gläubigern. Grundsätzlich ist die Aufgabe des Geschäftsbetriebs durch die GmbH eine – per se zulässige – unternehmerische Entscheidung.
Die von der Beklagten vorgelegten Gewinnverwendungsbeschlüsse datieren von Januar bzw. 15.03.2011. Rechtskräftig wurde das Urteil gegen die Das Messeteam GmbH aber erst im März 2012; das Urteil des hiesigen Senats erging am 30.06.2011 (Anlage A 15). Zudem erschließt sich nicht, wieso die Verrechnung von Darlehensansprüchen der Das Messeteam GmbH gegen die Beklagte mit Gewinnauszahlungsansprüchen der Beklagten eine Benachteiligung von Gläubigern darstellen solle.
Im Übrigen lässt sich aus diesen Vorgängen Ende 2010 bis Anfang 2012 nicht schlussfolgern, die Beklagte werde auch im August 2015 bzw. nunmehr im Februar 2017 ihr privates Vermögen den Gläubigern entziehen.
1.2.2.4. Soweit der Arrestkläger auf strafrechtlich relevantes Verhalten der Arrestbeklagten verweist, genügt dieser pauschale Vortrag ebenfalls nicht. Im Strafverfahren 845 Ls 268 Js 209087/12, AG München gegen die Beklagte und deren Ehemann wurde schon die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt (Beschluss vom 28.07.2015, Anlage nach Bl. 50 d. A.). Soweit der Arrestkläger noch auf ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung und Bankrott verweist, das durch den vorbezeichneten Beschluss nicht eingestellt worden sei und in dem ein Strafbefehl gegen die Beklagte ergangen sei, fehlt es an Vortrag, um welche konkreten Vorwürfe es ging. Im Übrigen lässt sich, wie oben Ziff. 1.2.1 ausgeführt, allein aus der Begehung einer Straftat durch den Schuldner nicht schon ein Arrestgrund ableiten.
1.2.2.5. Soweit der Arrestkläger vorträgt, die Beklagte habe im Insolvenzverfahren nur zögerlich mitgewirkt und sei nicht kooperativ gewesen, hätte es ihm oblegen, ggf. Zwangsmaßnahmen gegen die Beklagte zu ergreifen (vgl. etwa § 148 Abs. 2 oder § 153 Abs. 2 InsO). Ein Arrestgrund lässt sich daraus nicht ableiten. Dasselbe gilt für die – unstreitige – Vernichtung der Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin durch die Beklagte. Insoweit hat die Beklagte ein Attest vom 12.12.2013 (nach Bl. 68 d. A.) vorgelegt, das die von der Beklagten behauptete psychische Krankheit bestätigt. Insgesamt lässt sich aus der, dem Insolvenzverwalter seit Januar 2014 bekannten Aktenvernichtung (s. Schreiben vom 15.01.2014, Anlage A 23) nicht ableiten, die Beklagte werde im August 2015 oder nun im Februar 2017 ihr Privatvermögen dem Zugriff der Gläubiger entziehen.
Soweit die Beklagte im hiesigen Verfahren Gewinnverwendungsbeschlüsse vorlegt, die sich, wie der Kläger behauptet, zunächst weder bei den Geschäftsunterlagen befanden noch vom Steuerberater herausgegeben wurden, erschließt sich nicht, weshalb sich daraus ein Arrestgrund ergeben solle.
1.2.2.6. Soweit der Arrestkläger im Schriftsatz vom 08.02.2017 (S. 3, Bl. 132 d. A.) auf Rechtsprechung verweist, wonach gesellschaftsrechtliche Verflechtungen ins Ausland einen Arrestgrund darstellen können oder ein Arrestgrund vorliegt, wenn bei einem Prozess gegen ein konzernangehöriges Unternehmen die Konzernspitze sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, ist dies unbehelflich. Welchen Bezug diese Entscheidungen zum vorliegenden Fall haben sollen, erschließt sich nicht.
1.3. Ob die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO gewahrt ist, kann dahingestellt bleiben.
2. Die Kostenentscheidung folgt auch § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 6, Nr. 10, § 713 ZPO.
Sodann verkündet der Vorsitzende folgenden
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 185.320,10 € festgesetzt.
Ende der Verhandlung: 12:56 Uhr.
Das Protokoll wurde mittels PC erstellt.