Aktenzeichen 27 C 7174/19
Leitsatz
Der Inhaber einer durch ein Kfz beschädigten Tankstelle hat keinen Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten, wenn die Tankstelle durch den Betriebsvorgang eines Kfz beschädigt wurde und die Haftung nicht im Streit war. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 347,60 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist bereits dem Grunde nach unbegründet, weil die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten im vorliegenden Fall weder Teil der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwendungen im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist noch sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters im Schuldnerverzug nach §§ 286 ff. BGB befand.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen im – dem Grunde nach vorliegend unstreitigen – Haftpflichtfall grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile BGHZ 127, 348, 350 ff. und vom 1. Oktober 1968 – VI ZR 159/67 – VersR 1968, 1145, 1147; BGHZ 39, 73, 74 und Urteil vom 23. Oktober 2003 – IX ZR 249/02 – VersR 2004, 869, 871, jeweils m.w.N.) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
1. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen einfach gelagerten Schädigungsvorgang handelt, bei dem der Preismast der Klägerin am 24.06.2019 durch einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten LKW mit dem amtlichen Kennzeichen fahrlässig beschädigt wurde (§ 823 Abs. 1 BGB). Die alleinige Haftung des Schädigers und damit der Beklagten als Kfz-Haftpfilichtversicherer stand dem Grunde nach nie im Streit.
Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um einen eingetragenen Kaufmann und somit um eine Rechtspersönlichkeit handelt, kann erwartet werden, dass sie einfache Haftpflichtschäden selbst abzuwickeln vermag, also über die erforderliche Gewandtheit im Rechtsverkehr in diesen Angelegenheiten verfügt. Die Klägerin betreibt aktuell gemäß ihrem Internetauftritt mehr als 15 Tankstellen im Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen-Ansbach. Ihr Inhaber führt die Berufsbezeichnung eines Diplom-Kaufmanns. Die Beschädigung von Tankstelleneinrichtungsgegenständen durch Dritte bzw. durch Benutzer ist nach allgemeiner Lebenserfahrung keine seltene Ausnahmeerscheinung im Rahmen des üblichen Tankstellenbetriebs, sodass die Abwicklung von Schadenshaftpflichtfällen insofern durchaus zum erwarteten Geschäftsbetrieb der Klägerin zu rechnen ist.
Es kann zwar nicht erwartet werden, dass die Klägerin bzw. ihre Mitarbeiter über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, um auch komplexe Vorfälle ohne anwaltliche Unterstützung abzuwickeln, aber in einfach gelagerten Fällen ist es der Klägerin zumutbar, dies ohne anwaltliche Unterstützung durchzuführen oder zumindest zu beginnen. Sollten sich dann unvorhergesehene Schwierigkeiten – beispielsweise durch (unberechtigte) Einwendungen von Schädigerseite – entwickeln, bestünde erst dann Anlass zur Mandatierung eines Rechtsanwalts.
Wenn von Klägerseite vorgetragen wird, es habe Einwendungen der Beklagten zur Schadenshöhe wegen eines möglichen Abzugsbetrages „neu für alt“ gegeben, so mag dies zutreffen, hätte aber die Beauftragung eines Rechtsanwalts nach hiesiger Überzeugung dennoch nicht erfordert, weil die diesbezügliche Argumentation der Beklagten durch einfache Rechnungsvorlage der zeitnah vor dem Schadensereignis vom 24.06.2019, nämlich am 20.05.2019 durchgeführten Erneuerung des am 11.04.2019 beschädigten Leuchtkastens des Preismasts entkräftet werden konnte.
Somit gelangt das erkennende Gericht zu der Erkenntnis, dass die Beauftragung der Klägervertreter nicht Bestandteil des erforderlichen Schadensbeseitigungsaufwands im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist.
2. Aber auch eine verzugsbedingte Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist hier nicht begründet.
Die Schadensabwicklung gestaltete sich so, dass die Schadensanzeige vom 24.06.2019 am Dienstag, den 25.06.2019 per Mail übersandt wurde, jedoch nicht an die Beklagte, sondern an die …Jyersicherung unter deren Mailadresse HHmH Gleichzeitig wurde diese zur Anerkennung ihrer Eintrittspflicht dem Grunde nach bis spätestens Freitag, den 28.06.2019 aufgefordert (siehe Anlage K 1).
Unstreitig ist diese Eintrittspflicht dem Grunde nach innerhalb der gesetzten Frist nicht erfolgt.
Per Mail vom 10.07.2019 (15:16 Uhr) zeigte sich dann die Kanzlei der Klägervertreter gegenüber der Beklagten an (vgl. Anlage K 2) und forderte Zahlung der Reparaturkosten von 4.343,10 € netto zuzüglich 30,00 € Unkostenpauschale auf das Kanzleikonto.
Erst mit Kostennote vom 22.07.2019 wurde die streitgegenständliche Forderung mit Kostennote vom selben Tag gegen die Beklagte geltend gemacht.
Vorliegend kann nicht einmal festgestellt werden, wann die Beklagte erstmals mit der konkreten Schadensersatzforderung der Klägerin konfrontiert wurde, denn die Mailadressen der Anlagen K 1 und K 2 sind nicht identisch. Die Mailadresse der Beklagten endet auf „…@kHH|.de“. Auch die in den Anlagen bezeichneten Schadensnummern sind nicht identisch.
Zugunsten der Beklagten ist deshalb davon auszugehen, dass sich diese zum Zeitpunkt der Mandatierung der Klägervertreter durch die Klägerin noch gar nicht im Schuldnerverzug befunden hatte (vgl. § 284 Abs. 4 BGB). Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die der Beklagten als Haftpflichtversicherer zuzubilligenden Prüfungs- und Entscheidungsfrist, die in der Regel – je nach Schwierigkeitsgrad – nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vier bis sechs Wochen beträgt (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.05.2019 – 4 W 4/19, juris Rdn. 22; NJW-RR 2017, 697, 698 Rn. 15; Beschluss vom 09.02.2010 – 4 W 26/10 – 3 -, juris Rn. 2; OLG Köln NJW-RR 2012, 861; OLG Frankfurt VersR 2015, 1373; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR 1. Aufl. § 249 BGB Rn. 277; Prütting/Gehrlein/Schneider, ZPO, 8. Aufl., § 93 Rn. 4; Jaspersen/Wache in Vorwerk/Wolf, Beck-OK ZPO § 93 Rn. 34), bereits verstrichen war, bevor die Mandatierung der Klägervertreter durch die Klägerin erfolgte.
Selbst wenn man hier von einem besonders einfach gelagerten Sachverhalt ausgehen sollte, wäre eine angemessene Frist von weniger als zwei Wochen keinesfalls zu vertreten. Aus der Formulierung der Klageschrift Seite 3 2. Absatz ist jedoch zu entnehmen, dass die Regulierung der Schadenersatzforderung sogar noch vor der Mitteilung der Kostennote vom 22.07.2019 und somit weniger als zwei Wochen ab erstmaliger Mitteilung der konkreten Forderungshöhe an die Beklagte am 10.07.2019 erfolgt war. Es ist also von einer sehr schnellen Zahlung seitens der Beklagten auszugehen.
Die Fristsetzung der Beklagten vom 25.06.2019 zum 28.06.2019 war viel zu kurz, um eine Inverzugsetzung der Beklagten zumindest hinsichtlich der Anerkennung der Eintrittspflicht dem Grunde nach begründen zu können – ungeachtet der Tatsache, dass das Mailschreiben vom 25.06.2019 offensichtlich nicht an die Beklagte, sondern an die R+V-Versicherung gerichtet war.
Ob diese Mail an die Beklagte weitergeleitet wurde und wann sie ggf. bei ihr eintraf, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, würde aber am Ergebnis nichts ändern.
Damit ist die Klage bereits dem Grunde nach als unbegründet abzuweisen, was zur Folge hat, dass der Klägerin weder der Zahlungsanspruch in Höhe von 347,60 € noch der Zinsanspruch daraus zuerkannt werden kann. …
Kosten: § 91 ZPO
IV.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11,713 ZPO