Handels- und Gesellschaftsrecht

Hinweis- und Beratungspflichten des privaten Krankheitskostenversicherers bei Kündigung wegen Eintritts gesetzlicher Krankenversicherungspflicht

Aktenzeichen  1 C 1736/14

Datum:
29.6.2016
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG VVG § 6 Abs. 4, § 205 Abs. 2
BGB BGB § 242

 

Leitsatz

1. Kündigt der Versicherungsnehmer einer privaten Krankheitskostenversicherung das Versicherungsverhältnis und weist er darauf hin, nunmehr gesetzlich krankenversichert zu sein, genügt der Hinweis des Versicherers „Bei Versicherungspflicht besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht. Ein entsprechender Nachweis ist spätestens zwei Monate nach Zugang der Kündigung nachzureichen.“ nicht den Anforderungen an eine Aufforderung in Textform iSv § 205 Abs. 2 S. 2 VVG (vgl. insoweit zum Anschlussversicherungsnachweis gemäß § 205 Abs. 6 VVG auch OLG Hamm BeckRS 2016, 03330 Rn. 23). (redaktioneller Leitsatz)
2. Genügt ein Hinweis iSv § 205 Abs. 2 S. 2 VVG nicht den gesetzlichen Anforderungen, ist die Kündigung des Versicherungsnehmers auch ohne Nachweis der Versicherungspflicht wirksam. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die (außerordentliche) Kündigung gemäß § 205 Abs. 2 S. 1 VVG erfordert keinen Hinweis des Versicherungsnehmers auf das Bestehen einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht. (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Versicherer verletzt seine Beratungspflicht während der Dauer des Versicherungsverhältnisses gemäß § 6 Abs. 4 VVG, wenn er eine Kündigung des Versicherungsnehmers, mit der dieser auf seine Zahlungsunfähigkeit hinweist und um “Optionen für eine Folgeversicherung zur Minimierung des Schadens” bittet, nicht zum Anlass nimmt, den Sachverhalt näher aufzuklären.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.314,88 €.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache nicht begründet. Die Klage ist wegen wirksamer Kündigung abzuweisen. Der Beklagte hat wirksam gekündigt. Die Klägerin hat die gesetzlich gebotene Aufforderung des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG unterlassen.
1. Insolvenzrechtliches
Der streitgegenständliche Fall folgt in Teilen der vom OLG Frankfurt aufgezeigten Konstellation, in der die Mitgliedschaft des dortigen Beklagten als Versicherungsnehmer und Gemeinschuldner in der privaten Krankenversicherung wegen Prämienrückständen ruht, während parallel hierzu eine Pflichtmitgliedschaft des Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet wurde, so dass eine Doppelversicherung vorliegt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 28.5.2013, Az. 12 W 68/12 unter Hinweis auf LG Dortmund, 19. Januar 2012, Az. 2 O 449/10, RuS 2012, 248).
Das OLG Frankfurt geht im dortigen Sachverhalt jedoch von einer fehlenden Kündigung aus („ungekündigt“). Der streitgegenständliche Fall zeichnet sich dadurch aus, dass der Beklagte in mehreren Schreiben an die Klägerin ab 2009 Kündigungen erklärte bzw. auf seine Kündigungen Bezug nahm, was für jedes neue Schreiben als neuerliche Kündigung auszulegen ist.
Grundsätzlich unter rein insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet könnte die Klägerin vom Beklagten, der vom 07.01.2011 bis ca. zum 23.12.2014 ein Insolvenzverfahren durchlief,, Zahlung der streitgegenständlichen Versicherungsbeiträge für die Jahre 2011 bis 2014 wie streitgegenständlich beantragt verlangen, weil insoweit insolvenzrechtlich betrachtet streitgegenständlich Neuverbindlichkeiten bzw. -forderungen vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2014 NJW-RR 2014, 683). Diese Frage wird in der Entscheidung des OLG Frankfurt (a. a. O.) nur angesprochen, scheint aber durch das Urteil des BGH nachvollziehbar geklärt. Das Urteil des BGH wird von der Versicherungswirtschaft immer wieder auch für Altverbindlichkeiten zu Unrecht angeführt. Dieser Fall ist hier nicht gegeben.
2. Schriftwechsel zwischen den Parteien und Gesetzeslage
Trotz der aufgezeigten rechtlichen Rahmenbedingungen, welchen sich das Gericht grundsätzlich anschließt, kann die Klägerin im streitgegenständlichen Fall weder die Hauptforderung noch die Nebenforderungen bezahlt verlangen. Denn der Beklagte hat den privaten Krankenversicherungsvertrag mit Schreiben vom 17.08.2009, 08.12.2009 und 10.02.2014 gekündigt. Die Klägerin hat den Beklagten in keinem ihrer jeweils nachfolgenden Schreiben im Sinne des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG aufgefordert, den Eintritt der Versicherungspflicht binnen 2 Monaten nachzuweisen, wobei alle Schreiben der Klägerin den Beklagten erreicht haben. Nicht Zugangsfragen sind streitig. Vielmehr genügt keines der Schreiben der Klägerin den inhaltlichen Anforderungen, die das Gesetz an ein solches Schreiben stellt. Dies hat zur Rechtsfolge, dass entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 205 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz VVG die Kündigungserklärungen des Beklagten nicht unwirksam wurden. Daher sind sie wirksam. Die Klägerin war auch nicht berechtigt, die Kündigungen zurückzuweisen.
Die Klägerin hatte streitgegenständlich spätestens am 15.12.2009 Kenntnis davon, dass der Beklagte den streitgegenständlichen Krankenversicherungsvertrag – auch – mit der Begründung zu beenden versucht, es liege eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor. Dies ergibt sich eindeutig und aussagekräftig aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K4, in welcher sie die Zurückweisung der Kündigung vom 17.08.2009 (Anlage K2) nochmals zu rechtfertigen bzw. begründen versucht, sie jedenfalls hierauf Bezug nimmt. Sie übersandte dem Beklagten sogar nochmals eine Abschrift dieses Schreibens ( Anlage K2).
Sodann führt die Klägerin im Schreiben vom 15.12.2009 (Anlage K4) aus, es sei ihr bislang nicht bekannt gewesen, dass der Beklagte seit 13.07.2009 gesetzlich krankenversichert sei. Sodann folgt der wörtliche Hinweis „Bei Versicherungspflicht besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht. Ein entsprechender Nachweis ist spätestens zwei Monate nach Zugang der Kündigung nachzureichen“. Sodann führt die Klägerin aus, dass diese Frist zwischenzeitlich verstrichen sei, sie aber „entgegenkommend“ bereit sei, die Versicherung noch rückwirkend zum 13.07.2009 zu beenden, wenn der Beklagte der Klägerin bis zum 15.01.2010 die Versicherungspflicht nachweise.
Sämtliche Ausführungen der Klägerin in diesem Schreiben sind rechtlich unrichtig, geeignet, den Beklagten als Versicherungsnehmer irrezuführen, genügen nicht der Beratungspflicht, die der Klägerin aufgrund der ihr unstreitig zugegangenen Schreiben obliegt und genügten nicht der ab 01.01.2009 gesetzlich normierten Pflicht zur Aufforderung des Versicherungsnehmers, die Versicherungspflicht nachzuweisen.
a) Unstreitig bestand zwischen den Parteien seit dem 14.07.1997 ein privater Krankenversicherungsvertrag mit Versicherungsschutz ab dem 01.08.1997.
b) Unstreitig befand sich der Beklagte bereits lange vor der Zeit, in welche die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind, nämlich bereits seit dem 13.07.2009 in einem sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsverhältnis. Die Vorlage der Bescheinigung über Mitgliedszeiten der IKK … Anlage B (zu Bl. 27 d. A.) durch den Beklagten vom 26.11.2013 hat die Klägerin schließlich dazu bewogen mit Schreiben vom 18.02.2014 die Vertragsaufhebung zum 01.03.2014 zu bestätigen. Dieses Schreiben weist als Beginn der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung den 13.07.2009 aus.
c) Unstreitig hat der Beklagte der Klägerin den Bestand dieses neuen anderweitigen Arbeitsverhältnisses für die Laufzeit der streitgegenständlichen Forderungen nicht zeitnah nachgewiesen, § 138 Abs. 3 ZPO. Streitig ist zwischen den Parteien somit nicht die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Beklagten sondern Fragen des Nachweises im Sinne des damals neu geregelten § 205 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz VVG.
d) Die Kündigung eines privaten Krankenversicherungsvertrages wegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sind nunmehr in den Vorschriften der § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG geregelt, welche zeitlich vorangehend teilweise (§ 205 Abs. 2 S. 1 VVG nF) (mit inhaltlicher Änderung) in § 178h Abs. 2 S. 1 VVG aF geregelt waren.
Seit dem 01.01.2009 gilt gemäß § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG:
„Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig, kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen.“
Diese gesetzliche Regelung musste der Klägerin als namhaftes Versicherungsunternehmen seit dem 23. 11. 2007 (BGBl. I S. 2631) mit der Bekanntmachung des Gesetzes bekannt sein. Die Klägerin hatte somit mehr als 1 Jahr Zeit, ihren Geschäftsbetrieb auf die neue gesetzliche Regelung einzustellen.
Als inhaltliche Neuregelung präsentierte sich dem Rechtsverkehr – somit der in Versicherungsfragen gewandten Klägerin wie auch dem geschäftlich wenig gewandten Beklagten – die Regelung des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG. Danach gilt ab dem 01.01.2009:
„Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten.
Auch diese Regelung war der Klägerin ca. ab dem 23.11.2007 bekannt (Fettdruck durch das Gericht).
3. Auslegung und Würdigung des Schriftwechsels der Parteien
Aus mehreren Schreiben der Klägerin wie auch in Gesamtwürdigung des Sachvortrages beider Parteien und der Anlagen ergibt sich, dass der Beklagte die Klägerin mehrfach auf seine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hingewiesen hat. Sogar ein Landkreis hat die Klägerin nochmals darauf hingewiesen.
Aus den Schreiben der Klägerin ergibt sich demgegenüber, dass diese die Kündigungen des Beklagten mehrfach zurückgewiesen hat.
Eine erste Zurückweisung erfolgte mit Schreiben vom 24.08.2009, also zeitnah und innerhalb der 2- bzw. 3 Monatsfristen des § 205 VVG, mit der Begründung, das Versicherungsverhältnis könne nur zum 01.08. eines jeden Jahres gekündigt werden. Auch wenn das Versicherungsjahr zum 01.08. endet, erscheint die Antwort der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten gleichwohl falsch und tatsächlich wie rechtlich irreführend. Die Klägerin hätte das Ende der Versicherung zum 01.08. des Folgejahres entweder bestätigen müssen oder sie hätte fürsorglich – wie geschehen – auf die möglichen Komplikation hinsichtlich des Versicherungsschutzes bei kurzfristiger Erkrankung hinweisen müssen und die Entschließung ihres Versicherungsnehmers einholen müssen. In keinem Falle konnte sie die Kündigung jedoch so wie geschehen zurückweisen. In jedem Falle hätte die Klägerin für die Bestätigung wie für eine Nachfrage wie verfahren werden soll, bereits zu diesem Zeitpunkt darauf hinweisen müssen, dass der Beklagte eine Bescheinigung eines privaten Nachversicherers benötige oder die Bescheinigung gesetzlich pflichtversichert zu sein. Bei diesem Ablauf wäre gerade aus Sicht der Klägerin sehr viel Zeit gewesen, dass es ihr Versicherungsnehmer schaffen kann, den Vertrag wunschgemäß wirksam und unter Vorlage der notwendigen Unterlagen zu beenden. Auch nach Erteilung der gerichtlichen Hinweise zur Hinweis- und Beratungspflicht zeigte sich die Klägerin uneinsichtig und ist der Ansicht, sie müsse überhaupt keine Hinweise erteilen. Dies widerspricht § 6 VVG. Die Klägerin wurde streitgegenständlich auf § 6 VVG Abs. 4 und 5 VVG hingewiesen, welcher lautet: „Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. …
(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet“
Diese Pflicht hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren mehrfach zum Nachteil des Beklagten verletzt.
Daher kann das Gericht die Rechtsansicht der Klägerin zur Zurückweisung der Kündigung in den Schreiben vom 17.08.2009 und 08.12.2009 nicht teilen. Die Antwort, die die Klägerin mit Schreiben vom 15.12.2009 erteilt hat, erscheint als rechtlich falsch, weil sie jedenfalls für das Schreiben vom 08.12.2009, in welchem der Beklagte ausdrücklich auf seine Versicherung bei der … IKK hinweist, nicht das Wesentliche an der unter Ziffer 2 aufgezeigten Rechtslage hervorhebt. Die Antwort der Klägerin ist deshalb in rechtlicher Hinsicht irreführend. In tatsächlicher Hinsicht muss es auch dem einfachsten Sachbearbeiter der Klägerin bekannt sein, dass es eine gesetzliche Pflichtversicherung namens … IKK gibt. Auch dem einfachsten Mitarbeiter erschließt sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 08.12.2009, dass der Beklagte davon ausgeht, neu bei der Klägerin unter der von ihm mitgeteilten neuen Versicherungsnummer versichert zu sein und dass er deshalb die alte Versicherung kündigt bzw. sie aufgehoben werden soll. Dies ergibt die Auslegung. Diese muss sich die Klägerin gemäß §§ 133, 157, 166 BGB zurechnen lassen. Wenn die Klägerin ihr Personal so wenig schult, dass es nicht in der Lage ist, Schlüsse aus einfachen Lebensäußerungen von Versicherungsnehmern zu ziehen, kann dies die Klägerin nicht entlasten. Haben die Mitarbeiter hingegen zu wenig Zeit zur Bearbeitung oder Vorgaben hinsichtlich des Vorgehens bestünde ein Anscheinsbeweis für ein Organisationsverschulden. Die Klägerin hat auch auf die mehrfachen richterlichen Hinweise, warum der Beklagte weder durch sie noch durch die Filialdirektion beraten bzw. kontaktiert wurde, keinen Grund hierfür vorgetragen. Das Schreiben vom 08.12.2009, aber auch bereits das erste Schreiben des Beklagten vom 17.08.2009 hätte Anlass für eine Beratung des Beklagten geboten.
Die Klägerin wäre nach der Reform des VVG verpflichtet gewesen, ihre Mitarbeiter fach- und sachgerecht im Hinblick auf die neue Rechtslage zu schulen, in Schreiben auf das Wesentliche hinzuweisen und nicht Unwesentliches unnötig hervorzuheben. Denn das grundsätzliche Problem der Beendigung einer privaten Krankenversicherung bei Eintritt gesetzlicher Sozialversicherungspflicht besteht schon seit vielen Jahren und ist der Klägerin bestens bekannt, es war ausdrücklich Gegenstand der Gesetzesänderung. Hingegen darf beim einzelnen Versicherungsnehmer nahezu keine sachgerechte Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften und ihrer Würdigung und Handhabung bei Vertragsbeendigung vorausgesetzt werden. Dies hat den Gesetzgeber offenbar dazu bewogen, ab dem 01.01.2009 die Aufforderungspflicht gesetzlich zu verankern.
Die Klägerin hat diese Pflicht verletzt, indem sie vorrangig auf irreführende vertragliche Zusammenhänge hingewiesen hat, etwa im Schreiben 24. 08. 2009, die Kündigung zurückgewiesen hat und das Schreiben des Beklagten vom 17.08.2009 nicht zum Anlass genommen hat, den Sachverhalt näher aufzuklären. Das Gericht sieht aufgrund der vom Beklagten ausdrücklich erbetenen „Optionen für eine Folgeversicherung zur Minimierung des Schadens“ ausdrücklich eine Beratungs- und Hinweisobliegenheit/pflicht der Klägerin, die diese verletzt hat, indem weder sie den Beklagten in der Folge beraten hat noch sie der Regionaldirektion oder einer anderen Untergliederung im Versicherungsaußendienst einen Auftrag erteilt hat, den Beklagten aufzusuchen oder anzuschreiben. Die Klägerin räumt insoweit nach richterlichem Hinweis ein, dass dies unterblieben ist. Gründe werden hierfür nicht genannt. Sie liegen offensichtlich nicht in einer Unerreichbarkeit des Beklagten wegen Umzugs. Dies trägt keine der Parteien für diese Zeit vor. Vielmehr wäre der Beklagte in dieser Zeit in der Charlottenstraße 35 in Berlin postalisch erreichbar gewesen. Diese Adresse gibt auch das Insolvenzgericht am 07.01.2011 in der Anlage K10 noch an.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin keinen sachdienlichen Kontakt nach dem 17.08.2009 zum Beklagten aufgenommen hat. Das Schreiben vom 24.08.2009 erachtet das Gericht sowohl als unzureichend, irreführend und rechtlich falsch.
In rechtlicher Hinsicht erfüllt dieses Schreiben die in § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG normierte „Aufforderung in Textform“ zur Vorlage eines Nachweises der Versicherungspflicht nicht. Das Schreiben der Klägerin (Anlage K2 Seite 2, 3. Absatz) ist sprachlich nicht darauf ausgerichtet, einen Versicherungsnehmer zur Vorlage eines Nachweises „aufzufordern“. Der Wortlaut mag einen allgemein gehaltenen Hinweis auf die Rechtslage beinhalten. Für nicht geschulte und der Rechtslage unkundige Versicherungsnehmer ist er jedoch auch unter Berücksichtigung der vorangehenden irreführenden und bezogen auf die gewünschte Beendigung des Vertrages unmaßgeblichen Ausführungen nichtssagend.
Im Schreiben vom 24.08.2009 ist die Rede davon, ein Nachweis sei „einzureichen“, im Schreiben vom 15.12.2009 schreibt die Klägerin „nachzureichen“. Auf den Umstand, dass das Gesetz die zeitgerechte Vorlage eines Nachweises vorschreibt, weist die Klägerin nicht aussagekräftig hin.
Das Schreiben vom 24.08.2009 beinhaltet daher nicht die seit 01.01.2009 gesetzlich normierte Aufforderung. Die Klägerin mag hierzu nicht einwenden – wie mit Schreiben vom 15.12.2009 dem Beklagten sodann tatsächlich mitgeteilt (Anlage K4) – sie habe von der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Beklagten nichts gewusst. In Bezug auf die Geschäfte der Klägerin stellt der Wechsel privat Versicherter zur gesetzlichen Pflichtversicherung (und umgekehrt) einen solch häufigen Vorgang dar, dass erwartet werden kann, dass die Klägerin in der Lage ist, solche Sachverhalte ausreichend verständlich abzufragen oder allgemeinverständlich die Rechtslage hierzu so darzustellen, dass auch ein rechtlich nicht versierter Versicherungsnehmer zweckentsprechende Schlüsse ziehen und Handlungen unternehmen kann. Dabei steht es der Klägerin frei, ob sie ihrer Post verschiedene Merkblätter oder Broschüren beifügt oder gängige Fälle verständlich im Fließtext ausführt oder wichtige Aufforderungen in der Textgestaltung hervorhebt oder sie die Fälle im Einzelfall verständlich abfragt. Dies ist streitgegenständlich somit nicht nur mit dem Schreiben vom 24.08.2009 (Anlage K2) sondern auch noch mit dem Schreiben vom 15.12.2009 (Anlage K4) unterblieben. Auch hier formuliert die Klägerin lediglich „Ein entsprechender Nachweis ist spätestens zwei Monate nach Zugang der Kündigung nachzureichen.“ Schon dieser Hinweis enthält sprachlich betrachtet keine Aufforderung im Sinne des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG sondern nur einen sehr kurz gehaltenen Hinweis auf die Rechtslage. Im Zusammenhang mit der unberechtigt erscheinenden Zurückweisung der Kündigung, die sinngemäß auch mit Schreiben vom 15.12.2009 wiederholt wird, und den unsachgemäß erscheinenden Hinweisen auf die verstrichene Frist und dass man „entgegenkommend bereit“ sei, erfüllt die Klägerin auch mit diesem Schreiben nicht ihre gesetzlich normierte Aufforderungspflicht. Eine Aufforderung im Sinne des § 205 Abs. 2 Satz 2 muss aus sich heraus ihrer nächstliegenden Bedeutung gemäß verständlich und nachvollziehbar sein (vergleichbar der Auslegung von WEG-Beschlüssen). Unsachgemäße Verknüpfungen rechtlich und tatsächlich nicht zusammenhängender Dinge beseitigen jedweden eventuellen Aufforderungscharakter im Sinne des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG.
Somit war die Klägerin auch mit Schreiben vom 15.12.2009 nicht in der Lage, dem Beklagten die gesetzlich normierte Aufforderung zukommen zu lassen oder ihn in irgendeine taugliche und verständliche Richtung ob seiner alltäglichen Situation zu beraten. Die Filialdirektion hat auch nach diesem Schreiben unstreitig keinen Kontakt zum Beklagten aufgenommen. Darüber hinaus wusste die Klägerin seit dem Zugang der Anlage K1, also seit August 2009 von der Zahlungsunfähigkeit des Beklagten.
In rechtlicher Hinsicht ist weiter ausdrücklich auszuführen, dass das Schreiben der Klägerin vom 15.12.2009 rechtlich falsche Schlüsse zog, nämlich dass die Drei-Monatsfrist zwischenzeitlich verstrichen sei. Denn der Beklagte hatte das Versicherungsverhältnis unstreitig bereits mit dem Schreiben vom 24.08.2009 (Anlage K2) gekündigt. Das Gesetz erfordert nicht, dass die versicherte Person auf den Eintritt der Pflichtversicherung Bezug nimmt. Eine solche Rechtsansicht lässt sich dem Gesetzeswortlaut des § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG nicht entnehmen. Die Bedingung, dass der Beklagte kraft Gesetzes krankenversicherungspflichtig beschäftigt war, lag hingegen vor und ist im Rechtsstreit für den maßgeblichen Zeitraum unstreitig.
Es kommt somit nicht auf eine Kenntnis der Versicherung hinsichtlich der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit des Beklagten an oder auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers oder eines Beschäftigten der Versicherung, was man mitgeteilt, gewusst oder nicht gewusst hat. Es kommt allein auf die Voraussetzungen des § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG an.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen löst die Rechtsfolge des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG aus.
Das Gericht ist daher der Ansicht, dass bereits die erste Kündigung vom 17.08.2009 den privaten Krankenversicherungsvertrag wirksam beendet hat. Denn unstreitig ging dieses Schreiben der Klägerin zu. Es enthielt eine Kündigung, die sich aus dem Betreff des Schreibens wie auch seinem Inhalt ergab. Diese Kündigung wurde nicht unwirksam gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG, denn die Klägerin forderte den Beklagten nicht auf, den Eintritt der Versicherungspflicht nachzuweisen.
Für den Fall dass in dem sehr allgemein gehaltenen Hinweis der Klägerin eine Aufforderung im Sinne des § 205 VVG gesehen werden sollte, liegt der letzte Halbsatz des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG vor. Angesichts der konfusen, rechtlich falschen und irreführenden Antwort der Klägerin, die einseitig auf Vertragserhalt ausgerichtet war, hat der Beklagte als Versicherungsnehmer die Versäumung der Frist nicht zu vertreten. Auch bei dieser Würdigung ist die Kündigung daher nicht unwirksam geworden, § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG.
Demgegenüber beruft sich der Beklagte richtigerweise auch darauf, eine verfristete Kündigung müsse in eine fristgerechte umgedeutet werden. Auch diesbezüglich sind an die Verhaltenspflichten der Klägerin als Krankenversicherer besondere Anforderungen zu stellen aufgrund der gesetzlich normierten Beratungs- und Aufforderungspflichten gemäß §§ 6, 215 VVG.
Alle Hinweise der Klägerin auf die Notwendigkeit eines Nachweises über die sozialversicherungspflichtige Arbeit fielen sprachlich wie auch von der äußeren Gestaltung her sehr unauffällig aus. Das Gericht erachtet diese als nicht ausreichend. Damit ist die Klägerin weder ihrer Pflicht zur Aufforderung nachgekommen noch ihrer Pflicht zur Beratung, § 3 VVG. Der Beklagte beruft sich darauf, dass sich hieraus eine Treuwidrigkeit ergebe, wenn die Klägerin die Beiträge noch geltend mache. Auch dieser Schluss ist gerechtfertigt angesichts der wenig aussagekräftigen Ausführungen der Klägerin. Nicht der Beginn der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung führt automatisch zur Beendigung einer privaten Krankenversicherung, sondern gemäß 205 VVG erst der fristgemäße Nachweis der anderweitigen gesetzlichen Versicherungspflicht. Dies wusste die Klägerin als erfahrener Krankenversicherer selbst sehr genau. Gleichwohl fielen die Hinweise der Mitarbeiter in den Schreiben sehr versteckt und für einen Laien wenig verständlich aus.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Kommentarliteratur ausführt, wird der Nachweis verspätet im Sinne von § 205 VVG erbracht, entfällt die ursprünglich gesetzlich vorgesehene Rückwirkung für die Vorlage des Nachweises (vgl. hierzu Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz (VVG), 29. Auflage 2015, Rn. 15). Jedoch setzt das Erbringen der Pflicht eines Nachweises voraus, dass die Klägerin den Beklagten zur Vorlage auffordert. Dies ist unterblieben, weshalb auch die Nichtvorlage nicht die aufgezeigten Wirkungen zeitigen kann.
4. Offenkundige Verwechslung der Unternehmen durch den Beklagten
Der Anspruch ist in der Hauptsache aber auch wegen Treuwidrigkeit ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat durch die Ausgestaltung des § 205 VVG eine eindeutige Vorgabe hinsichtlich des Vorgehens bei Eintritt einer gesetzlichen Versicherungspflicht gemacht und eine Doppelversicherung in Kauf genommen (Prölss/Martin a. a. O. Rn. 21). Diese gesetzliche Regelung gilt auch für sozial schwache, leseunkundige Personen oder Versicherungsnehmer, die die Organisation ihres Privatlebens in die Hände Anderer legen und die häufig umziehen, wie der Beklagte für die fragliche Zeit geltend macht. Zwar hätte es dem Beklagten normalerweise oblegen, sich mit mehr Durchsetzungsvermögen um die Beendigung einer von ihm ebenso als Doppelversicherung empfundenen Versicherung kümmern müssen, wenn ihm Vollstreckungsbescheide zugestellt werden, wobei der Beklagte deren Erhalt gänzlich bestreitet, was im streitgegenständlichen Verfahren nicht zu klären ist. So kann der Beklagte glaubhaft ausführen, für ihn sei die Vertragsverbindung schon längst erledigt gewesen. In Korrelation zu den Pflichten der Versicherungsnehmer ist die Klägerin nach dem Gesetz aber auch verpflichtet, den Anforderungen an ein Handeln eines ordentlichen Kaufmannes zu genügen und nicht nur ihre geschäftlichen Interessen, die auf Vertragserhalt gerichtet sind, einseitig zu verfolgen, zu „lenken“ und im Auge zu behalten.
Bei der Treuwidrigkeit steht im Vordergrund, dass es von der Klägerin treuwidrig und rechtsmissbräuchlich ist, den offenkundigen Irrtum des Beklagten, er sei nun auch bei der Klägerin („in Ihrem Unternehmen – … IKK –“) pflichtversichert und „Unterlagen müssten nur überarbeitet werden“ sehenden Auges auszunutzen und immer nur lapidar auf die Nachreichung von Unterlagen hinzuweisen, ein Verhalten, welches die Klägerin sogar noch mit ihrem Schreiben vom 01.10.2012 fortsetzte, nachdem die Klägerin aus vertrauenswürdiger Quelle über die Pflichtversicherung informiert wurde. Auch in diesem Schreiben schreibt die Klägerin wiederum nichtssagend, dass „wir für die Beendigung noch einen Nachweis der gesetzlichen Krankenversicherung über die Versicherungspflicht benötigen.“ Sehenden Auges überliest die Klägerin den Hinweis auf die gesetzliche Krankenversicherung „IKK“ und belässt ihren Versicherungsnehmer wiederum in seinem Irrtum.
Wiederum unterlässt sie aber auch den Hinweis, dass der Nachweis gesetzlich normiert ist. Wiederum fehlt es an der notwendigen „Aufforderung“ nach dem Gesetz, 3 Jahre nachdem dieses die Aufforderung einführte.
Da auch die Klägerin die Möglichkeiten des Gesetzes nicht auszuschöpfen vermochte, ist es treuwidrig, wenn Sie sich auf fehlende Unterlagen des Beklagten beruft angesichts der streitgegenständlich aufgezeigten Sachlage, § 242 BGB.
Weiter ist es treuwidrig von der Klägerin sich auf den fehlenden Nachweis zu berufen, wenn es ihr leicht einsichtig ist, dass der Beklagte davon ausgeht, bei ihr selbst („… IKK“) pflichtversichert zu sein. Diese Verwechslungsgefahr geht zulasten der Klägerin und nicht des Beklagten. Die Klägerin hat nie etwas dazu getan, das offenkundige Missverständnis des Beklagten auszuräumen.
Auf weitere Gesichtspunkte wie Verjährung bzw. Verwirkung bzw. Nichterfüllung von Beratungspflichten durch die Klägerin aufgrund ihr obliegender gesetzlicher Hinweispflichten kommt es daher nicht mehr an.
5. Im Übrigen ergibt sich die Unbegründetheit der Klage aus den umfangreichen rechtlichen Hinweisen, die das Gericht gemäß § 139 ZPO erteilt hat und auf welche ergänzend verwiesen wird.
Deshalb ist die Klage insgesamt auch wegen der Nebenforderungen abzuweisen.
Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 709 Satz 1 ZPO
Streitwert: § 48 GKG, § 3 ZPO

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel