Handels- und Gesellschaftsrecht

Durchgriffshaftung eines Komplementär Gesellschaftersgeschäftsführers für eine KG

Aktenzeichen  2 HK O 3068/18

Datum:
5.4.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 60124
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GmbH § 43 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Der Geschäftsführer einer Komplementär GmbH schuldet der KG die Führung der Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Die KG ist in den Schutzbereich von § 43 GmbH-Gesetz einbezogen und kann aus einer sorgfaltswidrigen Führung der Geschäfte mittelbar über ihre Komplementär-GmbH den Schaden direkt geltend machen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 860.859,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit 31.05.2018 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 11.052,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit 05.10.2018 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweiligen vollstreckten Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 860.963,94 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage erweist sich aus § 43 Absatz 1, Abs. 2 GmbH-Gesetz in Verbindung mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für die Durchgriffshaftung eines Komplementär Gesellschaftersgeschäftsführers für die KG als begründet
Nach § 43 Abs. 2 GmbHG haften Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, gegenüber der GmbH. Die Haftung resultiert aus der organschaftsrechtlichen Sonderbeziehung des Geschäftsführers zur GmbH und ist vom Bestand eines gesonderten Anstellungsvertrags unabhängig. Bei der GmbH & Co KG ist die KG in den Schutzbereich des Organschaftsverhältnisses einbezogen, jedenfalls wenn die einzige oder wesentliche Aufgabe der GmbH die Komplementärstellung der KG ausmacht. In diesem Fall kann die KG hat die KG einen eigenen Anspruch gegen den pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG – BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11 -, BGHZ 197, 304-316, Rn. 14-19. So liegt es hier aufgrund der unbestritten vorgetragenen Tatsachen zur Stellung des Beklagten innerhalb der GmbH und deren Funktion im Verhältnis zur Klägerin.
1. Der Geschäftsführer einer Komplementär GmbH schuldet der KG die Führung der Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Die KG ist in den Schutzbereich von § 43 GmbH-Gesetz einbezogen und kann aus einer sorgfaltswidrigen Führung der Geschäfte mittelbar über ihre Komplementär-GmbH den Schaden direkt geltend machen.
2. Der Beklagte hat die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsführers massiv verletzt und haftet der Klägerin deshalb auf Ersatz des hierdurch verursachten Schadens:
Die Versuche des Beklagten sich zu entlasten, sind ungeeignet die Haftung von § 43 GmbH-Gesetz in Wegfall zu bringen, da ein Geschäftsführer eine interne Organisationsstruktur seiner Gesellschaft schaffen muss, die die Rechtmäßigkeit und Legalität des Handelns auch ihm unterstellter Personen gewährleistet. So ist ein geschlossenes System an Überwachung einzuführen um zu vermeiden, dass sich – wie hier – ein Mitarbeiter über längere Zeiträume über jegliche Vorgaben der Gesellschaft auch im strafrechtlichen Sinne hinwegsetzt.
Der Geschäftsführer kann sich auch nicht auf Personalmangel berufen, da er gehalten ist, entsprechende Compliance-Vorgaben umzusetzen, die zwischenzeitlich in jedem Handbuch für Geschäftsführer nachgelesen werden können.
Ggf ist entsprechendes Personal einzustellen, wenn er selbst aus Zeitmangel oder ähnlichen nicht in der Lage ist, die Überwachung selbst vorzunehmen.
So hat es der Beklagte verabsäumt, die relativ leicht zu durchschauenden und feststellbaren Handlungen von Herrn … insbesondere die Manipulation der entsprechenden Versandadressen, die händische Rechnungsregulierung und auch dessen sicher auffälliges Gesamtverhalten entsprechend zu würdigen und stichprobenartig Vorgänge nachzuprüfen, wie dies dem Zeugen … jederzeit möglich gewesen ist, nachdem er die entsprechenden Dokumente eingesehen hatte. Besonders hätte der Beklagte sensibilisiert sein müssen, nachdem bereits ein Beiratsbeschluss vom 07.04.2006 die entsprechenden Handlungsmaximen zur Vermeidung von Forderungsausfällen fixiert hatte. Hierauf hat er offenkundig nicht reagiert, was zu einem massiven Schaden geführt hat.
3. Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden ist. Die Insolvenzfälle bzw. die Einstellung des Geschäftsbetriebs der begünstigten Firmen ist erwiesen bzw. offenkundig. Der Zeuge … hat auch in gut nachvollziehbarer Weise sein Vorgehen bei der Auswertung der Vorgänge dargelegt und genau erläutert, wie er zu der Gesamtschadenssumme gelangt ist. Er hat jeweils individuell und im Einzelfall die entsprechenden Buchungsvorgänge untersucht und in der entsprechenden Excel-Tabelle die jeweils begünstigten Firmen mit deren Forderungen die Klägerin in welcher Höhe ausgefallen ist, entsprechend niedergelegt.
Die Klage erweist sich deshalb in beantragter Höhe als begründet.
Kosten: § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, vorläufige Vollstreckbarkeit § 709 ZPO und Streitwert § 3 ZPO.

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